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Auszug von : Bundesrat – 772. Sitzung – 1. Februar 2002 61*

Anlage 8

Erklärung von Staatsminister Reinhold Bocklet (Bayern) zu Punkt 15 der Tagesordnung

Seit etwa zwei Jahren betreibt Bundeswirtschaftsminister Dr. Müller die öffentliche Diskussion über die Liberalisierung des Wassermarktes.

In einer Rede am 16. Mai 2000 anlässlich der Haupttagung des deutschen Gas- und Wasserfachs sprach er sich dafür aus, nach dem Strom- und Telekommunikationsmarkt nun auch den Wassermarkt zu öffnen. Wie das in die Tat umgesetzt werden könnte, sollte ein Gutachten mit dem Titel „Optionen, Chancen und Rahmenbedingungen einer Marktöffnung für eine nachhaltige Wasserversorgung“ klären, das er im Oktober 2001 vorlegte. Allerdings ist zu Recht niemand ernsthaft bereit, sich auf die darin vorgeschlagenen Experimente mit unserem Trinkwasser einzulassen.Es konnte nicht ausbleiben, dass sich auch die EU mit dem Liberalisierungsthema befasste. Regeln, die für den Energie- und Telekommunikationsmarkt angemessen sind, lassen sich nicht auf die Trinkwasserversorgung übertragen. Auch im Europäischen Parlament hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass Wasser kein frei handelbares Gut ist und sich die Trinkwasserversorgung nicht für eine europaweite Regulierung eignet, sondern Gegenstand der auf regionaler Ebene zu leistenden Daseinsvorsorge für die Bürgerinnen und Bürger bleiben muss. Das empfinden auch unsere Bürgerinnen und Bürger, die diese Liberalisierungsdebatte mit kritischer Aufmerksamkeit verfolgen wie selten ein Umweltthema.

Die Bayerische Staatsregierung ist gegen eine Liberalisierung des Wassermarktes. Wir haben mit unserer kommunal strukturierten öffentlichen Wasserversorgung die besten Erfahrungen gemacht. Die Liberalisierung der Wasserversorgung in Großbritannien z. B. brachte dort keine Senkung des Wasserpreises, jedoch einen technisch schlechten Zustand mit hohen Leitungsverlusten. Solche Verhältnisse wollen wir bei uns erst gar nicht einführen. Bundeswirtschaftsminister Dr. Müller findet mit seiner Idee der Liberalisierung des Wassermarktes kaum Unterstützung. Er zieht daraus aber nicht die Konsequenz, klipp und klar zu sagen, dass die Liberalisierung der Wasserversorgung nicht weiterverfolgt wird, sondern
er prüft und prüft und prüft. Und weil die bisherigen Vorschläge unbrauchbar sind, weicht er nun auf neue Themen aus. So hat er in einer Rede am 28. Januar 2002 anlässlich der Einweihung des Berliner Büros der Deutschen Vereinigung des Gas- und Wasserfaches seine Liberalisierungsvorschläge für eine Modernisierungsstrategie um fünf Punkte erweitert. Diese Punkte haben aber nichts mit der Liberalisierung der Wasserversorgung zu tun, sondern etwa mit Kommunalrecht
und Privatisierung der Abwasserbeseitigung.

Dieses Verhalten ist nur dazu geeignet, Verwirrung zu stiften, unsere öffentlichen Wasserversorgungsunternehmen zu verunsichern und in aktuell anstehenden Investitions- und Personalentscheidungen zu lähmen. Unsere Kommunen haben in der Wasserversorgung bisher Großes geleistet. Wir sollten sie in ihrer Arbeit unterstützen und fördern und nicht mit
fragwürdigen Experimenten und endlosen Diskussionen verwirren. Mit dem heute vorliegenden Entschließungsantrag
soll die Konfusion bringende Liberalisierungsdiskussion auf Bundesebene beendet und dafür gesorgt werden, dass Fragen der Modernisierung der öffentlichen Wasserversorgung wieder dort behandelt werden können, wo sie nach unserer Verfassung hingehören – in die Länderparlamente und auf die kommunale Ebene.

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