Zurueck zur Hompage
Leih mir mal Berlin!
Cross Border Leasing und die schleichende Enteignung der Städte

von Birger Scholz (1)

Einleitung

Die Pleite der Städte und Gemeinden viel zwar nicht vom Himmel, himmelschreiend ist sie trotzdem. Als im „New Economy Boomjahr“ 2000 die Steuern kräftig sprudelten, boxte Rot-Grün die «größte Steuerreform aller Zeiten» durch den Bundesrat. Schon damals war klar, dass die neuen Regeln zu massiven Einbrüchen bei Bund, Ländern und Gemeinden führen würden. Die Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik hatte bereits frühzeitig vor der Steuerreform als sozial unausgewogenes Geschenk für die Reichen und Großunternehmen gewarnt, dass die Umverteilung von unten nach oben fortsetze.(2) Auch für den Bayer-Konzern hat sich die Steuerreform gelohnt. Das Unternehmen, dessen ehemaliger Finanzvorstand Heribert Zitzelsberger von Bundesfinanzminister Hans Eichel als Staatssekretär im Bundesfinanzministerium mit der Durchführung der Unternehmensteuerreform beauftragt worden war, hatte bereits 1999 erwartungsfroh durch seinen Chef Manfred Schneider auf der Hauptversammlung des Bayer-Konzerns sinngemäß verkündet: "Wir haben mit Heribert Zitzelsberger unseren besten Mann entsandt und gehen davon aus, dass er in unserem Sinne tätig wird."

Überflüssig zu erwähnen, dass Bayer nicht enttäuscht wurde.(3)

Von der „größten Steuerreform aller Zeiten“ zum Cross Border Leasing

Der durch den 11. September 2001 verstärkte weltweite Konjunktureinbruch ließ die kommunalen Einnahmen endgültig einbrechen. Schon unter der Kohl-Regierung waren immer mehr staatliche Aufgaben auf die Kommunen abgewälzt worden. Auch hier brachte die Steuerreform von Hans Eichel Kontinuität. In Großstädten brachen die Gewerbesteuereinnahmen teilweise um bis zu 80% ein. Nicht wenige Städte und Gemeinden stehen im wahrsten Sinne vor der Pleite. Trotz massiver Einsparungen steigt das Finanzierungssaldo der Kommunen seit 2001 stetig und erreicht 2003 knapp 10 Milliarden Euro. Das sind 6,6 Prozent der Gesamtausgaben. (4) Parallel dazu geht die Investitionsquote in vielen Städten gegen Null. In Berlin übersteigt die Nettokreditaufnahme seit Jahren deutlich die Investitionen und ist damit – wie der Finanzsenator auch offen im Berliner Abgeordnetenhaus einräumte, verfassungswidrig. Die in Artikel 28 des Grundgesetzes verbriefte kommunale Selbstverwaltung ist nur noch eine Chimäre (5)
 

(1) Der Autor ist von Beruf Dipl. Verwaltungswirt (FH), Mitglied des SPD-Kreisvorstands Friedrichshain-Kreuzberg und arbeitet bei attac Berlin zu Fragen der Stadtpolitik und Privatisierung.
(2) Vgl. Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik: Memorandum 2001, http://www.memo.unibremen.
de/docs/memo01ku.pdf
(3) Dankbar machte CDU/CSU die Steuerreform im Sommer 2002 zum Wahlkampfthema. Dabei hatte die Opposition von CDU und FDP im Jahr 2000 lediglich bemängelt, dass die Regierung die Steuern nicht noch stärker gesenkt hatte.
(4 )Viele Kommunen können selbst ihre Pflichtausgaben wie Sozialhilfe nur noch über Kassenkredite finanzieren. Vgl. dazu FAZ vom 29. März 2003, S. 14
(5) In den kommenden Jahren werden zwei Drittel der 396 Städte und Gemeinden in NRW ihre Haushalte nicht mehr aus eigener Kraft in den Griff bekommen: Sie verlieren ihre Autonomie und müssen sich Haushaltssicherungskonzepten unterwerfen. Dies ist übrigens schon jetzt bei 19 der 23 Kreisfreien Städte in NRW der Fall.

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Ausnahmen sind noch Köln, Bonn, Düsseldorf und Münster – im gesamten Ruhrpott aber kann keine Kreisfreie Stadt mehr aus eigener Kraft einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen. Das bedeutet konkret, dass sie nur noch die Ausgaben leisten, zu denen sie gesetzlich verpflichtet sind, so etwa die Sozialhilfe, die längst weit mehr als die Hälfte aller Budgets verschlingt. Jedweder gestalterischer Eigenspielraum hingegen fehlt. Vgl. „Die Welt“ vom 7. Februar 2003.

In dieser verfahrenen Situation greifen die Kämmerer nach jedem vermeintlich rettenden Strohhalm, um nicht auch noch den letzten Jugendclub oder die letzte öffentliche Bibliothek schließen zu müssen.

