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9.10. Diskussion um Beiräte innerhalb der SPD
( Auszug aus dem Bericht "Privatisierung fördert und legalisiert Korruption" von 1995 )

Nach dem Verkauf der Höxteraner Brunnen an den Gelsenwasserkonzern entwickelte sich innerhalb der Höxteraner SPD eine Diskussion um die Höhe der Vergütung der Mitglieder des Aufsichtsrates der Gas- und Wasserversorgung Höxter GmbH, die je Mitglied pro Jahr 3000,-- DM betragen sollte ( vergl. die Ausführungen unter 7. ).

Im Zusammenhang mit dem nun auch bekanntgewordenen "Beiratswesen" entwickelte sich folgende übereinstimmende Meinungslage :

1. Beiräte bei Versorgungsunternehmen sind abzulehnen.

2. In die Aufsichtsräte sind vorwiegend Mandatsträger zu wählen,

3, Mitglieder in den Gremien ( Gesellschafterversammlung und Aufsichtsrat ) erhalten das gleiche Sitzungsgeld wie in den Ausschußsitzungen.

Beim 1. Punkt war die einheimische SPD nicht betroffen. Die Beiratsmitglieder des Gelsenwasserkonzerns ( Stadt- und Oberkreisdirektor ) gehörten und gehören z. Zt. noch der CDU an.

Die Diskussion zum 3. Punkt führte immerhin zu einer Halbierung der Bezüge der Aufsichtsratsmitglieder bei der Gas- und Wasserversorgung Höxter GmbH ( vergl. die Ausführungen unter 7. ). Der damalige SPD- Fraktionsvorsitzende war sehr korrekt und daher in diesen Angelegenheiten sensibel. Für den Aufsichtsrat kandidierte er gar nicht. Seine Funktion als Mitglied der Vertreterversammlung legte er nieder, als er immer wieder nach seiner Vergütung gefragt wurde. Einmal äußerte er, man habe dort den Vertretern einen Blankoscheck vorgelegt, in welchen jeder seine "verdiente" Aufwandsentschädigung eintragen könne. Inwieweit dies den Tatsachen entsprach, kann ich nicht beurteilen. Es ist aber genau so möglich, wie die Aussage eines Journalisten mir gegenüber, bei einer Pressekonferenz des Gelsenwasserkonzerns hätten die Teilnehmer "goldene Uhren als Werbegeschenke erhalten". Eine solche Praxis bei Journalisten wurde auch bei der sonntäglichen Runde der ARD Mitte Januar 1995 angesprochen. als es um Korruption in der BRD ging.

Die genannten 3 Punkte wurden als Anträge in die SPD-Organisation weitergeleitet und in den Vorständen zunächst bis zur Bezirksebene, u. a. in der Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen ( AfA ), ausführlich diskutiert.

Zustimmung in allen Gremien fand die Forderung, daß vor allem Mandatsträger in den Aufsichtsräten tätig werden sollten ( Punkt 2 ). Hierdurch sollte eine größere Informationsmöglichkeit aus den Versorgungsbetrieben zumindest in den kommunalem Fraktionen zustande kommen.

In der Vergütungsfrage ( Punkt 3 ) wurde schließlich ( ähnlich den Regelungen bei den Gewerkschaften ) eine Abführungspflicht eines bestimmten Anteils ( z. B. 30 % ) an die zuständige Organisationsgliederung satzungsrechtlich festgelegt. Die Begründung lautete, man habe auf die Höhe des Betrags wegen der privaten Rechtsform der Unternehmen keinen Einfluß.

Die Diskussion über die Ablehnung bzw. Abschaffung der Beiräte ( Punkt 1 ) zog sich lange hin und wurde eigentlich nur im SPD- Landesverband NRW 1987 durchgesetzt. Die entsprechenden Anträge wurden zunächst nur auf den unteren Organisationsebenen geführt und immer bereits dort den Vorständen überwiesen, welche sie "auf Eis legten". Allerdings wurde nach dem Ausscheiden des für Wasserfragen zuständigen Staatssekretärs im nordrhein- westfälischen Landwirtschaftsministerium aus dem Beirat des Gelsenwasserkonzerns im Jahre 1979 diese Position bis 1994 nicht mehr von einem SPD- Regierungsvertreter besetzt ( vergl. die Ausführungen unter 9.4. ).

