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28.12.2007 18:08 Uhr
Energiesparfonds gefordert
Stromkonzerne sollen zahlen
Deutschlands oberster
Verbraucherschützer Gerd Billen hat die Bundesregierung
aufgefordert, die Stromkonzerne des Landes zum Aufbau eines
milliardenschweren Energiesparfonds zu zwingen.
Von Claus Hulverscheidt
In diesen Fonds müssten die Firmen einen Teil ihrer immensen
Gewinne einzahlen, sagte Billen der Süddeutschen Zeitung. Billen
begründete seinen Vorstoß mit dem Hinweis, dass Deutschland
seine Abhängigkeit von Öl und Gas nur dann nachhaltig werde
verringern können, wenn die Energieeffizienz massiv steige.
"Energieeffizienz ist unsere billigste heimische Energiequelle. Um in
zehn Jahren noch eine warme Wohnung bezahlen zu können, muss jetzt
der Schalter in der Energiepolitik umgelegt werden", sagte Billen, der
im August Edda Müller als Chef des Verbraucherzentrale
Bundesverbands abgelöst hatte. "In 20 Jahren darf es nicht mehr zu
einer volkswirtschaftlichen Krise führen, wenn Gazprom
Gaslieferungen boykottiert oder das Barrel Rohöl 150 Dollar
kostet", betonte er.
Schwerpunkt des Programms zur Effizienzsteigerung muss Billen zufolge
die Gebäudesanierung sein. "Für den Gebäudebestand
fordern wir das Sieben-Liter-Haus", sagte der Verbandschef. Damit geht
er weit über die Pläne der Regierung hinaus, die einen
maximalen Energieverbrauch von sieben Litern Heizöl pro
Quadratmeter nur für Neubauten vorschreiben will. Er
plädierte zudem für den Ausbau der Kraftwärmekopplung
sowie der Solarenergie und der Photovoltaik.
Billen widersprach ausdrücklich der Haltung von Bundeskanzlerin
Angela Merkel (CDU), die jüngst mit der Aussage zitiert worden
war, dass die Politik gegen die immer weiter steigenden Energiepreise
"nicht viel machen" könne. Die Parteien müssten ihre
Klientelpolitik zugunsten der Konzerne aufgeben und die EU-Kommission
in deren Kampf für mehr Wettbewerb unterstützen, sagte er.
Bis neue Strukturen geschaffen seien, sei die Einrichtung eines
Energiesparfonds die richtige Lösung. "Die Milliarden sind besser
in die Zukunft der heimischen Energieversorgung investiert als in
ausländische Rendite-Objekte der Versorger", so der
Verbraucherschützer.
Strompreis geht um 50 Prozent rauf
Rückenwind erhielt Billen durch eine neue Studie der Hochschule
für Technik und Wirtschaft des Saarlands, die die
Grünen-Bundestagsfraktion in Auftrag gegeben hatte und aus der die
Tageszeitung Die Welt am Freitag zitierte. Danach hat sich der Preis
für Haushaltsstrom zwischen 2000 und 2006 um 50 Prozent
erhöht. Gleichzeitig stiegen die Gewinne der großen
Stromkonzerne Eon, RWE, EnBW und Vattenfall Europe um insgesamt
zwölf Milliarden Euro. "Da wurde auf Kosten der Verbraucher
richtig Kasse gemacht", sagte die stellvertretende Fraktionschefin
Bärbel Höhn. In der Studie wird allerdings auch darauf
verwiesen, dass Haushaltsstrom heute noch so wenig wie 1998 kosten
könnte, wenn sich Steuern und Abgaben auf den Strompreis seither
nicht verdoppelt hätten. An diesen Erhöhungen wiederum waren
die Grünen maßgeblich beteiligt.
Verbraucherschützer Billen verwies zudem auf eine Studie des
Allensbach-Instituts, wonach zwei Drittel der deutschen
Bevölkerung den Kostenanstieg bei Öl, Gas und Strom sowie bei
Kraftstoffen als "stark belastend" empfinden. Viele Befragte forderten
vor diesem Hintergrund eine stärkere Förderung erneuerbarer
Energien, eine bessere Kontrolle der Energiekonzerne und mehr
Wettbewerb. "Die Untersuchung zeigt: Die Verbraucher erwarten die
starke Hand des Staates", sagte der Verbandschef.
Neben den hohen Preisen beklagte Billen vor allem den "zunehmenden
Ausverkauf der deutschen Energieversorgungsstruktur an
ausländische Unternehmen". Als Beispiel nannte er den wachsenden
Einfluss des vom Kreml kontrollierten Energieriesen Gazprom auf die
BASF-Gashandelstochter Wingas. "Unsere Abhängigkeit von russischen
Gasimporten ist ohnehin schon hoch, da müssen nicht auch noch
unsere Versorgungsstrukturen an den russischen Staatskonzern
veräußert werden", sagte er. "Wie Autobahnen und Eisenbahn
gehörten volkswirtschaftlich lebenswichtige Infrastrukturadern in
öffentliche Hände oder zumindest unter öffentliche
Kontrolle."
(SZ vom 29.12.2007/mah)