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Medien
Ein Schreibtisch in Berlin
Brisante Dokumentation über den Einfluss der Lobbyisten
"Wir sind drin!", WDR, 22.30 Uhr.
VON REINHARD LÜKE
Das beschauliche Städtchen Raunheim trägt seit Jahren den
zweifelhaften Ehrentitel, die "lauteste Stadt Deutschlands" zu sein.
Dabei machen die Raunheimer durchaus nicht mehr Lärm als andere
Bundesbürger. Wohl aber die rund 700 Jets, die täglich auf
dem nahen Frankfurter Flughafen starten und landen. Und das zunehmend
auch noch nach Mitternacht, obwohl für den Airport eigentlich ein
Nachtflugverbot besteht. Für jeder Ausnahme von dieser Regel muss
der Betreiber, die Fraport, eine Sondergenehmigung beim hessischen
Verkehrsministerium einholen. Dort sitzt dann ein Beamter, der in jedem
Einzelfall das ökonomische Interesse des Flughafens gegen den
Anspruch der Bürger auf eine ungestörte Nachtruhe abwägt.
So sollte man jedenfalls meinen, aber so ist es nicht. Denn über
die Ausnahmegenehmigungen entscheidet kein Beamter, sondern ein
Angestellter der Fraport mit eigenem Büro im Ministerium. Das
Kuriosum, das der Verwaltungsrechtler Hans Herbert von Arnim schlicht
"Korruption" nennt, wurde unlängst für rechtens befunden.
Fest im Ministerium installiert
Dieses Stück Absurdistan war auch bereits Bestandteil der
Monitor-Reihe über Lobbyismus, die am Freitag
verdientermaßen mit einem Grimme-Preis ausgezeichnet wurde. Doch
Sascha Adamek und Kim Otto belassen es in ihrer Dokumentation
keineswegs bei dieser vermeintlichen Regionalposse, sondern legen dar,
dass derartige Verquickungen und Wirtschaft und Politik auch in
Bundesministerien inzwischen gang und gäbe sind.
Rund 120 Angestellte hochkarätiger Firmen und Verbände, so
die Recherchen, haben in Berliner Behörden einen eigenen
Schreibtisch und Zugang zu internen Akten. Sie formulieren sogar an
Gesetzesentwürfen mit, von denen ihre privaten Arbeitgeber mehr
oder minder direkt betroffen sind.
Pralinen fürs Sekretariat
Wie effektiv diese Lobby-Arbeit ist, demonstrieren die Autoren unter
anderem eindrucksvoll am Beispiel des 2000 von der damaligen
Rot-Grün-Regierung auf den Weg gebrachten Lärmschutzgesetzes.
Als es im November vergangenen Jahres endlich verabschiedet wurde, war
darin von vielen der ursprünglichen Verschärfungen nicht mehr
die Rede. Was sich Wolf-Dieter Zumpfort durchaus auch als sein
Verdienst anrechnet. Der TUI-Mitarbeiter ist ein Lobbyist alten
Schlages, der Sekretärinnen von Abgeordneten schon mal eine
Schachtel Pralinen auf den Schreibtisch stellt und solide
geknüpfte Netzwerke setzt.
Als sein Gegenspieler fungiert in der Reportage Thomas Jühe. Der
Bürgermeister der Stadt Raunheim führt seit Jahren einen
engagierten Kampf für mehr Lärmschutz, stellt jedoch bei
seinen Behördengängen immer wieder fest, dass die Lobbyisten
der Gegenseite bereits ganze Arbeit geleistet haben. Ein aufwändig
recherchierter, brisanter Film über Mechanismen des Politischen,
der durchaus auch einen Sendeplatz im Ersten verdient gehabt hätte.
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Dokument erstellt am 01.04.2007 um 16:52:01 Uhr
Erscheinungsdatum 02.04.2007