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Dossier zur Privatisierung

 

1.   ÖPP – die neue Broschüre Gerlinde Schermer, Berlin gibt einen guten Überblick, wie ÖPP / PPP eingeführt wird und wie der Prozeß abläuft. 31.10.2005

2.   Verdienen an leeren Kassen Gerlinde Schermer, vor allem am Beispiel Berliner Politikfelder, 12.6.2005

3.   Nicht alle geben grünes Licht, Berlin hat seine Ampelanlagen privatisiert - ein Vorbild für Kassel? HNA 2. 3. 2006

4.   Eine neue Form der öffentlichen Verschuldung
Oberhessische Zeitung vom 25.02.2006 (Gescannt) 

5.   Schadenersatz an Gemeinde, Karlsruher Urteil gegen einen Landkreis wegen Amtspflichtverletzung könnte Präzedenzfall werden von Werner Rügemer

6.   Eckpunkte eines ÖPP-Beschleunigungsgesetzes Ludwig Stiegler, MdB, Klaus Brandner, MdB, Uwe Beckmeyer, MdB, Michael Bürsch, MdB,21. April 2005

7.   Fernstraßenbau Privat Finanzierungsgesetz (Auszug)
Gewinnabsicherung per Gesetz

8.   Kritik an PPP-Modell für kreiseigene Schulen
Kritik der Handwerkskammer Köln, 13. 2. 2006

9.   Das ÖPP-Beschleunigungsgesetz, Hans-Georg Bodien
Entstehungsgeschichte des Gesetzes und die beteiligten Akteure

10.  Der Staat und seine Kernaufgaben: Grenzen der Privatisierung
Ernst Ulrich von Weizsäcker MdB 
Kurzer Überblick über die internationalen Privatisierungstendenzen und ihre Entwicklung

 

Zusammengestellt von Delf Schnappauf, Homberg 24.April 2006

 

 

 


 

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Donnerstagskreis Erkennen und Gestalten - Nr. 32

Motto: Rerum cognoscere causas - der Dinge Wesen ergründen – Vergil/J.W.Goethe

ÖPP – die neue Broschüre

1. Die wahren Heuschrecken

Der Staat ist weitgehend ausgeraubt. Alles, was sich für Private lohnte, wurde privatisiert: Wasser, Energie, öffentliches Verkehrswesen, Wohnen – kurz alles das, was Menschen kaufen müssen, um zu überleben, befindet sich weitgehend in den Händen Privater. Die Kommunen sind dessen ungeachtet immer ärmer geworden. Sie reduzieren ihre Ausgaben. Öffentliche Aufträge sind kaum noch zu erlangen.

Seit einigen Jahren hat sich eine neue „Branche“ etabliert: Die Beraterindustrie. Sie ist ein Wirtschaftsfaktor geworden, der 400.000 gut dotierte Arbeitsplätze bietet. Hier arbeiten gut ausgebildete Menschen: Juristen, Steuerberater, Wirtschaftswissenschaftler usw. – und viele ehemalige, aber auch noch aktive Politikerinnen und Politiker. Wissen, Beziehungen und Klienten mit viel Geld machen diese Branche gerade auch in einer Demokratie einflussreich und gefährlich. Alle wollen viel Geld machen – und viele haben das auch schon seit Jahren getan! Da sie aber nichts produzieren, sondern nur „vermitteln“, spähen sie gierig nach profitabler Beschäftigung. Und sie suchen vor allem dort, wo nach Ihrer Erfahrung immer leicht etwas zu holen ist: beim Staat.

Ihr Erfolg ist überall sichtbar! Der öffentliche Dienst beschäftigt eine große Zahl hochqualifizierter Beamter und Angestellter. Dennoch stößt man überall, wo Entscheidungen von Bedeutung gefällt werden, auf die Beraterfirmen mit den bekannten Namen.

Ihr Erfolg beruht darauf, dass die öffentliche Verwaltung gezielt in Verruf gebracht wurde. Viele Bürgerinnen und Bürger wurden überredet zu glauben, dass der Staat nicht in der Lage sei, seine Aufgaben mit seinen Beschäftigten selbst zu bewältigen.

Nun wollen die Berater erkannt haben, dass die öffentliche Verwaltung nicht in der Lage sei, Schulen, Universitäten, öffentliche Gebäude, Haftanstalten, Krankenhäuser und Gerichte rentabel – wie sie sagen: „lebenszyklisch“(!) - zu planen, zu bauen und zu betreiben. Das alles könnten Private besser und billiger machen – verkünden sie. Und sie empfehlen sich mit ihrem Wissen und sehr einflussreichen Klienten, die vor allem haben, was dem Staat fehlt: Geld!

Nun haben Private nichts weniger im Sinn, als etwas zu verschenken.

Im Gegenteil: Sie wollen mit ihrem Kapital möglichst viel verdienen. Der freie Markt ist risikobehaftet, deshalb suchen sie weltweit nach langfristig sicheren Kapitalrenditen für ihre Geldgeber.

Das Mittel, dem nackten Mann „Staat“ in die Tasche zu fassen, nennen die Berater listig „ÖPP“ oder (original englisch) „PPP“.

Beide Bezeichnungen gaukeln vor, dass es eine „Partnerschaft“ von öffentlichen und privaten Interessen gäbe. Privaten geht es aber immer nur um einen möglichst hohen Gewinn – und um nichts anderes. Das hat der Europäische Gerichtshof in seinem Urteil vom 11.01.2005 (EuGH C – 26/03) unemotional, schlicht und zutreffend klargestellt. Nur Bundestagsabgeordnete behaupten, es nicht zu wissen!

2. Was macht ÖPP reizvoll?

ÖPP oder PPP ist – nach Eigendefinition der Berater – eine „Beschaffungsvariante“. Dem Staat wird Geld angedient, das er teuer zurückzahlen muss.

Gegenstand des Kreditgeschäfts ist immer die Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben, deren profitabler Teil in verschleiernden, komplizierten Verträgen - mit bis zu 17.000 Seiten – für bis zu 30 Jahre privatisiert wird.

Geldmangel hat der Staat bislang durch schlichte Kreditaufnahme bei Banken behoben. Und da der Staat ein sicherer Schuldner ist, bekommt er Kredite immer zu günstigsten Konditionen.

An einer solchen Kreditaufnahme verdienen zwar die Banken – nicht besonders gut, aber sicher – und niemand sonst. Insbesondere verdienen die „Berater“: nichts.

Aber unter direkter Kreditaufnahme leidet auch eine andere Klasse: Die Politiker.

Ihnen wird vorgehalten, durch immer neue Schulden die Zukunft unserer Kinder zu verspielen. Andererseits gibt es öffentliche Aufgaben, die keinen Verzug dulden. Die Politik befindet sich in der Zwickmühle. Da Kreditaufnahmen sehr leicht nachzuweisen sind – sie ergeben sich aus dem Haushalt – versuchen Politiker, sie zu vermeiden.

Das wissen auch die Beraterfirmen. Sie haben diese Zwickmühle des Staates in den von der Industrie finanzierten „Think- Tanks“ selbst entwickelt und über die Medien die Öffentlichkeit „überzeugt“.

Da viele Berater selbst in der Politik tätig waren oder noch sind, wissen sie noch weiteres über Politiker: Die denken in sehr engen Zeiträumen, sie denken vor allem an sich - und die meisten sind unqualifiziert.

Wenn die Folgen einer Entscheidung erst in 10 oder gar 20 Jahren über die Bürger hereinbricht, interessieren diese Folgen die aktiven Politiker meist überhaupt nicht. Dann sind sie schon nicht mehr in der aktiven Politik, jedenfalls nicht mehr dort, wo sie diese Entscheidungen gefällt haben – oder niemand erinnert sich an die unselige Rolle, die sie vor 20 Jahren gespielt haben.

Die Erfahrung gibt ihnen leider Recht: Alle ÖPP- Projekte und Großprivatisierungen in Berlin haben den Berlinerinnen und Berlinern nur geschadet: Der Verkauf der Bewag an Southern Energy (USA), der Verkauf der Gasag an Gaz de France, die Bankgesellschaft Berlin, das ÖPP-Modell „Teilprivatisierung der Wasserbetriebe“ an die Konzerne Vivendi und RWE. Und außer Landowsky und Diepgen(CDU) tummeln sich noch alle Verantwortlichen in Politik oder Beraterbranche: Staffelt (SPD), Ernst (CDU), Kern, Fugmann-Heesing, Böger, Dzembritzki, Strieder und Benneter(SPD). Die „Berater“ selbst blieben anonym, die Verträge geheim.

Der arm gewordene Staat steht vor gewaltigen Aufgaben. Gierige Geldgeber wollen diese zu seinen Lasten gegen die Interessen der Bürger an sich ziehen.

Eine Beraterkaste, im Durchschnitt 32 Jahre alt, ohne Lebenserfahrung und ohne soziale Kompetenz, getrieben von einem Elitebewusstsein, das sich aus Universitätsabschlüssen und hohen Gehältern speist, dienen ihnen. Und diejenigen, die gewählt sind, den Staat und seine Bürger vor Ausbeutung zu schützen, die Politiker, versagen an entscheidender Stelle, weil Main-Stream und fehlgeleitete Öffentlichkeit sie zur kurzsichtigen Entscheidung treiben.

Und natürlich gibt es Politiker, die selbst in der Beraterbranche verdienen – korrumpiert (um nicht zu sagen: korrupt) sind.

Es fehlt an kritischer Öffentlichkeit, die diejenigen unterstützen, die kritisch hinterfragen. Selbst da, wo das ureigenste Interesse der Presse angesprochen ist, nämlich umfassend zu informieren, stehen die Kritischen zumeist allein.

3. Welchen Zielen dient ÖPP?

Die Beraterfirmen stehen also vor der Aufgabe, ein System zu entwickeln, das _ riesige Summen Geldes mobilisiert,

_ ihnen möglichst umfassende Geschäftsbeteiligung eröffnet,

_ ihnen und ihrer Klientel möglichst hohe Gewinne bringt

_ und Politikern kurzfristige Erfolge garantiert

_ und das „dicke Ende“ herauszögert, das kommen muss,

wenn so viel Gewinn für so viele Interessenten herausspringen soll.

Und genau diesen Erfordernissen wird ÖPP gerecht.

Um zu verschleiern, dass diese Bedingungen nichts weiter sind als die teuerste Variante einer Kreditaufnahme, schreien alle Befürworter von ÖPP auf, wenn dies klar gestellt wird. Es handele sich nicht um Geldbeschaffung, behaupten sie. Vielmehr ginge es um eine „Delegation der Erbringung bestimmter öffentlicher Leistungen an den privaten Sektor, wo dieser eine kosteneffektivere Lösung anbieten“ könne.

Das ist – um es freundlich zu umschreiben - nur verschleiernde „Philosophie“. Das sieht – mit uns – auch der Rechnungshof anders und erklärt ÖPP zum kreditähnlichen Rechtsgeschäft, das im Haushalt als solches nachgewiesen werden muss.

Es geht – klar gesagt - um ein verdecktes Kreditgeschäft.

Für kurzsichtige Politiker ist das Schöne, dass die hohen und langfristigen Schulden, die der Staat nun doch macht, im Haushalt nur verschleiert auftauchen sollen, wie das schon bei der „kriminellen Berliner Wohnungsbauförderung“ (Ex- Bausenator Riebschläger) der Fall war.

Und noch schöner ist: Das Positive (z.B. die renovierte Schule) gibt´s gleich, das dicke Ende kommt erst nach vielen Jahren!

4. Wie funktioniert ÖPP?

Um zu verstehen, wie trickreich geplant wird, müssen wir in das System einsteigen.

Es wird in Schritten umgesetzt, die von den Beratern - und willigen Helfern in der Politik - auch ganz offen dargestellt werden.

So sicher ist man sich der korrumpierenden Wirkung des Systems auf die politischen „Entscheidungsträger“!

4.1 Die Botschaft verkünden

Zunächst muss den Politikern eine „Botschaft“ vermittelt werden. Sie muss auf ein wirkliches Bedürfnis gründen. Dieses Bedürfnis muss im Bewusstsein der Öffentlichkeit - Betroffene und Interessierte – als drückendes Problem eingeprägt werden.

Die „Lösung“ des Problems muss in einem „großen Projekt“ vorgestellt werden können, das angeblich alle Not auf lange Zeit beendet.

Ein Beispiel: In Berlin sind sehr viele Schulen sanierungsbedürftig.

Der Putz rieselt von den Wänden, Dächer sind undicht, Schulräume sind mit PVC verseucht, der Brandschutz ist nicht ausreichend. Aufgrund dieser zutreffenden Tatsachen, behaupten die Beraterfirmen einen „Sanierungsstau“ an 840 Schulen, dessen Behebung rund 1.600.000.000,- € erfordere.

Wie hoch der Sanierungsbedarf an den Berliner Schulen wirklich ist, weiß niemand. Was an den einzelnen Schulen notwendig, was wünschenswert, was ökologisch oder finanziell sinnvoll ist, kann keine Beraterfirma sagen. Niemand hat die 840 Schulen im Einzelnen untersucht. Das würde die „Botschaft“ der Berater auch zerfasern lassen und ihr die Durchschlagskraft rauben.

Denn dazu müsste für jede Schule ermittelt werden:

_ Welches sind die unabweisbaren Bedürfnisse (z.B. defekte Dächer, Brandschutz, sanitäre Anlagen, usw.)?

_ Welchen Maßnahmen sind aufgrund der pädagogische Bedürfnisse der Schule sinnvoll und notwendig?

_ Welche Maßnahmen – so sinnvoll sie auch aktuell sein mögen verbieten sich aufgrund der zeitlichen Perspektive der jeweiligen Schule? (Viele Schulen werden wegen Schülermangels geschlossen oder umgewidmet und umgebaut werden müssen.)

_ Welche Maßnahmen sind unter derartigen Perspektiven ökologisch oder finanziell sinnvoll? (Kosteneinsparungen durch Wärmedämmung rechnet sich erst nach Jahren. Auch gibt es hier einen enormen technologischen Fortschritt: vieles, was jetzt noch unrentabel ist, wird angesichts steigender Öl- und Gaskosten und durch Massenherstellung rentabel; und ob Computer an jedem Schülerarbeitsplatz tatsächlich erhebliche bauliche Maßnahmen erfordern, dürfte angesichts der Entwicklung von wireless-lan zu verneinen sein. Dass in 25 Jahren diese Anschlüsse noch mit gleichmäßig hohen Raten und einem Facility-Management zu deren Wartung bezahlt werden müssen, macht den Irrsinn dieser Planungen deutlich.)

Dies alles verbietet es, einen ÖPP-Vertrag, der die Sanierung von 840 Schulen auf einen Schlag zum Gegenstand hat, abzuschließen!

Aber natürlich schmückt sich ein Schulsenator gern damit, innerhalb von fünf Jahren alle Berliner Schulen auf einen Schlag zu modernisieren, sodass alle Schülerinnen und Schüler „in modernen, lichten Gebäuden lernen und studieren“ können.

Der „Lebenszyklus“ eines Senators beträgt erfahrungsgemäß durchschnittlich 5 Jahre. Der „Lebenszyklus des ÖPPVertrages“ beträgt 25 bis 30 Jahre. Wenn sich am Ende des Vertrags die angebliche „Wirtschaftlichkeit“ als Trugschluss erweist, deckt den Urheber bereits der grüne Rasen.

ÖPP verspricht allen - den Politikern, den Eltern und Schülern - die Sanierung sofort!

Das macht einen enormen Druck auf. Und der wird über die Berater und alle, die daran verdienen, vermehrt. Dem angeblich profitierende Mittelstand und dem Bauhandwerk wird der Mund wässrig gemacht. Schüler und Eltern, natürlich nur an der aktuellen Situation und nicht an der in sieben Jahren interessiert, verlangen nach Sofortmaßnahmen. Und da Politiker nicht weiter als sieben Jahre denken, ist man sich einig: Es muss etwas geschehen! Und zwar ein großer Befreiungsschlag!

