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14.10.2008
FINANZKRISE: Haushaltssanierung wird zum Bumerang
Städten drohen Verluste aus alten Geschäften mit
Kanalnetzen und Straßenbahnen
POTSDAM - Noch vor Jahren galt es klammen Kommunen als willkommener
Deal, um ihre gebeutelten Haushalte zu sanieren. Teile der
Infrastruktur wie Kanalnetze, Messehallen oder Straßenbahnen
wurden an US-Investoren verkauft und anschließend
zurückgeleast. Die amerikanischen Finanzgeber sparten wegen bis
2004 geltenden Abschreibungsregeln in den USA erheblich Steuern und
für die deutschen Städte viel davon etwas ab.
Vor dem Hintergrund der Finanzkrise müssen aber die Kommunen, die
in dieses sogenannte Cross-Border-Leasing (zu deutsch etwa:
grenzüberschreitende Leasing-Geschäfte) eingestiegen sind,
nun zittern.
Etliche Banken oder Versicherungen,
die für die Absicherung der Leasing-Raten eingebunden wurden, sind
ins Trudeln geraten.
Auch Berlin hatte sich im Jahr 2000 durch einen Verkauf von Messehallen
sowie Straßen- und U-Bahn-Wagen an einen US-Investor
leichte Einnahmen versprochen. Rund 33 Millionen Euro flossen
durch die Messehallen in den Haushalt. Etwa genauso hoch waren die
Einnahmen durch die verkauften Straßen- und U-Bahnen. Jetzt hat
den Senat das Geschäft wie ein Bumerang wieder eingeholt. Um die
Leasingraten abzusichern, wurde der US-Versicherer AIG eingebunden, der
kürzlich vor dem finanziellen Abgrund stand und nur durch einen 85
Milliarden-Dollar- Kredit (60 Milliarden Euro) der US-Notenbank vor der
Pleite bewahrt werden konnte. Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD)
erwartet – vorerst – jedoch keine Schäden. Auch in anderen
Kommunen wie der Ruhrgebietsstadt Bochum, die 2003 ihr Kanalnetz
verscherbelt hat und so 20 Millionen Euro für den Haushalt
verbuchen konnte, geht die Angst um.
Auch hier war der Versicherer AIG.
Um Ausfälle bei den Leasingraten – etwa durch
Zahlungsunfähigkeit der Städte – zu vermeiden, wurden in die
Verträge entweder Versicherungen oder aber Banken eingebunden, auf
deren Konten der Großteil des Geldes der US-Finanziers landete.
Aus diesen Depots wurden dann die Leasing-Raten bestritten. Ungemach
droht den Städten aber nicht nur, falls die Banken im Zuge der
Krise Pleite gehen sollten. Die Kommunen seien verpflichtet die
Bonität der Institute prüfen zu lassen, sagt der
Vorsitzende der Organisation Business Crime Control
(Wirtschaftskriminalitäts- Kontrolle), Werner Rügemer. Ist
diese durch die Krise nicht mehr gut genug, müssten sich die
Städte auf die Suche nach neuen Partnern machen, sagt der Bochumer
Finanzwissenschaftler Stephan Paul: „Davon gibt es aber nicht viele.“
Er erwartet, dass wegen der Finanzkrise Versicherungsprämien
teurer werden und Gebühren der Banken steigen.
Bundesweit sind 50 Städte rund
200 Cross-Border-Geschäfte eingegangen,
unter anderem Magdeburg, Leipzig und Dresden. Auch in Brandenburg/Havel
hatte es Ende der 90er Jahre entsprechende Überlegungen
gegeben. Wegen „unüberschaubarer Risiken“ seien die
Pläne aber fallengelassen worden, so der Amtsleiter Finanzen
und Beteiligung Detlef Rockow.
(Von Gerald Dietz)
04.10.2008