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Nr L ISS/56 Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften 23. 6. 90

II
(Nicht veröffentlichungsbedürftige Rechtsakte)
RAT

RICHTLINIE DES RATES vom 7 Juni 1990 über den freien Zugang zu Informationen über die Umwelt

(90/313/EWG)

DER RAT DER EUROPÄISCHLN GEMEINSCHAFTEN —

gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischcn Wirtschaftsgemeinschaft, insbesondere auf Artikel 130s,

auf Vorschlag der Kommission ,

nach Stellungnahme des Europäischen Parlaments ,

nach Stellungnahme des Wirtschafls- und Sozialausschusscs ,

in Erwägung nachstchender Gründe

In den Aktionsprogrammen der Europäischen Gemeinschaften für den Umweltschutz von 1973 , 1977 und 1983 sowie besonders in dem Aktionsprogramm von 1987 sind Grundsätze und Ziele festgelegt, wobei in letztgenannten Programm insbesondere befiirwortet wird, „Wege zur Verbesserung des Zugangs der Öffentlichkeit zu Informationen, über die die Umweltbhörden verfügcn, zu finden".

Der Rat der Europäischen Gemeinschaften und die im Rat vereinigten Vertreter der Regierungen der Milgliedstaaten haben in ihrer Entschließung vom 19 Oktober 1987 zur Fortschreibung und Durchführung einer Umweltpolilik und eines Aktionsprogramms der Europä- ischen Gemcinschaflen für den Umweltschutz (1987-1992) erklärt, daß sich die Tätigkeit der Gcmeinschaft unter Achtung der jeweiligcn Zuständigkeiten der Gemeinschaft und der Mitgliedstaaten auf vorrangige Bereiche konzentrieren muß, zu denen ein verbesserter Zugang zu umweltbezogenen Informationen gehoert

Das Europäische Parlament hat in seiner Stellungnahme zum vierten Aktionsprogramm der Europäischen Gemeinschaften für den Umweltschutz unterstrichen, daß „die Unterrichtung jedes Bürgers durch eine spezifische Gemeinschaftsaktion möglich gemacht werden" muß

Der Zugang zu umweltbezogenen Informationen im Besitz der Behörden. wird den Umweltschutz verbessern

Die Unterschiede der in den Mitgliedstaaten geltenden Vorschriften über den Zuging zu umweltbczogencn Informationen im Besitz der Behörden können dazu fuhren, daß die Bürger in der Gemeinschaft hinsichtlich des Zugangs zu Informationen und/oder bezüglich der Wettbewerbsbedingungen unterschiedlich behandelt werden

Es ist notwendig, in der gesamten Gemeinschaft allen natürlichen und juristischcn Personen den freien Zugang zu den bei den Behörden in Schrift-, Bild-, Ton- oder DV- Form verfügbaren umweltbezogenen Informationen über den Zustand der Umwelt, Tätigkeiten oder Maßnahmen, die diesen Zustand negativ beeinflussen können, sowie über Tätigkeiten oder Maßnahmen zum Schutz der Umwelt zu gewährlei -sten

In ganz bestimmten, genau bezeichneten Fällen kann es gerechtfertigt sein, erbetene umweltbczogcnc Informationen zu verweigern

Die Verweigerung einer erbetenen Information ist von der Behörde zu begründen

Der Antragsteller muß die Möglichkeit haben, den Bescheid der Behörde anzufechten

Der Zugang zu umweltbezogenen Informationen im Besitz staatlich überwachter Stellen, welchc öffentliche Aufgaben im Bereich der Umweltpflege wahrnehmen, ist ebenfalls zu gewährleisten

Im Rahmen einer Globalstrategie zur Verbreitung umweltbezogener Informationen sollten der Öffentlichkeit allgemeine Informationen über den Zustand der Umwelt in aktiver Weise mitgeteilt werden.

Die Durchführung dieser Richtlinie muß im Lichte der Erfahrungen überprüft werden —

DER RAT HAT FOLGENDE RICHTLINIE ERLASSEN:

Artikel 1

Ziel dieser Richtlinie ist es, den freien Zugang zu den bei den Behörden vorhandenen Informationen über die Umwelt sowie die Verbreitung dieser Informationen zu gewähhrleisten und die grundlegenden Voraussetzungen festzulegen, unter denen derartige Informationen zugänglich gemacht werden sollen.

Artikel 2
Im Sinne dieser Richtlinie gelten als

a) "Informationen über die Umwelt" alle in Schrift-, Bild-, Ton- oder DV-Form vorliegenden Informationen über den Zustand der Gewässer, der Luft, des Bodens, der Tier- und Pflanzenwelt und der natürlichen Lebensräume sowie über Tätigkeiten (einschließlich solcher, in denen Belästigungen wie beispielsweise Lärm ausgehen) oder Maßnahmen, die diesen Zustand beeinträchtigen oder beeinträchtigen können, und der Tätigkeiten oder Maßnahmen zum Schutz dieser Umweltbereiche einschließlich verwaltungstechnischer Maßnahrnen und Programme zum Umweltschutz.
B) "Behörden" die Stellen der öffentlichen Verwaltung, die auf nationaler, regionaler oder lokaler Ebene Aufgaben im Bereich der Umweltpflege wahrnehmen und über diesbezügliche Informationen verfügen, mit .Ausnahme der Stellen, die im Rahmen ihrer Rechtprechungs- oder Gesetzgebungszuständigkeit tätig werden.

