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"Neues Deutschland" (ND) vom 05.09.2003

Geldmaschine - Kassenfüller mit Risiken

Auch Sachsens Finanznot treibt Kommunen in heikle US-Geschäfte

Von Herndrik Lasch, Dresden

Viele deutsche Städte übertragen ihre Infrastruktur an US-Investoren, um durch Steuervorteile ihre Finanznot zu lindern. Doch die Risiken sind hoch – auch wenn Länder wie Sachsen jetzt bestimmte Regeln aufstellen.

Atomkraftwerke werden nicht gegen einen Super-GAU versichert. Der Schaden, selbst wenn er nur äußerst selten eintritt, wäre zu hoch, sagt Birger Scholz. Auch für Verträge zum Cross Border Leasing gibt es keine Risikoversicherung. Allein dieser Umstand, meint der Globalisierungskritiker vom Netzwerk Attac, sollte Alarmglocken schrillen lassen.
Cross Border Leasing (CBL) gilt vielen Kommunen als Königsweg gegen leere Kassen. Seit 1995 werden Kraftwerke, Straßenbahnnetze oder Anlagen zur Wasserversorgung für bis zu 99 Jahre an US-Investoren vermietet und dann von diesen zurückgemietet. Die US-Gesellschaften erhalten für das Geschäft Steuervorteile, die teilweise an die Kommunen weitergereicht werden.

Die Geschäfte werden immer populärer. Auf 150 wird ihre Zahl bundesweit geschätzt. Auch sächsische Kommunen sind beteiligt. Leipzig gehört zu den Vorreitern, Dresden hat ein Kraftwerk, Kläranlagen und Straßenbahnen vermietet.
Doch die Transaktionen sind umstritten. Selbst wenn nicht alle Gegner so prinzipielle Einwände hegen wie Attac, das »internationales Steuerdumping« und die »Subventionierung von US-Unternehmen« zulasten des Sozialstaates kritisiert, wird vor erheblichen Risiken gewarnt. Die Verträge umfassen oft 1000 Seiten, sind in Englisch abgefasst und werden nach US-Recht abgeschlossen. Kämmerer und Stadträte, so die Befürchtung, können die Auswirkungen kaum abschätzen.

Nur wenige Fachleute sind so enthusiastisch wie Torsten Oetting von der Leipziger Beraterfirma EastMerchant, einer Tochter der sächsischen Landesbank. Dort wird CBL als »wertvolles Finanzierungsinstrument« angesehen. Die Risiken seien »sehr gut beherrschbar«, sagte Oetting auf einer Anhörung im sächsischen Landtag. Ähnlich urteilt Hans-Joachim Herrmann von den Stadtwerken der Lutherstadt Wittenberg, die im Jahr 2000 ihre Abwasseranlagen vermietete und dafür 8,8Millionen Dollar einstrich. Probleme seien »durch geschickte Vertragsgestaltung« auszuschließen.

Doch selbst Firmen, die Kommunen bei der Anfertigung »geschickter« Verträge helfen, dämpfen die Euphorie. Es sei Vorsicht geboten, damit die Städte »nicht in Grauzonen amerikanischen Rechts hineingeraten«, sagt Ulrich Eder von der Beraterfirma Due Finance, der bei 35 CBL-Verträgen zum Abschluss verhalf, aber auch zwölfmal die Notbremse zog. Eder warnt vor dem »Jonglieren mit Steueroasen« ebenso wie vor zu geringer Flexibilität der Verträge, die Kommunen verpflichten, die Anlagen über Jahrzehnte ohne Veränderungen in Stand zu halten.

Besonders in Ostdeutschland seien solche Klauseln problematisch, sagt Helmut Rohmann von den Stadtwerken Görlitz. Wegen des Bevölkerungsrückganges müssten viele Versorgungsunternehmen ihre Aufgaben reduzieren. Schulen würden geschlossen, Wasserwerke verkleinert. Die nötige Beweglichkeit aber »geht mit CBL-Verträgen zurück«, sagt Rohmann.
Nicht wenige Vertreter von Kommunen bleiben daher skeptisch. Zwar findet ein PDS-Vorschlag, weitere CBL-Verträge von einer Einschätzung des Rechnungshofes abhängig zu machen, wenig Resonanz. Das Ansinnen beschränke die Selbstverwaltung der Kommunen und sei zudem durch ein Mustergutachten überholt, das vom Regierungspräsidium Leipzig zum – zunächst untersagten – Verkauf der Leipziger Wasserwerke eingeholt wurde. Als hilfreich wird auch eine neue Verwaltungsvorschrift der Regierung mit Grundregeln für CBL-Geschäfte von Kommunen empfunden.

Die Risiken aber müssen diese weiterhin allein einschätzen und verantworten, betont der Sächsische Landkreistag. Er hat seinen Mitgliedern solche Geschäfte daher »nicht empfohlen«, sagt Anke Hamann. Allerdings ist auch klar, dass viele Kommunen kaum noch andere Auswege aus der Finanzmisere wissen. Stabile Einnahmen vorausgesetzt, würden sich wohl nur wenige Kämmerer und Stadträte mit derart komplizierten Finanzgeschäften befassen. »Wenn Bund und Länder ihrer Verantwortung nachkommen würden«, sagt Ralf Leimkühler vom Städte- und Gemeindetag, »dann müssten wir über das Thema überhaupt nicht reden.«
 

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