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Grundsätze zur Kommunalpolitik des DGB-Landesbezirks Nordrhein-Westfalen (1984)

ARBEITNEHMERORIENTIERTE KOMMUNALPOLITIK ERFORDERT POLITISCH UND FINANZIELL STARKE KOMMUNEN.

Die Arbeits- und Lebensbedingunqen der Arbeitnehmer werden entscheidend von den Kommunalpolitikern in Städten, Gemeinden und Kreisen beeinflusst.

Die Kommunen sind für 278.000 Beschäftigte unmittelbar Dienstherr und darüber hinaus in einer Vielzahl von kommunalen Eigenbetrieben Arbeitgeber von ca. l00.000 Arbeitnehmern. Über ihre sozialen Einrichtungen und die Sozialhilfe tragen die Kommunen zur existentiellen Lebenssicherung von Hunderttausenden von Menschen bei. Als grösster öffentlicher Investor sichern und schaffen sie Zehntausende von Arbeitsplätzen. Die Städte und Gemeinden prägen über Wohnungsbau und Stadtgestaltung das unmittelbare Wohnumfeld der Arbeitnehmer.

Damit die Kommunen ihren Aufgaben gerecht werden können, sind ihre politischen Kompetenzen zu erweitern sowie ihr finanzieller Spielraum zu stärken.

Bundes- und Landesgesetzgeber sind aufgefordert, die hierfür notwendigen Voraussetzungen zu schaffen. Die Beseitigung der Lohnsummensteuer, die Verstümmelung der Gewerbesteuer sowie der Rückgang der Landeszuweisungen werden verurteilt. Der DGB-Landesbezirk Nordrhein-Westfalen fordert die Einführung der Wertschöpfungssteuer mit eigenem Heberecht sowie einen staatlichen Ausgleich für die zunehmenden kommunalen Sozialhilfeleistungen.

Die eingeschränkten politischen Kompetenzen und die geringer gewordenen Finanzierungsspielräume können jedoch nicht als Argument dienen, dass viele Städte, Gemeinden und Kreise ihrer Verantwortung gegenüber den Arbeitnehmern nur ungenügend gerecht geworden sind.

Der Wahlkampf für die Kommunalwahl 1984 in Nordrhein-Westfalen ist deshalb für den Deutschen Gewerkschaftsbund ein wichtiger Anlass, die politischen Absichten der zur Wahl stehenden Politiker mit den Grundsätzen gewerkschaftlicher Forderungen zur Kommunalpolitik zu vergleichen.

AKTIVE KOMMUNALE BESCHÄFTIGUNGSPOLITIK

Nicht Personalabbau - soziale Verantwortung der kommunalen Arbeitgeber ist notwendig.

Seit 1o Jahren ist der Personalausgabenanteil der Kommunen in Nordrhein-Westfalen nicht mehr gestiegen, obwohl von den Kommunen infolge der Beschäftigungskrise erhebliche zusätzliche Dienstleistungen erbracht werden. Deshalb kann ein Personalabbau im Bereich der Kommunalverwaltung sowie der kommunalen Eigenbetriebe nicht hingenommen werden. Der Personalanteil ist zugunsten der sozialen Dienste zu erweitern. Das Unterlaufen von Tarifverträgen in einzelnen Kommunen ist ein politischer Skandal. Die Kommunal Verwaltungen und die kommunalen Eigenbetriebe haben ihren Pflichtanteil für die
Beschäftigung von Behinderten einzuhalten und zu erhöhen.

Ausbau kommunaler Investitionen zur Schaffung neuer Arbeitsplätze.

Fast zwei Drittel aller öffentlichen Investitionen werden über kommunale Haushalte getätigt. Die Beschäftigungswirkungen und die tatsächliche Verbesserung der Lebensbedingungen der Mehrheit der Bevölkerung müssen im Vordergrund der Investitionsentscheidungen stehen. Prestigeobjekte haben oftmals nur geringe Beschäftigungswirkungen. Kommunale Investitionspolitik bedeutet heute in erster Linie Instandhaltung und Erneuerung. Dies betrifft sowohl die kommunalen Einrichtungen als auch den Wohnungsbau. Die Stadterneuerung und Wohnungsmodernisierung in Arbeiterstadtteilen sollte Priorität besitzen. Eine besondere Verantwortung kommt den kommunalen Eigenbetrieben mit ihren Energie- und Verkehrsinvestitionen zu.

Zusätzliche Arbeitsplätze durch offensive Nutzung von Arbeitsbeschaffungsmassnahmen.