Waren bereits in den 90er Jahren umfangreiche Privatisierungen der kommunalen Daseinsvorsorge an der Tagesordnung, entdecken die Verwalter klammer Kassen in Gestalt des Cross Border Leasing (CBL) einen neuen Heilsbringer. Brachen allein in den ersten drei Quartalen des Jahres 2002 die Steuereinnahmen der NRW-Kommunen um 1,47 Mrd. Euro ein(6), so wurden nach einer internen Studie des NRW-Innenministeriums in 19 Kommunen bisher 345,5 Millionen Euro durch CBL-Deals eingenommen.(7)

Dabei werden kommunale Infrastruktureinrichtungen wie Klärwerke, Messehallen, Kanalnetze,  Straßenbahnschienen oder auch Schulen an einen „US-Investor“ für bis zu 99 Jahren vermietet und sofort wieder für 24 bis 30 Jahre zurückgemietet.(8) Der „US-Investor“, der real nicht einen Cent in Deutschland investiert, verbessert durch die „Investition“ seine Abschreibungsmöglichkeiten und erzielt so einen Steuerverschiebungseffekt. Vom dadurch entstehenden Zinsvorteil („Brutto-Barwertvorteil“) erhält die Kommune direkt bei Vertragsabschluss einen kleinen Anteil ausgezahlt. In der Regel sind das etwa 4 % des Transaktionsvolumens, das mindestens 150 Millionen Euro betragen muss, damit sich das Geschäft auch für die umfangreich beteiligten Banken, Steuerberatungsgesellschaften und internationalen Kanzleien lohnt, die einen Großteil der Gewinne realisieren.

Aber auch in Österreich, der Schweiz, Frankreich oder den Niederlanden werden CBLGeschäfte abgeschlossen;(9) allein in Österreich bisher mit einem Volumen von 10 Milliarden Euro.(10) Deutsche Kommunen (und auch Bundesländer) sind dabei aufgrund ihrer staatsrechtlichen Konkursunfähigkeit besonders beliebt.

150 Kommunen haben sich bereits für 99 Jahre gebunden. Das Transaktionsvolumen der letzten Jahre, vor allem aber in 2000 und 2001, betrug zwischen 40 und 50 Milliarden Euro.(11) Über 200 solche Geschäfte sollen bisher in Deutschland
 

(6 )Zur Situation der Ruhrgebietsstädte vgl. Memorandum zur Reform des Gemeindefinanzsystems von Vertretern der Ruhrgebietsstädte, November 2001
(7) Vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 25. Februar 2003, S. 4
(8) Neben Kommunen sind auch Länder, Zweckverbände, kommunale Unternehmen oder auch Bundesunternehmen bereits CBL-Geschäfte eingegangen.
(9) In der Fachzeitung der internationalen Leasingbranche (assetfinance international) vom April 2002 findet sich eine Übersicht über europäische Leasing-Deals von Oktober 2001 bis April 2002: www.assetfinance.com
(10) Vgl. www.kommunalkredit.at
(11) Da keine zentrale Erfassung vorgenommen wird, schwanken die Angaben in den Veröffentlichungen.
 

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Städteübersicht:

Dresden: Straßenbahnwagen und Kläranlage, 480 Millionen Dollar
Zürich: Straßenbahnen, 120 Millionen Dollar
Düsseldorf: Abwasseranlagen, eine Milliarde Dollar
Essen: Messehallen, 300 Millionen Dollar
Lutherstadt Wittenberg: Kläranlage, 200 Millionen Dollar
Wuppertal: Müllverbrennungsanlage, 300 Millionen Dollar
Hausmüllzentrale Nordholland: Müllverbrennungsanlage, 260 Millionen Dollar
Köln: Kanalnetz, 1.819 Millionen Dollar
Aachen: Müllverbrennungsanlage, 325 Millionen Euro
Bochum: Kanalnetz, 500 Millionen Euro
Emschergenossenschaft: Großkläranlage, 480 Millionen Dollar

abgeschlossen worden seien, davon über 150 von Städten und Gemeinden. Für 2003 wird ein Volumen von 10 Milliarden Euro erwartet.(12)

Im bayerischen Kulmbach wurde erstmals ein geplanter Deal durch ein Bürgerbegehren gestoppt. Auch in Saarbrücken, Fürth, Wuppertal oder Wesel mussten Lokalpolitiker ihren Flirt mit der Weltfinanz nach heftigen Protesten beenden. In Bochum setzte sich der Stadtrat über ein erfolgreiches Bürgerbegehren hinweg und verleaste ihr Kanalnetz bevor ein Bürgerentscheid dieses Geschäft vermutlich verhindert hätte.(13)

Denn mittlerweile wächst überall im Lande der Volkszorn. Auch hat die Debatte alle Parteien erfasst und verläuft quer der üblichen Konfliktlinien. Neben der PDS Sachsen macht auch die bayerische Staatsregierung gegen CBL-Geschäfte mobil und plant, sie endgültig zu verbieten.(14)  Nach Ansicht des bayerischen Innenministers Günther Beckstein entstehe in der Öffentlichkeit ein verheerendes Bild, wenn Kommunen auf Steuertricks hart an der Grenze der Legalität zurückgriffen. Der schleswig-holsteinische Innenminister sieht „grundsätzliche Bedenken gegen den Abschluss einer solchen Transaktion.“(15)

Widerstand formiert sich

Die außerparlamentarischen Kritiker, die sich vor allem im globalisierungskritischen Netzwerk attac formieren, halten die Risiken dieser Geschäfte für nicht kalkulierbar. Nach Ansicht von attac Berlin sind die Rechte, die der US-Investor durch den sog. Hauptmietvertrag (Head Leasing) über die Gebäude erhält, entscheidend für die Beurteilung .