Und damit ist für die Beraterfirmen die erste wichtige Schlacht gewonnen!

4.2 Die Grundsatzentscheidung

Nun kommt die schwierigste Phase für die Berater. Sie müssen die Wirtschaftlichkeit des ÖPP-Modells auch den – wenigen - kritischen Entscheidungsträgern vorgaukeln.

Dazu gehört, dass man – wie es die Berater selbst öffentlich bekennen – „den Bock zum Gärtner macht“. Der Bock, das sind die Finanzer in der öffentlichen Verwaltung. Die müssen gewonnen werden. Ihre Sicht ist auf die finanziellen Aspekte gerichtet. Und sie betrachten – zum Beispiel Schulrenovierungen – ohne Blick auf die pädagogische Bedürfnisse. Ihnen kann die Renovierung aller Schulen unter fiskalischen Aspekten auch dann attraktiv erscheinen, wenn sie in Wahrheit an den tatsächlichen Bedürfnissen der Schulen weit vorbeigeht.

Aber auch unter rein fiskalischen Aspekten ist z. B. die Instandsetzung von Schulen im Rahmen eine ÖPP-Projekts keineswegs einleuchtend.

In dieser “Implementierungsphase“, sei es „notwendig“ so die Berater, dass ÖPP eine starke Unterstützung durch die politische Führung erfährt. Dadurch werden kritische Beamte und Angestellte isoliert, die diese „ungewöhnlichen Wege der Beschaffung“ rechtzeitig und breit kritisieren könnten.

Die Berater behaupten frech, dass das Projekt den Staat 20 % weniger kostet als die konventionelle Beschaffung und Bewirtschaftung. Dies ist eine erstaunliche Feststellung, wenn man bedenkt, dass die Privaten, die diese Sanierungen übernehmen, ihre Kredite erheblich teurer aufnehmen müssen, die Banken also mehr verdienen.

An ÖPP profitieren aber nicht nur die Banken. Viele andere wollen an die „Staatsknete“:

_ Der Generalunternehmer,

_ die Beraterfirmen,

_ die zahlreichen Rechtsanwälte,

_ die vielen Steuerberater,

_ die Wirtschaftsprüfer,

_ die Architekten,

_ die Versicherungen,

_ die Vergabeverfahrenexperten für gemischtwirtschaftliche Gesellschaften

_ und die Immobilienberater

bringen in einer multidisziplinären Zusammenarbeit ihr Knowhow ein – und lassen sich „die Transaktionskosten“gut bezahlen.

Erforderlich ist dies, weil die rechtliche Konstruktion eines ÖPP-Vorhaben kompliziert ist. Das kann man sich leicht vorstellen, wenn man die vertragliche Erfassung der Renovierung von 840 Berliner Schulen betrachtet. Jede Leistung muss erfasst, jedes Risiko „eingepreist“ werden. Die Berechtigung individueller Forderungen der Schulen muss erfasst, geprüft und berechnet werden. Mehr dazu unten.

Wo sollen diese zusätzlichen enormen Kosten eingespart werden?

Wodurch werden dann noch darüber hinaus die versprochenen zusätzlichen weiteren 20 % Kostenersparnis herkommen?

_ Bei den kleinen Handwerkern und deren Mitarbeitern, die durch private Firmen als Subunternehmer besser erpresst werden können als durch staatliche Bauämter.

_ Durch effizientere Bewirtschaftung sollen ebenfalls Kosten „eingespart“ werden. Dass allerdings das private „Faciliy- Management“ effizienter ist als ein staatliches, hat die Berliner SPD-Fraktion durch eine Arbeitsgruppe untersucht und als Fehlurteil entlarvt und daher abgelehnt.

Weitere konkrete Aussagen, warum ÖPP-Projekte ungeachtet der sehr viel höheren Kosten für Kredit und Projektbeteiligte „am Schluss des Lebenszyklus des Projekts“ 10 bis 20 % billiger sein sollen, bleibt das Geheimnis der Berater.

Das haben auch die Berater erkannt und verwenden auf diese Phase sehr viel List. Um die Grundsatzentscheidung für das ÖPP-Projekt zu bekommen, wird die Kommune zunächst unter Zugzwang gesetzt. Man schafft bei den politischen Entscheidungsträgern und der Aufsichtsbehörde (in Berlin den Mitgliedern des Unterausschusses „Beteiligungsmanagement und Controlling“, also den „wichtigen“ Parlamentariern und den Spitzen der Regierung) sogenanntes Herrschaftswissen. Die Verwaltung selbst wird unter Druck gesetzt und soll die Rahmendaten in kurzen Fristen bereitstellen:

_ Eckpunkte der (sich an den Bedürfnissen ändernden) Schulentwicklungsplanung,

_ Voraussichtliche Entwicklung der Schülerzahlen ( die maximal auf sechs Jahre absehbar ist und regionale Veränderungen durch die Entwicklung der Quartiere nicht vorhersehen kann)

_ baulicher Handlungsbedarf

_ die Höhe der Bewirtschaftungskosten

_ „Instandhaltungsstau“ (ein Bekenntnis zur bisherigen Vernachlässigung öffentlicher Aufgaben)

_ „Vermögensbilanz“ (Hier werden die Eckdaten – Alter der Schule, damalige Baukosten, Höhe der Abschreibung und Wertverzehr der Immobilie – aufgeliefert.)

Daraus „erarbeiten“ die Berater „die grundsätzlichen Projektziele und die wesentlichen Informationen und Daten zum Handlungsrahmen, um diesen der Kommune (gemeint sind die oben genannten Kreise) aufzubereiten, denn- so die Berater:“ in diesem Stadium sind kritische Fragen zu erwarten!“ Mit den oben genannten Daten wird dann ein über 25 bis 30 Jahre währender „Lebenszyklus“ über die einbezogenen Gebäude konstruiert. Dieser virtuelle gesamte Lebenszyklus soll dann – auf der Grundlage einer Berechnung mit der Barwertmethode - angeblich 10-20% billiger sein.

In 30 Jahren kann das dann verifiziert werden. Die Politiker, die das Projekt abgenickt haben, dürften dann überwiegend das Zeitliche gesegnet haben oder ihren „verdienten Ruhestand genießen.“ Die grundsätzliche Kritik an diesen Modellen muss von der Erkenntnis ausgehen, dass hier nichts anderes als Planwirtschaft betrieben wird.

Diesmal plant allerdings nicht der Staat, diesmal plant die Privatwirtschaft.

Der Staat ist bereits mit Fünf-Jahres-Plänen gescheitert.

Auf der Grundlage gleicher Datenerhebungen maßt sich jetzt die private Wirtschaft an, Dreißig-Jahres-Pläne zu erstellen. Was die Interessen der Privatwirtschaft selbst betrifft, steht diese freilich auf der sicheren Seite. Sie hat für 30 Jahre sichere Einkünfte und Gewinne.

Und wer sind die Gewinner?

Die Gewinner sind zunächst die Berater, die sich innerhalb weniger Jahre aus dem Staub machen werden. Gewinner sind dann noch die Großunternehmer wie Hochtief oder SKE, ein französisches Unternehmen. Dieses „Unternehmen“ war es übrigens, das (ohne die oben erwähnte Datenerhebung) schon jetzt weiß, dass Berlin für die Renovierung seiner Schule 1,6 Milliarden € bereitstellen muss.

Verlierer dieser Planwirtschaft kann nur der Staat sein, der über eine Zeit von 30 Jahren an Leistungen gebunden ist, die er zum größten Teil mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht mehr gebrauchen kann.

Vor dreißig Jahren hat Berlin in einem ähnlichen Gewaltakt die Mittelstufenzentren gebaut – und niemand würde dies wiederholen.

Nun soll dieser Fehler wiederholt werden, nur, dass man dieses Mal nicht „bar bezahlt“, sondern über 25 Jahre die Fehler einer Gewaltaktion - finanziell gefesselt - auslöffeln muss.

Die Berater drücken dies charmant so aus: Der Staat verliert seine Freiheit, seine Gebäude vernachlässigen zu können.

Was man nicht sagt: der Verlust dieser „Freiheit“ bedeutet, dass er für andere Aufgaben kein Geld mehr hat und diese vernachlässigen muss. Dabei handelte es sich dann allerdings nicht mehr um Gebäude, sondern um Menschen.

Aber: Um die geht es den Beratern aber nun wirklich nicht!

Am Ende dieser Phase steht ein Grundsatzbeschluss.

Er lautet, dass „Untersuchung und Verfolgung von Alternativen“ eingeleitet werden. „Weitere Daten sind zu beschaffen und die bereits verhandelnde zum Beispiel durch Heranziehung von Vergleichsdaten und Standards“ zu überprüfen, „um die angestrebte Entscheidung besser fundieren zu können“.

Diese Phase wird dann für die Kommune bereits teuer.

Der Grundsatzbeschluss ist ein Kuckucksei. Er gaukelt vor, dass Alternativen geprüft werden und man sich noch nicht festgelegt habe. Damit macht man die Politiker glauben, sie hätten noch Entscheidungsfreiheiten.

In Wahrheit ist dies nicht der Fall: Was jetzt folgt ist ein hochkomplizierter Vorgang. Es hat noch kein ÖPP-Projekt gegeben, in dem der Staat die Handlungsherrschaft auch nur über die Vertragsgestaltung behalten hätte: Weder bei der LKW-Maut (Toll-Collect), dem Warnow-Tunnel und nicht einmal bei dem vergleichsweise überschaubaren Wasserbetrieb Berlin, dem zwar größten ÖPP-Projekt Europas, das aber nur die Beteiligung Privater an einem unveränderten Betrieb zum Gegenstand hatte.

4.3 Die Vorbereitungs- und Ausschreibungsphase

Von nun an wird ein Heer von Beratern tätig – und zwar mit Honorar. Die Berater müssen schon in dieser Phase von der Kommune beauftragt werden. Das durchschnittliche Entgelt für diese Leistungen liegt bei 300.- € die Stunde.

Die Berater führen zunächst Daten zusammen. Diese Daten sind – wenn wir bei unserem Beispiel „Berliner Schulen“ bleiben - nicht ohne gewaltigen Aufwand der Betroffenen – Lehrer, Schüler, Schulverwaltung – zu ermitteln. Gesichtet und geordnet werden diese Daten von den Beratern, die sie freilich nach klaren, interessengeleiteten Kriterien aufstellen: Es werden „Überlegungen zur Risikoanalyse und –verteilung angestellt, die später für die Ausschreibung noch vertieft werden müssen“. Denn so die Befürworter: „die Risikoverteilung beeinflusst in hohem Maße die Beurteilung, ob eine ÖPP für den privaten Sektor interessant ist und wie die ÖPP durch den privaten Sektor bepreist wird.“

Damit ist beschrieben, worum es geht:

_ Die Privaten wollen – natürlich – nur die profitablen Teile der Wahrnehmung einer öffentlichen Aufgabe übernehmen. Das kann man ihnen nicht verübeln, denn sie beteiligen sich ja nicht aus Gemeinsinn, sondern wegen eines möglichst hohen Profits an der Wahrnehmung der öffentlichen Aufgabe.

_ Die Privaten wollen keine Risiken übernehmen. Wenn sie es doch tun, muss das hoch bezahlt werden: „Die Risikoübertragung von der öffentlichen Hand auf die Privaten ist Gegenstand des Vertragsabschlusses und wird monetär bewertet und findet in dem zu zahlenden Entgeld ihren Niederschlag.“

Der Staat kann einen Teil der Zuschläge vermeiden, wenn der Staat „Kreditbürgschaften stellt oder bezüglich Forderungen der Bank auf das Recht der Einrede verzichtet.“

Damit gibt die Kommune aber auch ihre Rechte ab!

_ Aus den Daten soll dann ein „Wirtschaftlichkeitsvergleich“ erstellt werden, der über 30 Jahren läuft. Das ist auch erforder lich, denn zunächst kann ein privater eine Aufgabe gar nicht billiger gestalten als der Staat. Der „Lebenszyklus des Gebäudes“ ist der Maßstab – der sich dann aber jeder empirischen Nachprüfung entzieht. An Ende steht dann die Entscheidung, „dass bei Erreichung des funktional beschriebenen Soll-Zustandes und der in den Vertragsentwürfen vertraglich festgelegten Risikoverteilung der finanzielle Maßstab aus dem Wirtschaftlichkeitsvergleich ausschlaggebend sein soll.“

_ „Auf dieser Grundlage berät der Rat der Stadt erneut, ob der Stand der Vorbereitungen und das erwartete Ergebnis insbesondere im Blick auf die Haushaltsbelastung den Start eines Vergabeverfahrens rechtfertigen. Nach teils auch kontroverser Diskussion beschließt der Rat die Durchführung eines formellen Vergabeverfahrens für die Sanierung und den Betrieb der 10 Schulen.“ So die Berater! In Berlin wären es dann über 800 Schulen.

Mit diesem Beschluss ist dann alles gelaufen.

Es ist fast unmöglich, dass ein solcher Beschluss gegen die Einführung eines ÖPP-Modells gefasst wird. Die Berater haben bereits zweistellige Millionenbeträge für ihre Vorarbeiten erhalten. Ein Politiker, der jetzt noch Nein sagt, würde als unverantwortlich niedergemacht – insbesondere, wenn er sich gegen den „Expertenrat“ stellt, der vorgibt objektiv zu sein.

Das ändert nichts daran, dass niemand ernsthaft behaupten kann, er kenne die pädagogischen Bedürfnisse der Schule in 20 Jahren und wisse, welche baulichen Voraussetzungen zur Erfüllung dieser Erfordernisse nötig sind. Wer jetzt beschließt, dass man dann immer noch an Verträge gebunden sein soll, die die finanziellen Spielräume der Kommune extrem einengen, handelt unverantwortlich.

Auch die Beteiligung noch so vieler Experten - Lehrer, Schulleiter, Schulräte, Pädagogikprofessoren, Schulpolitiker - kann an dieser Tatsache nichts ändern.

Kein Mensch kann so konkret auch nur 10 Jahre vorausdenken – insbesondere nicht angesichts einer rasanten technischen Entwicklung. Planwirtschaft ist immer schlecht - eine Planwirtschaft, die nur die langfristigen finanziellen Interessen des Kapitals befriedigen soll aber besonders.

4.4 Die Vertragsphase

In allen Verträgen, die bislang in ÖPP-Modellen aufgelegt wurden, war der Staat der Dumme.

Das liegt nicht daran, dass der Staat schlechte Mitarbeiter hätte. Vielmehr ist es gar nicht möglich, einen Privaten wirklich „über den Tisch zu ziehen“. Der hat nämlich nur eine einzige Vorgabe, auf die er achten muss: Seinen Vorteil.

Und selbst dann, wenn es gelänge, die Risiken zu Ungunsten des Privaten zu verteilen, ist dem Staat nicht geholfen: Dann macht der Private nämlich eine Pleite. Und die kann bekanntlich – für ihn – „sehr gesund sein“.

Und das trifft nicht nur auf Klein- und Mittelbetriebe zu. Wir erinnern uns an Holzmann. Dagegen hilft nicht einmal der Einsatz eines Bundeskanzlers.

Wie kompliziert die Verträge – es sind mindestens fünf- sind, zeigt die „typische ÖPP- Projektstruktur – Alles aus einer Hand.“

Wir zitieren das Beraterpapier der SPD-Bundestagsfraktion

(Quelle: International Financial Services London)

1. „Der Konzessionsvertrag: Er regelt die Lieferung von Dienstleistungen durch die Projektgesellschaft und enthält in der Regel Vereinbarungen zur Qualität der zu erbringenden Dienstleistungen und den Zahlungsmodalitäten.

