Zurueck zur Vorseite
Geraer US-Deal ist Erfurt zu windig

Hohe Hürden für Cross Border-Geschäfte - PDS will Bürgerentscheid

Von OTZ-Redakteur Volkhard Paczulla

Das von Gera anvisierte Cross Border-Leasing (CBL) wird in Erfurt mit großer Skepsis betrachtet. "Eine Genehmigung vom Landesverwaltungsamt ist Gera nicht in Aussicht gestellt worden", rückte Innenminister Andreas Trautvetter (CDU) gestern im Landtag anders lautende Behauptungen zurecht.

Die Hoffnung des Stadtrats auf schnelle sechs Millionen Euro dürfte sich nur schwer erfüllen. Denn Trautvetter will CBL nur zulassen, wenn Stadtkämmerer nachweisen, dass sie das komplizierte Vertragswerk beherrschen. Das aber ist in aller Regel von amerikanischen Anwälten in Englisch verfasst und mehrere hundert Seiten stark. Gera sucht diese Klippe mit Hilfe der DaimlerCrysler Services Structured Finance GmbH zu umschiffen, die als Arrangeur und Berater auftritt. Für solche Fälle errichtet der Innenminister die nächste Hürde: "Sind Dritte im Spiel, müssen sie einen Teil der Haftung übernehmen."

Damit dürfte der Sinn einer Hin-und-her-Vermietung von Vermögenswerten beträchtlich unterlaufen sein. Der Landtagsabgeordnete Mike Huster (PDS) gibt sich dennoch nicht zufrieden. Nachdem seine mündliche Anfrage das Thema gestern ins Landesparlament brachte, soll in Gera ein Bürgerbegehren den Stadtratsbeschluss zur Vermietung der Geraer Straßenbahnanlagen an einen US-Trust kippen. Der Antrag ist eingereicht, jetzt hat die Stadtverwaltung vier Wochen Zeit, über die Zulässigkeit zu entscheiden. Einem zulässigen Antrag müssten sich 13 Prozent der wahlberechtigten Geraer binnen von acht Wochen per Unterschrift anschließen. Erst dann könnte es zum Bürgerentscheid kommen. Wird der Antrag gleich abgewiesen, will Huster, der auch im Geraer Stadtrat sitzt, den Klageweg nicht scheuen: "CBL ist ein unmoralisches Geschäft für Steuertrickser, setzt kommunales Eigentum aufs Spiel."

Der PDS-Mann kann sich sogar auf den Landesrechnungshof berufen. Präsident Heinrich Dietz sagt: "Finger weg von CBL. Das ist vermintes Gelände." Falls das Geschäft doch zustande kommt, will er den Barwertvorteil für die Landeskasse reklamieren. Denn Geras Gleisanlagen seien doch wohl mit Landesfördermitteln gebaut.

11.12.2003  Ostthüringer Zeitung -
 
 

Bürgerentscheid gegen Leasing angeschoben

Gera. (KW) Die geplanten Leasinggeschäfte der Stadt mit US-Investoren stoßen bei Bürgern auf Widerstand. Gestern haben drei junge Geraer einen Antrag auf ein Bürgerbegehren gestellt, das den Abschluss der Verträge verhindern soll.

Der Stadtrat hatte am 20. November gegen die Stimmen der PDS dem so genannten Cross border leasing zugestimmt, nach dem das Schienennetz des Geraer Verkehrsbetriebes verleast werden soll. Und das könnte nur der Anfang sein. Denn in den Augen klammer Kommunen fällt das Geld vom Himmel: Findige US-Investoren mieten das gemeindliche Eigentum über einen auf 99 Jahre geschlossenen Leasingvertrag und hieven es in die eigene Bilanz. Gewaltige Steuervorteile winken, einen Teil kehrt der Investor an die Kommune aus. "Millionen werden auf dem Papier zu Lasten des amerikanischen Steuerzahlers hin- und hergeschoben", hält Ralf Lang (20) entgegen. "Es ist völlig unklar, was da wie ablaufen soll", denkt Gegner Gilbert Weise (36); nur teure Rechtsanwälte kennen die 1000-seitigen Verträge.

Nach 29 Jahren kann die Stadt die Rechte erstmals zurückkaufen, bis dahin wird sie die Anlagen erhalten müssen. "Was dann ist, weiß keiner", sagt Weise. In den letzten 29 Jahren betrieben vier Firmen den Nahverkehr, wurden Linien ausgebaut und geschlossen. Drohen künftig Vertragsstrafen, wenn Änderungen nötig sind? Dass der Stadtrat nur drei Wochen Zeit gehabt habe, über den Deal, "der uns auf Jahrzehnte bindet", zu entscheiden, findet Ralf Schubert (33) unverantwortlich. Klar sei auch: Die, die heute entscheiden, könnten in 30 Jahren kaum noch zur Verantwortung gezogen werden.Kommentar

11.12.2003 Thüringische Landeszeitung