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Auszug aus Zeitschrift der GEW Hessen für Erziehung, Bildung, Forschung, 60.Jahr Heft 4, April 2007, Seiten 28 und 29

Chefsache: Land soll Universität stiften

Am 14. Februar tagte der Senat der Johann Wolfgang Goethe-Universität universitätsöffentlich, um über das Anliegen des Präsidenten Rudolf Steinberg zu verhandeln, die Hochschule in eine Stiftung öffentlichen Rechts umzuwandeln (HLZ 3/2007). Es gab Geschrei und Gestank, Rufe nach demokratischer Diskussion, Hausalarm, Polizeiaufrufe, das Gebäude zu verlassen. Eine Mehrheit des Senats fand dann für seine Sitzung einen abgeschiedenen Ersatzraum.

Vier Senatoren fanden verspätet dorthin. Einer erwirkte seine Rückkehr ins Gebäude „auf eigene Gefahr", ein anderer blieb folgsam draußen, ein dritter verweigerte wegen der Umstände die Stimmabgabe, vier enthielten sich oder stimmten dagegen. Der zu dieser Zeit rechtsfehlerhaften Zusammensetzung des Senats folgte die Deutung des Präsidenten: Elf Ja-Stimmen des 17-köpfigen Senats seien eine „Zweidrittel-Mehrheit". Neun der elf waren Professorenstimmen.

„Zustimmung unter Vorbehalt"

Sein Ja zu Verhandlungen mit dem Land über einen Wandel zur Stiftung verband der Senat mit Forderungen und Auflagen. Mit dem Personalrat vereinbarte der Präsident, in der Stiftung die Belegschaft besser zu stellen als bisher. Seinen Vorschlag hatte er zeitig verdeutlicht als einen Teil der mittelbaren Landesverwaltung.

Steinberg macht weiter Druck, dass der Landtag die neue Rechtsform noch vor der Sommerpause 2007 beschließt. Nur so sei es möglich, den Erlös aus dem Verkauf der Liegenschaften des Standortes Bockenheim für die Universität zu halten. Später versehwände er im Landeshaushalt. Bekannt ist nur, dass die Regierung nach der Sommerpause wegen des Wahlkampfes keine neuen Gesetze anpacken will. Ein Teil der Grundstücke wurde der Universität bei ihrer Gründung im Jahr 1914 gestiftet. Über die Stadt als zeitweiligem Träger gelangten die Grundstücke vor wenigen Jahrzehnten an das Land. Steinberg will, wie mit dem Land seit Jahren verabredet, an anderen Standorten bauen und zugleich ein großes Stiftungskapital bilden. Deshalb verlangte die SPD-Fraktion im März 2007 vom Minister für Wissenschaft und Kunst Udo Corts (CDU) Auskunft,

- ob der Stiftung außer dem jährlichen Betriebszuschuss des Landes, einem dreistelligen Millionenbetrag, und den Baumitteln auch die Grundstücke zufließen sollen und

- ob es bei der Absicht bleibe, die Neubauten aus dem Erlös der Grundstücke am alten Standort Bockenheim zu finanzieren. Nur so könne im Haushalt des Landes Geld für den „umfangreichen Investitions- und Sanierungsbedarf (...) der anderen Hochschulen" bleiben (Drucksache 16/7005).
Den Erlös aus den Grundstücken sowohl verbauen als auch stiften zu lassen, weckt leicht die Forderung der anderen Hochschulen nach der gleichen zusätzlichen Summe.

Die Übergänge fließen
    

Zur Hitze im milden Winter trug auch die folgende Zweideutigkeit bei: Die Befürworter der Stiftungsuniversität redeten von „Organisationsprivatisierung" als bloßem Wechsel der Rechtsform, denn die öffentliche Hand bedient sich für ihr Tun auch privatrechtlicher Rechtsfiguren, ohne das Heft aus der Hand zu geben. Gegner furchten materiell wirtschaftliche Privatisierung: Die Stiftung als Vorstufe zur Weggabe der Universität, zu vierstelligen Studiengebühren und zum Einfluss privater Zuschussgeber auf Lehre und Forschung.