2. Der Bauvertrag: In der Regel ist er eine Festpreisvereinbarung für ein schlüsselfertiges Projekt, das vor Ablauf einer bestimmten Frist betriebsbereit fertig gestellt sein muss. Die Projektgesellschaft übernimmt alle Baurisiken.

3. Der Vertrag für die Gebäudebewirtschaftung: Dieser Vertrag enthält die Betriebs - und Instandhaltungsleistungen, die häufig an ein Tochterunternehmen der Gesellschafter der Projektgesellschaft vergeben werden. Dabei übernimmt der private Partner den Großteil der Risiken aus der Bereitstellung der Dienstleistungen.

4. Aktionärs -, Kredit - und Finanzierungsverträge: Sie beziehen sich auf die Finanzierung, die durch Eigenkapital und Kredite aufgebracht wird. Die Deckung der versicherbaren Risiken erfolgt durch den Versicherungsmarkt.

5. Der Direktvertrag: Er reguliert die Beziehungen zwischen der öffentlichen Hand und den Kreditgebern, da der Kreditvertrag aus dem Kapitalflüssen, die durch die Erbringung der Dienstleistungen erwirtschaftet werden, finanziert wird.“

Fehlt nur noch die Renditegarantie! Auch an die hat der Bundestagsabgeordnete Dr. Michael Bürsch, „Leiter der Projektarbeitsgruppe ÖPP der SPD-Bundestagsfraktion“ und selbst Berater gedacht:

„ Nach dem derzeit geltenden § 3 Absatz 4 FStrPrivFinG gilt als angemessene kalkulatorische Verzinsung des vom Privaten eingesetzten Eigenkapitals die durchschnittliche Rendite zehnjähriger deutscher Bundesanleihen in einem Zeitraum von 20 Jahren, die der jeweiligen Kalkulationsperiode vorausgehen, zuzüglich eines dem jeweiligen unternehmerischen Risiko angemessenen Risikozuschlages. Der Risikozuschlag darf nicht zu einer unverhältnismäßigen Verzinsung des eingesetzten Eigenkapitals führen. Es ist klarzustellen, dass für die angemessene Verzinsung des Eigenkapitals einschließlich eines angemessenen Risikozuschlag eine Betrachtung über den gesamten Konzessionszeitraum möglich sein soll, um Unsicherheiten für privaten Betreiber zu vermeiden. Dies entspricht auch der bereits heute ausgeübten Praxis.“

Das ist wahr. Wir kennen diese „Formel“ aus dem ÖPP-Vertrag für Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe. Das Berliner Verfassungsgericht erklärte diese Renditegarantie 1999 für verfassungswidrig, dennoch wurde sie im geheimen Vertrag zugesichert.

Die zwischenzeitlich 30 prozentige Erhöhung der Wasserpreise in Berlin, geht allein auf diese Gewinnbeteilung der Privaten zurück, da die sogenannte „Effizienzsteigerung“ (Personalabbau, Halbierung der Instandhaltungsleistungen) nicht ausreicht, die garantierte Rendite zu bezahlen.

5. Resümee

Die Bundestagsfraktion der SPD hat am 1.Juli 2005 das „ÖPPBeschleunigungsgesetz“ ohne parlamentarische Beratung durch den Bundestag gepeitscht. Daran hat der Wahlkampf nicht gehindert. Der Bundesrat hat am 8.Juli 2005 zugestimmt.

Im Rahmen dieses Gesetzes hat man nun sogar offene Immobilienfonds und anderen „Heuschrecken“ den Markt für dieses 20-Milliarden-Euro-Geschäft geöffnet.

Wer verhindern will, dass dieses Modell angewendet wird, muss daher vor Ort - in den Ländern, Städten und Gemeinde - dafür sorgen, dass dieses Modell abgelehnt wird. Das wird schwer genug und erfordert die Aufmerksamkeit aller Kommunalpolitiker und Bürger.

Und allen muss klar sein: Ein ÖPP-Projekt ist nur in der Anfangsphase zu stoppen. Wer sich auf einen Grundsatzbeschluss einlässt, ist verloren. Dann wird die Beraterkaste gnadenlos zuschlagen!

Den Schwerpunkt ihres Geschäfts (80%) sehen die Berater in den Kommunen. Dort glauben sie genügend Opfer zu finden, die sich durch ihre Titel, ihre angebliche Sachkunde, durch ihr Auftreten und durch ihre Klientel, die großen Firmen, beeindrucken lassen.

Berlin hat seine Fehler schon früh gemacht. Sie fortzusetzen, hieße, die Dummheit auf die Spitze zu treiben. Ein alter lateinische Spruch sollte, dass der Dumme nur durch Erfahrung gelernt.

Wie dumm muss sein, wen nicht einmal die Erfahrung lehrt.

Berlin, den 31.10.2005

Gerlinde Schermer - Hans-Georg Lorenz

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Gerlinde Schermer
http://www.splitter-und-balken.de/autoren.php?topic=55

Verdienen an leeren Kassen oder:
öpp und die (Berater-) Frösche

Die Berliner SPD kann stolz sein: Franz Müntefering und die Bundestagsfraktion haben sich bei Anette Fugmann-Heesing bedankt - schriftlich. Die hatte "dienstlich" als Vertreterin der Berliner Beratungsdienste Stobbe, Sachs, Nymoen GbR der Bundestagsfraktion geholfen, die Voraussetzungen für ein neues Finanzierungsmodell zu erarbeiten. Es soll den notleidenden Kommunen helfen, ihre verfallenden Bildungseinrichtungen zu erneuern und zu pflegen.

Das Modell firmiert unter dem Begriff


ppp oder öpp.


Was ist öpp? Der Begriff der "öffentlich-privaten Partnerschaft" - englisch: Public Privat Partnership (ppp) - meint die verschiedenen Formen privater Kapitalbeteiligung an der Finanzierung und Verwaltung von Infrastrukturen und Leistungen des öffentlichen Sektors.
Und wie dies in der Wirklichkeit aussieht, erfahren wir aus einem Modell, das - mit Dietrich Stobbes Ratschlag - in Offenbach (Hessen) umgesetzt wurde. Der dortige Landrat Peter Walter erklärt stolz, dass ab 1.1.05 alle 90 Schulen im Kreis Offenbach von zwei privaten Unternehmen bewirtschaftet und saniert werden. Im Gegenzug hat sich die Gemeinde vertraglich verpflichtet, im Laufe von 15 Jahren 780 Millionen Euro an die Privatfirmen Hochtief AG (49 Schulen für 410 Millionen Euro) und die facility management Firma SKE (41 Schulen für 370 Mill. Euro) zu zahlen. Dafür verspricht Hochtief der Gemeinde alle Schulen innerhalb von 5 Jahren zu sanieren.

Nun könnte man meinen, dass es sich um nichts anderes handelt, als um eine besonders teuere Vorfinanzierung:
Denn natürlich strecken die Bau- und Facility -Firmen das Geld, das sie für das Bauen, Renovieren und Verwalten der Gebäude brauchen, nicht selbst vor. Das Geld kommt vielmehr aus dem "Kapitalmarkt". Und da Geld nicht verschenkt wird, entstehen hohe Kosten!
Hochtiefgeschäftsführer Bernward Kulle: " Für die Sanierung der 49 Schulen nehmen wir eigenes Geld und das der uns finanzierenden Banken in die Hand, ca. 100 - 130 Millionen Euro in den ersten Jahren."

Man darf ruhig nachrechnen. 100 - 130 Millionen Euro "nehmen die Firmen in den ersten teuren Jahren der Renovierung "in die Hand". 410 Millionen Euro bekommen sie in 15 Jahren. Da wird man neugierig! Jedenfalls wundert nicht mehr, dass Banker und Wirtschaftswissenschaftler "öpp" als den Wachstumsmarkt der Zukunft für Banken und Versicherungen bezeichnen. Sie erwirtschaften sich ihre Gewinne durch weitere unnötig hohe Verschuldung des Staates, also der Allgemeinheit. Und da sich der Vorgang sehr kompliziert gestaltet, braucht man auch viele Berater: Anwälte, Steuerberater, Betriebswirte vereint in der Boom-Branche der Consulting-Firmen, wie Bilfinger-Berger und Freshfields-Bruckhaus-Deringer oder BBD.

Fazit:
Es gibt also auf der Banker-Seite und auf der Beraterseite und auf der Seite der großen Baukonzerne ein gemeinsames Interesse: Geld vom Staat!

Offenbach konkret:
Auf 30 Millionen Euro beziffert Landrat Peter Walter die Beratungskosten. Das geheime Vertragswerk hat mehrere Tausend Seiten.
Hauptgeschäftsführer Herr Kulle von Hochtief über den Verhandlungspartner: "Sie müssen wissen, Herr Walter hat ja in seiner Karriere vorher die Kripo in Frankfurt geleitet, einschließlich des Glücksspielreferates und er war ein gewiefter und professioneller Verhandlungsführer."
Uns macht dieses Lob von Herrn Kulle misstrauisch.

Noch einmal: 30 Millionen Euro haben allein die Berater in Offenbach kassiert!
Wichtig für diese Beraterfirmen sind Politiker, die für sie den sachunkundigen und juristisch nicht vorgebildeten Kolleginnen und Kollegen in den Kommunen erklären, wie günstig der 40 Aktenordner umfassende, geheime Vertrag, den auch sie nicht kennen, gerade für ihre Gemeinde ist.
Diese Aufgabe haben in Hessen Dietrich Stobbe und Anette Fugmann-Heesing übernommen - Hessen ist die politische Heimat von Anette Fugmann-Heesing.

Aber auch Berlin ist bereits in ihrem Visier:

Im "Leitantrag" des Landesvorstandes zum "arbeitsmarktpolitischen Landesparteitag der Berliner SPD" am 04.12.2004 wurde der folgenden Satz untergebracht: "Hier sind auch neue Modelle zu entwickeln und zu erproben, die einen Ausgleich zwischen Investitionsnotwendigkeiten und Investitionsmöglichkeiten des Landes Berlins schaffen, wie beispielsweise bei der Schulsanierung, Parkpflege oder anderer vergleichbarer Bereiche."
Außer dem Donnerstagskreis fiel das in seiner scheinbaren Harmlosigkeit niemandem auf. Wir wissen allerdings aus Offenbach, dass durch solche "harmlosen Beschlüsse" die Weichen gestellt werden. Am Ende beruft man sich dann auf "einmütige Parteitagsbeschlüsse".

Schwer hatte es das Duo Stobbe/Fugmann-Heesing nicht, das öpp-Modell zur Sanierung hessischer Schulen zu erarbeiten. Denn beide hatten in Berlin ein sehr ähnliches Modell kennen - und offenbar lieben - gelernt:

Das Berliner Modell der Wohnungsbauförderung.
Berlin (West) befand sich in den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts in einer schwierigen Situation. Die Stadt litt unter Wohnungsnot. Mit den klassischen Modellen der Förderung war - wie heute - angesichts knapper Kassen die erforderliche Zahl von Wohnungen nicht zu bauen, ohne in sehr ernste Probleme mit dem Landeshaushalt zu kommen. Da kam "man" auf die Idee: "Jetzt bauen und später bezahlen."

Zusatzeffekt für die Berliner Politik: Die wahren Investitionssummen wurden im jährlichen Haushalt nicht ausgewiesen, galten also auch nicht als Verschuldung!

Und so geschah es. Die Privaten bauten. Bald zu Wahnsinnspreisen! Die Finanzierung holten sie sich auf dem Kapitalmarkt - damals noch über normale Bankkredite. Und das Land Berlin übernahm die volle Finanzierung für 15 Jahre - und dann später für weitere 15 Jahre im Rahmen einer "Anschlussförderung". Im jeweiligen Landeshaushalt stehen "nur" die Jahresraten zur Tilgung der eingegangenen Verpflichtungen.

Der Donnerstagskreis hat dieses Modell am 23.12.2002 wie folgt gewürdigt: "Mehr als jede andere politische Maßnahme ruiniert die Förderung des Berliner Wohnungsbaus den Berliner Haushalt. Selbst die Zahlungen zu Gunsten der Bankgesellschaft Berlin in Höhe von 300 Millionen Euro jährlich nehmen sich gegen die fortlaufenden "Schuldendiensthilfen" als Folge der Förderung des Berliner Wohnungsbaus in Höhe von rund 1.271 Millionen Euro (2,5 Milliarden DM) pro Jahr fast mager aus."

Andere haben noch härtere Worte gefunden: Das System habe er - so Klaus Riebschläger in der Berliner Zeitung vom 30.Juli 2003 - schon vor zwanzig Jahren als "kriminell" bezeichnet. Und der damalige Vorsitzende der ÖTV, Dr. Kurt Lange, sprach in einem Artikel vom März 1986 von "legaler Wirtschaftskriminalität".

Die furchtbaren Folgen trägt Berlin noch heute und ist für viele weitere Jahre an die milliardenschweren Verpflichtungsermächtigungen gebunden, die Politiker vor 15 Jahren gaben. Diese Milliarden würde das Land weitere Jahrzehnte tragen, wenn der Donnerstagskreis hierin unterstützt von Senator Sarrazin nicht in einem Kraftakt - gegen den erbitterten Widerstand des (damaligen) Bausenators und SPD - Landesvorsitzenden, Peter Strieder - die SPD-Fraktion hätte davon überzeugen können, wie verbrecherisch die Fortsetzung dieses Systems gewesen wäre. Die Klagen der "Partner" von damals, auf Fortsetzung der Zahlungen des Landes mussten vor Gericht abgewehrt werden.

Alle Parteien von PDS bis FDP begrüßten schließlich im Parlament den Stopp dieses "Vorfinanzierungsmodells". Ob sie sich daran auch heute noch erinnern?!

Das Schema der "Berliner Wohnungsbauförderung" und das der "öpp"-Modelle ist gleich, die Ausgangssituation fast identisch:

·  Die Finanznot der Kommunen,

·  die Forderungen der Bürger nach Behebung eines unbestreitbaren und akuten Mangels,

·  das Dilemma der Bauindustrie - damals in der eingemauerten Stadt, heute angesichts der investitionshemmenden sogenannten "Sparpolitik" in ganz Deutschland,

·  das Beziehungsgeflecht von Politik und "Wirtschaft".

Auch die handelnden "Personen" gleichen einander:

·  Kurzsichtige Politiker, die zur Sicherung der Wiederwahl die Zukunft verkaufen,

·  die Bauindustrie und ihre Interessenvertreter,

·  die finanzierenden und am Geschäft verdienenden Banken,

·  die enge Zusammenarbeit von Politik und Geld, um durch Beziehungen an die Geldtöpfe zu kommen,

·  die Risikoverteilung zu Lasten der Kommunen,

·  die Verschleierung der Verschuldung im aktuellen Haushalt der Kommunen - nun auch wegen der Maastricht-Kriterien. Die Finanzierung, die über die Jahre ausschließlich die Kommune zu tragen hat, wird nämlich nicht der öffentlichen Hand zugeschrieben, sondern der privaten Projektgesellschaft! Ein Buchungstrick mit dem Ziel der Verschleierung!

Geändert haben sich einige Rahmenbedingungen, die freilich das Grundschema nicht berühren: Die Botschaften des ideologischen Überbaus - langfristig von der Bertelsmannstiftung, der Körberstiftung, der Hanns-Martin-Schleyer-Stiftung und anderen Stiftungen der Deutschen Industrie erarbeitet und mit viel Geld immer wieder "verkauft" - sind kritiklos verbreitetes "Allgemeingut" der politischen Eliten geworden, obgleich sie ersichtlich falsch sind:

·  Private machen alles besser und billiger.

·  Steuern senken schafft Arbeitsplätze.