Bei Vertragsverletzungen kann der Investor nicht nur Schadensersatzansprüche geltend machen, sondern auch die (Unter-)Mietverhältnisse über die Gebäude kündigen und die Stadt verlöre im schlimmsten Fall seine Nutzungsrechte. Auch wird auf die Gefahr der rückwirkenden Änderung der amerikanischen Steuergesetze verwiesen.(16)

Ziel dieser Broschüre ist es, eine breite Öffentlichkeit über die Risiken dieser Geschäfte zu informieren, um weitere verhängnisvolle Deals zu verhindern. Denn Cross Border Leasing hat längst die Hauptstadt erreicht. Bereits im Jahr 2000 hat der Senat unter Ausschluss der Öffentlichkeit die neuen Messehallen verleast und ein Barwertvorteil von knapp 34 Millionen Euro erzielt. Über diesen Deal, der nur den Mitgliedern des Vermögensausschusses zur Zustimmung vorgelegt wurde, war nach Informationen von attac Berlin nicht einmal die Geschäftsführung der Messe GmbH informiert. Aktuell prüft die Finanzverwaltung (auf Vorschlag der Kulturverwaltung) die Idee der Staatsoper, Landesimmobilien im Ertragswert von ca. 2,7 Milliarden Euro zu verleasen, um mit dem Erlös von 125 Millionen Euro das eigene Opernhaus zu sanieren.17 In ihrem »Masterplan Haushaltskonsolidierung« fordert die Berliner CDUFraktion gar durch Cross Border Leasing jedes Jahr 50 Millionen Euro einzusparen. Dafür
 

(12) Vgl. Süddeutsche Zeitung vom 26.3.2000
(13) Stattdessen flog die Verwaltungsspitze zum Vertragsabschluss nach New York Nun folgt die Klage der Bürgerinitiative gegen die Nicht-Zulassung des Bürgerentscheids. Einfacher geht es kaum noch, das Votum von über 13.000 Bürgern zu missachten und die Verwirklichung unmittelbarer Demokratie ad absurdum zu führen.
(14) Das bayerische Kabinett billigte am 28. Januar 2003 einen Gesetzentwurf, wonach Cross Border Leasing in Bayern untersagt werden soll. In die Gemeindeordnung soll ein Passus eingefügt werden, wonach Kommunen besondere finanzielle Risiken zu vermeiden haben. Aus dem Bayerischen Innenministerium hieß es, mit dem CBL setzten Kommunen für den augenblicklichen Erfolg die Zukunft aufs Spiel. die Anhörung der kommunalen Spitzenverbände fehlt noch. Vgl. BayGTzeitung 3/2003 15 DS 15/2509
(16) Vgl. Presseerklärung vom 28.2.2003, www.attacberlin.de
(17) Über das Messehallen-Geschäft, das im Opernkonzept erwähnt wird, findet sich kein einziger Artikel in der Berliner Presse. Vgl. Senatsverwaltung für Wissenschaft, Forschung und Kultur: Konzept zur Strukturreform der drei Berliner Opernhäuser (Opernkonzept), http://www.berlin.de/senwisskult/kult/opernkonzept.html
 

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müsste Landesvermögen mit einem Volumen von ca. 25 Milliarden Euro aufgebracht werden.(18)
 

Das schwächste Glied der Kette: Länder und Kommunen

Eine auch nur annähernd erschöpfende Erörterung ist in diesem Beitrag weder gewollt noch möglich. Die Verträge umfassen über 1.000 Seiten, sind in Englisch abgefasst und werden von internationalen Banken, Kanzleien und  Steuerberatungsgesellschaften ausgearbeitet.

Allenfalls 20 Fachjuristen in Deutschland dürften die Gesamtverträge, die aus mehreren Einzelverträgen bestehen, in Gänze verstehen, so Hartmut Schaat vom Bund der Steuerzahler. Allerdings ist es möglich, die umfangreichen Risiken, die auch von Befürwortern nicht geleugnet werden können (wenn sie auch alles unternehmen, um sie zu verharmlosen), darzustellen Die Kommune ist beim CBL immer das schwächste Glied in der Kette. Den Stadtverordneten werden dabei i.d.R. nicht einmal der komplette Vertrag, sondern nur kurze Zusammenfassungen der Banken und Arrangeure vorgelegt.

