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Veolia durstig auf Gelsenwasser

Einstieg der Franzosen bei Deutschlands größtem privaten Wasserversorger eine von einer "guten Handvoll" Möglichkeiten

Deutschlands größter privater Wasserversorger Gelsenwasser hat 2003 Umsatz und Gewinn gesteigert. Der französische Branchenriese Veolia bekundet sein Interesse an einem Einstieg bei der Gesellschaft, die auch an Firmen in Ostdeutschland, Polen, Tschechien und Ungarn beteiligt ist.

VON RAINER JUNG

Gelsenkirchen · 3. März · Fast 19 Prozent mehr Gewinn - bei solchen Zahlen muss sich kein Vorstandschef um seinen Job sorgen. Hartmut Griepentrog bräuchte das sowieso nicht mehr: Der 62-jährige Chef des Gelsenwasser-Konzerns verabschiedet sich. Freiwillig und in der Überzeugung, gut gearbeitet zu haben: "Dieses Unternehmen ist exzellent aufgestellt", sagte Griepentrog, als er am Mittwoch zum letzten Mal die Gelsenwasser-Bilanz präsentierte. Ende Juni scheidet der Ingenieur aus. Schlicht, um Platz für einen Jüngeren zu machen, wie er unterstrich. "Alle Spekulationen, die in andere Richtungen gehen, sind völlig haltlos."

Damit spielte Griepentrog auch auf Gerüchte an, die in letzter Zeit manchen im Ruhrgebiet mehr interessierten als gute Geschäftsergebnisse: Dem Gelsenwasser-Konzern mit gut 1200 Beschäftigten drohe die Aufspaltung. Zerschlagungs-Theoretiker streuten, die Firma könnte in zwei selbständige Unternehmen geteilt werden, eines für das deutsche und eines für das internationale Geschäft. Gelsenwasser wäre danach auf Deutschland als Geschäftsgebiet zurechtgestutzt. Ein heißer Kandidat für eine Übernahme der Auslandsaktivitäten wurde auch schon gehandelt: der französische Wasser- und Abfallriese Veolia Environnement, früher Vivendi. Dieses Geschäftsmodell würde jedoch eine Unternehmens-Vision zerstören, die auch die SPD-geführte NRW-Landesregierung stets mit Wohlgefallen betrachtet hat: die von einem international agierenden Großversorger am Nordrand des Reviers.

Gelsenwasser-Manager Griepentrog arbeitete daran mit Verve. Nach dem Fall der Mauer stiegen die Westdeutschen bei Versorgungs- und Entsorgungsunternehmen in den neuen Bundesländern ein. Inzwischen gehören auch Firmen in Tschechien, Polen und Ungarn zum Beteiligungsportfolio der Wasserwerker aus dem Ruhrgebiet.

Die Expansionsstrategie blieb auch nach einem Wechsel der Mehrheitsgesellschafter erhalten. Die Stadtwerke der beiden Ruhrmetropolen Dortmund und Bochum haben im vorigen Herbst 80,5 Prozent der Gelsenwasser-Aktien für 835 Millionen Euro von der Eon gekauft. Ihre gemeinsame Tochter Wasser und Gas Westfalen hält heute 94,93 Prozent der Gelsenwasser-Aktien. Die Eon musste ihre Beteiligung abstoßen, um Auflagen für den Zusammenschluss mit der Ruhrgas zu erfüllen. Am Bieterverfahren beteiligte sich auch Veolia. Und jetzt sind die Franzosen wieder unter der "guten Handvoll" Interessenten, mit denen die Bochumer und Dortmunder über einen Einstieg bei ihrer Neuerwerbung verhandeln. Das bestätigte Stadtwerke-Berater Stephan Clausen. Es gehe um eine "strategische Partnerschaft" bei Gelsenwasser, keineswegs um einen Verkauf von Teilen des Unternehmens, sagte Clausen. Eine Aufspaltung sei auch gar nicht möglich: Die Ministererlaubnis für den Deal mit Eon gebe vor, "dass Gelsenwasser als unternehmerische Einheit erhalten bleibt. Das ist nicht interpretierbar", sagte er. Egal, welches Unternehmen noch mit ins Boot steigt - die Stadtwerke wollen mindestens 51 Prozent der Aktien und die unternehmerische Führung behalten. Gelsenwasser selbst mag nur einen Investor akzeptieren, der das Unternehmen mit seiner bisherigen Strategie voranbringt.

Auch das Lünener Entsorgungsunternehmen Rethmann hatte in dieser Woche erneut Interesse an einem Einstieg bei Gelsenwasser signalisiert. Daneben sei auch der Essener Wasserwirtschaftsverband Emschergenossenschaft interessiert, berichtet dpa. Derweil macht man sich bei Gelsenwasser Gedanken über den Ursprung des Spaltungs-Szenarios. Womöglich komme es von regionalen Unternehmern, die fürchten, Veolia könne im Ruhrgebiet Fuß fassen, heißt es in der Firma.

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Dokument erstellt am 03.03.2004 um 18:05:48 Uhr
Erscheinungsdatum 04.03.2004