Eine aufgrund der Diskussionen auf der AfA- Landeskonferenz vom Vorstand unter dem Vorsitzenden Friedhelm Farthmann berufene "Gelsenwasser- Kommission" untersuchte auch intensiv die Funktion dieser Beiräte. Dort wurde von der Unternehmensseite des größten deutschen Wasserkonzerns besonders auf die Mehrheit der Kommunen im betreffenden Ausschuß hingewiesen, der über die Festsetzung des Wasserpreises entschied. Dann stellte sich aber heraus, daß der Kommunalpolitiker, der hier den Ausschlag gab, dem gut dotierten Beirat des Konzerns angehörte.

Zu meiner Überraschung tauchte auf einmal ein Antrag des SPD- Bezirks Westliches Westfalen zur Abschaffung der Beiräte auf. Dies muß in den Jahren 1984 bzw. 1985 gewesen sein. In den Jahren 1985 bis 1987 vertrat ich den SPD- Bezirk Ostwestfalen- Lippe in der Energiekommission des SPD- Landesverbandes NRW. Vorsitzender war das damalige Vorstandsmitglied der Ruhrkohlem AG Fritz Ziegler. Hier wurde u. a. der Ausstiegs- Beschluß der SPD aus der Kernenergie vorbereitet, der nach der Katastrophe von Tschernopyl ( 1986 ) sich durchsetzte. Ich legte hier mein Papier " Bemerkungen zu den organisatorischen Rahmenbedingungen der Energie- und Wasserversorgungswirtschaft " vor, der einen Teil der in diesem Papier behandelten Probleme anschnitt. Das Beiratssystem wurde im damaligen Papier bereits breit behandelt. Obwohl darüber in der Kommission kaum gesprochen wurde, bin ich überzeugt, daß es mit dazu beigetragen hat, die unten angeführte Beschlußfassung der zu beeinflussen.

Nach Rücksprache mit dem SPD- Fraktionsvorsitzenden im Düsseldorfer Landtag Friedhelm Farthmann, der auch Mitglied dieser Kommission war und bekanntlich die Beiräte als "legalisierte Korruption" bezeichnet hatte ( vergl. die Ausführungen unter 3., 5. und 9.1.3. ), wurde der o.a. Antrag des SPD- Bezirks Westlichen Westfalen zur Auflösung der Beiräte im Bezirk Ostwestfalen- Lippe neu eingebracht.

Auf dem Parteitag des SPD- Unterbezirks Höxter- Warburg 1986 wies ein Betriebratsmitglied des Kernkraftwerkes Würgassen bei der Diskussion dieses Antrags darauf hin, daß ja auch Gewerkschaftsangehörige Mitglieder in den Beiräten seien ( vergl. auch 9.5. Den Unternehmen wohlgesonnene Gewerkschaftler erhalten nach langjähriger Aufsichtsratstätigkeit im Beirat einen "Ruhesitz" auf Seite 24 ). Obwohl er ausdrücklich erklärte, daß er nicht gegen den Antrag spreche, war die Zustimmung für ihn so knapp, daß das positive Votum zur Abschaffung der Beiräte erst durch Auszählen der Stimmen festgestellt werden mußte.

Auf dem Bezirksparteitag der ostwestfälischen SPD 1986 in Minden hatte die Antragskommission bei diesem Antrag zunächst "Nichtbefassung" vorgeschlagen. Erst nach meinem Diskussionsbeitrag änderte sie ihr Votum in "Annahme", welches dann vom Parteitag überzeugend bestätigt wurde.

Der SPD- Bundesparteitag 1986, der mit der Annahme von 2 Anträgen einen Grundsatzbeschluß gegen Privatisierung faßte ( Anlage 14 : Protokoll des SPD- Bundesparteitages 1986, Seite 736 : Antrag W 23 "Privatisierung" des SPD- Bezirks Ostwestfalen- Lippe und Seite 829 : Antrag E 19 "Elektrizitätsversorgungsunternehmen" des SPD- Unterbezirks Höxter- Warburg ), überwies den Antrag zur Auflösung der Beiräte ( Anlage 15 : Protokoll des SPD- Bundesparteitages 1986, Seite 837: Antrag K1 des SPD- Bezirks Ostwestfalen- Lippe und des Unterbezirks Höxter- Warburg zur Auflösung der Beiräte in Versorgungsunternehmen ) dann an die Bundestagsfraktion, die Landtagsfraktionen, sowie an die Sozialdemokratische Gemeinschaft für Kommunalpolitik ) mit der ausdrücklichen Maßgabe, daß in den binnen eines Jahres vorzulegenden Berichten zu diesem Problem dezidiert Stellung genommen wird.