·  Das Verfälschen und Verwässern klarer - und teilweise grundgesetzlich geschützter - Werte und Begriffe: Aus Gleichheit wird "Chancengleichheit" (die jede Lotterie erfüllt), aus dem grundgesetzlichen Sozialstaatsgebot wird der "Gewährleistungsstaat", aus dem "Recht auf Bildung" wird das (käufliche) "Produkt Bildung", dessen Wert an der Verwertbarkeit der Menschen gemessen wird.

So verwirtschaftet sich Politik.

Auch die Dimension ist neu: Es geht um Geschäfte in ganz Deutschland. Die Beteiligten sind mächtiger als sie es in der eingemauerten Stadt waren. Es sind nur große Firmen, die auf diese Aufträge spekulieren, es sind Banken und Versicherer, die einsteigen wollen. Und natürlich stehen die Beraterindustrie und die "think-tanks" der Privatindustrie hinter solchen Kampagnen. Für Neoliberale geht es um den Kern ihrer Botschaft, viel Geld!

Aber die Not ist real - und damit das "Erpressungspotential" gegenüber den Kommunen.

·  Ein tatsächliches und begründetes Bedürfnis nach Verbesserung der Situation in den Schulen, den Jugendeinrichtungen, der sozialen Infrastruktur- gemäß dem Verfassungsauftrag ist so offenbar, dass man sich für Deutschland schämen muss,

·  eine Bauindustrie, in der nunmehr seit Jahren mangels selbsttragenden Wachstums und als Folge der rigorosen Sparpolitik der Kommunen, die Aufträge fehlen, so dass große Firmen wie Holzmann oder Walter Bau, trotz Lohndumping Pleite gehen,

·  über 5 Millionen Arbeitslose, darunter viele Bauarbeiter,

·  die Verlockungen der "Haushaltsgestaltung" für die Finanzpolitiker angesichts eingeschränkter Möglichkeiten,

·  die vielen gewerbsmäßigen "Berater", darunter viele Politiker, die ihren ehemaligen - manchmal auch aktuellen - Kollegen mit ihren Geschäften in den Ohren liegen.

Daneben gibt es Sorgen durch die geplante Novellierung des Deutschen Vergaberechts nach den Richtlinien der EU: Alle Liefer- und Dienstleistungsaufträge und Bauaufträge ab 5,9 Millionen Euro sollen europaweit ausgeschrieben werden. Dies greift massiv in die Möglichkeiten der Kommunen ein, selbstbestimmt die Leistungen der Daseinsvorsorge an kommunale oder regionale Unternehmen zu übertragen.

Der Investitionsbedarf allein bei den Schulen wird bis 2009 in Deutschland auf 79,3 Mrd. Euro beziffert. Das ist ein Riesengeschäft.
Könnten die Kommunen diese Aufträge an die regionalen Handwerksbetriebe vergeben, würden tatsächlich Arbeitsplätze geschaffen und den Gemeinden geholfen. Das wäre auch eine echte Förderung des Mittelstands, von der die Parteien sonst immer nur reden.
Eine Aufgabe für den Bundeskanzler: Seine Initiative gemeinsam mit anderen Nationen, die Maastricht - Kriterien neu zu gewichten, zielt auf einen richtigen Weg.

Fazit: Es gibt einen akuten Bedarf, der auch befriedigt werden muss, will Deutschland in der Bildungspolitik nicht den Kontakt zur Weltspitze verlieren, den es auch für seine Wirtschaft braucht.

Wäre da nicht öpp doch ein vertretbarer Weg, um die Aufgaben zu erfüllen und zu finanzieren?

Um die günstigste Finanzierung dieser Investitionen geht es den Befürwortern für ÖPP, wie sie selbst erklären, gar nicht - kann es auch nicht gehen. Denn der Zins, den eine Kommune für Kredite zahlt, wird immer günstiger sein als der Zins für ein privates Unternehmen - schon wegen der erhöhten Bonitäts- und Projektrisiken der Privaten.

Da offensichtlich ist, dass jedes öpp-Modell erschreckend viel teurer ist als die Kreditaufnahme, bemühen sich seine Befürworter neben der Ideologie von der Überlegenheit des privaten Wirtschaftens auf die Kosten zu drücken:
Damit die Konditionen der Banken für die Kredite privater Konzerne wie HochTief billiger werden, wird von den ÖPP -Befürworten in der SPD verlangt:

1. Die Kommune soll Kreditbürgschaften stellen!
2. Die Kommune soll bezüglich der Forderungen der Bank auf das Recht der Einrede verzichten!
3. Die KFW soll öffentliche Fördermittel für Private geben.

"Alles wurde beim Pilotprojekt in Offenbach genutzt", beteuert Dr. Michael Bürsch MdB und Vorsitzender der Projektarbeitsgruppe ÖPP der SPD Bundestagsfraktion.

Dieses Modell kennen wir. Es heißt Bankenskandal!

Das Land muss alles bezahlen und übernimmt alle Risiken, hat aber keinen Einfluss auf das Geschäft und seine Erledigung.
Etwas anderes bedeutet der Verzicht auf Einreden nämlich nicht. So schlecht die Renovierung auch sein mag, so jämmerlich das Facility-Management auch arbeiten mag, die Kommune zahlt, zahlt selbst dann, wenn sie die Einrichtung gar nicht mehr benötigt.
Wochenlang wurde in Offenbach um die "Risikoverteilung" gefeilscht. Nicht umsonst hat der Vertrag in Offenbach mehrere tausend Seiten. Das Ergebnis bleibt geheim. Öffentlich wird nur die "Meinung" der Vertragspartner, dass durch die "Effizienzgewinne" alles viel günstiger ist, als es wäre, wenn die Kommune Bauherr bliebe.

Berlin weiß, dass diese "Zusicherungen" das Papier nicht wert sind, auf das sie geschrieben werden. Es gab diese Zusicherung bei dem Verkauf der Wasserbetriebe, der Bewag, der Gasag, es gab das Versprechen von "Riesengewinnen" der Bankgesellschaft. Und bezahlt haben die Bürger den "Glauben" der Politiker mit Milliarden-Zuschüssen!

Wir stellen fest: "öpp" kostet immer mehr als ein Kredit, den die Kommune aufnimmt, um ihre Aufgaben selbst zu erledigen. Etwas erträglicher werden die zusätzlichen Kosten, wenn die Kommune auf alles verzichtet, was sie gegen schlechte Arbeit, unnötigen Aufwand und weggefallene Aufgaben geltend machen könnte. Dieser Verzicht kostet am Ende aber noch mehr als das dadurch ersparte Geld. Auch das wissen wir.

Und worin liegt dann der Reiz von "öpp"?

Ganz wichtig sei der Vorteil einer "öpp Lösung" bei der Finanzierung: "Die Finanzierung wird überwiegend der privaten Projektgesellschaft, nicht der öffentlichen Hand zugeschrieben. Das ist für öffentliche Investoren, deren Kreditspielraum ausgeschöpft ist, ein beachtliches Aspekt"! Die Verschleierung der Verschuldung ist der einzige Vorteil der Kommunen und ihrer Politiker. Diesem scheinbaren Vorteil steht aber nicht nur entgegen, dass hier eine teure Lösung gewählt wird.

Vielmehr drohen auch andere Gefahren und Nachteile:

·  ÖPP wird immer von großen Konzernen vorangetrieben, denn das Portfolio muss mindestens 30-50 Mio. Euro betragen. Sonst lohnen sich auch die Berater nicht mehr. Die Einbindung des Mittelstandes erfolgt bei diesen Projekten - wenn überhaupt - nur durch Submissionsverträge. Das bedeutet für die regionalen Handwerker mit Arbeitsplätzen vor Ort, dass sie von den Großunternehmen total abhängig und damit erpressbar werden. Am Ende wundern sich dann die Politiker über die vielen ausländischen Arbeitskräfte, die legal oder illegal in den Einrichtungen der öffentlichen Hand arbeiten. Dabei haben sie das alles selbst veranlasst!

·  Die großen Unternehmen wie HochTief werden die Forderungen an die Kommune von 15 Jahren mittels Asset-Backed-Securities (ABS) zu Geld machen. Dazu gründet man - wie in Offenbach - eine sogenannte "Zweckgesellschaft". Banken kaufen dieser rechtlich selbständigen Zweckgesellschaft die Forderungen ab, die diese gegen die Kommune vertragsgemäß besitzt. Die Betreiberfirmen (hier HochTief) achten dann darauf, dass diese Zweckgesellschaft nicht mehr zu ihrem Konsolidierungskreis gehört. Damit haftet der Verkäufer nur noch für den rechtlichen Bestand und nicht mehr für die Einbringbarkeit der Forderungen. Es wird eine Trennung zwischen Verkäufer und den zu verkaufenden Bilanzaktiva erreicht. Im Gegenzug zum Verkauf der Forderungen erhalten die Unternehmer vom Finanzdienstleister (Banken) die ausstehenden Rechnungssummen. Die Finanzdienstleister ihrerseits bündeln diese Forderungen und machen marktfähige Papiere daraus, die als Anleihen am Kapitalmarkt angeboten werden.


Dies klingt nicht nur undurchsichtig - es ist auch gefährlich, wie wir aus allen solchen Geschäften wissen.
Unsere Erfahrungen haben uns gelehrt, dass Privatisierung stets zu einer Verschlechterung der Leistungen geführt hat und zu einer Entmachtung der Politik. Und wer glaubte, sich damit aus der Verantwortung schleichen zu können, wurde enttäuscht. Die Bürger machen die Politik zu Recht verantwortlich - und die hat nicht einmal mehr die Möglichkeit, Fehler zu korrigieren.
Das kommunale Handwerk wird ausgeschaltet und häufig in die Pleite getrieben. Die Arbeitslosigkeit wächst. Die langfristige Verschuldung knebelt ganze künftige Generationen.

Nachwort

Damit wir uns richtig verstehen: öpp-Vorhaben besitzen für viele, die daran verdienen, viel Charme. Jedes Projekt ist einmalig. Chancen und Risiken müssen jedes Mal neu definiert werden. Und das erfordert viele Berater. Neben Banken und Baufirmen sind hier die Nutznießer dieses Finanzierungsmodells zu finden. Und wie ihre wirklichen Auftraggeber haben sie die Feinde ihrer Projekte ausgemacht. Landrat Walter, wir erinnern uns an ihn als Glücksspielexperten, benennt die Feinde: Absurde Widerstände gäbe es dort, wo ein hoher gewerkschaftlicher Organisationsgrad vorhanden sei. Dort würden, so Walter, Begriffe wie "privat" und "Markt" stigmatisiert. Sozialdemokraten, die auf die Ziele ihrer Partei pochen, hat Herr Walter offenbar schon gar nicht mehr erlebt.

Damit kommen wir zu den Zielen von öpp jenseits der Zahlen.

Berlins ehemaliger Bürgermeister und Schulsenator Walter Rasch (FDP), nennt öpp den Königsweg zur "Entstaatlichung". Hat er Recht? Oder drängt öpp mit seinen jahrzehntelangen Festlegungen Parlamente auf allen Ebenen über viele Wahlperioden hinweg aus der Verantwortung für Haushalt und Kontrolle der Verwaltung? Wird damit nicht die Demokratie in Bund, Ländern und Gemeinden ausgehöhlt und letztlich aufgehoben?
Berlin hat Erfahrung mit öpp. Die Errichtung des "Steglitzer Kreisels" war so ein Modell! Viele Sozialdemokraten sind darüber gestürzt! Nun würde der "Kreisel" nachträglich zu einem "Aufbruch zu neuen Ufern". Wolf Jobst Siedler war dies eine Betrachtung unter der Überschrift "Korrupt im Kopf" wert - in der FAZ vom 17.11.1986. an kann wohl auch das Tempodrom - Desaster in diese Reihe stellen - und natürlich den Bankenskandal.

Das Publikum vergisst schnell, denken die immergleichen Akteure.
"Der Erfolg ist der Lehrmeister der Dummen", sagt Livius. Der Misserfolg soll - auch auf die Dummen - angeblich die gleiche Wirkung haben. Zweifel daran sind angebracht. Um zu erkennen, dass man abermals für dumm verkauft werden soll, bedarf es eines Restes an Urteilskraft.
Wir können nur an Erfahrungen erinnern und die Gefahren aufzeigen. Die Schlussfolgerungen muss jeder selbst ziehen - wenn er dazu in der Lage ist. Sonst gilt, was Kant in dem als Motto für diese Broschüre gewählten Zitat sagt.

Ein anderes vielzitiertes Wort für das Überwinden von Hindernissen heißt: Wer den Sumpf trocken legen will, darf nicht die Frösche fragen. Das gilt auch, wenn die Frösche als Berater auftreten. Der Sumpf, der hier trocken gelegt werden soll, ist den Berlinern bekannt.

Man kann sich leicht vorstellen, wie öpp in Berlin auftritt, wenn auf oder nach dem Bildungsparteitag die Fata Morgana der Sanierung der Berliner Schulen aus dem Nichts leerer Haushaltskassen aufsteigt.

Wir ahnen die Retter und Propheten. Und wir werden sie im Auge behalten und ihre Botschaften genau betrachten.

Beitrag eingestellt am 12.6.2005

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Nicht alle geben grünes Licht

Berlin hat seine Ampelanlagen privatisiert -
ein Vorbild für Kassel?

Von Florian Hagemann

Kassel. Ingeborg Junge-Reyer ist Senatorin für Stadtentwicklung in Berlin. Sie - so steht es in der Berliner Morgenpost - soll frohlockt haben: "Jetzt schauen andere Städte auf Berlin." Das tun sie womöglich des Öfteren, schließlich ist Berlin die Hauptstadt. Doch es gibt ein Thema, auf das Ingeborg Junge-Reyer ihre Aussage stützte: die Privatisierung von Ampelanlagen. Seit dem 1. Januar dieses Jahres läuft der Vertrag mit der Stadtlicht GmbH: Für zehn Jahre ist diese Firma nun für die Wartung, Instandhaltung und Modernisierung der 2000 Berliner Ampelanlagen zuständig. Berlin erhofft sich von dem Vertrag eine Ersparnis von mindestens zehn Millionen Euro. Und Ingeborg Junge-Reyer spricht von "Personal- und Kostenreduzierung durch intelligente Kooperation mit privaten Unternehmen". Deshalb also der Blick anderer Städte auf Berlin.

Kassel blickt da mit - insbesondere die Kasseler FDP, die eine Privatisierung der Kasseler Ampelanlagen zur Diskussion stellt - mit Verweis auf die desolate Haushaltslage der Stadt, die etwas mehr als 400 Millionen Euro Schulden hat. Die FDP führt Berlin und Braunschweig als Vorbild an. Auch die Stadt in Niedersachsen hat sich an die Privatisierung gemacht. Das gefällt auch dem Bund der Steuerzahler. Der hat bereits für Braunschweig errechnet: "Dadurch, dass künftig ein Privater für die Straßenbeleuchtung zuständig ist und die Ampelanlagen wartet, spart die Stadt unter dem Strich eine Million Euro." Die Summe bezieht sich auf ein Jahr.

Auch die Kasseler CDU steht dem Thema offen gegenüber: "Man muss sich das genau anschauen", sagt Eva Kühne-Hörmann, die CDU-Fraktionsvorsitzende in der Stadtverordnetenversammlung. Skeptischer ist ihr Kollege Uwe Frankenberger von der SPD: "Wir haben hierzu eine sehr distanzierte Haltung." Andere lehnen den Vorschlag gänzlich ab: die Grünen, Siegfried Rudolf vom Bündnis für Kassel und AUF-Kassel. Auch die Kasseler Linke hat sich immer wieder gegen Privatisierungen ausgesprochen.

