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Fachtagung Außergerichtliche Streitbeilegung beim Online-Handel

Streitschlichtung im Cyperspace

Verbrauchervertrauen ist der Motor des E-Commerce. Aber: „Der Motor läuft nicht rund, er stottert", resümierte Alexander Müller, Staatssekretär im Bundesverbraucherministerium auf der Fachtagung der VERBRAUCHER INITIATIVE Mitte Januar in Berlin. Trotz beachtlicher Zuwachsraten bleibt die reale Entwicklung des elektronischen Handels weit hinter den hohen Erwartungen und Prognosen zurück. Neue und flexible Konzepte wie die außergerichtliche Streitschlichtung sind daher notwendig, um die Verbraucherinteressen zu sichern und die Potenziale des Online-Handels auszuschöpfen.
 

Angst vor Betrug, Sicherheitslücken und Missachtung von Datcnschutzbestimmungen führen dazu, dass die Kunden die Vorteile des elektronischen Einkaufs nicht nutzen. Trotz des verbesserten Verbraucherschutzes im E-Commerce wie dem 14-tägigen Widerrufsrecht im Versandhandel und Initiativen der Wirtschaft wie Gütesiegel für seriöse Online-Anbieter ist es bisher nicht gelungen, diese Kaufzurückhaltung zu überwinden.

Bei Auslandskäufen kommen Unsicherheiten über die geltenden Gesetze und Probleme bei der Durchsetzung der eigenen Rechte hinzu. Angesichts hoher Gerichts- und Vollstreckungskosten im Ausland empfehlen Rechtsexperten eine Vollstreckung erst ab Beträgen von 5000 Euro. Bei einem E-Commerce-Anbieter außerhalb der Europäischen Union ist ein geprellter Verbraucher praktisch chancenlos. Konkret bedeutet dies, dass Verbraucher vor allem bei grenzüberschreitenden Streitfällen de facto keine Möglichkeit haben, ihre Rechte durchzusetzen.

Dieser Zustand ist weder für Verbraucher noch für die Wirtschaft akzeptabel. Die alten Instrumente aber versagen aufgrund der globalen Dimension der Online-Geschäfte. „Die Verbraucherorganisationen müssen angesichts dieser grenzüberschreitenden
Herausforderungen neue Wege beschreiten - und dazu den internationalen Dialog mit den Unternehmen und anderen Akteuren im E-Commerce suchen", betonte Georg Abel, Bundesgeschäftsführer der VERBRAUCHER INITIATIVE e.V. (www.verbraucher.org), vor 60 Teilnehmern der vom Verbraucherministerium geförderten Fachtagung.

Vertrauensbildung durch außergerichtliche Streitschlichtung

Aus Verbrauchersicht ist die außergerichtliche Streitbeilegung bei Online-Käufen eine attraktive Option, um Verbraucherrechte auch bei Auslandsgeschäften zu sichern. Eine Fülle neuer Projekte belegen das wachsende Interesse an der alternativen Streitschlichtung als einem Instrument zur Schaffung von Verbrauchervertrauen im Netz.

Die Nase vorn in Sachen ADR (Alternative Dispute Resolution) hat die USA. Dort haben die meisten Online-ADR-Anbieter ihren Sitz. In Deutschland dagegen suchen Verbraucherinnen und. Verbraucher bisher vergeblich nach einem Internet-Schlichter. Dass eine effiziente und verbraucherfreundliche Online-Schlichtung nicht aufwändig sein muss, zeigt Squaretrade (www. squaretrade.com). Das amerikanische ADR-System, das auch für das Online-Auktionshaus Ebay schlichtet, setzt im ersten Schritt darauf, dass die beiden Streithähne direkt miteinander reden. Per E-Mail wird der Kontakt zwischen beiden vermittelt. Die Erfolgsquote spricht für sich. In 80 % der Fälle verständigen sich die Kontrahenten auf eine Lösung, die für beide Seiten akzeptabel ist. Wenn es nicht zur Einigung kommt, kann ein professioneller Schlichter angerufen werden, der zwischen beiden Seiten vermittelt. Er ist in weiteren fünf Prozent erfolgreich.

In Europa hat die Europäische Kommission bei der grenzüberschreitenden Schlichtung eine Vorreiterrolle übernommen. Im Oktober 2001 fiel der Startschuss für das Netz der außergerichtlichen Streitbeilegung der EU (EEJ-Net; http://europa.eu.int/comm/policy/de-velopments/acce_just/index_en.html). Das Fin-Net, nur für Versicherungen, besteht schon ein Weilchen länger. Wenn es Probleme gibt beim Einkauf in einem der EU-Mitgliedstaaten, kann sich der Verbraucher an die neue Kontaktstelle in Kehl wenden (www.curoinfo-kehl.com). Sie klärt, welche ausländische Schlichtungsslelle zuständig ist und bietet handfeste Unterstützung, zum Beispiel mit Übersetzungen. Hilfreich ist auch das Beschwerdeformblatt, das in den unterschiedlichen Sprachen der Gemeinschaft zur Verfügung steht.