Dem SPD- Bundesparteitag 1988 in Münster lagen dann im Rechenschaftsbericht des Vorstandes diese Stellungnahmen vor. Hier berichtete ausführlich die bayrische SPD- Landtagsfraktion von den Beiräten der Bayernwerk AG und der Ferngas Nordbayern. Die hessische Landtagsfraktion vertrat die Auffassung, über die Einsetzung von Beiräten könnten nur die Anteilseigner entscheiden. In Bremen, Rheinland- Pfalz, Berlin und Hamburg trifft das im Antrag genannte Problem nicht zu. In Nordrhein- Westfalen sei eine Initiative zur Auflösung der Beiräte in Vorbereitung ( vergl. Anlage 16 : Auszug aus "Erledigung und Bearbeitung der Anträge vom SPD- Bundespateitag 1986", Seite 4 und 12 ).

Die entsprechendem Unterlagen waren nur den aktiven Teilnehmern des Parteitages ( Ordentliche Delegierte und beratende Mitglieder ) zugänglich. Als Ersatzdelegierter erhielt ich sie erst kurz vor den Vorstandswahlen, nachdem ich als Delegierter nachgerückt war, sodaß diese Thematik auf dem Parteitag ( von mir aus ) nicht angesprochen werden konnte.

Immerhin gelang es auf diesem 1988- er Parteitag, dem ein entsprechender Antrag des SPD- Bezirks Hannover vorlag ( vergl. Anlage 17: Auszug aus dem Antragsbuch des SPD- Bundesparteitages 1988 in Münster : Antrag W 7 des SPD- Bezirks Hannover : "Keine Privatisierung im gesamten öffentlichen Dienst" ), eine Bestätigung des grundsätzlichen Beschlusses gegen Privatisierung zu erreichen. Die stellv. Bezirksvorsitzende von Ostwestfalen Martina Tiltmann erwirkte dies in ihrem Redebeitrag ( vergl. Anlage 18 : Auszug aus dem SPD- Parteitagsprotokoll Münster 1988, Diskussiomsbeitrag von Martina Tiltmann, Bezirk Ostwestfalen. Lippe, S. 253/254 ).

Bei der Behandlung der Energieanträge konnte ich dann in einem Diskussionsbeitrag auf eine Verdoppelung der Aufsichts- und Beiratsvergütungen hinweisen, die kurz vor bzw. nach der Privatisierung bei der VEBA AG und der VIAG AG erfolgt waren, und dem SPD-Vorsitzenden Hans Jochen Vogel mein entsprechendes Papier überreichen ( vergl. Anlage 7 : Auszug aus dem Parteitagsprotokoll des SPD-Bundesparteitages in Münster 1988 und die Abhandlung ." Nach der Privatisierung, oder kurz vorher: Aufsichts- bzw. Beiratsvergütungen im Strombereich der VEBA/PREUSSENELEKTRA und bei der VIAG verdoppelt" und die Ausführungen unter 9.2.).

Der Landesparteitag der nordrhein- westfälischen SPD des Jahres 1987 hatte inzwischen den Antrag gegen die Beiräte dann einstimmig ohne Diskussion angenommen ( vergl. Anlage 11 : Bericht " SPD- Landesverband beschließt Antrag aus Höxter - Versorgungsunternehmen : Die Beiräte abschaffen " der "Neuen Westfälischen" vom 09.10. 1987 ). Immerhin wurde durch Berufung auf diesen Parteitagsbeschluß der damalige nordrhein- westfälische Wirtschaftsminister Jochimsen gezwungen, seinen Beiratssitz bei der PREUSSENELEKTRA AG aufzugeben ( vergl. die Ausführungen unter 9.4.).

Nach der deutschen Vereinigung wurde auch die SPD von der "Privatisierungs- Euphorie" angesteckt. Eine Diskussion über Privatisierung und Beiräte hat dann auf den Parteitagen nicht mehr stattgefunden.