Geldmaschine - Kassenfüller mit Risiken
Auch Sachsens Finanznot treibt Kommunen in heikle US-Geschäfte
Von Herndrik Lasch, Dresden
Viele deutsche Städte übertragen ihre Infrastruktur an US-Investoren, um durch Steuervorteile ihre Finanznot zu lindern. Doch die Risiken sind hoch – auch wenn Länder wie Sachsen jetzt bestimmte Regeln aufstellen.
Atomkraftwerke werden nicht gegen einen Super-GAU versichert. Der Schaden,
selbst wenn er nur äußerst selten eintritt, wäre zu hoch, sagt Birger Scholz.
Auch für Verträge zum Cross Border Leasing gibt es keine Risikoversicherung.
Allein dieser Umstand, meint der Globalisierungskritiker vom Netzwerk Attac,
sollte Alarmglocken schrillen lassen.
Cross Border Leasing (CBL) gilt vielen Kommunen als Königsweg gegen
leere Kassen. Seit 1995 werden Kraftwerke, Straßenbahnnetze oder Anlagen
zur Wasserversorgung für bis zu 99 Jahre an US-Investoren vermietet und
dann von diesen zurückgemietet. Die US-Gesellschaften erhalten für das
Geschäft Steuervorteile, die teilweise an die Kommunen weitergereicht werden.
Die Geschäfte werden immer populärer. Auf 150 wird ihre Zahl bundesweit
geschätzt. Auch sächsische Kommunen sind beteiligt. Leipzig gehört zu den
Vorreitern, Dresden hat ein Kraftwerk, Kläranlagen und Straßenbahnen vermietet.
Doch die Transaktionen sind umstritten. Selbst wenn nicht alle Gegner
so prinzipielle Einwände hegen wie Attac, das »internationales Steuerdumping«
und die »Subventionierung von US-Unternehmen« zulasten des Sozialstaates
kritisiert, wird vor erheblichen Risiken gewarnt. Die Verträge umfassen
oft 1000 Seiten, sind in Englisch abgefasst und werden nach US-Recht abgeschlossen.
Kämmerer und Stadträte, so die Befürchtung, können die Auswirkungen kaum
abschätzen.
Nur wenige Fachleute sind so enthusiastisch wie Torsten Oetting von der Leipziger Beraterfirma EastMerchant, einer Tochter der sächsischen Landesbank. Dort wird CBL als »wertvolles Finanzierungsinstrument« angesehen. Die Risiken seien »sehr gut beherrschbar«, sagte Oetting auf einer Anhörung im sächsischen Landtag. Ähnlich urteilt Hans-Joachim Herrmann von den Stadtwerken der Lutherstadt Wittenberg, die im Jahr 2000 ihre Abwasseranlagen vermietete und dafür 8,8Millionen Dollar einstrich. Probleme seien »durch geschickte Vertragsgestaltung« auszuschließen.
Doch selbst Firmen, die Kommunen bei der Anfertigung »geschickter« Verträge helfen, dämpfen die Euphorie. Es sei Vorsicht geboten, damit die Städte »nicht in Grauzonen amerikanischen Rechts hineingeraten«, sagt Ulrich Eder von der Beraterfirma Due Finance, der bei 35 CBL-Verträgen zum Abschluss verhalf, aber auch zwölfmal die Notbremse zog. Eder warnt vor dem »Jonglieren mit Steueroasen« ebenso wie vor zu geringer Flexibilität der Verträge, die Kommunen verpflichten, die Anlagen über Jahrzehnte ohne Veränderungen in Stand zu halten.
Besonders in Ostdeutschland seien solche Klauseln problematisch, sagt
Helmut Rohmann von den Stadtwerken Görlitz. Wegen des Bevölkerungsrückganges
müssten viele Versorgungsunternehmen ihre Aufgaben reduzieren. Schulen
würden geschlossen, Wasserwerke verkleinert. Die nötige Beweglichkeit aber
»geht mit CBL-Verträgen zurück«, sagt Rohmann.
Nicht wenige Vertreter von Kommunen bleiben daher skeptisch. Zwar findet
ein PDS-Vorschlag, weitere CBL-Verträge von einer Einschätzung des Rechnungshofes
abhängig zu machen, wenig Resonanz. Das Ansinnen beschränke die Selbstverwaltung
der Kommunen und sei zudem durch ein Mustergutachten überholt, das vom
Regierungspräsidium Leipzig zum – zunächst untersagten – Verkauf der Leipziger
Wasserwerke eingeholt wurde. Als hilfreich wird auch eine neue Verwaltungsvorschrift
der Regierung mit Grundregeln für CBL-Geschäfte von Kommunen empfunden.
Die Risiken aber müssen diese weiterhin allein einschätzen und verantworten,
betont der Sächsische Landkreistag. Er hat seinen Mitgliedern solche Geschäfte
daher »nicht empfohlen«, sagt Anke Hamann. Allerdings ist auch klar, dass
viele Kommunen kaum noch andere Auswege aus der Finanzmisere wissen. Stabile
Einnahmen vorausgesetzt, würden sich wohl nur wenige Kämmerer und Stadträte
mit derart komplizierten Finanzgeschäften befassen. »Wenn Bund und Länder
ihrer Verantwortung nachkommen würden«, sagt Ralf Leimkühler vom Städte-
und Gemeindetag, »dann müssten wir über das Thema überhaupt nicht reden.«
© ND GmbH 2003 - Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt.
Die Nachrichten sind nur für die persönliche Information bestimmt. Jede
weitergehende Verwendung, insbesondere die Speicherung in Datenbanken,
Veröffentlichung, Vervielfältigung und jede Form von gewerblicher Nutzung
sowie die Weitergabe an Dritte - auch in Teilen oder in überarbeiteter
Form - ohne Zustimmung der Neues Deutschland Druckerei und Verlag GmbH
sind untersagt.
Kontakt zur Redaktion redaktion@nd-online.de, ND-Online wird produziert
mit: ONE2Publish