Zurueck zur homepage
Zurueck zur Vorseite

http://www.ftd.de/unternehmen/finanzdienstleister/152243.html

Dossier:  Geschichte eines Bankenskandals

von Nina Luttmer (Frankfurt)

Ab Freitag läuft der von der EU geforderte Verkaufsprozess des einstigen Sanierungsfalls Landesbank Berlin. Zu den potenziellen Bietern zählt der Sparkassenverband. Fraglich ist, ob die Minderheitsaktionäre ausbezahlt werden.
 
Der Berliner Landtagsabgeordnete Frank Zimmermann (SPD) brachte das Drama im vergangenen Juni auf den Punkt: "Beim Berliner Bankenskandal führten Gier, Unfähigkeit, Ignoranz und Selbstüberschätzung bis hin zum Größenwahn zu einem besonders dramatischen Fall der Vernichtung öffentlichen Eigentums." Zimmermann, der den Untersuchungsausschuss des Berliner Abgeordnetenhaus zu der Beinahepleite der Bankgesellschaft Berlin leitete, bezeichnete den Vorgang als den größten Skandal in der bundesdeutschen Bankengeschichte.

Die Bankgesellschaft Berlin, die seit August 2006 unter dem Namen Landesbank Berlin Holding AG firmiert, wurde 1994 gegründet. Unter dem Holding-Dach wurden die als kapitalschwach geltende Berliner Bank sowie der Immobilienfinanzierer Berlin Hyp und die öffentlich-rechtliche Landesbank zusammengeführt. Dadurch profitierte der Konzern von den günstigeren Refinanzierungskosten der Landesbank, für deren Risiken das Land Berlin geradestehen musste.

"Schwerwiegende Fehler" von Geburt an

Der Untersuchungsausschuss, der im Sommer 2006 nach fünfjähriger Arbeit seinen Abschlussbericht vorlegte, stellte fest, dass bereits die Geburt des Unternehmens mit "schwerwiegenden Fehlern und erheblichen Risiken behaftet war". So war die notleidende Berliner Bank mit einem viel zu hohen Buchwert in den Konzern eingegangen. Bis 2001 fehlte der Bank zudem ein konzernweites Risikocontrolling.

Bereits 1996 schlitterte die Gesellschaft in die erste große Krise. Der Vorstand hatte einen expansiven Kurs eingeschlagen, die Marktentwicklung jedoch falsch eingeschätzt. Die Berliner Bank stand kurz vor der Insolvenz. Auch der neue Vorstandschef Wolfgang Rupf steuerte nicht gegen, sondern ließ eine offensive Kreditvergabepraxis zu, stieg ins Investmentbanking ein und setzte auf das Geschäft mit geschlossenen Immobilienfonds.

Zwischen 1995 und 2002 platzierte die Bankgesellschaft 60 geschlossene Immobilienfonds mit einem Volumen von mehr als 9 Mrd. Euro, in die zahlreiche Problemimmobilien gesteckt wurden. Dennoch bekamen die Anleger hohe Miet- und teilweise Rücknahmegarantien.

Berlin hatte keine andere Wahl

Politisch brisant wurde der Fall im Februar 2001. Damals kündigte der Fraktionschef der Berliner CDU, Klaus Landowsky, seinen Rücktritt als Chef der Berlin Hyp an. Das Unternehmen hatte 1996 und 1997 unzureichend gesicherte Kredite über insgesamt 235 Mio. Euro an das Immobilienunternehmen Aubis vergeben. Die Aubis-Geschäftsführer revanchierten sich dafür bei Landowsky mit Parteispenden. Das Verfahren gegen Landowsky und zwölf weitere Manager der Berlin Hyp vor dem Berliner Landgericht wegen schwerer Untreue steht mittlerweile kurz vor dem Abschluss.

Über dem Skandal um die Bankgesellschaft zerbrach im Juni 2001 die Große Koalition in Berlin. Kurz darauf legte Rupf eine tiefrote Bilanz für 2000 vor. Im Dezember 2001 wurde er durch den noch heute amtierenden Vorstandschef Hans-Jörg Vetter ersetzt.

Das chronisch überschuldete Land Berlin hatte keine andere Wahl, als die Bankgesellschaft mit einer Kapitalspritze von 1,75 Mrd. Euro zu retten. Der Anteil des Landes an dem Unternehmen erhöhte sich durch diese Maßnahme von 56,6 auf 81 Prozent. Zudem sicherte das Land Berlin die Risiken aus den Immobiliengeschäften mit einer Bürgschaft über 21,6 Mrd. Euro ab.