Dabei bleibt nur das Vertrauen in die Arrangeure, die eben keine Interessenwahrer der Kommunen sind, sondern ihre eigenen Profitinteressen verfolgen. Die Stadtverordneten (oder wie in Berlin der Vermögensausschuss bei den Messehallen) treffen in nicht-öffentlicher Sitzung eine Black-Box-Entscheidung. Ähnliches erlebten wir auch bei der Entscheidungsfindung zum Risikoübernahmegesetz bei der Bankgesellschaft Berlin.(19)

1. Vom „Lilo“ zum „Service Contract”

1994 setzten die Republikaner im US-Kongress umfangreiche Deregulierungen des USFinanzmarktes mit dem Ziel der Stärkung des nationalen Finanzkapitals sowie des USFinanzstandorts durch. Dies führte zur Praxis der dubiosen „Sonderfinanzierungen“ („Structured Finance“). Bereits 1999 hatte die oberste US-Steuerbehörde, der Internal Revenue Service (IRS) diese Geschäfte als Scheingeschäfte charakterisiert, da sie aus „zirkulären Geldflüssen“ bestünden und daher weder „ökonomische Substanz“ noch „wirtschaftlichen Effekt“ hätten.(20)

Detailliert werden die Geldflüsse und Vertragsbeziehungen zwischen „Investor“, Kommune und beteiligten Banken analysiert und herausgestellt, dass diese Leasingverträge „nicht zu den erhofften Steuervorteilen führen“ könnten und somit nicht gebilligt würden. Daraufhin wurden die CBL-Verträge, die damals noch unter dem Label „Lease-in/Lease-out“ („LiLo“) firmierten,
geringfügig nachgebessert, indem die Vertragslaufzeit des Hauptmietvertrages auf 99 Jahre ausgedehnt und die Vertragsstruktur modifiziert wurde.

Grundgerüst jeder Transaktion bleibt aber ein „LiLo“-Geschäft. Insofern ist es bewusste Desinformation, zu behaupten, die seitdem in Deutschland abgeschlossenen sog. „US-Lease-Service-Contracts“ unterlägen einer steuerrechtlich völlig anderen Beurteilung. Im November (18) Wenn mit dem Barwertvorteil von einer Milliarde Euro (4% des Transaktionsvolumens) Schulden getilgt werden, ergibt dies bei einem Zinssatz von 5% die von der CDU geplante jährliche Entlastung von 50 Millionen
Euro )

(19) Zumindest einzelne Abgeordnete geben mittlerweile unumwunden zu, überrumpelt worden zu sein.
(20) Vgl. Revenue Ruling 99/14, in: http://www.irs.gov/pub/irs-utl/rev_rul_1999-14.pdf
 

„Kein Ratsmitglied oder kommunaler Spitzenbeamter“ kann die Vertragstexte wirklich durchschauen.“ Michael Reidenbach (Deutsches Institut für Urbanistik)

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2002 (21) änderte und modifizierte der IRS diese Bestimmung und stellt abermals klar, dass ein Steuerabzug für „LiLO“ keinesfalls in Betracht komme.(22)

Zumindest zeigt diese Modifizierung, dass anscheinend in den Vereinigten Staaten auch die Zulässigkeit der derzeit praktizierten Modelle konträr diskutiert wird. Vor diesem Hintergrund bekräftigt der Städte- und Gemeindebund NRW seine ausgesprochene Empfehlung, USLeasingverträge nur dann abzuschließen, wenn das Risiko zukünftiger Steuerrechtsänderungen
nicht zu Lasten der Kommune als Vertragspartnerin ausgestaltet wird.(23)

Enron lässt grüßen

Dass die Investoren bisher trotz konträrer Gesetzeslage dennoch weiter ihre Abschreibungen erhalten, lässt sich nur mit der extrem industriefreundlichen Politik der Bush-Administration erklären.(24)  Inwieweit diese Praxis, die durchaus als politisch geduldeter Rechtsbruch interpretiert werden kann,25 Bestand haben wird, ist völlig offen. Bisher hat es die mächtige Banken-
und Leasinglobby zusammen mit kapitalfreundlichen Bundesstaaten geschafft, diese Subventionspraxis für das US-Kapital fortzuführen. Es kommt hinzu, dass die US-Investoren wie die deutschen Banken die Scheininvestitionen in ihren Bilanzen verbuchen und diese (wie auch bei Enron und Worldcom) massiv künstlich aufblähen. Es entsteht der falsche Eindruck eines
wirtschaftlichen Wachstums.

2. Zugriffsrechte des Investors

Die deutsche Kommune verleast als Eigentümerin das Objekt für bis zu 99 Jahre26 (Hauptmietvertrag) an einen nur zu diesem Zweck gegründeten US-Trust (Single Purpose Trust), der es sofort für ca. 22 bis 28 Jahre an die Kommune zurückleast (Untermietvertrag). Der USInvestor versorgt den Trust mit Eigenkapital (ca. 15%) und refinanziert den Rest über die be-
 