Und die Stadt? Stadtbaurat Norbert Witte (CDU) bezweifelt, ob sich die Stadt finanziell besser stellt, wenn sie die Ampeln privatisiert. Bernd Noll, Sachgebietsleiter des Bereichs Verkehrssteuerung in Wittes Dezernat, spricht davon, dass er und seine Kollegen sehr wirtschaftlich arbeiteten und die Effizienz in den vergangenen Jahren um 35 Prozent gesteigert hätten. Wie viel Geld der Bereich verschlingt, verrät Noll aber nicht.

Den Neuwert sämtlicher Ampeln in Kassel beziffert Noll auf 19 Millionen Euro, den Zeitwert auf sieben Millionen. Viele der insgesamt 203 Anlagen, die jeweils von einem Steuergerät abhängen, sind veraltet. Manche sind älter als 30 Jahre. Ein weiteres Problem ist die immer weiter zunehmende Anzahl von Ampeln in Kassel. Ein Experte sagt: "Jeder ist sich sicher, dass es zu viele sind." Doch es werden auch künftig eher mehr als weniger. Aber das ist ein Problem, das nichts mit der Privatisierung zu tun hat.

05.03.2006

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Oberhessische Zeitung vom 25.02.2006 (Gescannt) 

Eine neue Form der öffentlichen Verschuldung

Kölner Publizist Werner Rügemer auf Einladung von Attac, ver.di und GEW in  Alsfeld - Widersinn der öffentlich-privaten Partnerschaften (PPP)" 

 ALSFELD (pcf). Sind öffentlich-private Partnerschaften ein gangbarer Weg  oder  ein Irrweg?, fragte Michael Riese von Attac Alsfeld am Donnerstagabend. Die Antwort des Publizisten Werner Rügemer war unmissverständlich: Gerade wenn eine Kommune sparen muss, darf sie solchen Projekten nicht zustimmen.   Undurchsichtige Verträge, Korruption, überforderte Stadträte, versteckte Kosten   - Rügemers Kritikliste war lang. 

Auf Einladung der Globalisierungskritiker von Attac und der Gewerkschaften GEW und ver.di berichtete der Kölner Politikwissenschaftler im Hotel „Zur   Erholung"  über die wachsende Zahl von öffentlich-privaten Partnerschaften (PPP). Seit über zehn Jahren beschäftigt sich Rügemer mit dem Thema und ist inzwischen vom „Widersinn dieser Modelle" überzeugt: In den meisten Fällen würden die Gemeinden draufzahlen, sagte er am Donnerstag. 

Die Idee hinter PPP: Sind die öffentlichen Kassen so leer, dass Neubauten oder Sanierungen nicht mehr bezahlt werden können, treten private Investoren auf den Plan und führen die Arbeiten aus; der Staat mietet sich anschließend bei ihnen ein. Immer mehr Kommunen stimmen solchen Projekten zu, weil sie keine andere Möglichkeit sehen, geplante Investitionen umzusetzen. Die Kommunalaufsicht   verbietet den verschuldeten Gemeinden, neue Kredite aufzunehmen", sagte der Publizist. Deshalb entscheiden sich viele Kommunen für PPP -und die privaten Investoren reiben sich die Hände. 

 Die Allianzen mit Wirtschaftsunternehmen seien eine neue, zusätzliche Form der öffentlichen Verschuldung", kritisierte Rügemer. In den meisten Fällen käme die Gemeinden ein normaler Kredit und der Bau in Eigenregie günstiger zu stehen: Der Effekt von PPP ist also das Gegenteil von dem, was immer behauptet   wird." Im Kleingedruckten der Verträge zwischen öffentlicher Hand und privatem Investor gebe es folgenschwere Regelungen, die der Öffentlichkeit vorenthalten blieben:   Wie sich zeigt, kommen die Pferdefüße dieser langfristigen Verträge erst später zutage. So werde den Investoren häufig eine Gewinngarantie samt Risikoprämie eingeräumt. 

 Mit Beispielen aus bereits umgesetzten Projekten wollte Rügemer deutlich machen, dass PPP einen Nährboden für Korruption und Klüngel bietet: Kommunalaufsicht und Justiz sind nicht in der Lage, die mit der Privatisierung routinemäßig  entstehenden Praktiken zu unterbinden", klagte der Politikwissenschaftler. In den verschlafenen Amtsstuben der deutschen Kommunalaufsicht" fehle es an Kompetenz, um gegen die Übermacht der Privaten zu bestehen". Mit Vertragsabschluss lasse sich die öffentliche Verwaltung auf ein ständiges Gerangel mit den privaten Investoren ein: Um jede Kleinigkeit, um jedes undichte Fenster müssen Sie eine Auseinandersetzung mit deren amerikanischen  echtsanwälten führen." 

 In der anschließenden Diskussion wurde vor allem der Einfluss der Kommunalpolitiker auf PPP-Verträge lebhaft diskutiert. Rügemer berichtete,  dass viele Entscheidungsträger nur Teile des Vertragstextes zu Gesicht bekämen und  überdies hilflos seien: Da muss man ja Volljurist sein, um zu verstehen, worüber man eigentlich abstimmt, hieß es aus dem Publikum, nachdem Rügemer   Rechtskonstruktionen wie die „Forfeitierung mit Einredeverzicht" vorgestellt   hatte. Von einer Entmachtung der Parlamente sprach Attac-Mitglied Hans-Georg  Bodien: „Gute Nacht, Demokratie!" rief er. 

 Auf die Erfahrungen mit PPP im Vogelsberg zielte der Alsfelder Architekt  Herbod  Gans ab, als er den Erweiterungsbau der Max-Eyth-Schule in der Krebsbach kritisierte. Bei diesem Neubau, der in öffentlich-privater Partnerschaft  entstanden ist, habe es keinerlei Wettbewerb gegeben: Ob die Baukosten, mit  denen argumentiert wurde, realistisch waren, wurde in keiner Weise geprüft. Das   örtliche Handwerk sei kaum beschäftigt worden und auch die Qualität der  Planung  sei ausgesprochen schlecht: Wenn ein Investor dahintersteht, wird unter der Prämisse geplant, eine wirtschaftliche Baracke zu bauen.

Peter Zielinski, der Mitte März für die Grünen als Landrat kandidiert, wollte in PPP-Vorhaben kein Allheilmittel sehen. Seine Konkurrenten Karl-Heinz Krug (SPD)  und Rudolf Marx (CDU) würden öffentlich-private Partnerschaften begrüßen, dem  Kreis damit aber keinen Gefallen tun: Man verschiebt die Verschuldung im  Haushalt einfach nur so, dass die Kommunalaufsicht sie nicht mehr   beanstandet.  Über die Motive der Investoren dürfe man sich keine Illusionen machen: Ein Privater steckt sein Geld nicht in ein Projekt, weil er so lieb und nett ist, sondern weil er Gewinn machen will." 

Simone Wißmer, die für die Linksparte in den Kreistag einrücken will,   kündigte  an: Wir werden PPP aus Prinzip nicht zustimmen.

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Schadenersatz an Gemeinde

Karlsruher Urteil gegen einen Landkreis wegen Amtspflichtverletzung könnte Präzedenzfall werden

von Werner Rügemer

Günther Jautze, Bürgermeister der sächsischen Gemeinde Oderwitz, erinnert sich lebhaft an den 12. Dezember 2002. Erwartungsvoll hatte er mit seinem Rechtsanwalt im Saal des Bundesgerichtshofes (BGH) in Karlsruhe gesessen. Unruhig sei er gewesen, aber nicht unsicher, sagt er: »Wir müssen eigentlich recht bekommen, habe ich gedacht«. Nach zwei Jahren aufreibender gerichtlicher Auseinandersetzungen hat der BGH die Sicht der Gemeinde bestätigt, die gegen die übergeordnete Kommunalaufsicht, den Landkreis Löbau-Zittau, geklagt hatte. Das Urteil ist für Jautze das wichtigste Ereignis seiner Amtszeit. »Mit diesem Urteil konnte erreicht werden, daß die Gemeinde Oderwitz mit 6400 Einwohnern aus einer äußerst schwierigen Finanzlage geführt wird.«

Aber worum ging es bei der Klage in Karlsruhe? Oderwitz, das aus drei früher selbständigen Teilgemeinden besteht, ist hoch verschuldet. An der sozialen Infrastruktur wird schon lange gespart. Eine Schuldenursache ist die Sporthalle.

Der frühere Bürgermeister der Teilgemeinde Niederoderwitz schloß 1995 einen Leasingvertrag mit einem Berliner Investor. Der errichtete die Sporthalle und vermietete sie für 30 Jahre an die Gemeinde. Im Jahre 2025 kann die Gemeinde die Halle für 0,8 Millionen Euro kaufen. Bis dahin müßte sie aber insgesamt 4,5 Millionen Euro Miete bezahlen, außerdem die Betriebskosten. Das sah anfangs wegen der Staffelmiete scheinbar günstig aus: Die erste Jahresmiete betrug 50000 Euro. Mittlerweile beträgt sie aber schon 100000, und im letzten Jahr wären es 400 000 Euro.

Der Sächsische Rechnungshof stellte bei einer stichprobenartigen Prüfung fest, daß ein Kommunalkredit wesentlich günstiger gewesen wäre als das Investorenmodell. Auch sei der Gemeinderat nicht ordentlich informiert worden. Der Landkreis Löbau- Zittau als Kommunalaufsicht hätte den Vertrag nie genehmigen dürfen. Daraufhin verlangte Bürgermeister Jautze vom Landkreis Schadenersatz wegen Amtspflichtverletzung. Nach erfolgloser Klage vor dem Amtsgericht Görlitz gab das Oberlandesgericht Dresden der Gemeinde Oderwitz recht. Der Landkreis ging daraufhin in Berufung.

Doch der BGH bestätigte in seiner aktuellen Entscheidung den Anspruch der Gemeinde und damit erstmalig die Schadenersatzpflicht der Kommunalaufsicht wegen Amtspflichtverletzung. Das Urteil bedeutet, daß Regierungspräsidenten und Landräte ungünstige und schuldentreibende Verträge verhindern müssen, bei Strafe eines Schadenersatzes.

Langfristige Leasingverträge werden in deutschen Kommunen immer häufiger abgeschlossen. Dabei geht es nicht nur um Sporthallen wie in Oderwitz, sondern auch um größere Projekte wie Kongreßzentren, Rathäuser und Kläranlagen. Die Verträge sollen die Gemeindehaushalte entlasten, aber sie erweisen sich immer mehr als eine zusätzliche Schuldenfalle. So wurde etwa von der Stadt Köln für das neue Rathaus ein 30jährige Mietvertrag mit einem Investor abgeschlossen, der  den kommunalen Schuldenstand weiter in die Höhe treibt. Denn die Stadt hat sich verpflichtet, als Mieter alle Reparaturen zu tragen und für die Miete von 2 500 Parkplätzen aufzukommen, die häufig leer stehen.

Das Landratsamt Löbau-Zittau akzeptierte das Urteil. Die finanziellen Verpflichtungen werden vom Kommunalen Schadensausgleich übernommen, einer Art kommunaler Haftpflichtversicherung. Letztlich wird also der Steuerzahler zur
Kasse gebeten. Ansonsten möchte Amtsleiter Karl Ilg möglichst wenig Aufsehen erregen. Er gehe davon aus, »daß aus der früheren Zeit keine vergleichbaren Fälle mehr vorliegen«. Ilg könnte sich täuschen. Sein Amt war in Berufung gegangen, obwohl es sein Fehlverhalten nicht bestreitet. Es wollte aber einen Präzedenzfall verhindern. Zum Urteilsspruch waren zahlreiche Ministerialbeamte, der Präsident des Sächsischen Landesrechnungshofs und Vertreter des Kommunalen Schadenausgleichs nach Karlsruhe gekommen. Die Atmosphäre war gespannt. Günther Jautze: »Der Anwalt der Gegenseite hat dargelegt, warum wir eigentlich kein Recht bekommen können: Weil damit eine Lawine losgetreten werden könne.«

In der Tat: Jautze erwägt, in einem weiteren Fall gegen den Landkreis vorzugehen. Ein viel größerer Anteil der Oderwitzer Schulden resultiert nämlich aus einem weiteren kreditähnlichen Rechtsgeschäft mit einem zweiten Investor Der hat die überdimensionierte Kläranlage gebaut. Der Amtsleiter, der dies genehmigte, war derselbe, der den Leasingvertrag für die Sporthalle zu verantworten hat. Nun sind Verhandlungen mit der sächsischen Landesregierung im Gange, die den Vertrag als Modellprojekt ansah. Sollte der Freistaat Sachsen keine Zuschüsse zahlen, könne es sein, »daß auch hier der Rechtsweg auf der Basis dieses Urteils beschritten wird«, sagt Jautze.

junge Welt vom 11.02.2003
 

Auswirkungen des Bundesgerichtshofs-Urteils vom 12. Dezember 2002 auf die Amtshaftung der Rechtsaufsichtsbehörden ("Oderwitz-Urteil")        

 

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in einem Urteil vom 12. Dezember 2002 entschieden, dass die Kommunalaufsicht Amtspflichten gegenüber der beaufsichtigten Kommune begründen kann, und hat demzufolge einen Amtshaftungsanspruch einer Gemeinde gegenüber dem Landratsamt wegen einer fehlerhaft erteilten Genehmigung bejaht. Damit wurde ein Urteil des Oberlandesgerichtes (OLG) Dresden im Ergebnis bestätigt. Diese Entscheidung hat in der öffentlichen Diskussion über die Grenzen Sachsens hinaus eine große Resonanz gefunden. Aus diesem Grund hat sich der "Unterausschuss Kommunalverfassungsrecht und kommunale Personalangelegenheiten" des Arbeitskreises III der ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder mit den Auswirkungen dieser Entscheidung befasst.

Das Ergebnis ist ein umfassender Bericht dieses Ländergremiums, der aus der Gesamtschau der Länder die Entscheidungen des BGH und des OLG darstellt, bewertet und mögliche Konsequenzen für die Verwaltungspraxis der Kommunen untersucht. Einheitliche Schlussfolgerungen für alle Länder kann dieser Bericht jedoch aufgrund der unterschiedlichen Sach- und Rechtslagen in den Ländern nicht geben. Daher hat das Sächsische Staatsministerium des Innern zusätzliche Handlungsempfehlungen erarbeitet, die den Kommunen im Freistaat Sachsen konkrete Hinweise geben, damit Haftungsrisiken, wie sie der Entscheidung des BGH zu Grunde lagen, zukünftig weitestgehend vermieden werden können.         

 

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Ludwig Stiegler, MdB
Klaus Brandner, MdB
Uwe Beckmeyer, MdB
Michael Bürsch, MdB

21. April 2005

Eckpunkte eines ÖPP-Beschleunigungsgesetzes

http://www.wasser-in-buergerhand.de/recht/oepp-eckpunkte.htm

Die Grundüberlegung:   

 Die Finanzierungsprobleme öffentlicher Haushalte, die erheblichen Vorbelastungen aus Schuldendiensten, das hohe Leistungsniveau des Staates und der erhebliche Bedarf an öffentlichen Infrastrukturen zwingen dazu, über die derzeitige Arbeitsteilung zwischen Staat und Privatwirtschaft neu nachzudenken.
Eine Antwort auf diese Problemlage bieten Öffentlich Private Partnerschaften (ÖPP).

Was sind ÖPP?      

Im Unterschied zur Privatisierung von öffentlichen Vermögenswerten gehen ÖPP einen anderen, einen dritten Weg.

Ö PP heißt Kooperation von öffentlicher Hand und privater Wirtschaft beim Entwerfen, bei der Planung, Erstellung, Finanzierung, dem Management, dem Betreiben und dem Verwerten von bislang in staatlicher Verantwortung erbrachten öffentlichen Leistungen. Dabei treten die öffentlichen Hände nur noch als Nachfrager von Dienstleistungen auf. Die Privatwirtschaft erbringt diese Dienstleistung und wird dafür von den öffentlichen Händen mit einem jährlichen Entgelt bezahlt.