Heute ist das Unternehmen saniert

Die EU-Kommission genehmigte diese Subventionen 2004, allerdings nur unter der Bedingung, dass das Land Berlin sich bis Ende 2007 von seinem Anteil an der Bankgesellschaft trennt. Der Versuch des Landes, den Anteil bereits 2003 an den US-Investor JC Flowers abzugeben, scheiterte jedoch an dem Angebotspreis von nur 10 Mio. Euro. Brüssel ordnete zudem den separaten Verkauf der zur Bankgesellschaft gehörenden Weberbank und der Berliner Bank an. Die Institute sind inzwischen im Besitz der WestLB beziehungsweise der Deutschen Bank.

Die Landesbank Berlin AG gilt heute als saniert. Von den einst mehr als 16.000 Mitarbeitern sind 7450 geblieben. Seit 2004 verzeichnet das Unternehmen wieder Gewinne, für das Geschäftsjahr 2006 soll erstmals seit 1999 wieder eine Dividende gezahlt werden.

Das Land Berlin wird den Erlös aus dem Verkauf seines Anteils nicht in den Landeshaushalt, sondern in ein Sondervermögen einfließen lassen. Dadurch sollen die verbleibenden Risiken aus dem Fonds- und Immobiliengeschäft der Bank abgedeckt werden. Der Berliner Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) rechnet damit, dass das Land in den nächsten Jahrzehnten noch 6 bis 6,5 Mrd. Euro für die Risiken auszahlen muss.


ZUM THEMA DOKUMENTE, AUDIO/VIDEO RESSOURCEN

Sarrazin hinterfragt Pflichtangebot (http://www.ftd.de/unternehmen/finanzdienstleister/152367.html)
Rheinländer wollen sich Anteil an Berliner Landesbank sichern (http://www.ftd.de/unternehmen/finanzdienstleister/150911.html)
WestLB plant Großeinstieg in Sachsen (http://www.ftd.de/unternehmen/finanzdienstleister/146232.html)
Sparkassen wollen gemeinsam Berliner Landesbank kaufen (http://www.ftd.de/unternehmen/finanzdienstleister/144587.html)
Schlappe für Dachverband im Sparkassen-Streit (http://www.ftd.de/unternehmen/finanzdienstleister/143555.html)
Sparkassenstreit geht in neue Runde (http://www.ftd.de/unternehmen/finanzdienstleister/143202.html)
Berliner LBB steht vor Verkauf besser da als erwartet (http://www.ftd.de/unternehmen/finanzdienstleister/139768.html)
WestLB sondiert Gebot für Berliner Landesbank (http://www.ftd.de/unternehmen/finanzdienstleister/134901.html)
HSH Nordbank will für Landesbank Berlin mitbieten (http://www.ftd.de/unternehmen/finanzdienstleister/133872.html)
Fischer will neue Strategie für Berlin (http://www.ftd.de/unternehmen/finanzdienstleister/132601.html)
Sparkassen patzen im EU-Streit (http://www.ftd.de/unternehmen/finanzdienstleister/131038.html)
Deka steigt bei Landesbank Berlin ein (http://www.ftd.de/unternehmen/finanzdienstleister/118849.html)
(€) Leitartikel: HSH Nordbank - Das Nordlicht weist den Weg (Audio) (http://www.ftd.de/premium/audio/leitartikel/62677.mp3)
Politikerscreen: Landesbank (http://www.ftd.de/div/link/152172.html)
dieBank: Blockaden aufbrechen: Banken brauchen freie Märkte (http://www.ftd.de/div/link/152171.html)
Manager-Magazin: EU öffnet Pforte für Privatinvestoren (http://www.ftd.de/div/link/152170.html)
Manager-Magazin: Landesbank Berlin strebt Vorsteuerrendite von 15% bis 2009 an (http://www.ftd.de/div/link/152169.html)
Bankenverband: Jahresbericht 2006 (http://www.ftd.de/div/link/152166.html)
VOEB: Jahresbericht 2006 (http://www.ftd.de/div/link/152168.html)
Bankenverband: Marktanteile der Bankengruppen (http://www.ftd.de/div/link/152160.html)
DSGV: Landesbanken (http://www.ftd.de/div/link/152159.html)
PWC: Finanzdienstleistungs - Branche steht neue Umstrukturierungs-Welle bevor (http://www.ftd.de/div/link/152158.html)
LBB: Geschäftsbericht 2005 (http://www.ftd.de/div/link/152157.html)
LBB: Das Unternehmensprofil der Landesbank Berlin AG (http://www.ftd.de/div/link/152156.html)
A.T. Kearney: Landesbanken mit Erfolg fusioniert (http://www.ftd.de/div/link/152154.html)

Aus der FTD vom 19.01.2007
© 2007 Financial Times Deutschland