(21) Vgl. Revenue Ruling 2002/69, in: http://www.irs.gov/pub/irs-irbs/irb02-44.pdf
(22) Wie groß mittlerweile auch in Insiderkreisen die Verwirrung ist, zeigt eine Mitteilung des Städte- und Gemeindebundes
NRW (Nr. 239/2003). Dort war eine Mitteilung des Europäischen Wirtschaftsdienstes (EUWID) vom 18.02.2003 unwidersprochen zitiert worden, wonach sich das US-Finanzministerium im Erlass vom November 2002 (Reveue Ruling 69-2002) gegen das US-Cross-Border-Leasing ausgesprochen habe.
(23) Vgl. StGB NRW-Mitteilung vom 6.3.03.
(24) So wickelt ein Großteil der US-Multis ihre Exporte seit Jahren über die Steueroasen der Bermudas und Cayman- Islands ab. Diese Praxis führte bereits im Jahr 2000 zu einer Verurteilung durch die WTO (bestätigt in 2002). Noch vor dem 11.September 2001 machte Bush deutlich, diese Exportsubventionierung keineswegs zu beenden, obwohl die USA sich damit nicht nur in der OECD, sondern auch in der Welthandelsorganisation WTO und gegenüber der EU isolieren. Der sich mit dem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen den Irak offen durchgesetzte Unilateralismus der USA lässt allerdings nichts Gutes ahnen.
(25) Vgl. Rügmer, Werner: Colonia Corrupta, Köln 2002, S. 53
(26) Die Dauer wird von US-Steuerrechtsmaßstäben bestimmt und übersteigt in der Regel 125% der nach SBilanzvorschriften
zu ermittelnde Restnutzungsdauer des Objekts.
 
 

„Man stelle sich vor: ein „US-Investor schickte seine Beauftragten nach Sizilien, um mit Bürgermeistern und Stadträten milliardenschwere „Leasingverträge“ über ihre Straßenbahnen, Wasser- und Klärwerke, Messehallen und Talsperren abzuschließen. Die Verträge hätten eine Laufzeit von 100 Jahren, aber angeblich ändere sich für die Städte nichts, zur Belohnung bekämen sie aber am ersten Tag cash mehrere Millionen Dollar ausgezahlt. Der „US-Investor“ würde seinen Namen nie nennen, die Stadträte würden den Verträgen zustimmen, ohne sie je gelesen zu haben. Was würde dazu der aufgeklärte Europäer sagen? „Das ist doch Mafia pur!“ Wie aber, wenn solche Verträge seit einem halben Jahrzehnt überall in Westeuropa abgeschlossen würden? Ganz normal, in Dresden, Zürich und Amsterdam?“

aus: Werner Rügemer, Colonia Corrupta
 

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teiligten Banken. Nach Ablauf des Untermietvertrages (Closing) kann die Kommune eine Rückkaufoption wahrnehmen.Wird diese Option nicht ausgeübt, so erlischt der Hauptmietvertrag, wenn nicht, kann der Trust den unmittelbaren Besitz für die restliche Laufzeit herausverlangen. Dann folgt die sog. „Service Contract“-Phase, bei der die Kommune weitere Verpflichtungen übernehmen muss. Dabei würde der Kommune, die zur weiteren Nutzung der Anlage Marktentgelte zahlen müsste, der Betrieb der Anlage entzogen und einem „unabhängigen Dritten“ als Operator übertragen

Privatisierung durch die Hintertür - GATS lässt grüßen!

Vehemente Kritiker wie der BUND NRW sehen in diesen Service-Contracts einen bewusst geschaffen Hebel, damit der US-Investor eines nicht allzu fernen Tages die verleasten Anlagen wirtschaftlich nutzen oder vermarkten kann. Die Rechte, die der US-Investor durch den sogenannten Hauptmietvertrag über die Anlagen erhält, sind entscheidend für die Beurteilung des CBL. Diese finden ihren wichtigsten Niederschlag in dem Rückmietvertrag (Untermietvertrag), der dem Investor zusichert, bei Vertragsverletzungen das Mietverhältnis über die Anlagen kündigen oder/und Schadensersatzansprüche fordern zu können. Dabei verliert die Stadt dann ihre Nutzungsrechte und damit ihr Selbstbestimmungsrecht für die verleasten Anlagen Daher sei die mögliche vorzeitige Beendigung des Rückmietvertrages seitens des Investors vorprogrammiert(27) und die Pachtung zwecks Dienstleistungsübernahme (Lease to Service-Contract) sei im Kern als Pachtung zwecks Privatisierung einer öffentlichen Dienstleistung zu charakterisieren. So reichen schon längere Betriebsunterbrechungen, der Rückbau eines Kanalnetzes oder leerstehende Messehallen als Kündigungsgründe aus. Die Schadensersatzforderungen können ein Vielfaches des erzielten Barwertvorteils betragen.

Es gibt keine Risikolose Rendite

Der Trust zahlt alle Mietraten bis zum Vertragsende („Closing“) in einer Vorauszahlung. Die Kommune reicht den Großteil an Finanzinstitute (Defeasance-Institute) weiter, die damit die aus dem Untermietvertrag fälligen Zahlungen und den bei Ausübung der Kaufoption fälligen
 

27 Vgl. Offener Brief des BUND Landesverband NRW an den Städte- und Gemeindebund NRW vom 24.2.2003.
 

Ausgewählte Zitate aus der Recklinghauser Transaktionsbeschreibung:

(US Cross Border Lease Transaktion für das Kanalnetz der Stadt Recklinghausen, erstellt von: Clifford Chance Pünder, München,und Daimler Chrysler Services Structured Finance GmbH, Stuttgart,Dexia Global Structured Finance LLC,New York,15.November 2002)
 

