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Das Ende einer Ära

Bundesregierung muss Regelwerk ändern / Betriebsrat fordert Veto-Recht im Aufsichtsrat gegen Werksverlegungen

Das höchste EU-Gericht hat das fast 50 Jahre alte VW-Gesetz gekippt. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) urteilte am Dienstag in Luxemburg, das Gesetz zum Schutz von Volkswagen (VW) vor feindlichen Übernahmen verstoße gegen EU-Recht. Es beschränke den freien Kapitalverkehr in der Europäischen Union (EU).

Der VW-Hauptaktionär Porsche begrüßte das Urteil, ließ aber offen, ob und wann Porsche seine Anteile bei Volkswagen weiter aufstockt. Der Stuttgarter Konzern hält bisher 31 Prozent der VW-Anteile. Volkswagen (VW) will das Urteil auf Folgen für den Konzern und die Satzung prüfen. Der Vorstand habe die Entscheidung des Gerichtes zur Kenntnis genommen, teilte VW in Wolfsburg mit.

Das Land Niedersachsen kündigte an, auch nach dem Fall des Gesetzes an seiner VW-Beteiligung festzuhalten. Das Land hält knapp 21 Prozent und ist damit zweitgrößter VW-Aktionär.

Das Gericht kritisierte zwei Punkte des VW-Gesetzes: Die Stimmrechtsbeschränkung auf 20 Prozent ermögliche es dem Land Niedersachsen, mit einem vergleichsweise geringen Anteil von 20,3 Prozent des Unternehmenskapitals "in der Volkswagen AG wesentlichen Einfluss auszuüben". Damit würden Privatinvestoren insbesondere auch aus dem Ausland von Investitionen in das Unternehmen abgehalten.

Das VW-Gesetz garantiert dem Land Niedersachsen außerdem zwei Sitze im Aufsichtsrat des Unternehmens, solange es VW-Aktien besitzt - unabhängig von deren Anzahl. So könne das Land einen Einfluss ausüben, "der über ihre Investitionen hinausgeht", erklärte der Europäische Gerichtshof.

Diese Einschränkungen des freien Kapitalverkehrs seien im vorliegenden Fall nicht gerechtfertigt, so der EuGH. Die Bundesregierung habe nicht erklären können, warum es für den Arbeitnehmerschutz notwendig sei, beim Kapital von VW eine stärkere und unabänderliche Position öffentlicher Akteure aufrechtzuerhalten.

Die Bundesregierung kündigte an, das VW-Gesetz rasch ändern zu wollen. Die beanstandeten Vorschriften des Gesetzes würden nicht mehr angewendet, sagte ein Sprecher des Justizministeriums in Berlin. Er ließ offen, ob das Gesetz abgeschafft wird oder nur einzelne Punkte geändert werden.

Porsche teilte zudem mit, das Unternehmen akzeptiere, dass Niedersachsen entsprechend seines Aktienanteils angemessen im VW-Aufsichtsrat vertreten sei. Die Porsche-Vertreter in dem Kontrollgremium, Wiedeking und Porsche-Finanzvorstand Holger Härter, würden es begrüßen, wenn der niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) und sein Kollege, Wirtschaftsminister Walter Hirche, weiterhin dem Aufsichtsrat des Wolfsburger Automobilherstellers angehören würden. Damit wäre die notwendige Kontinuität in der vertrauensvollen Zusammenarbeit sichergestellt.

Gewerkschaften und VW-Betriebsrat kritisierten das EuGH-Urteil. Die IG Metall forderte die Bundesregierung auf, das VW-Gesetz zu erhalten und europarechtskonform zu gestalten. "Es gibt keinen Grund, das Gesetz als solches infrage zu stellen", teilte IG-Metall-Chef Jürgen Peters in Frankfurt am Main mit. Das Gericht habe nur bestimmte Punkte für europarechtswidrig erklärt. Unberührt bliebe die Vorschrift, wonach zwei Drittel der Stimmen des Aufsichtsrats notwendig seien, um Produktionsstandorte zu verlegen. Es liege in der Hand der Regierung, ihren Beitrag für die Sicherheit der Arbeitsplätze bei VW zu leisten. VW-Betriebsratschef Bernd Osterloh forderte, dem Land müssten zwei Aufsichtsratsmandate garantiert werden. Zudem sprach er sich für ein Veto-Recht der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat gegen Werksverlegungen aus.

Die VW-Aktie reagierte an der Börse mit einem Kurseinbruch auf das Urteil. Porsche-Papiere legten hingegen deutlich zu. dpa/ap

Aktenzeichen: C-112/05

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Dokument erstellt am 23.10.2007 um 17:40:02 Uhr
Letzte Änderung am 23.10.2007 um 20:32:55 Uhr
Erscheinungsdatum 24.10.2007