In Zusammenarbeit mit den freien Trägern sollten die Kommunen über Arbeitsbeschaffungsmassnahmen (ABM) allen Möglichkeiten nachgehen, um zusätzliche Arbeitsplätze zu schaffen. Im Bereich sozialer Dienste, der Stadterneuerung, aber auch von Selbsthilfeprojekten bestehen erhebliche Möglichkeiten öffentlich sinnvoller Tätigkeiten. Wichtigste Zielgruppe sollten neben Jugendlichen insbesondere Arbeitslosenhilfe- und arbeitslose Sozialhilfeempfänger sein. Verurteilt wird der zwangsweise Arbeitseinsatz von Sozialhilfeempfängern unter Tariflohn. Entschiedene Ablehnung gilt allen Versuchen, über ABM Dauerarbeitsplätze abzuschaffen bzw. tarifvertragliche Regelungen zu unterlaufen.

Kommunen haben ihren Beitrag zur Schaffung qualifizierter Ausbildungsplätze zu leisten.

In den Kommunal Verwaltungen und den kommunalen Eigenbetrieben ist die Anzahl der Ausbildungsplätze zu vergrössern. Die Kreise und kreisfreien Städte sollten Einrichtungsbeschlüsse für Vollzeitschulen im Bereich der berufsbildenden Schulen fassen. Die Kommunen sollten ferner über Spitzenförderung die Gründung ausserbetrieblicher Ausbildungsplätze erleichtern. Darüber hinaus sollten durch die Nutzbarmachung von Ausbildungsstätten stillgelegter Betriebe .die Ausbildungsplatzkapazitäten zusätzlich erweitert werden. Reitende Tarifverträge und gesetzliche Bestimmungen sind einzuhalten.

Kommunale Wirtschaftsförderung muss zum Instrument aktiver Beschäftigungspolitik werden.

Die Kommunale Wirtschaftsförderung hat besondere Priorität und muss zu einem aktiven und flexiblen Instrument der regionalen Beschäftiqungspolitik gemacht werden. Die Kommunale Wirtschaftsförderung muss in einer Hand liegen. Vorrang kommt der Bestandsentwicklung kleiner und mittlerer Unternehmen zu. Der nicht angemessene Aufwand für Neuansiedlungen ist zugunsten der Förderung bestehender Betriebe zu reduzieren. In Zusammenarbeit mit der Sparkasse, den Kammern und dem Arbeitsamt ist auf der Grundlage von konkreten Einzel Informationen über Unternehmen die Betreuung und Innovationsförderung kleiner und mittlerer Betriebe zu verbessern. Dabei muss auf die Unternehmen zugegangen werden, um rechtzeitig Hilfen gewähren zu können.

Besondere Aufmerksamkeit muss den Betrieben mit Umweltproblemen gelten. Durch klare Planungs-vorgaben bzw. unbürokratische Grundstückspolitik sind die langfristigen Entwicklungsmöglichkeiteh-dieser Unternehmen zu verbessern. Wirtschaftsförderung ist personalintensiv, wenn sie wirksam betrieben werden soll. Der Personalbestand ist deshalb auszubauen. Wirtschaftsförderung darf nicht durch Kirchtumsdenken und durch eifersüchtige Konkurrenz um die wenigen Neuansiedlungen behindert werden. Die Wirtschaftsförderung ist auf der Ebene der Kreise und der kreisfreien Städte zu betrei ben.

DIE FOLGEN DER WIRTSCHAFTSKRISE ERFORDERN DEN AUSBAU DER SOZIALEN DIENSTLEISTUNGEN

Die Hilfen für Arbeitslose sind zu erweitern.

Angesichts des erschreckenden Anstiegs der Langzeitarbeitslosigkeit (1983 über 3o % ein Jahr und länger arbeitslos - über 18o.ooo beziehen Arbeitslosenhilfe in NRW) müssen die Kommunen ihren Beitrag leisten, damit die materielle Verelendung und das Abdrängen der Arbeitslosen in eine soziale Randlage verhindert wird. In Zusammenarbeit mit dem DGB, dem Arbeitsamt, den Kirchen und den Wohlfahrtsverbänden muss ein integriertes Beratungssystem aufgebaut werden.
Spezielle Bildungsanqebote der Volkshochschulen mit Gebührenermässigung für Arbeitslose sind zu entwickeln bzw. auszubauen. Die Zusammenarbeit mit anderen Trägern der Weiterbildung ist zu intensivieren. Ermässigungen für Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger bei Verkehrsbetrieben und anderen kommunalen Einrichtungen sind zu schaffen. Die Arbeit von Arbeitslosenselbsthilfegruppen sollte erleichtert werden. Der Aufbau von Arbeitslosenzentren in gemeinsamer Trägerschaft von Kommune, DGB, Kirchen und Wohlfahrtsverbänden sollte gefördert werden.

Die soziale Versorgung alter Menschen ist zu verbessern.

Aufgrund der Bevölkerungsstruktur steiqt der Anteil alter Menschen. Das Angebot an Altenheimen und Altenwohnungen muss erweitert werden. Soweit es der Gesundheitszustand zulässt, sollten alte Menschen bevorzugt über eine offene, ambulante bzw. teil stationäre Altenhilfe versorgt werden. In Zusammenarbeit mit den freien Trägern der Altenhilfe ist hierzu die nötige Infrastruktur in den Stadtvierteln (Sozialstationen, Taqesstätten) aufzubauen.