Für den Erfolg von ÖPP ist Voraussetzung, dass alle Beteiligten profitieren: die Bürger, die Politik, die Verwaltung, der private Investor, der private Betreiber.

Wo können ÖPP
eingesetzt werden?

 Beim Bau oder der Sanierung von Schulen, Universitäten, von Justizvollzugsanstalten, von Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen, beim Ausbau der Telekommunikation, bei der Energieversorgung, Wasserversorgung und Abwasserentsorgung, bei Straßen und Öffentlichem Personennahverkehr, aber auch im Verteidigungsbereich, der Entwicklungszusammenarbeit, im Kultur- und Medienbereich können Öffentlich Private Partnerschaften zum Einsatz kommen.

Die Legitimation von ÖPP

Die entscheidende Legitimation für ÖPP ist das Erzielen von Effizienzgewinnen und damit Kosteneinsparungen für die öffentlichen Hände gegenüber den traditionellen Beschaffungsmethoden und der Eigenrealisierung des Staates.
Finanzierungs- und Liquiditätsengpässe des Staates sind dagegen zweitrangig.

 

Einzelfallprüfung und Wirtschaftlichkeitsvergleich

Es gibt keinen Automatismus zugunsten von ÖPP, es darf aber auch keinen Automatismus mehr für die Eigenrealisierung der öffentlichen Hände geben. Beide Beschaffungsvarianten sind zu hinterfragen, beide haben sich zu legitimieren.

Wesentliches Instrument der Entscheidungsfindung für den Staat ist der Wirtschaftlichkeitsvergleich mit den in Betracht kommenden Handlungsoptionen. Dem Teilen und dem Bewerten von Risiken und Chancen kommt dabei eine zentrale Rolle zu.

Grundlage einer ÖPP ist dann eine interessengerechte und faire Vertragsgestaltung.

Gute internationale Erfahrungen mit ÖPP

Internationale Erfahrungen bestätigen: Mit ÖPP können Effizienzgewinne und damit Kosteneinsparungen in Höhe von 10 bis 20 Prozent gegenüber der herkömmlichen Eigenrealisierung erzielt werden. Kein Wunder, dass immer mehr europäische Regierungen bei der Bereitstellung öffentlicher Infrastrukturleistungen auf ÖPP setzen. So werden in Großbritannien ca. 20 Prozent aller öffentlichen Beschaffungen mit ÖPP abgewickelt.

Eckpunkte eines ÖPP-Beschleunigungsgesetzes

Neben steuerrechtlichen Fragestellungen bestehen gebühren-, vergabe- und haushaltsrechtliche Hemmnisse, die die Umsetzung von ÖPP in Deutschland behindern. Um mit ÖPP in Deutschland schneller voranzukommen, brauchen wir gesetzliche Rahmenbedingungen, die diese Hemmnisse abbauen und damit die Umsetzung von ÖPP erleichtern.
Auf Initiative der Koalitionsfraktionen hin wird ein Gesetz vorbereitet, das die Rahmenbedingungen für ÖPP deutlich verbessern wird. Es sollte unserer Auffassung nach Änderungen in den nachstehenden Bereichen umfassen:

I. Gebührenrecht    

1.   Schaffen einer Wahlmöglichkeit zwischen öffentlich-rechtlicher Gebühr und privatrechtlichem Entgelt im Rahmen des Fernstraßenbauprivatfinanzierungsgesetzes (FstrPrivFinG),

2.   Zulassung einer Tarifgenehmigung statt einer Mautverordnung, d.h. die Maut kann unabhängig davon, ob sie als „Gebühr“ oder „Entgelt“ erhoben wird, auch mittels eines Genehmigungsbescheides (Verwaltungsakt im Sinne des § 35 Verwaltungsverfahrensgesetz) auf Antrag des privaten Betreibers festgesetzt werden,

3.   die Maßstäbe für die Berechnung der öffentlich-rechtlichen Gebühr im FstrPrivFinG werden auf die privaten Entgeltregelungen übertragen,

4.   die obersten Landesstraßenbaubehörden sind mit Zustimmung des BMVBW für den Erlass der Tarifgenehmigung zuständig,

5.   hinzukommt eine klarstellende Regelung zur Eigenkapitalverzinsung.

II. Vergaberecht      

1.   Abgrenzung von Bau-/Dienstleistung nach der Schwerpunkttheorie und Bestimmung des jeweils anwendbaren Ausschreibungsregimes durch Novellierung des § 99 Abs. 6 Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB),

2.   Ausschreibung auf der „zweiten Ebene“ (Weitervergabe von Bauleistungen an Nachunternehmer) durch Klarstellung von § 4 Nr. 8 Verdingungsordnung für Bauleistungen/Teil B (VOB/B), nach der bei der Weitervergabe von Bauleistungen an Nachunternehmer allein die VOB/B zugrunde zu legen ist,

3.   Verzicht auf gesetzliche Eigenleistungsquoten durch den Auftragnehmer durch Änderung von § 8 Nr. 2 Abs. 1, Abs. 3 VOB/A bzw. § 7 Nr. 2 Abs. 1, § 4 Nr. 8 Abs. 1 Verdingungsordnung für Leistungen/Teil A (VOL/A),

4.   Einfügung eines Abs. 4 in § 42 der Verordnung über die Vergabe öffentlicher Aufträge (VgV), wonach Bietergemeinschaften in ihren Angeboten die Mitglieder zu benennen haben, die für den Abschluss und die Durchführung des Vertrages bevollmächtigt sind,

5.   Einführung der Auftragsvergabe im Wege des „wettbewerblichen Dialogs“ durch Änderung von § 101 Abs. 1 und 5 GWB i. V. m. § 9 Abs. 3-5 VgV,

6.   Einführung der Pflicht zur Festlegung der Projektgesellschaft auf eine bestimmte Rechtsform erst nach Zuschlagerteilung durch Ergänzung von § 5 Abs. 2 S. 2 VgV,

7.   Erweiterung des Umfangs der Pflicht zur Vorabinformation nach § 101 a GWB und
§ 13 VgV für diejenigen Bieter, deren Angebote nicht berücksichtigt wurden,

8.   Klärung zur sogenannten Projektantenproblematik durch Ergänzung des § 5 VgV.

III. Investmentgesetz       

1.   Einbeziehung des Nießbrauchrecht an Grundstücken durch Änderung des § 67 Abs. 1 Nr. 4 Investmentgesetz,

2.   Beimischung von ÖPP-Projektgesellschaften (in der Betreiberphase) von bis zu 20 Prozent in Portfolios offener Immobilienfonds durch Änderung des § 67 Abs. 1 Nr. 2 und 3 Investmentgesetz,

3.   Bildung eines neuen Fondstyps "Infrastrukturfonds" im Investmentgesetz.

IV. Haushaltsrecht 

1.   Abmilderung des Veräußerungsverbots in § 63 Abs. 2 BHO, wonach Vermögensgegenstände nur veräußert werden dürfen, wenn sie zur Erfüllung der Aufgaben des Bundes in absehbarer Zeit nicht benötigt werden,

2.   Konkretisierung der Maßstäbe für den Wirtschaftlichkeitsvergleich in § 7 Abs.2 BHO, in dem klargestellt wird, dass bei einem Wirtschaftlichkeitsvergleich zwischen Eigenerstellung und ÖPP der finanzielle Wert des Risikotransfers auf einen privaten Partner zu ermitteln und zu berücksichtigen ist.

V. Steuerrecht         

1.   Ausweitung von § 3 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 Grundsteuergesetz auf ÖPP, nach dem Grundbesitz, der von einer inländischen Person des öffentlichen Rechts für einen öffentlichen Dienst oder Gebrauch benutzt wird, von der Grundsteuer befreit ist.

2.   Befreiung von der Grunderwerbsteuer für an ÖPP Projektgesellschaften übertragene Grundstücke solange sie für hoheitliche Zwecke genutzt und sofern eine Rückübertragung des Grundstücks an die öffentliche Hand innerhalb eines bestimmten Zeitraums vorgesehen wird.

 

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Fernstraßenbau Privat Finanzierungsgesetz (Auszug)

§ 3 Mautgebühren

(4) Als angemessene kalkulatorische Verzinsung des von dem Privaten eingesetzten Eigenkapitals gilt die durchschnittliche Rendite zehnjähriger deutscher Bundesanleihen in einem Zeitraum von 20 Jahren, die der jeweiligen Kalkulationsperiode vorausgehen, zuzüglich eines dem jeweiligen unternehmerischen Risiko angemessenen Risikozuschlags. Der Risikozuschlag darf nicht zu einer unverhältnismäßigen Verzinsung des eingesetzten Eigenkapitals führen. Der Private kann in den jeweiligen Kalkulationsperioden unterschiedliche Zinssätze für das von ihm eingesetzte Eigenkapital in Ansatz bringen, soweit über die gesamte Konzessionslaufzeit die den Sätzen 1 und 2 entsprechende durchschnittliche Verzinsung eingehalten wird.

(5) Unverhältnismäßige Kostenunter- oder Kostenüberdeckungen sind rechtzeitig und angemessen auszugleichen. Der Ausgleich einer Kostenunterdeckung ist ausgeschlossen, wenn sich der Private durch Vereinbarung im Konzessionsvertrag verpflichtet, Bau, Erhaltung und Betrieb der Strecke zu einem Festpreis durchzuführen, der dann zu gleichen Teilen auf die Konzessionslaufzeit aufgeteilt wird. Die Kalkulation des Festpreises ist im Konzessionsvertrag offen zu legen und im Rahmen der Berechnung der konkreten Mautgebührenhöhe unter Beachtung der Absätze 2 und 3 und der Rechtsverordnung nach § 4 sowie der Rechtsverordnung nach § 5 oder der Genehmigung nach § 6 nachzuprüfen. Auch für die Kosten des Betriebs der jeweiligen Strecke und für die Kosten des Betriebs der Mautgebührenerhebungseinrichtungen können Festpreisvereinbarungen getroffen werden, die dann entsprechend zu behandeln sind.

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Kritik an PPP-Modell für kreiseigene Schulen

ERSTELLT 13.02.06, 07:15h

RHEIN-ERFT-KREIS. „Gravierende Nachteile“ für das regionale Handwerk sieht die Handwerkskammer zu Köln in dem vom Kreisausschuss beschlossenen PPP-Modell für die Schulen im Rhein-Erft-Kreis. Die Public-Private-Partnership-Konstruktion sieht vor, dass ein privater Investor über rund 25 Jahre die notwendigen Sanierungsmaßnahmen und den Betrieb der Lehrstätten übernimmt. Dr. Ortwin Weltrich, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der Kammer, befürchtet, dass dadurch den ortsansässigen Unternehmen Arbeit entgeht. Der Auftrag habe, wie Dezernent Anton-Josef Cremer bestätigte, ein Gesamtvolumen von rund 135 Millionen Euro - zu groß für ein Handwerksunternehmen.

Weltrich betont: „Einen Bedarf für dieses PPP-Projekt gibt es nicht“. Und sollte dies doch im Kreistag beschlossen werden, drängt Weltrich auf eine mittelstandsgerechte Ausrichtung. Abschreckendes Beispiel ist für ihn der Neubau der Paul-Kraemer-Schule im vergangenen Jahr. Hier habe kein Unternehmen aus der Region mitgewirkt, unter den Subunternehmern hätten sich lediglich zwei aus dem Kreis befunden.

Dass Weltrichs Anliegen einen „besonders hohen Stellenwert genießt“, versichern die Kreistagsfraktionen einhellig in ihrer Stellungnahme. Sie hätten es jedoch begrüßt, wenn die Handwerkskammer früher das Gespräch gesucht hätte. Der Beschlussvorschlag, der am 16. Februar im Kreistag verabschiedet werde, dokumentiere die Einbindung der mittelständischen Wirtschaft. (gri)

(KR)  http://www.rundschau-online.de/jkr/artikel.jsp?id=1138725829618

 

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Das ÖPP-Beschleunigungsgesetz

(„Gesetz zur Beschleunigung der Umsetzung von Öffentlich Privaten Partnerschaften und zur Verbesserung gesetzlicher Rahmenbedingungen für Öffentlich Private Partnerschaften“)

oder:

Wie in parteiübergreifendem Konsens die politische Elite das Tempo der von der Wirtschaft geforderten >Entstaatlichung< erhöht, damit die Staatstätigkeit als Instrument zur Steuerung des gesamtgesellschaftlichen Gemeinwohls verrät und eigentlich originäre Aufgaben der öffentlichen Hand der profitorientierten Privatwirtschaft  überlässt

Hans-Georg Bodien

Einleitung

Unser Staat ruht auf vier, nach unserem Grundgesetz gleichrangigen Säulen:

Demokratie.  Sozialstaatlichkeit, Rechtsstaatlichkeit und Bundesstaatlichkeit.

Seit drei Jahrzehnten sind jetzt neoliberal berauschte Eliten aus Wirtschaft und Politik dabei – ihrem fanatischen Credo > mehr Markt, weniger Staat, Privatisierung, Flexibilisierung und Deregulierung folgend< - , die Säulen Sozialstaatlichkeit und Demokratie mit dem Presslufthammer zu traktieren. Die Konsequenzen sind auf der einen Seite schmerzhafte Einschnitte in die Sozialversicherungen, massive Einschnitte in Arbeitnehmerrechte und Massenarbeitslosigkeit, verbunden mit einem steilen Anstieg der Armut, und auf der anderen Seite eine rasante Vermehrung des Reichtums weniger. Weiter ist als Folge dieser Politik ein dramatisches Einbrechen der Steuereinnahmen und damit verbunden ein gigantisches Anwachsen der Staatsverschuldung zu verzeichnen (1,46 Billionen EURO, die daraus resultierende Zinslast beträgt ca. 67,6 Milliarden EURO. Nutznießer dieser Situation sind besonders die vermögenden Bevölkerungsschichten, die als Gläubiger des Staates auftreten).

 Über wahnwitzige Geldbeschaffungsmaßnahmen auf der Grundlage der Beihilfe zum Steuerentzug versucht die öffentliche Hand der finanziellen Mangelsituation zu entfliehen. Cross-Border-Leasing-Deals (CBL) mit irrsinnig langen Vertragslaufzeiten (häufig 99 Jahre) -  und noch nicht abzuschätzenden Folgen für den Steuerzahler einer Reihe großer Städte -  sind dafür ein erschreckendes Beispiel.

 Ein weiteres fragwürdiges Geldbeschaffungsmodell ebenfalls auf der Basis der Beihilfe zum Steuerentzug – welch Defizit an Gesamtverantwortung für unser Gemeinwesen -  sind die Sale-and-lease-back-Geschäfte (SLB) der öffentlichen Hand.

Seit geraumer Zeit heißt nun die Zauberformel für die Lösung öffentlicher Finanznot ÖPP oder PPP. Darunter ist offiziell die Zusammenarbeit öffentlicher und privater Akteure beim Planen, Bauen, Finanzieren, Sanieren, Instandhalten und Bewirtschaften öffentlicher Infrastruktur wie Schulen, Turnhallen, Verwaltungsgebäude, Straßen, Wasserversorgung, Abwasserbeseitigung, Müllentsorgung, Krankenhäuser u.ä. zu verstehen. ( Hier sollte schon einmal erwähnt werden, dass längst private Dienstleister in den Startlöchern stehen, die die Übernahme von Verwaltungsaufgaben anstreben. Zu nennen wäre hier der Dienstleistungskonzern Arvato, eine Bertelsmann – Tochter. Arvato tritt mit dem Slogan auf, Auswüchse der Bürokratie zu beseitigen, und hat in Großbritannien bereits die Verwaltung in der Gemeinde East Riding (350000 Einwohner)übernommen.

