Zurueck zur Homepage
Vorstoß gegen Strom-Monopole
Die Wut über die massiven
Preiserhöhungen wächst. Politiker diskutieren vier Konzepte,
die für mehr Wettbewerb sorgen sollen. Die FR stellt sie vor.
1: Zwangsverkauf
Riesige Kraftwerke (dpa)
Bei der Eindämmung der Macht deutscher Energieriesen will Hessen
neue Waffen einsetzen. Wenn die großen Vier (Eon, RWE,
Vattenfall, EnBW) ihre Dominanz durch einen
Marktanteil von rund 80 Prozent bei der Stromerzeugung weiterhin
missbrauchten, müssten sie notfalls zu Zwangsverkäufen
verdonnert werden, forderte Wirtschaftsminister Alois Rhiel gestern.
Als Instrument schwebt dem CDU-Politiker das Gesetz gegen
Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) vor, das gerade ohnehin novelliert
wird.
Das Bundeskartellamt müsse zu "wettbewerbsstimulierenden
Eingriffen in die Marktsstruktur" ermächtigt werden, schlägt
der Minister vor. Als "ultima ratio" sollten Konzerne gezwungen werden
können, einen Teil ihrer Kraftwerke an Dritte zu verkaufen. Es
gelte, die Zahl der Stromproduzenten so zu erhöhen, dass
"wirksamer Wettbewerb" stattfinden und letztlich auch die Preise sinken
könnten.
Rhiel hat sich mit zwei Gutachten gewappnet, die seinem Vorstoß
bescheinigen, "verfassungsrechtlich möglich und ökonomisch
sinnvoll" zu sein. Im Wettbewerbsrecht habe der Gesetzgeber Spielraum,
der auch "Einschränkungen der Eigentümerbefugnisse"
möglich mache.
Im Bundeswirtschaftsministerium fiel die Reaktion verhalten aus aus.
Man solle doch zunächst einmal die bereits ergriffenen
GWB-Änderungen "wirken lassen", sagte eine Sprecherin. Auch bleibe
"abzuwarten", wie sich der Bundesrat verhalten werde, auf den Rhiels
Initiative abzielt.
In der Länderkammer hält sich die Begeisterung für den
Vorstoß aus Hessen ebenfalls in Grenzen. Ähnliches
dürfte für das Kartellamt zutreffen. mbe
2: Verstaatlichung
Stromrechnung (FR-Infografik)
Auch die Verstaatlichung eines Teils der Strombranche darf nicht
tabu sein, sagt Holger Krawinkel, Energieexperte des Bundesverbandes
der Verbraucherzentralen. Er räumt zwar ein, dass ein
öffentlicher Betreiber möglicherweise weniger effizient als
ein privater arbeitet. Dies werde aber durch erheblich geringeren
Aufwand für die Regulierung der Netze mehr als ausgeglichen, da
zwei staatliche Stellen miteinander zu tun hätten. Ein weiterer
Vorteil liegt für Krawinkel darin, dass Projekte rasch umgesetzt
werden, die Private links liegen lassen, weil sie nicht ins
kurzfristige Kalkül passen. Dazu kann die vollständige
Integration erneuerbarer Energien ins Netz gehören. Auch bei der
Energieerzeugung sollten staatliche Eingriffe nicht ausgeschlossen
sein, etwa über eine Steuer auf exorbitante Profite, die Konzerne
durch das Weiterbetreiben älterer, längst abgeschriebener
Kraftwerke erzielen. fw
3: Moratorium
Die Monopolkommission hat sich dafür ausgesprochen, den
großen Stromkonzernen (Eon, RWE, EnBW, Vattenfall) den Bau neuer
Kraftwerke auf Zeit zu verbieten. Das soll Konkurrenten dazu ermutigen,
in das Geschäft mit der Energieerzeugung einzusteigen. Mehr
Wettbewerb mit sinkenden Preisen könnte im Idealfall die Folge
sein.
Der Vorschlag ist aber allenthalben auf Ablehnung gestoßen – auch
bei der Bundesnetzagentur. Behördenchef Matthias Kurth sieht
erhebliche Risiken, da viele deutsche Atom- und Kohlekraftwerke in den
nächsten Jahren abgeschaltet würden. Für Neubauvorhaben
kämen dann nach Expertenmeinung vor allem wenige große
ausländische Konzerne infrage. Scheuen diese aber die enormen
Kosten und die komplizierten Genehmigungsverfahren, können Preise
steigen satt sinken. Im schlimmsten Fall drohen sogar
Versorgungsengpässe. fw
4: Entflechtung
Geht es nach Neelie Kroes, dann hätte es die Bundesregierung
selbst in der Hand, die Eons im Lande Mores zu lehren. "Unbundling"
heißt das Rezept, das die EU-Wettbewerbskommissarin seit Monaten
propagiert – und dem sich Berlin auffällig stur widersetzt. Bei
Gas und Strom müsse es eine lupenreine, eigentumsrechtliche
Trennung von Produktion und Netzbetrieb geben, verlangt Kroes. Die
bloße Gründung von Netz-Töchtern reicht ihr nicht.
Weder ihr Argument, jene Entflechtung habe in anderen Ländern die
Preise sinken lassen, verfängt bei Kanzlerin und
Wirtschaftsminister; noch der Hinweis, dass die geballte Hoheit
über Stromherstellung und - Weiterleitung den Charakter verderben
könnte. Verbraucherschützer hierzulande loben Kroes. Frau
Merkel und Herr Glos rügen dagegen laut "Zerschlagungsversuche"
aus Brüssel – und setzen sich so dem Verdacht aus, Büttel der
Energiekonzerne zu sein. mbe
[ document info ]
Copyright © FR-online.de 2007
Dokument erstellt am 12.11.2007 um 17:32:02 Uhr
Letzte Änderung am 12.11.2007 um 18:39:21 Uhr
Erscheinungsdatum 13.11.2007