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Kompromiss im Energierecht

Kennzeichnungspflicht der Stromlieferanten verwässert / Schonfrist für Netzbetreiber

Im deutschen Strom- und Gasmarkt wird vom kommenden Sommer an mehr Wettbewerb herrschen. Rot-Grün und Union haben ihren Streit über ein neues Energierecht so gut wie beigelegt; allerdings bleiben wichtige Verbraucherrechte auf der Strecke.

VON MICHAEL BERGIUS

Berlin · 3. Juni · Experten der Regierungskoalition und des unionsdominierten Bundesrats verständigten sich in der Nacht zum Freitag auf Kompromisslinien zum neuen Energiewirtschaftsgesetz.

Es könnte damit - eine wahrscheinliche endgültige Einigung im Vermittlungsausschuss am 15. Juni vorausgesetzt - bereits im Juli in Kraft treten.

Die Grünen-Energieexpertin Michaele Hustedt und Hessens Wirtschaftsminister Alois Rhiel (CDU) sprachen gestern übereinstimmend von einem Durchbruch. Auf dem deutschen Energiemarkt sei nunmehr ein "Paradigmenwechsel" eingeleitet worden, betonte Hustedt. Rhiel sprach von einem "wichtigen Schritt zur Kontrolle der Netzmonopole und einer Chance für mehr Wettbewerb".

Das Gesetzesvorhaben, dem monatelange Querelen zwischen den Grünen und Bundeswirtschafsminister Wolfgang Clement (SPD) vorausgegangen waren, geht auf eine EU-Richtlinie zurück, die eigentlich bereits im Juli 2004 hätte umgesetzt werden müssen. Künftig soll eine "Bundesnetzagentur", die bisher bereits für Post und Telekommunikation zuständige Bonner Regulierungsbehörde, sämtliche Tarife für die Netzdurchleitung von Strom und Gas vorab überprüfen. Diese "Netznutzungsentgelte" machen rund ein Drittel der Endpreise für die Verbraucher aus.

"Unterm Strich" habe man ein "gutes Ergebnis" erzielt, sagte Hustedt; allerdings seien angesichts des Zeitdrucks wegen der bevorstehenden Auflösung des Bundestags Abstriche bei wichtigen verbraucherpolitischen Anliegen gemacht worden. Der SPD-Umweltexperte Michael Müller sprach von "schmerzhaften Kompromissen", die dem "Einigungszwang" im Vermittlungsverfahren geschuldet seien.

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Der Strommarkt

Im EU-Vergleich hat Deutschland mit Italien und Dänemark die höchsten Strompreise. Etwa 80 Prozent des Marktes werden von den Großkonzernen RWE, Eon, Vattenfall und EnBW kontrolliert. Besonders kommunale Energiebetreiber werfen den vier Giganten missbräuchliches Monopolgebaren vor. Experten versprechen sich vom neuen Energierecht, allein durch die strengere Kontrolle der Durchleitungstarife, ein Sinken der Endverbraucherpreise. mbe
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In der Tat gelang es der Unionsseite, mehrere konsumentenfreundliche Klauseln abzuschwächen oder zu streichen. So wird es etwa bei missbräuchlichen Energiepreiserhöhungen künftig nicht möglich sein, Verbandsklagen anzustrengen. Deutlich reduziert wurden daneben die von den Grünen im Gesetz verankerten Kennzeichnungspflichten. Während bisher vorgesehen war, dass die Anbieter detailliert darüber informieren müssen, aus welchen Energieträgern der Strom zusammengesetzt ist, wurden diese Vorgaben jetzt verwässert. Verbraucher hätten damit "kaum noch die Möglichkeit, zwischen umweltfreundlichem und -schädlichem Strom zu wählen", kritisierte der Greenpeace-Energieexperte Jörg Feddern gegenüber der FR. Damit habe sich Rot-Grün im Fall einer Wahlniederlage im kommenden Herbst "einen schlechten Abgang" verschafft.

Korrigiert wurde auch der Fahrplan für die "Anreizregulierung", die künftig im Energiesektor zur Anwendung kommen soll. Hier war bisher von Rot-Grün geplant, dass die Netzagentur in Eigenregie vom kommenden Jahr an bei der Bestimmung von Netzentgelten die Tarife besonders günstiger Betreiber zum Maßstab für die gesamte Branche nimmt, wodurch die Preise langfristig gesenkt werden dürften. Jetzt wurde beschlossen, dass das neue Anreizsystem erst über eine Verordnung, und zwar in Zusammenarbeit mit den Bundesländern, entwickelt werden soll. Nach Auffassung Hustedts wird dieser Schritt eine effizientere Tarifkontrolle "um ein bis zwei Jahre verzögern".

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Dokument erstellt am 03.06.2005 um 17:13:11 Uhr
Erscheinungsdatum 04.06.2005