Auf zwei Jahre erfolgreiche Tätigkeit blickt der österreichische Internet-Ombudsmann (www. ombudsmann.at) zurück, der in Zusammenarbeit mit den Verbraucherorganisationen gegründet wurde. Von 1.400 Beschwerdefällen konnten fast 93 °/o unbürokratisch geschlichtet werden. Wenn die Schlichtung bei uneinsichtigen oder betrügerischen Händlern versagt, bietet die Ombudsstelle Rechtsschutz für ein Gerichtsverfahren.

Speziell an Verbraucher richtet sich auch ECODIR (www.ecodir. org). Nach maximal 40 Tagen sollen Online-Streitigkeiten beigelegt werden. Wenn sich die Streitparteien im direkten Kontakt nicht einigen, hilft ein Vermittler eine gemeinsame Lösung zu finden. Klappt auch dies nicht, macht der Schlichter einen eigenen Vorschlag.

Die europäischen Handelskammern (www.eurochambres.be) wollen Online-Konflikten mit zwei Initiativen begegnen. Gemeinsam mit außereuropäischen Partnern wie der amerikanischen Anbietervereinigung „Better Business Bureaus" wird ein international einheitliches Gütesiegelprojekt realisiert, die „Global Trust Alliance". Es soll ergänzt werden durch „Online Confidence", einem ADR-Angebot europäischer Handelskammern wie des Deutschen Industrie- und Handelkammertags (www. dihk.de), das zur Zeit in der Pilotphase erprobt wird.

Attraktiv und verbraucherfreundlich

Die Praxisbeispiele verdeutlichen gleichzeitig die zahlreichen noch offenen Fragen wie verbraucherfreundliche Kriterien für ADR-Stellen. Die Untersuchung „Disputes in Cyberspace" des Weltverbraucherverbandes „Consumers International" (www.consumers.international.org) hat ergeben, dass keines der existierenden ADR-Projekte alle Anforderungen der Verbraucherorganisationen erfüllt. Gleiches gilt für Deutschland. Die Erfahrungen des Verbraucherzentrale Bundesverbandes (www.vzbv.de) machen deutlich, dass außergerichtliche Streitschlichtung nur akzeptiert wird, wenn das Angebot für beide Seiten attraktiv ist.

„Dazu müssen die geschaffenen Stellen vor allem als unabhängig akzeptiert und leicht zugänglich sein, außerdem müssen sie kostengünstig und schnell entscheiden" fasst Georg Abel von der VERBRAUCHER INITIATIVE die Ergebnisse zusammen. Positiv wertet er das Interesse der Anbieterseite an der Diskussion mit den Verbraucherorganisationen. Dieser Prozess hat zwischen den Beteiligten im E-Commerce schon zu wichtigen Annäherungen geführt. So hat die internationale Unternehmensinitiative „Global Business Dialogue on E-Commerce" (www.gbde.org) aufgrund der Gespräche mit Consumers International ihre Kriterien geändert. Sie will nun beispielsweise für Verbraucher in jedem Fall garantieren, dass sie vor Gericht gehen können, wenn sie mit dem Schlichtungsergebnis nicht einverstanden sind.

Positive Impulse für die Vereinheitlichung der Kriterien verspricht auch das Vorhaben, internationale Normen für das unternchmensinterne Beschwerdemanagement und die außergerichtliche Streitschlichtung festzulegen (www.din.de, www.iso.org), das die Verbraucherkomitees in den Normungsorganisationen auf den Weg gebracht haben. Ein großes Fragezeichen dagegen steht hinter der Finanzierung. Neutral soll sie nach Auffassung von Consumers International sein. Die Realität sieht anders aus. Die meisten Initiativen werden von der Anbieterseite finanziert. Und alternative Geldquellen sind rar. Wegen der meist geringen Streitwerte soll ADR für Verbraucher zudem kostenlos oder gegen geringe Gebühr angerufen werden können.

Auch die Durchsetzung der Schlichtungssprüche ist nicht immer garantiert. Nicht zuletzt wünschenswert ist eine bessere Orientierung für Verbraucher. Hier setzt das Verzeichnis des „International Chambre of Commerce" (www. iccwbo.org) an, in dem alle verbraucher-orientierten Online-ADR-Systemc erfasst werden sollen. Es könnte ergänzt werden durch ein umfassendes Verbraucherportal mit Links zu vertrauenswürdigen Websites. Denn auch das beste ADR-System nützt dem geprellten Verbraucher nur, wenn er es denn findet.

Quelle : Mitgliederzeitschrift der VERBRAUCHER INITIATIVE  e. V. "Verbraucher konkret" Nr. 1/02