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Auszug von der Seite 7 aus "express" Zeitung für sozialistische
Betriebs- und Gewrkschaftsarbeit Nr.3/2009, 47.Jahrgang (Gescannt, da
entsprechende Fehler)
Als seit 13 Monaten im
Emmely-Soli-Komitee Arbeitender war es für mich eine befremdliche Erfahrung,
dass die beiden Berichte zweier meiner dortigen Mitaktivisten für den express
12/08 bzw. 1/09 wegen »problematischen« Inhaltes nicht gedruckt wurden. Den express
kenne ich seit Jahrzehnten, intensiv seit zwanzig Jahren als ein
Diskussionsorgan kritischer Aktivisten mit breiter Pluralität der Meinungen. In
einer nicht der ver.di-Vorstandszensur unterstehenden Zeitung sollte es
uneingeschränkt möglich sein, die Arbeitsweise des Berliner
Kaiser's-Betriebsratsgremiums anzugreifen, dessen teilweise schändliches
Agieren zu problematisieren, wie von den beiden Autoren, Willi Hajek und Gregor
Zattler, dort geschehen. Genau dieses problematische Verhalten von Betriebsratsgremien,
wie es sich aus der unglückseligen Betriebsverfassungs- und
Mitbestimmungsideologie ergibt, führt zu Erklärungen von
Interessenvertretungsorganen zugunsten eines erfolgreichen Erfüllens des
Unternehmenszieles und zulasten der Arbeitnehmer. Keine den Betriebsablauf
störenden Aktionen, keinen Boykottaufruf, keine den Ruf des Arbeitgebers
schädigenden Wahrheiten publizieren. Als ehemaliges Mitglied des
Daimler-Gesamt- und -Konzernbetriebsrates könnte ich darüber Bände voll
schreiben.
Eben genau um unterwürfige Interessenvertretungen und die Untersuchung von
deren Verursachungen hat es im express mit problematischen und
problematisierenden Artikeln zu gehen. Wo denn sonst? Andernfalls reichten die
Agit-Artikel der wohlkontrollierten Gewerkschaftspresse doch vollkommen aus.
Tatsächlich >problematisch< wäre es für den express, die autoritären, von
den Gewerkschaftsvorständen den Mitgliedern vorgegebenen Meinungsvorgaben in
Sachen Betriebsverfassungsideologie kritiklos hinzunehmen, gar noch weiter zu
verbreiten. Betriebsverfassungsideologie, das ist die seit dem
Betriebsrätegesetz von 1920 kontinuierlich bis heute den Betriebsräten gesetzte
Aufgabe: Erstellung einer Disziplinarordnung gegen die Arbeiter, Vorantreiben
der Rationalisierung, Sicherung eines störungsfreien Betriebsablaufs...
Die Apparate haben den gewerkschaftlichen Basisaktivistinnen jedoch gefälligst
treu zu dienen, ihnen genauestens zuzuhören und peinlichst zu gehorchen. Nicht
unterwerfen sollten sich jedenfalls die unter gewerkschaftlicher Beitragslast
und vorständigen Meinungsanweisungen leidenden Mitglieder den von ihnen
alimentierten Großverdienern, den Funktionären. Die Mitglieder sind der Boss,
die Funktionäre haben sie gefälligst untergebenst zu unterstützen, andernfalls
sollen sie abhauen. Besonders wenn die Funktionäre sich mit monatlich 10 000
und mehr Euro, die sich aus von Vorstandsfürsten vor die Wand gefahrenen,
miesen Tariflöhnen armer Verkäuferinnen speisen, reichlich selbstbedienen,
einschließlich von Freiflügen und anderen korruptiven Privilegien.
Alle Teile jener gesellschaftlichen und betriebsverfassungsrechtlichen
Apparate, die jetzt schon im vierten Jahrzehnt jährlich Tarifverträge absegnen,
die die bereinigte Netto-Lohnquote der Beschäftigten immer weiter senken, sollten
als Mitverursacher der gegenwärtigen Krise endlich mal schön friedlich sein und
lernen, ihren langjährigen Meinungsgegnern wohlwollend zuzuhören. In freier
Aussprache ...
Archibald Kuhnke, Berlin