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China entdeckt Solarstrom & Co
Brigitte Zarzer 11.11.2006
Deutschland mischt kräftig mit
Bis 2020 will China 16 Prozent seiner Energie aus erneuerbaren Quellen
produzieren und dafür 187 Milliarden US-Dollar investieren. Das
kündigte der Vizegeneraldirektor des Energiebüros der
Nationalen Entwicklungs- und Reformkommission Wu Guihui Ende Oktober
auf dem Great Wall Renewable Energy Forum in Peking an. Deutschland
leistete bei der Entwicklung eines Gesetzes zur Förderung
erneuerbarer Energien juristische Schützenhilfe. Vom neuen Trend
werden auch etliche deutsche Firmen profitieren, die Know-how
beisteuern und verschiedenste Anlagen errichten. Der Fernsehjournalist
und engagierte Kämpfer für alternative Energien, Franz Alt,
zeigt sich gegenüber Telepolis beeindruckt von Chinas Ambitionen.
Er würde sich auch in Deutschland eine Millionen-Stadt wie Kunming
wünschen, wo fast jedes Dach bereits heute mit Sonnenkollektoren
ausgestattet ist.
Immer wieder berichten Medien über Grubenunglücke in China.
Die erbärmlich ausgestatteten Kohlebergwerke haben schon Tausende
Kumpel unter sich begraben. Kohle - daraus gewinnt China nach wie vor
den größten Anteil seiner Energie. Aber Kohle reicht schon
lange nicht mehr. Das rasante Wirtschaftswachstum und der Anstieg des
Lebensstandards erhöhen den Energiebedarf stetig. Dennoch liegt
der Pro-Kopf-Verbrauch derzeit lediglich bei etwa einem Zehntel von dem
was ein US-Bürger statistisch gesehen konsumiert. Ein weiterer
Anstieg ist gewiss. Doch woher nehmen?
Bereits 1990 wurde China zum Nettoimporteur von Energie. Am
internationalen Rohölmarkt tut sich das asiatische Land schwer.
Wiederholt scheiterten Versuche, sich in Ergas- und Ölfelder
einzukaufen. Oft boten die westlichen Konkurrenten mehr und zuletzt gab
es auch massiven politischen Gegenwind von Seiten der USA. Inzwischen
engagiert sich China verstärkt in Afrika, um von den
Bodenschätzen zu profitieren. Selbst diverse Beteiligungen von
Ölmultis lässt der kommunistische Staat inzwischen aus
strategischen Gründen zu. Kolportierte Energiekrisen dementiert
das Land allerdings mit Vehemenz.
Atomkraft spielt eine Nebenrolle
Chinas Führung ist seit langem klar, dass man sich auch nach
Alternativen zu fossilen Brennstoffen umsehen muss. Erste
Priorität hat dabei aber nicht die Atomkraft, wie man vorschnell
annehmen könnte. Von derzeit etwa ein Prozent sollen bis 2020 vier
Prozent des Strombedarfs aus atomaren Kraftwerken gedeckt werden,
berichtet der Fernsehjournalist Franz Alt , der Ende Oktober dem "Great
Wall Renewable Energy Forum" in Peking beiwohnte:
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China gewinnt heute 0,6 Prozent seines Stroms aus Atomkraft und
will bis 2020 4 Prozent Atomstrom gewinnen. Das ist ein Viertel dessen,
was bis dahin die Erneuerbaren leisten sollen. Deutschland gewinnt
heute 30 % seines Stroms aus AKWs. Weniger die Chinesen als vielmehr
die deutsche Firma Siemens will in China AKWs bauen. Die Chinesen
wissen, dass auch Uran ein endlicher Rohstoff ist und setzen
langfristig auf die unendlichen Energiequellen. Atomenergie hat
nirgendwo in der Welt Zukunft. Den Atomfreunden geht der Stoff aus.
