Das Steuerschlupfloch Cross-Border-Leasing ist gestopft - nun kündigt sich Ärger mit Altverträgen an
Das endgültige Aus für das Steuersparmodell "Cross-Border-Leasing" ist seit Freitag beschlossen. Das verabschiedete US-Gesetz gilt zwar nur für neue Verträge. Aber auch für die bisherigen Transaktionen droht Gefahr. Auf deutsche Städte könnten hohe Schadenersatzforderungen zukommen.
VON CORELL WEX
Nürnberg · 28. Oktober · Derzeit fühlt sich Nürnbergs Stadtkämmerer Wolfgang Köhler noch auf der sicheren Seite. "Ich gehe davon aus, dass die Vertragspartner sich an die eingegangenen Verträge halten und wir daher auch kein Problem haben werden."
Wenn er sich da mal nicht täuscht. Ulrich Eder, Steuerfachanwalt und selbst Berater bei Dutzenden Cross-Border-Leases (CBL), sieht große Risiken auf die Städte zukommen: "Bisher haben die US-Investoren still gehalten, aber jetzt sind keine Neuabschlüsse mehr möglich, und man muss keine Rücksicht auf negative Presse nehmen. Damit wird man versucht sein, sich aus diesen Verträge mit Schadenersatzforderungen herauszuklagen."
Das Ende von Cross-Border-Leasing wird in einem Steuergesetz besiegelt, dem so genannten Job Creation Act of 2004. Abschnitt 847 bis 849 verbieten das künftige Eingehen von Cross-Border-Geschäften rückwirkend zum 12. März 2004. Dem ausgehandelten Kompromiss haben Senat und Repräsentantenhaus zugestimmt, am vergangenen Freitag unterschrieb Präsident George W. Bush das Gesetz. Es wird am 1. Dezember 2004 in Kraft treten.
CBL beschreibt das Leasing von kommunalem Eigentum an einen US-Investor, der daraus Steuervorteile zieht, weil das Geschäft wie eine Investition bewertet wird. Von diesem Investor mietet die Kommune das Eigentum, seien es Kläranlagen oder U-Bahnröhren, wieder zurück und betreibt sie in eigenem Betrieb.
Auch wenn die steuerliche Abschreibung jetzt nur für Neuverträge versagt wird, droht auch für die bestehenden Verträge Gefahr. Denn gleichzeitig bekommt die oberste US-Steuerbehörde, der Internal Revenue Service (IRS), mehr Handlungsmöglichkeiten, um die laufenden Leasingverträge auf ihre fiskalische Wirkung hin zu überprüfen, wie Eder betont.
Und auch wenn das Risiko einer Steuerrechtsänderung prinzipiell beim US-Partner liege, sei es möglich, dass im Fall einer Betriebsprüfung die versagten Steuervorteile an der Stadt hängen blieben, betont der Geschäftsführer der Firma Due Finance.
Das kann dann geschehen, wenn der zirkuläre Charakter der Finanzaktionen
auffällt, bei denen kein echtes Eigentum erlangt wird. Gerade die deutsche
Seite musste in den Verträgen aber Formulierungen vermeiden, die eine tatsächliche
Übertragung von Eigentum an Investoren nahe legen. Denn dies wäre nach
hiesigem Kommunalrecht vielfach nicht möglich gewesen. Oder aber man müsste
den US-Behörden gegenüber bestätigen, dass man mit der Mietsache wie ein
Eigentümer umgeht - was zur Versagung des Steuervorteils führt.
Kritiker sehen sich bestätigt
Lapidar bemerkt Eder dazu: "In derartigen Fällen besteht für die Investorenseite der unmittelbare wirtschaftliche Anreiz, die Schuld für das steuerliche Verunglücken der Gestaltung auf den Vertragspartner zu schieben, um sich von ihm den Profit zu holen, den er aus US-Steuervorteilen nicht erzielen kann." Das bayerische Innenministerium fühlt sich bestätigt: "Genau deshalb haben wir ja immer wieder vor dem CBL gewarnt", erklärt Sprecher Michael Ziegler. Auch Attac-Sprecher Malte Kreutzfeldt sieht sich mit seiner Kritik auf der richtigen Seite: "Während die Politiker verantwortungslos gehandelt haben, haben die Bürger in vielen Städten gegen diese windigen Konstrukte votiert."
Die Möglichkeit eines Schadenersatzes in Millionenhöhe ist mehr als nur eine rein theoretische. Im Augenblick erhalten Kommunen Post aus den Vereinigten Staaten: Das IRS nimmt ihre Leasing-Deals unter die Lupe, wie Wirtschaftsprüfer Arnd Bühner von Ernst & Young bestätigt. Stadtkämmerer Köhler aus Nürnberg möchte zu "Einzelheiten der Vertragsabwicklung nichts sagen" - obwohl er gar nicht zum Vertrag gefragt wurde.
Andere Kämmerer reagieren auf Nachfragen gereizt. Niemand aber dementiert, dass er Anfragen wegen einer Betriebsprüfung bekommen hat - oder dass er damit rechnen muss. Für Clemens Stoffers von der Stadtkämmerei Essen sind solche Betriebsprüfungen auch "kein ungewöhnlicher Vorgang", wenngleich er selbst noch nicht geprüft wurde.
Dass schon das ganz normale Vertragsmanagement genug Fallstricke enthält, hat sich in Essen gezeigt. Dort wäre eine "winzige Katasterverschiebung" im Zuge einer Neuvermessung der Messe der Stadt beinahe zum Verhängnis geworden, wie Grünen-Stadtrat Mehrdat Mostofizadeh berichtet. Diese hätte nämlich zuerst mit dem US-Vertragspartner, der die Messe geleast hat, abgestimmt werden müssen. Sonst könnte dieser mit Schadenersatz bis zu 30 Prozent des Transaktionsvolumens drohen. In Essen wären das 130 Millionen - bei einem Schuldenstand von 300 Millionen Euro könnte das die Stadt in schwere finanzielle Not bringen. Besonders pikant: Der Gerichtsstand ist jeweils New York, und die USA sind bekannt für hohe Schadenersatzforderungen.
Ein Berater, der nicht genannt werden möchte, bestätigt, dass man das Problem aber beseitigt habe und die Stadtväter von Essen "jetzt wieder ruhig schlafen könnten" - bis zum nächsten Fallstrick.
[ document info ]
Copyright © Frankfurter Rundschau online 2004
Dokument erstellt am 28.10.2004 um 19:08:14 Uhr
Erscheinungsdatum 29.10.2004