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Die teure Privatisierung am Beispiel der Straßenbeleuchtung
Taz 28.06.2007
Erzwungene Verschwendung
Wegen eines Vertrags mit RWE kann die
Stadt Lohmar keine Energiesparlampen in ihre Straßenlaternen
einbauen. Städtebund NRW: "Kein Einzelfall". Die Kommune will
jetzt klagen
VON MIRIAM BUNJES
Sobald es dunkel wird, verschwendet die Stadt Lohmar im Bergischen Land
Geld. Mehr als 60 Prozent ihrer Straßenlaternen sind technisch
veraltet, an fast 15 Prozent wurde seit den 70er Jahren nichts mehr
modernisiert. "Wir könnten mit besserer Technik mindestens 40
Prozent Strom sparen, ohne dass in Lohmar irgendwo ein Licht ausgeht",
sagt Horst Becker, Fraktionsvorsitzender der Grünen, die die
38.000-Einwohner-Stadt zusammen mit der CDU regieren.
Bis 2013 ist das für Lohmar unmöglich. Die Stadt hat mit RWE
einen Vertrag geschlossen, der sie für 20 Jahren an den
Energiekonzern bindet. Das Unternehmen liefert den Strom und wartet die
Lampen. Und: Die Laternen sind laut Vertrag seit 1993 Eigentum von RWE
.
Pro Jahr kostet das die Stadt 280.000 Euro Wartungskosten und
mindestens 90.000 Euro für den Stromverbrauch. Die
Wartungskosten steigen jedes Jahr, auch das steht im Vertrag . "Das ist
viel zu viel", sagt Becker, der auch für die Grünen als
kommunalpolitischer Sprecher im Landtag sitzt. Er hält den Vertrag
für sittenwidrig. "Wir bereiten gerade eine Klage vor", sagt
Becker. "Stromkonzerne haben naturgemäß kein Interesse
daran, den Stromverbrauch durch Energiesparmaßnahmen zu
reduzieren." In den "Knebelverträgen" würden zudem
unangemessen hohe Preise festgesetzt. "Sie sind eine klimapolitische
Katastrophe."
Ein Einzelfall sind sie allerdings nicht. "Viele Städte in
Nordrhein-Westfalen haben solche Verträge geschlossen", sagt
Barbara Meißner vom Städtetag NRW. Das sei bekannt.
"Über die Vertragsbedingungen sind uns aber keine Details
bekannt."
RWE gibt an, bundesweit rund 2.100 solcher Verträge mit Kommunen
abgeschlossen zu haben . Ein Eon-Sprecher betont: "Aus NRW ist mir so
etwas nicht bekannt." Allerdings wirbt das Unternehmen in seinem
Internetauftritt mit "Komplettpaketen" für Kommunen. Die
bayrischen Straßenlaternen, ergab eine Recherche des
ZDF-Politmagazins Frontal 21, sind fast vollständig im Besitz von
Eon . Die deutschlandweite Energiebilanz dieser Besitzverhältnisse
ist entsprechend miserabel: Fast ein Drittel aller
Straßenlaternen ist mindestens 20 Jahre alt, hat veraltete
Leuchten und schlechte Reflektoren, ermittelte der Berufsverband der
Leuchtenindustrie.
Die Kommunen kostet das viel Geld. Rund 20 Prozent eines Haushalts geht
jedes Jahr für Beleuchtung drauf. "Dabei gibt es intelligente
Lichtsysteme, die sich selbstständig den Lichtverhältnissen
anpassen und in der Dämmerung noch nicht voll leuchten", sagt
Horst Becker. Schulen und öffentliche Gebäude in seiner Stadt
werden nach und nach auf solche Systeme umgestellt. "Die Ersparnisse
sind schon jetzt enorm."
Die outgesourcten Straßenlaternen Lohmars sind davon weit
entfernt. Becker will sich aber jetzt im Parlament für landesweite
Aufklärung einsetzen. "RWE geht mit diesen lukrativen
Verträgen natürlich nicht in die Öffentlichkeit", sagt
Becker. "Und auch die Kommunen gehen nicht offen damit um."
Tatsächlich bestritten in einer taz-Stichprobe alle Städte
solche Stromdeals. "Unsere Städte müssen jetzt die Weichen
stellen, um nicht langfristig von den Energiekosten erdrückt zu
werden", sagte unlängst Wirtschaftsministerin Christa Thoben (CDU)
auf einer kommunalen Tagung der Energieagentur. Für Lohmar ist das
unmöglich.
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