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Erdgaskunden drohen weitere Preisrunden

Verbraucherverband kündigt Protestkampagne an / Klagen über hohe Durchleitungsentgelte

Die Preise für Erdgas steigen immer höher. Obwohl sich viele Verbraucher bereits im Oktober mit ungünstigeren Konditionen ihrer Lieferanten abfinden mussten, ist bereits zum Jahreswechsel mit einem weiteren Anstieg der Kosten zu rechnen. Eine dritte Preisrunde droht im Frühjahr.

VON OLIVER RISTAU

Hamburg · 26. November · Die Preise für Erdgas in Deutschland erreichen immer neue Rekordwerte. So müssen Haushaltskunden seit Oktober nach Erkenntnissen des Bundes der Energieverbraucher in den meisten deutschen Städten zwischen acht und zehn Prozent mehr für den Wärmeträger zahlen. Diese Entwicklung geht weiter. Nicht nur, dass Deutschlands größter Gasversorger Ruhrgas seine Preise im Januar 2005 erneut anheben wird: dieses Mal um mindestens zwölf Prozent. Bereits von einer dritten Preisrunde ist die Rede.

Denn der Gaspreis ist in Deutschland mit einer Verzögerung von rund einem halben Jahr an den Heizölpreis gekoppelt. Trotz der kräftigen Preiserhöhungen im Oktober und im Januar, die zusammen mindestens 16 Prozent ausmachen, ist beim Gas immer noch Luft zum Heizöl, das im Jahresverlauf um dreißig Prozent teurer geworden ist. "Die großen Gasversorger werden deshalb im Frühjahr erneut die Preise anheben wollen", schätzt Detlef Weidemann, Vorstand der Potsdamer Natgas, Deutschlands größtem unabhängigen Gasanbieter.

Die Bund der Energieverbraucher will diesem Treiben nicht tatenlos zusehen. "Wir werden eine Protestkampagne starten, in der wir die Verbraucher auffordern, weitere Preissteigerungen nicht zu akzeptieren", kündigt deren Vorsitzender Aribert Peters an. Bereits in den zurückliegenden Monaten haben die Verbraucherschützer dazu aufgerufen, die Gaspreiserhöhungen nicht zu billigen.

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Das Kleine Gas-ABC

Preise: Nach Angaben von Eurostat waren die Gaspreise für die Industrie in Deutschland am 1. Januar 2004 in Europa nur in Schweden und Dänemark durchgängig höher.

Innerhalb Deutschlands gibt es enorme Preisunterschiede. So kostete eine Gaseinheit (Gigajoule) für einen mittleren Haushalt in Düsseldorf Anfang diesen Jahres 10,6 Euro und in Hamburg 8,7 Euro. Die Jahresgasrechnung fiel damit in der Hansestadt um mehr als 150 Euro (rund 18 Prozent) niedriger aus als am Rhein.

Lieferländer: Rund 80 Prozent des hier zu Lande verbrauchten Erdgases wird nach Angaben des Bundeswirtschaftsministeriums importiert. Wichtigste Lieferanten sind die Staaten der früheren Sowjetunion, die gut 30 Prozent des hiesigen Gasbedarfs stillen. Norwegisches Gas hat einen Anteil von 24 Prozent, niederländisches von 17 Prozent. Die deutsche Gasgewinnung kontrollieren Shell und Exxon.

Gasverkäufer: 14 Ferngasunternehmen sind in Deutschland im Besitz der über- regionalen Gasleitungen und verteilen das Erdgas. Sie importieren das Gas aus dem Ausland und kaufen auch die in Deutschland gewonnen Mengen ein.

Der größte dieser Gasgroßhändler ist die Ruhrgas mit einem Marktanteil von 60 Prozent. Dahinter rangieren RWE, VNG und Wingas. Alle vier Unternehmen beliefern keine Haushaltskunden, sondern die Industrie und vor allem Stadtwerke. Neben den 14 Ferngasgesellschaften gibt es in Deutschland mehr als 600 dieser Endverteiler, die das Erdgas an den Endkunden weiterverkaufen. ori
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Unfairer Wettbewerb

Denn vor allem kommunale Versorger wie Stadtwerke, die das Gas von Großhändlern wie Ruhrgas beziehen und an die Haushalte weiterverkaufen, langten nach Ansicht des Verbraucherbundes kräftig zu. So sei nicht nachzuvollziehen, wieso sie ihre Preise im Oktober mit bis zu zehn Prozent kräftiger angehoben hätten als ihr Lieferant Ruhrgas, der von ihnen "nur" vier Prozent mehr verlangt hatte, kritisiert Peters. Aus diesem Grund prüft derzeit auch das Bundeskartellamt die Preispolitik einzelner Gasanbieter.

Auch die Höhe der Netzentgelte, die die kleinen Versorger von ihren Wettbewerbern für die Gasdurchleitung verlangten, seien ein Hindernis für den Wettbewerb. So berichtet Natgas-Vorstand Weidemann davon, dass das Potsdamer Unternehmen einen Großkunden im Raum München beliefern wollte und der regionaler Versorger für den Transport durch eine drei Kilometer lange Leitung den gleichen Betrag verlangte wie die überregionalen Netzbetreiber, die mehrere hundert Kilometer Röhre von Belgien, wo das Gas herkam, bis nach Bayern für Natgas geöffnet hätten. Berechneten die lokalen Versorger, die Gasnetzbetreiber und Verkäufer in einem sind, für ihre eigenen Geschäften Netzgebühren in dieser Höher, so Weidemanns Schlussfolgerung, müssten sie das Gas quasi verschenken, um ihre derzeitigen Preise zu halten.

"Gasversorgung und -verteilung muss in ganz Deutschland konsequent getrennt werden", fordert Weidemann. Und Alfred Richmann, Geschäftsführer des Verbandes der Industriellen Energie- und Kraftwirtschaft (VIK) in Essen, ergänzt: "Nur mit einheitlichen Regeln im deutschen Gasnetz werden wir beim Gaswettbewerb einen Quantensprung erleben können. Wer wie derzeit mit mehreren hundert Netzbetreibern einzeln verhandeln muss, um in Deutschland Gas zu verkaufen oder zu beziehen, wird niemals frei wählen können. So bleiben die Preise hoch."

Beide hoffen, dass die neue Regulierungsbehörde im Energiewirtschaftsgesetz die Kompetenzen erhält, die Netzentgelte umfassend zu überwachen. In dem Gesetz sowie den dazu gehörigen Verordnungen werden die Regeln des deutschen Gasmarktes festgezurrt werden. Derzeit befindet sich der Entwurf zur Beratung im Wirtschaftsausschuss des Bundestages. Am Montag findet die öffentlichen Anhörung zum Gesetz zur Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts statt, bei der alle Beteiligten ihre Argumente auf den Tisch legen werden.

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Copyright © Frankfurter Rundschau online 2004
Dokument erstellt am 26.11.2004 um 16:40:32 Uhr
Erscheinungsdatum 27.11.2004