Aktive Jugend- und Bildungspolitik zur Verbesserung der Zukunftschancen der Jugendlichen.

Nicht zuletzt wegen der steigenden Jugendarbeitslosigkeit müssen die Kommunen gezielte Angebote für Jugendliche bereitstellen. Der Beratungsdienst (Familien-, Drogenberatung, schulpsychologischer Dienst u.a.) ist auszubauen. Im Rahmen einer partnerschaftlichen und gleichberechtigten Zusammenarbeit mit den Jugendverbänden kommt der Förderung der ausserschulischen Jugendarbeit eine besondere politische Bedeutung zu. Die Initiativen zur Einrichtung von Integrierten Gesamtschulen, Ganztagsschulen bzw. dem Berufsqrundschuljähr sind zu verstärken.

Keine Privatisierung kommunaler Dienstleistungen

Mit Entschiedenheit lehnt der DGB die Privatisierung kommunaler Dienstleistungen ab. Durch die Privatisierung werden Arbeitsbedingungen, Löhne und soziale Absicherung der Arbeitnehmer verschlechtert. Privatwirtschaftlich organisierte Dienstleistungen führen zum Abbau eines flächendeckenden Angebotes. Aufgrund ihrer Monopolstellung wird eine sozial nicht vertretbare Preisgestaltung möglich gemacht.

ARBEITNEHMERGERECHTE GEMEINDE- UND STADTENTWICKLUNG

Ausbau der Stadterneuerung zur Verhinderung von Slums.

Die Stadterneuerung und Wohnumfeldverbesserung von vernachlässigten Stadtvierteln (meist Arbeitersiedlungen) muss bevorzugt betrieben werden. Steigende Arbeitslosigkeit, hoher Ausländeranteil dürfen nicht zu Slums führen. Neue Obdachlosensiedlungen müssen verhindert, alte abgebaut werden. Hierzu ist eine erhebliche Steigerung der Investitionstätigkeit und eine offensive Anwendung des derzeitigen Bodenrechts erforderlich.

Erhaltung und Schaffung von preisgünstigem Wohnraum für einkommensschwache Bevölkerungsgruppen.

Nach wie vor fehlt eine ausreichende Zahl preisgünstiger Wohnungen. Neben der Erhaltung preisgünstiger Sozialwohnungen kommt dem sozialen Mietwohnunqsbau in den Grosstädten Vorrang zu. Es ist sicherzustellen, dass einkommensschwache Gruopen bevorzugt bedient werden. Dies gilt insbesondere dann, wenn Wohnungen frei werden. Bei der Aufstellung des Mietspiegels sollte der Einfluss der Haus- und Grundstückseigentümerverbände zurückgedrängt werden.

Für eine umweltfreundliche Stadtentwicklung.

Eine umweltfreundliche Stadtentwicklunq bedeutet die Bevorzugung des öffentlichen Personennahverkehrs. Im Bereich der Energiepolitik ist der Kraftwärmekoppelung (Fernwärme) Priorität zu geben. Kommunale Energieversorgungskonzepte sind aufzustellen. Zur Milderung der Probleme von umweltbelastenden Betrieben in Wohnbereichen sind langfristige Planungskonzepte aufzustellen.

DEMOKRATISIERUNG UND MITBESTIMMUNG IM KOMMUNALEN BEREICH

Einführung der überbetrieblichen Mitbestimmung auf kommunaler Ebene notwendig.

Eine vorausschauende kommunale Beschäftigungspolitik und Wirtschaftsförderung kann ohne paritätische Mitbestimmung der Arbeitnehmer nicht erfolgreich sein. Auf kommunaler Ebene sind Mitbe-stimmungsgremien zu schaffen, mit Kontrollrechten auf dem Gebiet der regionalen Wirtschaftsförderung bzw. der kommunalen Beschäftigungspolitik. Darüber hinaus sollten sie Initiativrecht gegenüber den Kommunal Parlamenten besitzen.

Paritätische Mitbestimmung in den kommunalen Eigenbetrieben.

In den kommunalen Betrieben (Stadtwerke, Verkehrsbetriebe, Sparkassen u.a.) ist die paritätische Mitbestimmung einzuführen. Hierbei darf die Rechtsform der kommunalen Betriebe oder Unternehmen keine Rolle spielen.

Mehr Arbeitnehmer in die Kommunalpolitik.

Arbeitnehmer sind häufig benachteiligt im Bereich der kommunalen Politik, ehrenamtliche Ämter anzunehmen. Es sollten deshalb bessere personelle, rechtliche und finanzielle Voraussetzungen für die Arbeit, insbesondere der Ratsmitglieder, geschaffen werden, damit mehr Arbeitnehmer für die kommunalpolitische Arbeit gewonnen werden können.