Die frühere Wissenschaftsministerin Ruth Wagner wies im Oktober 2006 darauf hin, dass auch die staatlich getragene Deutsche Forschungsgemeinschaft, die Max Planck-Gesellschaft, die Fraunhofer-Gesellschaft und die Leibnizgemeinschaft privatrechüich organisiert sind. Die hessischen Hochschulen sind seit 1970 „Körperschaften des öffentlichen Rechts und zugleich staatliche Einrichtungen". Die schwarz-gelbe Koalition hat die Landesregierung im Hessischen Hochschulgesetz (HHG) im Jahr 2000 ermächtigt, „einer Hochschule des Landes auch eine andere öffentlich-rechtliche oder privatrechdiche Rechtsform" zu geben. Beide Parteien wiesen im Oktober 2006 darauf hin, dass die Rechts- und Stiftungsaufsicht, die Leistungsvereinbarungen mit dem Land, das Haushaltsrecht des Landtages und die Zuständigkeit des Rechnungshofes auch für eine mögliche Stiftungsuniversität gelten.

Die Übergänge fließen. Zu erschließen ist, ob sie jeweils in die gleiche Richtung wirken und ab welchem Punkt sie eine untaugliche Stufe schaffen. Das Gesetz zur Fortentwicklung der Technischen Universität Darmstadt (TUD) fand 2004 die Zustimmung aller vier Landtagsfraktionen. Die TUD blieb eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, jedoch nicht mehr ausdrücklich Einrichtung des Landes. Ihr wurden neue Rechte übertragen, nämlich:

- eigene Verantwortung aus der Lan-deshaushaltsordnung

- Vollmacht zur Gründung von Gesellschaften

- Vollmachten in Personalangelegenheiten samt den Berufungen

- Zuständigkeit für Grundstücke und Bauten und deren investitionsförderlichen Verkauf

- Selbstentscheid über die Bildung und Aufhebung von Fachbereichen und grundständigen Studiengängen

Zugleich gingen Aufsichtsaufgaben der Regierung auf den Hochschulrat über, der - bei hälftigem Vorschlagsrecht der TUD - von der Landesregierung bestellt wird.

Mit der „kleinen Novelle" des Hochschulgesetzes, die der Landtag Anfang März in erster Lesung behandelte, soll jede hessische Hochschule auf die Darmstädter Vollmachten zugreifen können, wenn Senat und Hochschulrat dies mit einer Zweidrittel-Mehrheit wollen und eine genehmigungsfähige Grundordnung verabschiedet wird. Im Vorfeld dieses Gesetzentwurfs hatten die meisten Hochschulpräsidenten nicht den Weg über ihre Gremien gehen wollen, sondern diese angebliche Autonomie sich als Regelfall vom Gesetzgeber auferlegen lassen wollen. Tatsächlich handelt es sich um Autokratie.

Die Grünen forderten Ende Februar im Landtag „autonomere Hochschulen", für die das Wissenschaftsministerium nur noch die Rechtsaufsicht ausübt. Die Hochschulen sollen „dienstherrenfähig" werden, Zugriff auf die Bewirtschaftung ihrer Liegenschaften erhalten und über eigene Einnahmen und deren Kapazitätsneutralität selbst entscheiden (Drucksache 16/6948). Insoweit spiegeln sie das Stiftungskonzept.

Ein Wort unter Häuptlingen

Universitätspräsident Steinberg strebt eine Stiftung des Öffentlichen Rechts an. Gegen eine Stiftung bürgerlichen Rechtes sprechen Geldfragen. Zugleich versichert er, die Landespolitik habe hochrangig zugesagt, den Wandel der Rechtsform zu unterlassen, wenn die Universität ihn schlussendlich nicht wolle.

