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Stuttgart erwägt Einstieg bei EnBW

Kommunale Aktionäre hoffen auf die Landeshauptstadt, um dem Mehrheitsaktionär EdF Paroli bieten zu können

Wann greift der französische Stromriese EdF nach der Mehrheit der Energie Baden-Württemberg (EnBW)? Diese Frage beherrscht die politische Debatte im Ländle. Der kommunale Großaktionär OEW soll Paroli bieten, verlangt aber staatliche Unterstützung. Die Franzosen schweigen.

VON GABRIELE RENZ

Stuttgart · 20. Januar · Die Zeit drängt. Bis Ende Februar muss sich der Zweckverband Oberschwäbischer Elektrizitätswerke (OEW) entscheiden, ob er mit der Electricité de France (EdF) gleichzieht und ihren Anteil an EnBW um 4,5 Prozent aufstockt. Die EdF besitzt nach Umwandlung eines Gesellschafterdarlehens in Höhe von rund 350 Millionen Euro 39 Prozent. Kauft die OEW, wären die beiden Großaktionäre des drittgrößten deutschen Stromkonzerns auf Augenhöhe. Das wäre ganz nach dem Wunsch der Politik.

Denn Günther Oettinger, CDU-Vorsitzender im Stuttgarter Landtag und ab April 2005 Ministerpräsident Baden-Württembergs, trachtet danach, eine Entscheidung aus dem Jahr 1999 indirekt zu revidieren. Es sei "wünschenswert", wenn Entscheidungen über Kraftwerke, Strombezug und Dienstleistungen "nicht durch einen Vorstand in Frankreich, sondern in Baden-Württemberg" getroffen würden. Baden-Württemberg müsse in entscheidenden Branchen "nicht nur Filialen, sondern Zentralen" besitzen.

Im Jahr 2000 hatte das Land seinen 25-prozentigen Anteil an der EnBW für 4,7 Milliarden Mark verkauft. Die OEW sollte baden-württembergische Interessen in Bezug auf Standortentscheidungen, Arbeitsplätze oder Strompreise vertreten, so die damals von der Opposition aus Grünen und SPD als "illusionär" und "naiv" bezeichnete Annahme der CDU/FDP-Landesregierung.

Doch die OEW, gehalten von neun Landkreisen im Süden des Landes, denkt vor allem an ihre Dividende. Die wäre im Falle einer Umwandlung ihres Gesellschafterdarlehens in EnBW-Aktien niedriger als die Kreditzinsen. Sie verlangt vom Land, die Differenz auszugleichen. Noch-Regierungschef Erwin Teufel, der den Verkauf damals betrieb, bleibt im Unterschied zum Nachfolger reserviert: Das Land solle kein Geld in die Hand nehmen. Es gebe "keinen Grund zum Alarm". Die EdF habe bislang "alle Verpflichtungen ohne jeden Abstrich erfüllt".

Finanzminister Gerhard Stratthaus (CDU) fühlte Ende Dezember in Paris vor: In Gesprächen mit mehreren Vorständen, so der Minister, sei eine Mehrheit der EdF an der EnBW "kein Thema" gewesen. In Frankreich sei man vielmehr "überrascht über die harsche Kritik". EdF-Vorstandschef Pierre Gadonnaix habe versichert, die Verträge einzuhalten. Es läge "an der anderen Seite", frei werdende Aktienpakete ebenfalls zu kaufen.

Der 1999 formulierte Konsortialvertrag läuft bis 2011. Derzeit denkt die Landeshauptstadt Stuttgart über einen Einstieg bei der OEW nach. Doch auch sie pocht darauf, eine ähnliche Dividende zu erhalten wie bei der bisherigen Anlage des Kapitals in Fonds. Wieder schweigt die Landesspitze darüber, ob sie bereit ist, diese Lücken per zinsgünstigen Kredit der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) zu schließen.

Oettinger dringt auf eine Fristverlängerung für die OEW um ein Jahr. Bis dahin, so auch ein Landrat aus Oberschwaben, werde sich der Sanierungskurs des EnBW-Vorstandsvorsitzenden Utz Claassen auszahlen und der Wert des Unternehmens steigen. Immerhin erzielte die EnBW 2004 ein Ergebnis vor Steuern in Höhe von 707 Millionen Euro - nach einem Milliardenverlust im Jahr davor. Manch oberschwäbischer Landrat, der heute nicht nur gegen eine Aufstockung, sondern gar für den Verkauf der Anteile votiert, um seinen klammen Haushalt zu sanieren, könnte dann versucht sein, dabei zu bleiben.

Das Interesse der EdF am Einfallstor zum deutschen Markt aber bleibt - und damit das Problem für die OEW: Ende dieses, Anfang nächsten Jahres wird die EdF voraussichtlich die Option in Anspruch nehmen, den Anteil von 5,86 Prozent des Bankhauses HSBC Trinkhaus & Burkhardt zu übernehmen. Im Besitz der Deutschen Bank befindet sich ein ebenfalls 5,86-prozentiger Anteil für die OEW. Verzichtet sie auf den Kauf, könnte gemäß Konsortialvertrag die EdF zugreifen - und wäre im Besitz von etwas mehr als 50 Prozent der EnBW-Aktien. Soweit würde es der politische "Moderator" Oettinger ungern kommen lassen. Ende Januar will er zu Gadonnaix reisen und um Terminaufschub bitten. Das Versprechen, nicht EnBW-Mehrheitsaktionär werden zu wollen und damit auf vollständige Kontrolle des Karlsruher Konzerns zu verzichten, wird er dem Chef des Staatskonzerns indes kaum abringen können.

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Dokument erstellt am 20.01.2005 um 17:08:53 Uhr
Erscheinungsdatum 21.01.2005