„Wenn sich die STADT gegen die Ausübung der Kaufoption entscheidet, hat der Trust als Mieter unter dem Hauptmietvertrag das Recht, die Herausgabe der Anlage zu verlangen.“
„Bestimmte Ereignisse, u.a. im Zusammenhang mit dem Betrieb der Anlage (z.B. Untergang bzw. Totalverlust der Anlage und der Entschluss der STADT, die Anlage nicht wieder zu errichten) bzw. Illegalität der Verträge könnten dazu führen, dass der Mietvertrag und damit die Transaktion gegen Zahlung eines bestimmten Betrages (pauschalisierter Schadensersatz) vorzeitig beendet wird. Der in einem solchen Fall zu bezahlende Betrag wird dem Kündigungswert entsprechen und kann für einen bestimmten Zeitraum sowie in Abhängigkeit von den dann geltenden Zinssätzen zu einer Zuzahlung der STADT führen. Diese Zuzahlung kann über dem Netto-Barwertvorteil, welcher der STADT zu Beginn der Transaktion zugeflossen ist, und den
Beträgen aus den Erfüllungsübernahmen liegen.“
„Sofern der Trust von der Stadt Zahlung des Kündigungswertes verlangt,...,muss er seine Rechte an der Anlage zugunsten der STADT aufgeben. Alternativ könnte der Trust die Anlage in Besitz nehmen ...“

Quelle: BUND aktuell vom 13.12.2002 (LV NRW)

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Preis an den Trust entrichten. Von der Differenz begleicht die Kommune die umfangreichen Transaktionskosten (Finanzinstitute, Kanzleien, Steuerberater, Arrangeure, Gutachter, Hotelkosten in New York). Der Rest ist der sog. Barwertvorteil, der je nach Vertragsgestaltung 3 bis 6 Prozent des Transaktionsvolumens betragen kann. Die gewaltige „Renditedifferenz“ ist mit dem ehernen Gesetz der Finanzinvestition zu erklären: je höher die Rendite, umso höher auch das Risiko. Was aber nicht heißt, dass ein CBL mit einer Rendite von 3 Prozent risikolos wäre. Das Risiko ist (kluge Vertragsgestaltung vorausgesetzt) halt nur geringer.

Mit Zwischenschaltung der Finanzinstitute, die die regelmäßigen Mietzahlungen abwickeln, wird der Öffentlichkeit suggeriert, dass eigentlich nur eine Zahlung zustande kommt, nämlich der „Barwertvorteil“ und die Kommune ansonsten keine Verpflichtungen übernimmt. Zwar befreit sich die Kommune von ihren wirtschaftlichen Zahlungsverpflichtungen, aber keinesfalls
von ihren rechtlichen.(28) Auch besteht während der gesamten Vertragslaufzeit das Insolvenz-Risiko der Defeasance-Institute. Dies lässt sich zwar durch die Auswahl von Instituten mit bestem Rating minimieren, auch kann vertraglich vereinbart werden, dass sich bei einem Ratingabfall unter einen kritischen Wert eine Restrukturierungspflicht ergibt. Aber erstens ist es fraglich, ob diese Möglichkeiten genutzt werden, da sie- sofern überhaupt erkannt - immer mit einer Reduzierung des Barwerts verbunden sind, und zweitens bleibt auch hier ein Restrisiko. Etwaige Schadensersatzansprüche, die durch den Ausfall der Defeasance-Institue resultieren, könnten durch das Wechselkursrisiko massiv erhöht werden.

Ein Wirtschaftsgut, zwei Eigentümer?

Nach deutschem Recht bleibt die Kommune zwar zivilrechtlicher und wirtschaftlicher Eigentümer, gleichzeitig wird der US-Trust nach amerikanischem Recht wirtschaftlicher Eigentümer(29). Diese wundersame Verdopplung des Eigentümers nützt vor allem den beteiligten Banken. Nicht ohne Grund wird der Vertrag dabei nach amerikanischem Recht in New York abgeschlossen. Die Befürworter dieser Deals versuchen die Eigentumsrechte des Investors mit der in Deutschland nicht stattfindenden notariellen Beurkundung zu relativieren.(30)  Allerdings – und das wird gern verschwiegen – vereinbaren die Kommunen dingliche Sicherheiten, die nicht ins Grundbuch eingetragen, sondern, um sie vor der Öffentlichkeit zu verschleiern, bei einem New Yorker Treuhänder im Tresor hinterlegt werden.(31)  Für den Konfliktfall ist der Investor bestens vorbereitet. Umfang und technische Details der Anlagen werden von Wertgutachtern und Ingenieuren genauestens dokumentiert.(32)  Selbst befürwortende Arrangeure müssen einräumen, dass nur „ordnungsgemäße Vertragserfüllung“ die Kommune davor schützt, dass der Investor auf das Wirtschaftsgut zugreifen und darüber verfügen kann.(33)

Doch wo endet eine „ordnungsgemäße Vertragserfüllung“? Der Konfliktfall tritt schon ein, wenn die Anlage nicht im vereinbarten Umfang funktioniert. Ein einfaches Beispiel: Ein Kanal ist undicht und wird im Altlastenkataster geführt. Das ist ja insbesondere in Nordrhein-Westfalen häufig, dass undichte Kanäle im Altlastenkataster auftauchen. Und dieses wird dem
 