Nach dem nächsten GAU ist ohnehin Schluss. Warum eigentlich
brauchen wir noch ein Tschernobyl? Weil homo sapiens noch immer homo
Dummkopf spielt?
Dass dagegen in erneuerbaren Energien eine Chance für China liegt,
wurde früh erkannt. Immerhin 16 Prozent des Bedarfs will man bis
2020 daraus abdecken. 2030 sollen es bereits 30 Prozent sein, berichtet
Franz Alt unter Berufung auf chinesische Regierungsvertreter. Die
Führung meint es jedenfalls ernst damit, was sich allein schon
daran zeigt, dass im Frühjahr 2005 ein eigenes Gesetz zur
Förderung erneuerbarer Energien vom Nationalen Volkskongress in
Peking beschlossen wurde. Pate stand dabei das deutsche Pendant zur
Förderung erneuerbarer Energien (EEG). Bei der Formulierung half
die Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ).
Geregelt werden mit diesem Gesetz, das 2006 in Kraft getreten ist,
wichtige Faktoren wie etwa auch Einspeisungstarife. Das GTZ sieht
deshalb auch große Chancen für Deutschlands
Windenergie-Branche.
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Mit der Schaffung verlässlicher Rahmenbedingungen wird China
für die internationale Windenergiebranche interessant,
erläutert Paul H. Suding, GTZ-Programmleiter in Peking. Zur
Erreichung der Ziele für erneuerbare Energien in China (20.000
Megawatt bis zum Jahr 2020) ist qualifiziertes Personal insbesondere
bei Produzenten von Windkraftanlagen, Windparkentwicklern und
-betreibern notwendig, erklärt Energie-Experte Rolf Posorski von
der GTZ. In Zusammen mit chinesischen Partnern errichtet die GTZ daher
zur Zeit ein Forschungs- und Ausbildungszentrum für Windenergie in
China.
GTZ
Alternativer Energie-Mix
Aber nicht nur der Wind soll es in China richten. Insgesamt setzt man
auf einen Mix bei erneuerbaren Energien. Wie das machbar werden
könnte, erläutert Franz Alt gegenüber Telepolis:
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Viele kleine Wasserkraftwerke, Millionen Solarstromanlagen, Millionen
Biogasanlagen - was bei 800 Millionen Bauern kein Problem ist - sowie
ein rascher Ausbau der Windkraft an der gesamten Ostküste, im
Norden und Nordwesten. Hinzu kommen riesige Möglichkeiten für
Offshore-Windanlagen auf dem Meer. China kann, genau so wie Indien,
Europa und die USA bis 2050 zu 100 % auf erneuerbare Energien
umstiegen. Auch China ist erneuerbar. Alles andere ist weder
ökonomisch noch ökologisch vertretbar. Erneuerbare Energien
kosten Geld, aber keine erneuerbare Energien kosten die Zukunft der
Menschheit.
Bei Solarstrom ist China bereits heute eine interessante Produktions-
aber auch Anwendungskraft. Immerhin produziert das Land an die 80
Prozent der Sonnenkollektoren weltweit. "Schon heute ist China
Weltmeister beim Produzieren und Installieren von Sonnenkollektoren",
berichtet Franz Alt. In der südwestchinesischen Stadt Kunming zum
Beispiel, habe "jedes Haus" Sonnenkollektoren. "Und dort wohnen
drei Millionen Menschen. In Deutschland habe ich noch nicht einmal ein
kleines Dorf gesehen, in dem jedes Dach Sonnenkollektoren hätte.
China allein produziert 82 Prozent aller Sonnenkollektoren der Welt. 40
Millionen chinesische Dächer gewinnen 2006 Solarwärme."