Ein dritter Häuptling, der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft ver.di, stärkte Steinberg nach dessen Worten den Rücken für die „neuen Chancen". Er sei sich mit Frank Bsirske einig, nach der Umwandlung „die Arbeits- und Entgeltbedingungen der Beschäftigten in Anlehnung an den Tarifvertrag-Länder mit seinen wissenschaftsspezifischen Regelungen vereinbaren zu wollen." Es werde keine Stiftungsuniversität „gegen die Interessen der Mitarbeiter" geben, versicherte der Präsident Anfang Februar. Häuptlingen aus dem städtischen Umfeld gingen zum Stiftungsvorschlag genauso wie dem Präsidenten statt klarer Vorteile große Worte zur Exzellenz unter den Besten über die Lippen.

Die Vereinbarung des Personalrats und des Präsidenten vom 14. Februar zielt für den Fall der Personalhoheit auf Tarifbindung und Zusatzversorgung, den Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen, die Personalentwicklung, die Vertretung des Personals in den Stiftungsorganen, das Fortgelten der Dienstvereinbarungen, ein Verschlechterungsverbot und eine Günstigerprüfung und die Anrechnung von Dienstzeiten. Eine Kommission von Präsidium und Personalrat, Land und zuständigen Gewerkschaften soll die entsprechenden Regelungen ausarbeiten. Die Arbeitnehmerseite hat diese „Vierer-Kommission" zügig besetzt.

Der Senat knüpfte am gleichen Tage seine Zustimmung „an konkrete Bedingungen" zum Unterhalt durch das Land, zur Trennung der Stiftung von der akademischen Selbstverwaltung, zur Beteiligung aller Gruppen „an den wesentlichen Entscheidungen", zur Stärkung seiner eigenen Befugnis und zur Umsetzung der Vereinbarung des Personalrates mit dem Präsidenten in das Landesrecht.

Quer zu den Grünen liegen Senat und Präsident mit der Forderung, autonom über die Entwicklungsplanung, die Studiengänge und die Fachbereiche zu entscheiden. Auch die Lehrpflicht wollen sie autonom regeln. Seine endgültige Entscheidung macht der Senat vom Erfüllen dieser Bedingungen abhängig. Die Vorstellungen zum Kapazitäts- und Zulassungsrecht liegen weit auseinander: Exzellenz gegen Chancengleichheit? Autonom oder bundestreu? Inzwischen war die Wahl eines neuen Senates fällig.

Ob die unvermeidbar verzwickten Auflagen bei Landtag und Regierung auf Zustimmung stoßen und von ihnen sauber vor der Sommerpause in Gesetz und Verordnung gefasst werden können, ist ungewiss.

Warum will die Hochschulleitung die ganze Universität umwidmen, statt die angebahnten Zugriffsmöglichkeiten zu nutzen? Warum genügt ihr die 2004 gegründete Universitätsstiftung nicht, die bis zum 5. März „ein Stiftungskapital von 3 Millionen Euro angehäuft" hat und 100 Millionen anstrebt? Es könnte das Streben nach einem Alleinstellungsmerkmal sein, nachdem die TUD 2004 mit ihrem Entwicklungsgesetz andere hinter sich ließ.

Unter Hochschulangehörigen reichen die Meinungen vom grundsätzlichen Einwand über kritischen Blick bis zur Offenheit. Geboten ist Sorgfalt. Wer widerlegbare Annahmen ins Gefecht führt, erleichtert es der anderen Seite, triftige Einwände abzuwehren.

Eine Gruppe von Pädagogen hat im Herbst 2005 Einspruch gegen eine Bildungsreform erhoben, die zu einseitig auf ökonomische Interessen und technokratische Strukturen setzt. Den „Frankfurter Einsprüchen" gegen ein „Unternehmen Bildung" darf die Tat folgen. Die Belegschaft und die Studentenschaft brauchen keine Stiftungsuniversität. Sie brauchen eine Steuerpolitik, aus der das Land die Universität gut ausstattet und das Personal aufgabengerecht entlohnt.

Ulrich Heinz, Fachgruppe Hochschule und Forschung der GEW Hessen

Das Stiftungskonzept findet man unter www.muk.Uni-FrankfLirt.de, die Vereinbarung mit dem Personalrat unter www.personal-rat.uni-fTankfurt.de und den Beschluss des Senats unter ww.gew-hessen.de