Zurueck zur Homepage

http://www.sueddeutsche.de/,ra9m1/finanzen/artikel/440/150073/

28.12.2007    18:08 Uhr    

Energiesparfonds gefordert 

Stromkonzerne sollen zahlen

Deutschlands oberster Verbraucherschützer Gerd Billen hat die Bundesregierung aufgefordert, die Stromkonzerne des Landes zum Aufbau eines milliardenschweren Energiesparfonds zu zwingen.

Von Claus Hulverscheidt
 
In diesen Fonds müssten die Firmen einen Teil ihrer immensen Gewinne einzahlen, sagte Billen der Süddeutschen Zeitung. Billen begründete seinen Vorstoß mit dem Hinweis, dass Deutschland seine Abhängigkeit von Öl und Gas nur dann nachhaltig werde verringern können, wenn die Energieeffizienz massiv steige. "Energieeffizienz ist unsere billigste heimische Energiequelle. Um in zehn Jahren noch eine warme Wohnung bezahlen zu können, muss jetzt der Schalter in der Energiepolitik umgelegt werden", sagte Billen, der im August Edda Müller als Chef des Verbraucherzentrale Bundesverbands abgelöst hatte. "In 20 Jahren darf es nicht mehr zu einer volkswirtschaftlichen Krise führen, wenn Gazprom Gaslieferungen boykottiert oder das Barrel Rohöl 150 Dollar kostet", betonte er.

Schwerpunkt des Programms zur Effizienzsteigerung muss Billen zufolge die Gebäudesanierung sein. "Für den Gebäudebestand fordern wir das Sieben-Liter-Haus", sagte der Verbandschef. Damit geht er weit über die Pläne der Regierung hinaus, die einen maximalen Energieverbrauch von sieben Litern Heizöl pro Quadratmeter nur für Neubauten vorschreiben will. Er plädierte zudem für den Ausbau der Kraftwärmekopplung sowie der Solarenergie und der Photovoltaik.

Billen widersprach ausdrücklich der Haltung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), die jüngst mit der Aussage zitiert worden war, dass die Politik gegen die immer weiter steigenden Energiepreise "nicht viel machen" könne. Die Parteien müssten ihre Klientelpolitik zugunsten der Konzerne aufgeben und die EU-Kommission in deren Kampf für mehr Wettbewerb unterstützen, sagte er. Bis neue Strukturen geschaffen seien, sei die Einrichtung eines Energiesparfonds die richtige Lösung. "Die Milliarden sind besser in die Zukunft der heimischen Energieversorgung investiert als in ausländische Rendite-Objekte der Versorger", so der Verbraucherschützer.

Strompreis geht um 50 Prozent rauf

Rückenwind erhielt Billen durch eine neue Studie der Hochschule für Technik und Wirtschaft des Saarlands, die die Grünen-Bundestagsfraktion in Auftrag gegeben hatte und aus der die Tageszeitung Die Welt am Freitag zitierte. Danach hat sich der Preis für Haushaltsstrom zwischen 2000 und 2006 um 50 Prozent erhöht. Gleichzeitig stiegen die Gewinne der großen Stromkonzerne Eon, RWE, EnBW und Vattenfall Europe um insgesamt zwölf Milliarden Euro. "Da wurde auf Kosten der Verbraucher richtig Kasse gemacht", sagte die stellvertretende Fraktionschefin Bärbel Höhn. In der Studie wird allerdings auch darauf verwiesen, dass Haushaltsstrom heute noch so wenig wie 1998 kosten könnte, wenn sich Steuern und Abgaben auf den Strompreis seither nicht verdoppelt hätten. An diesen Erhöhungen wiederum waren die Grünen maßgeblich beteiligt.

Verbraucherschützer Billen verwies zudem auf eine Studie des Allensbach-Instituts, wonach zwei Drittel der deutschen Bevölkerung den Kostenanstieg bei Öl, Gas und Strom sowie bei Kraftstoffen als "stark belastend" empfinden. Viele Befragte forderten vor diesem Hintergrund eine stärkere Förderung erneuerbarer Energien, eine bessere Kontrolle der Energiekonzerne und mehr Wettbewerb. "Die Untersuchung zeigt: Die Verbraucher erwarten die starke Hand des Staates", sagte der Verbandschef.

Neben den hohen Preisen beklagte Billen vor allem den "zunehmenden Ausverkauf der deutschen Energieversorgungsstruktur an ausländische Unternehmen". Als Beispiel nannte er den wachsenden Einfluss des vom Kreml kontrollierten Energieriesen Gazprom auf die BASF-Gashandelstochter Wingas. "Unsere Abhängigkeit von russischen Gasimporten ist ohnehin schon hoch, da müssen nicht auch noch unsere Versorgungsstrukturen an den russischen Staatskonzern veräußert werden", sagte er. "Wie Autobahnen und Eisenbahn gehörten volkswirtschaftlich lebenswichtige Infrastrukturadern in öffentliche Hände oder zumindest unter öffentliche Kontrolle."
 
(SZ vom 29.12.2007/mah)