 

(28) Vgl. Laudenklos, Frank und Pegatzky, Claus: US-Leasingfinanzierungen – innovative Finanzierungsform oder
zweifelhafte Geschäfte?, in: NVwZ 2002, Heft 11, S. 1300
(29) Der Begriff des „wirtschaftlichen Eigentum“ ist eine Kurzbeschreibung für einen steuerrechtlichen Tatbestand,
der die Zurechnung eines Vermögensgegenstands bzw. eines Wirtschaftsguts an eine bestimmte Person rechtfertigt.
Vgl. Laudenklos/Pagatzky a.a.O., S. 1300
(30) So der Arrangeur „Due Finance” in einem Papier zur Beruhigung von Kommunalpolitikern, in:
www.duefinance.de/leasing/kritik.htm
(31) Vgl. Rügemer a.a.O., S. 51
(32)  In der Regel ist die Kommune zwar Auftraggeber dieser Wertgutachten, die sie aber im Gegensatz zum Investor
nicht erhält.
(33) Laudenklos/Pagatzky a.a.O., S. 1301
 
 

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US-Partner nicht mitgeteilt. Dann reicht das schon aus, um diese Verträge zu zerstören. Auch darf die Anlage nicht billiger werden, sondern muss das festgelegte Transaktionsvolumen behalten. Bei einer Müllverbrennungsanlage ist das höchstproblematisch, da eine Kommune die Anlage auch zu 100 Prozent auslasten muss, auch wenn es dafür gar keinen Müll gibt.(34) Auch exponierte Befürworter, wie die Kämmerer von vier Ruhrgebietsstädten, räumen ein, dass die Stillegung von Anlagen(teile) nur dann zulässig ist, „solange die Inbetriebnahme zum Zeitpunkt der Vertragsbeendigung grundsätzlich möglich bleibt.“(35)
"Viele Verträge laufen über 99 Jahre und das Eigentum geht nach amerikanischem Recht damit auf den US-Investor über. Wer ist nun der Eigentümer? Es kann nur einen geben. Prozesse sind da quasi vorprogrammiert", sagt Eberhard Kanski vom Bund der Steuerzahler Nordrhein-Westfalen gegenüber dem WDR.(36)

Bei einem Streitfall ist zumindest eines sicher: US-Gerichte werden entscheiden. Es dürfte bekannt sein, welche immensen Schadensersatzsummen in den USA zu erzielen sind. Auch dagegen verkommt der Barwertvorteil schnell zu den berüchtigten Peanuts.

Inwieweit der US-Investor als vollwertiger wirtschaftlicher Eigentümer die Straßenbahnen oder Klärwerke nicht für sich komplett reklamieren kann, wird unter Experten strittig diskutiert. Damit verlöre die Kommune ihre Sachanlagen bis auf den Grundbucheintrag und erhalte stattdessen Geldkapital, das durch den Barwertvorteil verkörpert werde.(37)

3. Weitere Risiken

Es besteht eine Vielzahl weiterer Risiken. Risikolose CBL-Geschäfte sind eine Mär. Aus Gründen der Übersichtlichkeit werden nur die wesentlichen angesprochen:(38)

- Bis zum Vertragsschluss besteht auf deutscher wie auf amerikanischer Seite die Gefahr einer rückwirkenden Änderung der Steuergesetzgebung.

- Es besteht ein erhebliches Risiko für Anwälte, Steuerberater und Arrangeure vergeblich Transaktionskosten aufzuwenden.39

- Ob bezüglich des Arrangeursvertrags eine Verpflichtung für ein nach dem Haushaltsrecht formale Ausschreibung besteht, wird kontrovers diskutiert.

- Es muss mit der Förderbehörde geklärt werden, ob der angestrebte Vertrag förderungsschädlich sein könnte

- Trägt die Kommune das Risiko der Einführung einer US-Quellensteuer, könnte darin ein genehmigungsbedürftiges Kreditgeschäft gesehen werden.

- Zur Problematik der steuerlichen Behandlung des Barwertvorteils bedarf es einer verbindlichen Auskunft des Finanzamts. Damit kann das Risiko aber allenfalls eingegrenzt werden. Eine Rückwirkung späterer Gesetzesänderungen kann nicht völlig ausgeschlossen werden.(40)
 