So sieht Rolf Buch, Vorstandsmitglied des Dienstleistungskonzerns Arvato, im Dienstleistungsgeschäft mit der öffenlichen Hand einen schlafendenden Riesen und rechnet mit den ersten Gehversuchen im Inland in zwei bis drei Jahren.Quelle: Mindener Tageblatt vom 16.02.05).

Die Ö(P)PP-Modelle beruhen auf einem gemeinsamen Konzept von Bund, Ländern und besonders der Bauwirtschaft. Einen eifrigen Verfechter dieser Modelle finden wir seit Jahren in Gerhard Schröder, dem Spitzenkandidat der SPD für die Bundestagswahl am 18.September 2005, dem Ex-Kanzler der rot-grünen Koalition und erklärten Merkel – Wähler am 22. November 2005 und dem Berater des größten Verlagshauses(Ringier) der Schweiz (aktiv ab Januar 2006). So wirbt die Hannover Leasing GmbH und Co. KG  bereits im Juli 02 mit einer Äußerung Schröders , nach britischem Vorbild werde man künftig stärker mit der Privatwirtschaft beim Bau, der Sanierung und Bewirtschaftung von Schulen, Verwaltungsgebäuden, Krankenhäusern u.ä. zusammenarbeiten. Folgerichtig hat dann auch im Herbst 2003 der Bundesminister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, Stolpe den Zuschnitt des Steuerrechts auf Ö(P)PP gefordert.

Am 8.September 2005 ist nun das ÖPP-Beschleunigungsgesetz in Kraft getreten (am 30.06.05 vom Bundestag bei wohlwollender Enthaltung der Fraktionen von CDU/CSU und FDP beschlossen und am 8.Juli 05 vom Bundesrat durchgewunken). Die SPD-Bundestagsfraktion reklamiert es als ihr Projekt. So heißt es dazu auch in einer überschwänglichen  Erklärung der SPD-MdBs und Mitglieder der Projektarbeitsgruppe „ÖPP-Beschleunigungsgesetz“ Ludwig Stieler, Klaus Brandner und Michael Bürsch vom 07.09.05:

„Beim Gebühren-, Vergabe-, Steuer- und Haushaltsrecht sowie bei den Finanzierungsbedingungen hat das ÖPP-Beschleunigungsgesetz jetzt gesetzliche Rahmenbedingungen geschaffen, die Hemnisse und Unklarheiten beseitigen, die die Umsetzung von Öffentlich Privaten Partnerschaften (ÖPP) in Deutschland bisher erschwert haben.“

 Schlichter ausgedrückt bedeutet dies nichts anderes, als dass das Gebühren-, das Vergabe- und Vertragsrecht, das Steuer- und Haushaltsrecht zugunsten privater Investoren für ÖPP-Deals passend gemacht wurde.

Zur Entstehung des Gesetzes (Quelle:SPD >dokumente Nr.03/05)

Hierzu wurde von der Bundestagsfraktion der SPD  extra eine Projektarbeitsgruppe „ÖPP-Beschleunigungsgesetz“ mit fünf Kompetenzgruppen installiert. Die Leitung  hatte MdB Dr. Michael Bürsch. Eine riesige Armada von internen und externen Beratern wurde herangezogen, darunter besonders Vertreter verschiedener, teilweise weltweit agierender Unternehmensberatungs-, Wirtschaftsprüfungs-, Steuerberatungs- und Finanzierungsgesellschaften und Großkanzleien.  Beteiligt waren:

Die PPP-task force im Bundesministerum für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen mit ihren Vernetzungen in die entsprechenden Landesministerien von NRW und Rheinland-Pfalz
Mit task force wird im Englischen beim Militär eine Spezialeinheit zur Erledigung einer besonders schwierigen Aufgabe und bei der Polizei eine Gruppe von Spezialisten für die Bekämpfung besonders schwerer Kriminalität bezeichnet. Die PPP-task force ist in Anlehnung daran also ein ministerielles Spezialteam mit besonderem Auftrag, der darin besteht, privatem Kapital den direkten Zugriff auf eigentlich öffentliche Aufgaben zwecks Gewinnmaximierung zu ermöglichen.

Zentralverband Deutsches Baugewerbe, Berlin

Hauptverband der Deutschen Bauindustrie, Berlin

Verkehrsinfrastrukturfinanzierungsgesellschaft, Berlin
Diese Gesellschaft gehört zu 100% dem Bund.

Bundesverband öffentlicher Banken Deutschlands, Berlin

Landesbank Hessen-Thüringen
Die HELABA gehört zu 85% den Sparkassen Hessens und Thüringens, zu 10% dem Land Hessen und zu 5% dem Land Thüringen. Sie hält 50% der Anteile an der Hannover Leasing GmbH.& Co.KG. mit Sitz in Bayern.

Gesellschaft für Entwicklung, Beschaffung und Betrieb mbH, Köln
(Diese Gesellschaft ist ein Unternehmen des Bundesverteidigungsministeriums; hier sitzen also die Privatisierungsspezialisten im Bereich der Bundeswehr).

Bundesverband Deutscher Banken, Berlin

Verband deutscher Hypothekenbanken, Berlin

 BVI Bundesverband Investment und Asset Management e.V., Berlin

BWS  GmbH, Freiburg

PricewaterhouseCoopers, Frankfurt

KPMG,Berlin und KPMG Corporate Finance, Frankfurt
Der Beratungs-Multi ist in 142 Ländern vertreten. Er ist laut Eigenwerbung >die weltweit größte Organisation  im Bereich professionelle Dienstleistung<. Auch heißt es auf der Webseite der KPMG – Deutschland : „ ... KPMG bietet Ihnen hochwertige Beratung für die Optimierung Ihrer Steuerbilanzpolitik....Die globale Präsenz hilft Ihnen beim Erkennen steuerlicher Fallstricke – und natürlich auch der Gestaltungsspielräume – in aller Welt...“(Quelle: Hans Weiss / Ernst Scmiederer , Asoziale Marktwirtschaft (Insider aus Politik und Wirtschaft enthüllen, wie die Konzerne den Staat ausplündern), Köln 2005)

Westdeutsche Kommunal Consult GmbH (Sie ist eine 100% Tochter der WestLB)

NORTON ROSE, Brüssel

VBD Beratungsgesellschaft für Behörden mbH, Berlin

Serco GmbH&CO.KG, Bonn
Dieses Unternehmen ist auch tätig für das Land Hessen in der ersten teilprivatisierten Justizvollzugsanstalt Hünfeld.

Linklaters Oppenhoff&Rädler, Berlin

Hammonds, Berlin

Freshfields Bruckhaus Deringer, Hamburg

Servatius Rechtsanwälte, Hamburg

 Clifford Chance, Frankfurt

 Deloitte & Touche, München.

Nach Auskunft aus der Fraktion der SPD und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und dem BMVBW sollen die externen Berater keine Kosten verursacht und nur ihren Sachverstand eingebracht haben. Dies lässt die Deutung zu, dass sie akquisativ tätig waren in der Gewissheit für lukrative Folgeaufträge.

Zum Gesetz selbst

Das ÖPP- Beschleunigungsgesetz  bringt PPP- freundliche Änderungen des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen und der Vergabeordnung.

Die Änderung des Fernstraßenbaufinanzierungsgesetzes ermöglicht nun privaten Betreibern beim Ausbau von Bundesfernstraßen die Refinanzierung durch eine private Entgeldregelung.

Die Änderung der Bundeshaushaltsordnung gestattet jetzt die Veräußerung von unbeweglichen Vermögensgegenständen, die zur Erfüllung von Aufgaben des Bundes weiterhin benötigt werden, wenn auf diese Weise die Aufgaben des Bundes nachweislich wirtschaftlicher erfüllt werden können.

Auch ändert das ÖPP- Beschleunigungsgesetz das Grunderwerbssteuergesetz und das Grundsteuergesetz. Die Änderung des Grunderwerbssteuergesetzes sieht die Befreiung von der Grunderwerbssteuer bei der Übertragung von Grundstücken an PPP – Projektgesellschaften vor, solange sie für hoheitliche Zwecke genutzt werden – unter der Voraussetzung einer Rückübertragung am Ende des Vertragszeitraums.

Die Änderung des Grundsteuergesetzes stellt sicher, dass der der  öffentlichen Hand für einen bestimmten Zeitraum im Rahmen einer ÖPP überlassene Grundbesitz von der Grundsteuer befreit ist. Ohne Bedeutung ist dabei, ob der private Auftragnehmer den PPP – Grundbesitz von der öffentlichen Hand erhalten oder auf dem Grundstücksmarkt selbst erworben hat
(Nach Auskunft aus der SPD-Fraktion strebt man noch eine möglichst schnelle Änderung des Umsatzsteuerrechts (also eine Befreiung von der Umsatzsteuer für PPP-Beteiligte) an, denn die bisherige Regelung diskriminiere die ÖPP- Variante gegenüber der Eigenerstellung durch die öffentliche Hand).

Die Änderung des Investmentgesetzes eröffnet offenen Immobilienfonds den Zugriff auf Beteiligungen an Ö(P)PP – Projektgesellschaften in der Betreiberphase.

Reaktionen

Auf den Webseiten nicht nur der Bauindustrie jubelt man ob der leeren öffentlichen Kassen und freut sich nun auf einen Boom für PPP-Projekte.

Allerdings geht dem Bundesverband der Deutschen Industrie das ÖPP-Beschleunigungsgesetz nicht weit genug. So heißt es in einer Presseverlautbarung von BDI-Präsident Jürgen R. Thumann vom 08.09.05 dazu: „Die nächste Bundesregierung muss das Thema Öffentlich Private Partnerschaften (ÖPP) schnell und umfassend voranbringen. Das aktuelle ÖPP-Gesetz ist zwar ein Schritt in die richtige Richtung. Mehr aber leider nicht....

Wenn wir solche Privatisierungsmodelle in Deutschland voranbringen wollen, brauchen wir mehr als dieses legislative Feinjustieren. Uns fehlt eine nationale Strategie, mit der wir Vorfahrt für die Privatisierung oder Teilprivatisierung öffentlicher Leistungen schaffen.“

Und die große Privatisierungskoalition hat ihn erhört (Vergleiche die Koalitionsvereinbarungen „Gemeinsam für Deutschland“, was in diesem Punkt besser „Gemeinsam für das Kapital“ hieße.
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 Zwischenbemerkung: Der ehemalige Ministerpräsident von NRW, Steinbrück(hier bereits ein Verfechter von ÖPP und Verlierer der Landtagswahl als SPD - Spitzenkandidat) und neue Bundesfinanzminister z.B. will bis 2009 Bundeseigentum – hier vor allem Immobilien – im Werte von 54 Milliarden EURO verscherbeln. So war es den Medien zu entnehmen.

Ist dies der Einfluss des Hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch (CDU), der als Brachialprivatisierer in Hessen  Landesimmobilien im Rahmen Operation „Sichere Zukunft“ verhökert hat und weitere verkaufen will(Behördenzentrum Ffm., Ministerien, Gerichtsgebäude, Polizeipräsidien etc. mit anschließender Zurückmietung mit Mietverträgen bis zu 30 Jahren; Käufer der landeseigenen Immobilien:  Commerzbank Immobilien GmbH, ein Unternehmen der Commerz Leasing und Immobilien Gruppe )? Was hier noch wichtig ist und Rückschlüsse auf eigenwilliges demokratisches Procedere zulässt : Die Veräußerungen wurden notariell getätigt, noch bevor der Landtag zugestimmt hat. So war es in der Zeitung zu lesen. Weiter bereitet Koch den Verkauf der Universitätskliniken Gießen und Marburg vor - unter Ausschluss der Öffentlichkeit, also im Stile eines feudalen Landesfürsten. Verantwortlich ist er einerseits auch für einen nicht verfassungskonformen Haushalt und eine dramatische Verschuldung Hessens, andererseits hat er aber durch den Ankauf eines Schlosses für über 13 Millionen EURO einem Grafen „den besten Deal seines Lebens“ ermöglicht. Auch ist er hauptverantwortlich für das riesige Finanzdefizit der Hessischen Landkreise, das sich inzwischen auf 1,2 Milliarden EURO beläuft .

Nicht nur in diesem Zusammenhang muss dringend einmal hinterfragt werden, ob die Wahl unserer Volksvertreter gleichzeitig eine Legitimation darstellt, öffentliches Eigentum – also das Eigentum der Bürgerinnen und Bürger – je nach Bedarf zur Manipulationsmasse zu machen. Ist es nicht vielmehr so, dass die gewählten Volksvertreter (sowohl als Parlamentarier als auch Inhaber eines Amtes) mit der Übernahme ihres Mandates zu Treuhändern des Vermögens der Bürgerinnen und Bürger werden, öffentliches Eigentum also verwalten und vermehren sollen? Es darf nicht sein, dass öffentliches Eigentum einen geringeren  Stellenwert besitzt als Privateigentum, das durch das Grundgesetz einen außerordentlich hohen Schutz genießt. Es ist höchste Zeit, dass die dem Gemeinwohl verpflichteten Volksvertreter auf allen Ebenen unseres Gemeinwesens sich wieder mit dem öffentlichen Eigentum identifizieren und es garantieren, vor allem auch in Verantwortung für nachwachsende Generationen.
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Auch verhehlen Großkanzleien, Banken, Finanzierungsgesellschaften, Unternehmensberatungsgesellschaften etc. ihre Genugtuung nicht, eröffnet ihnen doch PPP ein riesiges Geschäft.

Ebenso Seminaranbieter zum Thema Ö(P)PP wittern für sich ein gutes Geschäft. So sehen wir z.B. auf der Seite von >Euroforum Deutschland GmbH<  ein Seminarangebot unter dem Titel > Frischer Wind für Öffentlich-Private Partnerschaften< .

Diese Gesellschaft wirbt für dieses Seminar mit Referenten von  Freshfield Bruckhaus Deringer, Servatius Rechtsanwälte und PricewaterhouseCoopers als Experten aus der Projektarbeitsgruppe „ÖPP- Beschleunigungsgesetz“, die „...die Grundlage des verabschiedeten Gesetzentwurfs geschaffen haben.“ Ein Schelm, der Böses dabei denkt. Besondere Erwähnung verdient, dass Euroforum Behördenvertretern Sonderpreise für die Teilnahme an ihren PPP-Seminaren einräumt.

 Die IHK(Industrie- und Handelskammer) Frankfurt/M. – die Industrie- und Handelskammern (in Form von Körperschaften des öffentlichen Rechts) sind schlagkräftige Instrumente für privatwirtschaftliche Profitinteressen mit großem Einfluss  auf Gesetzgebung und Kommunalpolitik – sieht in dem ÖPP-Beschleunigungsgesetz dann auch neuen Rückenwind für Public Private Partnership. So heißt es in einer ersten Stellungnahme dazu, dieses Gesetz  sei „ein weiterer Meilenstein auf einem Weg, der das Entstehen eines finanzträchtigen PPP-Marktes in Deutschland unterstützt.“

Exkurs: ÖPP in der Praxis

Toll Collect ist wohl das bekannteste PPP-Projekt und sicherlich nicht geeignet eine Ptivatisierungseuphorie auszulösen. Als Berater treffen wir hier schon auf die Großkanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer.

Monheim in NRW und der Landkreis Offenbach sind die bekanntesten PPP-Schulprojekte, die schon lange vor dem ÖPP- Beschleunigungsgesetz vereinbart wurden.

Hier soll nur ein kurzer Blick auf den Landkreis Offenbach mit einem CDU-Landrat geworfen werden, wo seit Oktober 04 bzw. Januar 05 ein solches Projekt läuft.