Artikel 3

(1) Vorbehaltlich der Absätze 2, 3 und 4 gewährleisten die Mitgliedstaaten, daß die Behörden verpflichtet werden, allen natürlichen oder juristischen Personen auf Antrag ohne Nachweis eines Interesses Informationen über die Umwelt zur Verfügung zu stellen.

Die Mitgliedstaaten legen die praktischen Regeln fest, nach denen derartige Informationen talsächlich zugänglich gemacht werden.

(2) Die Mitgliedstaaten können vorsehen, daß ein Antrag auf Zugang zu einer derartigen Information abgelehnt wird, wenn diese folgendes berührt:

- die Vertraulichkeit der Beratungen von Behörden, die internationalen Beziehungen und die Landesverteidigung ',

- die öffentliche Sicherheit;

- Sachen, die bei Gericht anhängig oder Gegenstand von Ermittlungsverfahren (einschließlich Disziplinarverfahren) sind oder waren oder die Gegenstand von Vorverfahren sind;

- Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse einschließlich des geistigen Eigentums;

- die Vertraulichkeit personenbezogener Daten und/oder Akten;

- Unterlagen, die von einem Dritten übermittelt worden sind, der dazu nicht gesetzlich verpflichtet war;

- Informationen, deren Bekanntgabe die Wahrscheinlichkeit einer Schädigung der Umwelt in dem betreffenden Bereich noch erhöhen würde.

Informationen, die sich im Besitz der Behörden befinden, werden auszugsweise übermittelt, sofern es möglich ist, Informationen zu Fragen, die die oben aufgeführten Interessen berühren, auszusondern.

(3) Ein Antrag auf Zugang zu Informationen kann abgelehnt werden, wenn er sich auf die Übermittlung noch nicht abgeschlossener Schriftstücke oder nocht nicht aufbereiteter Daten oder interner Mitteilungen bezieht oder wenn der Antrag offensichtlich mißbräuchlich ist oder zu allgemein formuliert ist.

(4) Eine Behörde erteilt dem Antragsteller so bald wie möglich, spätestens jedoch innerhalb von zwei Monaten eine Antwort. Die Ablehnung eines Antrags auf Information ist zu begründen.

Artikel 4

Eine Person, die der Ansicht ist, daß ihr Informationsersuchen zu Unrecht abgelehnt oder nicht beachtet worden ist, oder die von einer Behörde eine unzulängliche Antwort erhalten hat, kann den Bescheid auf dem Gerichts- oder Verwaltungsweg gemäß der einschlägigen einzelstaatlichen Rechtsordnung anfechten.

Artikel 5

Die Mitgliedstaaten können für die Übermittlung der Informationen eine Gebühr erheben, die jedoch eine angemessene Höhe nicht überschreiten darf.

Artikel 6

Die Mitgliedstaaten ergreifen die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, daß Stellen, die öffentliche Aufgaben im Bereich der Umweltpflege wahrnehmen und die der Aufsicht von Behörden unterstellt sind, die bei ihnen vorliegenden Informationen über die Umwelt unter den Bedingungen der Artikel 3, 4 und 5 entweder über die zuständige Behörde oder selbst unmittelbar zugänglich machen.

Artikel 7

Die Mitgliedstaaten ergreifen die erforderlichen Maßnahmen, um der Öffentlichkeit allgemeine Informationen über den Zustand der Umwelt, z. B. durch die regelmäßige Veröffentlichung von Zustandsberichten, zur Verfügung zu stellen.

Artikel 8

Vier Jahre nach dem in Artikel 9 Absatz l genannten Datum erstatten die Mitgliedstaaten der Kommission Bericht über ihre Erfahrungen; auf dieser Grundlage erstellt die Kommission einen Bericht an das Europäische Parlament und den Rat und fügt ihm etwaige Änderungsvorschläge bei, die sie für zweckmäßig hält.

Artikel 9

(I) Die Mitgliedstaaten erlassen die Rechts- und Verwaltungsvorschriften, die erforderlich sind, um dieser Richtlinie spätestens am 31. Dezember 1992 nachzukommen. Sie setzen die Kommission unverzüglich davon Geschehen zu Luxemburg am 7. Juni 1990. in Kenntnis.

(2) Die Mitgliedstaaten teilen der Kommission den Wortlaut der wichtigsten innerstaatlichen Rechtsvorschriften mit, die sie auf dem unter diese Richtlinie fallenden Gebiet erlassen.

Artikel 10

Diese Richtlinie ist an die Mitgliedstaaten gerichtet.
 
 

Im Namen des Rates:

Der Präsident

P. FLYNN