Chancen für deutsches Know-how
Euphorie hin oder her. Indem China die Weichen zugunsten der
erneuerbaren Ressourcen stellt, ergeben sich auch gute Chancen für
deutsche Unternehmen. Erst Anfang des Jahres betonte
Umweltstaatssekretär Matthias Machnig bei einer China-Reise:
"China ist zudem ein wichtiger Partner bei der Beschleunigung des
Ausbaus der erneuerbaren Energien weltweit." Der stellvertretende
chinesische Umweltminister Zhu Guangyao sagte bei dieser Gelegenheit,
dass Deutschland "der beste Partner Chinas beim Umweltschutz" sei.
China werde die Projekte deutscher Unternehmen "mit erster
Priorität" behandeln.
Dabei handelte es sich nicht nur um eine diplomatische
Charme-Offensive. Übereinkommen zur Realisierung von
entsprechenden Projekten sind inzwischen bereits unterzeichnet.
Darunter zwei Biogas-Anlagen der Firma RUHL aus Rheinland-Pfalz, ein
Windpark, der RePower Systems AG aus Hamburg sowie eine
Produktionsanlage für Solarenergieprodukte des
deutsch-chinesischen Gemeinschaftsunternehmens Phocos AG.
Tropfen auf den heißen Stein?
Angesichts der sich häufenden Hiobs-Botschaften bezüglich
voranschreitender Klima-Veränderung und der - weltweit gesehen -
schwachen Erfolge bei Einsparungen des CO2-Ausstoßes, könnte
man geneigt sein, Chinas Bemühungen als Tropfen auf den
heißen Stein zu betrachten. So negativ will es Franz Alt nicht
sehen: "Natürlich wären 5o Prozent besser und der
Herausforderung auch angemessener. Aber wir dürfen nicht
übersehen, dass China noch immer zu mehr als zwei Dritteln seiner
Landbevölkerung den Status eines Entwicklungslandes hat.
Dafür sind 16 Prozent ein eher ehrgeiziges Ziel - ehrgeiziger als
die USA unter Bush."
Trotz Marktöffnung und -liberalisierung scheint in China
jedenfalls außer Streit zu stehen, dass die Förderung
alternativer Energien auch des politischen Willens bedarf. Mao Rubai,
Vorsitzender des Ausschusses für den Schutz der Umwelt und
Ressourcen des NVK, sagte über die Notwendigkeit der
Verabschiedung des Gesetzes für erneuerbare Energien:
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Mit der rapiden Wirtschaftsentwicklung spitzen sich Probleme wie
Mangel der Energienressourcen, ungeeignete Strukturen und
Umweltverschmutzungen immer mehr zu. Die Entwicklung von regenerativen
Energien ist ein praktisches Erfordernis zum Schutz der chinesischen
Energiesicherheit und eine dringende Forderung zum Schutz des Klimas.
Erneuerbare Energien sind auch gut zur Verbesserung der Produktions-
und Lebensbedingungen in Dorfregionen und ablegenden Gebieten. Die
Entwicklung dieser Energien verlangt auch die Unterstützung und
den Schutz des Gesetzes.
Bei der Olympiade 2008 in Peking will China der Welt jedenfalls
demonstrieren, dass mit regenerativen Energien durchaus Staat zu machen
ist. 20 Prozent des Energiebedarfs der olympischen
Veranstaltungsstätten sollen mit Windenergie gedeckt werden.
Erdwärme soll für die Beheizung und Klimatisierung einer
400.000 Quadratmeter großen Fläche zum Einsatz kommen und 80
Prozent bis 90 Prozent der Straßenlampen will man mit
Sonnenenergie betreiben, die auch 90 Prozent des Badewassers erhitzen
soll.
Es wäre tatsächlich auch höchste Eisenbahn, die
Klimapolitik auf ein Höchstmaß an Umweltverträglichkeit
zu bringen. Denn laut eines Berichts der Internationalen
Energiebehörde (IEA) könnte China die USA als bislang
größten CO2-Verursacher noch vor dem Jahr 2010 ablösen
- zehn Jahre früher als bisher erwartet.
Artikel-URL:
http://www.heise.de/tp/r4/artikel/23/23921/1.html