In einem sogenannten >Betreibermodell< hat man hier die Sanierung und Bewirtschaftung der Schulen an eine Tochter von >Hochtief< und die > SKE Mannheim< - ein Unternehmen der VINCI-Gruppe Paris – gegeben.> Hochtief< *  und >VINCI< sind weltweitführende Unternehmen in der Bauwirtschaft. Das Gesamtauftragsvolumen liegt bei etwa 800 Millionen EURO. Die Verträge mit einer Preisgleitklausel laufen über 15 Jahre. Der Kreis zahlt über die gesamte Laufzeit ein Nutzungsentgeld von 57 Millionen EURO jährlich. Die Beratungskosten für das Zustandekommen der Verträge werden auf bis zu 30 Millionen EURO geschätzt; eine Summe zwischen 10 und 30 Millionen EURO auf Nachfrage im Landratsamt wurde nicht dementiert. Unter den Beratern war auch hier Freshfield Bruckhaus Deringer. Das Geschäft wird über eine extra installierte Projekt-Gesellschaft abgewickelt, an der der Kreis geringfügig beteiligt ist. Offiziell wird behauptet, dass der Kreis mit diesem Modell 15-20 % Kosten einspare, was nicht nachvolziehbar ist, wollen doch neben den Beratern auch die Betreiber selbst und ihre Geldgeber einen möglichst hohen Gewinn aus einem solchen Deal herausschlagen. Eine suksessive  durchgeführte Sanierung der Schulen mit billigen Kommunalkrediten wäre sicher billiger gewesen. (* Hochtief ist der weltweit drittgrößte Baukonzern und in Sachen Privatisierung auch international tätig. In Deutschland gilt Hochtief als Marktführer im Bereich PPP. Unter der Überschrift >Hochtief mit Gewinnsprung< liest man in der Süddeutschen Zeitung vom 18.11.05 über den veröffentlichten Nettobarwert der fünf Flughäfen- und zehn PPP-Projekte des Konzerns. Wörtlich heißt es hier dazu: „Deren Wert gibt Hochtief mit 870Millionen EURO an. Bei einem investierten Kapital von 530Millionen EURO errechnet sich ein Mehrwert von 340Millionen EURO.“)

Der Kreistag hat sich mit der Einwilligung für diesen Deal über drei Legislaturperioden hinweg in Sachen Schulinfrastruktur aus seiner Entscheidungs- und Kontrollgewalt verabschiedet und sich damit selbst entmachtet.

( Böse Zungen behaupten, dass die Zustimmung der SPD-Kreistagsfraktion zu diesem Projekt mit einem hauptamtlichen Kreisbeigeordneten belohnt wurde.)

Fazit

Das ÖPP- Beschleunigungsgesetz  bestätigt einmal mehr die erschreckende Leichtigkeit der politischen Elite, einseitig die Interessen der Wirtschaft ( hier der Großen der Bau- und Finanzwirtschaft) zu bedienen. So erhöht das Gesetz die Attraktivität für Ö(P)PP – Interessenten (s. Reaktionen) nicht zuletzt wegen der geschaffenen und noch zu erwartenden steuerlichen Ausnahmetatbestände für die „ÖPP – Variante“ der eigentlich öffentlichen Aufgabenerfüllung.

Nutznießer der „ÖPP – Variante“ sind primär Konzerne der Bauindustrie, Banken, Finanzierungsgesellschaften, Großkanzleien, Unternehmens- und Steuerberatungsfirmen und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften.

Auf der kommunalen Ebene sind  Landräte, Oberbürgermeister und Bürgermeister Nutznießer solcher ÖPP-Deals, behalten sie doch ihre Bezüge, obwohl ganze Abteilungen profitorientierten Unternehmen überantwortet werden. Ja sie und andere entscheidende Politiker können sogar ihre Einkünfte kumulieren – von daher so beliebt - , nämlich über Mitgliedschaft in Aufsichtsgremien und Beiräten in privatrechtlich organisierten Gesellschaften, die extra zur Abwicklung solcher ÖPP-Geschäfte installiert werden.

 Zu den Verlierern gehören zweifellos die kleinen und mittleren Unternehmen des Bau- und Handwerksbereichs. Sie sind aufgrund ihrer Eigenkapitaldecke und mangelnder Kreditwürdigkeit bei den Banken nicht in der Lage, als PPP - Unternehmen in den Markt zu gehen. Diese Unternehmen werden zu Opfern der Marktmacht weniger Großunternehmen, können sie doch selbst als Subunternehmen den Renditeansprüchen der Großkonzerne nicht genügen. (So bezweifelt sogar die IHK Frankfurt neue Marktchancen für diese Unternehmen durch PPP). Die Folgen werden Insolvenzen und Arbeitsplatzverluste in hoher Zahl sein, wenn Aufträge von der öffentlichen Hand ausbleiben.

 Auch der öffentliche Dienst wird im Rahmen von ÖPP Stellenabbau erfahren, nicht zuletzt wegen der Verschiebung einer erheblichen Zahl von Angestellten in privatrechtlich organisierte ÖPP – Projektgesellschaften. Damit werden tarif- und arbeitsrechtliche Standards des öffentlichen Dienstes zur Disposition gestellt. Arbeitsplatzverluste sind vorprogrammiert.

Die „ÖPP - Variante“ führt besonders auf der kommunalen Ebene zur langfristigen Bindung von Haushaltsmitteln (15 – 30 Jahre) und damit zur Verkleinerung des politischen Gestaltungsspielraumes. Besonders gravierend ist es, dass Amts- und Mandatsinhaber mit solchen ÖPP- Deals zur massiven Entziehung demokratischer Kontrolle eigentlich öffentlicher Angelegenheiten beitragen und so der Säule Demokratie unseres Staates erheblichen Schaden zufügen.

In der Begründung zum ÖPP – Beschleunigungsgesetz heißt es, mit Öffentlichen Privaten Partnerschaften werde eine dauerhafte, in beiderseitigem Vorteil liegende, dem Gemeinwohl dienende Kooperation zwischen öffentlichen Händen und Privatwirtschaft angestrebt. Insofern stellten ÖPP einen wichtigen Baustein zur Modernisierung des Staates dar(Quelle:SPD>dokumente Nr. 03/05).

Wenn nun bei der „ÖPP – Variante“ wichtige Aufgaben der eigentlich öffentlichen Daseinsvorsorge privatem Gewinnstreben unterworfen werden mit den Konsequenzen eines verstärkten Personalabbaus und der Absenkung der Einkommens- und Sozialbedingungen, wenn mit dieser „ÖPP – Variante“ demokratische Entscheidung und Kontrolle über Infrastruktur und der damit verbundenen Verpflichtungen über Jahrzehnte ausgehebelt werden, wer dann noch von einer dem Gemeinwohl dienenden Kooperation zwischen öffenlichen Händen und Privatwirtschaft spricht und ÖPP als einen wichtigen Baustein zur Modernisierung des Staates bezeichnet, pervertiert die eigentliche Bedeutung von Gemeinwohl und Demokratie. Politische Ö(P)PP – Vollstrecker handeln also im Interesse von Konzernen und ihren Geldgebern und nicht im Interesse des Allgemeinwohls.

Eine breite Allianz der Bevölkerung, Gewerkschaften und Parteien ist daher notwendig, um ÖPP- Projekte schon in der Anfangsphase zu stoppen. Gleichzeitig muss Druck auf den Gesetzgeber gemacht werden, über eine überfällige Steuerreform die Staatsfinanzen so zu sanieren, dass alle Ebenen unseres Gemeinwesens wieder handlungsfähig werden.
 

 


 

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Der Staat und seine Kernaufgaben: Grenzen der Privatisierung*  

Ernst Ulrich von Weizsäcker MdB 

„Grenzen der Privatisierung“ ist ein Aufschrei. Seit 20 Jahren rollt auf der ganzen Welt eine Lawine der Privatisierung. In vielen Fällen ist die Privatisierung längst als Fehler erkannt worden, aber die Lawine rollt weiter. 

Vorbereitet worden ist der Paradigmenwechsel vom Staat zur Privatwirtschaft von amerikanischen Ökonomen schon in den 1960er Jahren. Milton Friedman und Ronald Coase waren wohl die einflussreichsten. Sie sahen, dass der Markt ein exzellentes Steuerungssystem auch in Bereichen sein kann, die man bis dahin in aller Welt als selbstverständliche Aufgabe staatlicher Monopole angesehen hatte. In den 1970er Jahren erlebte der Staat gleichwohl noch eine bedeutende Expansion, hauptsächlich in den jungen Staaten Afrikas, der Karibik und des Pazifiks. Die nach den Ölpreisschocks von 1973 und 1978 entstehende „Stagflation“ in den Industrieländern zeigte die Grenzen der staatlichen Wirtschaftslenkung auf und bereitete den Boden für die paradigmatische Wende, für die die Namen Margaret Thatcher, Ronald Reagan und in Deutschland Otto Graf Lambsdorff standen. Bezüglich der Entwicklungsländer wurde zwischen der Weltbank, dem Internationalen Währungsfonds und dem US-Finanzministerium der „Washington Konsens“ ausformuliert. Eine breite Privatisierungswelle und teilweise äußerst schmerzliche Strukturanpassungsprogramme mit strengen Grenzen für staatliche Ausgaben folgten.

In der EU fand der Paradigmenwechsel in zwei Stufen statt. Die erste war die Regierungskonferenz in Luxemburg 1985, bei welcher die Einheitliche Europäische Akte mit den Vier Freiheiten, von Personen, Gütern, Dienstleistungen und Kapital, beschlossen wurde. Die zweite setzte nach der Wende ein und war formal am stärksten an die Uruguay-Runde des GATT angebunden, mit ihren radikalen Liberalisierungsschritten bei Dienstleistungen (GATS) und Patenten (TRIPs).  Die Wende von 1989/90, von uns allen bejubelt, hat die Wahrnehmung der Rolle des Staates und des Marktes fundamental verändert. Das „gute“ System der demokratischen, freiheitlichen Marktwirtschaften hatte das „schlechte“ System der autoritären Staatswirtschaft besiegt, und nun wurde es auf einmal politisch korrekt, alle Staatsfunktionen auf ihre Marktfähigkeit zu überprüfen. Was in den angelsächsischen Ländern einschließlich Neuseeland und in den internationalen Finanzinstitutionen schon in den 1980er Jahren dominierte, wurde nun plötzlich zur führenden Doktrin. Umgekehrt wurde all das, was man noch zehn Jahre früher als Immunisierung gegen den Bazillus des Kommunismus selbstverständlich akzeptiert hatte, nämlich die Soziale Marktwirtschaft, die Mitbestimmung und die tatsächliche Steuerprogression, öffentlich geschlachtet.   

 

Das Bild zeigt am Beispiel Grenoble, dass die Privatisierung zum Anstieg der Verbraucherpreise und gleichzeitig zur Vernachlässigung der Investitionen geführt hat.
Ouelle: Mr. Raymond Avrillier, Vice-President of the metropolitan area of Grenoble, 08/09/2003, based on reports by the Régie des Eaux de Grenoble.

 

Weltweit setzte Anfang der 1990er Jahre eine gewaltige Welle der Privatisierung ein. In Osteuropa und vielen Entwicklungsländern wurden die Grundstoffindustrien und andere noch staatliche Gewerbe privatisiert. Fast überall wanderte die Telekommunikation, häufig auch die Post in den Privatsektor, in vielen Ländern auch die Stromversorgung. Die Weltbank betrieb systematisch die Privatisierung der kommunalen Wasserversorgung. In England, Japan und anderswo wurden die Eisenbahnen privatisiert, in Kasachstan und Chile der größte Teil des Bildungssystems, in den USA und Großbritannien die Gefängnisse, in vielen afrikanischen Staaten das Militär (!), in Italien Tausende von Kunstdenkmälern, und in Deutschland die Gebäudebrandversicherung und vieles andere mehr. Die Ökonomen der Welt waren begeistert. Sie erzählten einander und den Politikern aller Farben besonders gerne die eindrucksvollen Erfolgsgeschichten der Telekom- Privatisierung: Früher war alles staatlich, teuer und ineffizient, jetzt wurde alles privat, billig und modern. Wo sind denn nun die Grenzen und Gefahren, die einen Aufschrei rechtfertigen? Zunächst einmal ist es wichtig, die Tatsachen nicht gefärbt darzustellen. So einfach ist das nicht mit den Erfolgsgeschichten:

• In Uruguay wurde das Telekommunikationssystem nicht privatisiert, und es wurde genau so schnell modern und billig wie in Mexiko, wo es privatisiert wurde und war im Effekt besser als das privatisierte argentinische System.

• Die Privatisierung der Brandversicherung hat die Prämien um rund 30% teurer (!) gemacht, bei gleichem Versicherungsschutz, - weil die Privaten anders als der Staat einen Teil ihrer Einnahmen für Kundenwerbung ausgeben.

• Post und Wasser sind für die Kunden teurer geworden, vor allem in Entwicklungsländern.

• Die privatisierte britische Bahn wurde zum Inbegriff der Unpünktlichkeit, und die Unfälle häuften sich.

Das sind vier von gut hundert Beispielen, die einem Autorenteam zur Verfügung standen, das im Januar 2005 einen Bericht über die Grenzen der Privatisierung publiziert. Der Untertitel des Buches weist aus, dass wir Autoren die Privatisierung für eine gute Sache halten, die man aber nicht übertreiben oder falsch betreiben darf.

In unseren Schlussfolgerungen sagen wir dann, dass der Staat auf jeden Fall die Qualitätsaufsicht für öffentliche Dienstleistungen behalten und auch effektiv ausüben muss. Dies liegt im Kern der hoheitlichen Aufgaben. Die Privatisierung des Militärs, also Söldnerheere, wie heute in Afrika, halten wir jenseits aller Kosteneffizienzüberlegungen für ein gefährliches Missverständnis. Gefängnisse sind ein Grenzfall.

Ferner plädieren wir dafür, dass die Privatisierung von Infrastruktur dort unterbleibt, wo sie nur unter Vernachlässigung der Wartung und Innovation kommerziell erfolgreich sein kann; das ist die Lehre, die die britische Regierung aus dem Misserfolg von British Rail gezogen hat: sie hat das Schienennetz kürzlich wieder verstaatlicht!

Die politisch vielleicht wichtigste Kritik an der Privatisierung liegt aber auf einer ganz anderen, gar nicht ökonomischen Ebene: Die Demokratie ist ja so gemeint, dass die Bürger zum Mitdenken und wo möglich Mitgestalten eingeladen sind. Das ist vor allem für die kommunale Ebene relevant, die ja die quantitativ mit Abstand wichtigste „Schule der Demokratie“ ist. In vergangenen Jahrzehnten gab es in unseren Gemeinden stets die lebhaftesten Bürgerengagements in Sachen der öffentlichen Verkehrsbetriebe, der Stromversorgung, der Wasserversorgung und natürlich der Schulen. Wenn dies alles privatisiert ist, wenn die Entscheidungen über den Lebensnerv einer Stadt, etwa in Indien oder Bolivien in fernen Konzernzentralen oder auf Aktienmärkten getroffen werden, was kann dann einen politisch interessierten Menschen veranlassen, sich noch zu engagieren? Dieses Frage ist in jungen Demokratien in Afrika und anderswo sicher noch brennender als bei uns.

Wenn die „Schule der Demokratie“ dem ökonomischen Effizienzgedanken geopfert wird, geht viel verloren! Bei allem Respekt vor der ökonomischen Effizienz der Märkte: Die Durchökonomisierung der Demokratie lehnen wir ab. Die Demokratie war immer „langsam“, und das darf sie auch bleiben!

Aus: politikS Nr. 10, August 2004,v.i.S.d.P.: Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker, MdB

 

 

 DS, Anmerkung: Die Zahlungsverpflichtungen bestehen auch, wenn es zu Mängeln in der Leistungserbringung kommt. Es gibt also kein Druckmittel für die öffentliche Hand.

 *Der Aufsatz wurde auf Bitten der Redaktion für das Unternehmermagazin geschrieben.