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Zwangsverkäufe

Die Macht der Stromerzeuger

VON MARTIN BRUST

Die Strompreise steigen kontinuierlich, die Macht der großen Energiekonzerne RWE, Eon, Vattenfall und ENBW ist ungebrochen. Als Erzeuger, Netzbetreiber und Lieferant hat das Oligopol starken Einfluss auf die Preise. Kürzlich forderte der Präsident des Bundeskartellamtes, Bernhard Heitzer, den Zwangsverkauf von Beteiligungen der großen vier an Stadtwerken. Doch Politik und kommunale Versorger im Rhein-Main-Gebiet sind skeptisch.

"Der Anteil käme auf den Markt, wer ihn kaufen würde ist unklar, was ein neuer Besitzer damit macht, ebenso", sagt Heinz Becker, Sprecher der Frankfurter Mainova. Er hält die Behauptung, große Konzerne könnten über Minderheitsbeteiligungen auf die Preisgestaltung Einfluss nehmen für "gewagt". Die Mainova-Preise beeinflusse die Stadt Frankfurt wesentlich mehr als die Mitbesitzerin und Eon-Tochter Thüga. Laut Becker sollte der Wettbewerb nicht durch zu viel Regulation gestört werden: "Am wichtigsten ist eine diskriminierungsfreie Durchleitungspraxis."

Mainova erzeugt im Schnitt zu 40 Prozent des verkauften Stroms selbst, die Quote kann bis auf 60 Prozent steigen. Den Rest beschafft die Handelsgesellschaft Syneco - an der Mainova sowie 70 weitere Kommanditisten beteiligt sind, darunter Thüga und viele Stadtwerke - bei bis zu 50 verschiedenen Lieferanten. Auch bei Eon, deren Rolle allerdings "nicht maßgeblich" ist, sagt Becker.

Mainova selbst hält mehr als 20 Beteiligungen - an Versorgern in Offenbach, im Spessart und im Taunus sowie an den Stadtwerken Hanau und Dreieich. Über die Stadtwerke-Holding (SWH) ist Frankfurt nicht nur an Mainova beteiligt, sondern auch an Süwag Energie mit Sitz im Stadtteil Höchst. Die Mehrheit gehört RWE. Minderheits- (Mainova) und Mehrheitsbeteiligung (Süwag) eines Konzerns hätten aber ganz unterschiedliche Konsequenzen, ist aus dem leitenden Management der SWH zu erfahren. Bei Süwag seien die politischen Einflüsse auf die Geschäftsführung viel geringer als bei Mainova. Ein Vertrag regele die Rechte und Pflichten zwischen Mainova und Thüga. Alle Entscheidungen, die der Zustimmung der Hauptversammlung bedürfen, müssten mit Thüga abgestimmt werden. Dazu gehöre nicht die Preisgestaltung. "Das passiert im Aufsichtsrat", sagt der SWH-Manager. Dort sitzen Politiker, Gewerkschaften, Arbeitnehmer, SWH-Abgesandte und zwei Thüga-Vertreter,

107 Beteiligungen weist der Geschäftsbericht 2006 der Thüga-Gruppe aus, darunter zahlreiche Stadtwerke. Nicht dabei die Stadtwerke Neu-Isenburg, die als klassischer Querverbund Strom und Gas liefern sowie Nahverkehr und Schwimmbad betreiben. Geschäftsführer Eberhard Röder sind keine Überlegungen bekannt, Teile des ganz in kommunaler Hand befindlichen Unternehmens zu verkaufen. "Es gibt dafür keinen Grund." Er verweist auf die häufigste Motivation für Anteilsverkäufe: Geldbeschaffung.

Verkauf von Kraftwerken

Als zweiten möglichen Grund nennt er strategische Vorteile - etwa beim Einkauf oder der Informationstechnik. Allerdings: "Diese Vorteile kann ich auch in einer Partnerschaft haben, wie wir sie mit Mühlheim, Langen und Dreieich eingegangen sind." Die vier kommunalen Versorger kaufen zusammen Strom. Röder kann dem Vorschlag des Kartellamtschefs nichts abgewinnen: "Vorteile hätte eine Entflechtung zwischen Erzeugung und Vertrieb, etwa durch Verkauf von Kraftwerken. Solange in der Erzeugung ein Oligopol besteht, wird sich für Kunden nicht viel ändern."

Auch die Stadtwerke Bad Vilbel sind ganz im Besitz der Stadt. Die Kommune hat zum Jahresbeginn 2000 ihr Stromnetz vom Friedberger Versorger Ovag gekauft und dafür rund 22 Millionen D-Mark bezahlt. Derzeit überlegt die Kommune, in die Stromerzeugung einzusteigen. Bad Vilbels Bürgermeister Thomas Stör (CDU) sagt: "Aus heutiger Sicht hat sich das Engagement für Stadtwerke und Kommune gelohnt." Die Stadtwerke schreiben schwarze Zahlen, obwohl Abschreibungen für das Netz den Gewinn mindern - und bieten dennoch im hessischen Vergleich günstige Strompreise.

Nur im Stadtteil Gronau gehört das Stromnetz nicht der Stadt - bis heute laufen die Verhandlungen mit Eon über einen Kauf.

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—— WER GEHÖRT WEM? ——

Mainova mit Sitz in Frankfurt gehört zu 75,2 Prozent der Stadtwerke Frankfurt am Main Holding, deren Anteile zu 100 Prozent im Besitz der Stadt Frankfurt sind. 24,4 Prozent der Mainova-Aktien sind im Besitz derThüga AG, die restlichen 0,4 Prozent sind Streubesitz.

An der Süwag Energie AG hält RWE 77,5 Prozent der Anteile. Die restlichen 22,5 Prozent teilen sich verschiedene Kommunen und Landkreise, darunter der Hochtaunuskreis, Main-Taunus-Kreis und Rheingau-Taunus-Kreis. Die Stadtwerke Frankfurt Holding hält rund 5,6 Prozent.

Die Thüga AG gehört zu 18,9 Prozent Contigas und zu 81,1 Prozent Eon Ruhrgas. Diese beiden Unternehmen - und damit auch die Thüga-Gruppe - gehören zu annähernd 100 Prozent der Eon AG.

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Dokument erstellt am 21.12.2007 um 17:04:01 Uhr
Letzte Änderung am 21.12.2007 um 21:39:37 Uhr
Erscheinungsdatum 22.12.2007