(34) Ein einfaches Beispiel mag die Problematik illustrieren: Wir schreiben das Geburtsjahr 1973 des Autors. Es gibt weder die Grünen, noch Umweltschutz oder eine Vorstellung von Nachhaltigkeit. Hätten sich die Kommunen damals definitiv auf bestimmte Standards festgelegt, wäre heute Heulen und Jammern angesagt!
(35) Dr. Ottilie Scholz (Kämmerin Bochum), Dr. Manfred Busch (Kämmerer Wesel) Rainer Kampmann (Kämmerer Gelsenkirchen), Christoph Tesche (Kämmerer Recklinghausen): US Cross-Border Lease, Dichtung und Wahrheit, Düsseldorf 2.2.2002, www.privatisierungswahn.de/assets/att00003.pdf
(36) http://www.wdr.de/themen/wirtschaft/1/staedte_leasing/index.jhtml
(37) Vgl. Schacht, Kommunale Steuerzeitschrift 2001, S. 231
(38) Vgl. Bayerischer Kommunaler Stiftungsverband: Cross Border Leasing. Struktur und Risiken eines modernen Finanzierungsinstruments, in: Mitteilungen 1/2002
(39) Dies ist der Stadt Aachen im Jahr 2001 bereits zugestoßen. Statt des erhofften Barwertvorteils von gut 15 Millionen Euro blieben nach Scheitern der Verhandlungen Kosten von knapp 1,3 Millionen Euro.
(40) Dies muss auch Manfred Busch, Kämmerer der Stadt Wesel, und einer der entschiedensten Befürworter einräumen. Vgl. Busch, Manfred: Manna vom Himmel oder globaler Steuerbetrug?, in: Fachgespräch der Grünen im NRW-Landtag vom 14. November 2002.

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- Unerlässlich ist die Einbindung der nach dem Kommunalrecht zuständigen Organe (Stadtverordnete, Mitglieder des Rates). Es droht aufgrund eines fehlenden Organbeschlusses die schwebende Unwirksamkeit der Transaktion. Schließlich soll das Kommunalparlament über einen Vertrag abstimmen, der ihm nie vorgelegt wurde.(41)

- Es besteht immer die Gefahr, dass der Trust bzw. der dahinter stehende Investor insolvent werden könnte. Zudem ist oftmals völlig unklar, wer der sogenannte „Investor“ überhaupt ist oder ob es ihn gibt.(42)

- Durch den langen Leasingzeitraum werden Kooperationen mit anderen Kommunen oder sog. „Public Private Partnerships“ erheblich erschwert, wenn nicht unmöglich gemacht.

- In den Verträgen wird festgeschrieben, dass die Bundesländer und der Bundesstaat einem ständigen Rating durch die US-Ratingagenturen Standard & Poor und Moody´s unterworfen werden. Sinkt die Bonität unter ein gewisses Level (und das kann in Zeiten großer Haushaltsdefizite schnell passieren), müssen die Kommunen zusätzliche Sicherheiten beibringen.

Gebührenzahler gehen leer aus

Beteiligt sich eine Kommune mit einer gebührenfinanzierten Einrichtung (z.B. Kanalisation) an einem Cross-Border-Leasing könnte die Verpflichtung bestehen, den Barwertvorteil als Erlös in die Gebührenkalkulation einzustellen. In Anbetracht der bestehenden Risiken wird auch der Standpunkt vertreten, dass der Barwertvorteil als Rücklage passiviert werden müsse. Es wäre demnach unzulässig, mit diesen Zahlungen allgemeine Deckungen des Haushaltes vorzunehmen.

In der Rechtssprechung ist diese Frage noch nicht abschließend geklärt worden.(43) Würde eine Klage in Köln, wo ebenfalls das Kanalnetz verleast wurde, durchkommen, müsste die Stadt 80 Millionen Euro an die Bürger zurückzahlen. Das entspricht dem Doppelten des bereits erzielten Barwertvorteils. Im Ruhrgebiet kündigten der Bund der Steuerzahler und der Haus- und Grundeigentümerverband bereits an, ihre Mitglieder bei weiteren Klagen zu unterstützen. Sollten die Gerichte im Sinne der Gebührenzahler entscheiden, wären viele weitere Geschäfte hinfällig, die bereits vereinnahmten Gelder müssten ausgeschüttet werden. Die Seifenblase CBL wäre in vielen Städten geplatzt.

Ende 2002 war in Leipzig erstmals ein CBL-Geschäft vom Regierungspräsidenten als Kommunalaufsicht nicht genehmigt worden.44 Das Geschäft wurde erst genehmigt, als sich Leip-
 

(41) Anders wiederum ist die Rechtslage bei Zweckverbänden, kommunalen Unternehmen oder Ländern wie Berlin.
(42) Der Publizist Werner Rügemer, Vorstandsmitglied des Vereins Business Crime Controll, recherchierte über den „Investor“ der Kölner Kläranlage: Die First Union Group wurde als renommierte Bank genannt, die die Bonität der First Fidelity Bank als Investor absichert. Die First Union Group gab ein Jahr lang keine Antwort auf seine Fragen, ob es diese Leasing-Verträge mit Köln gibt. Im aufwendigen Jahresbericht der im Jahr 1998 sechstgrößten Bankengruppe der USA findet sich keinerlei Hinweis auf Leasingverträge mit europäischen Kommunen. Es stellte sich heraus, dass es in den USA ein Dutzend Kleinbanken unter dem Namen First Fidelity existieren, die größtenteils von der First Union aufgekauft wurden. Aufgrund der geringen Bilanzsummen von durchschnittlich einer halben Milliarde Dollar ist der „Investor“ First Fidelity nichts weiter als eine Strohpuppe für dahinterstehendes lichtscheues Kapital. Auf Nachfrage beim Arrangeur des Geschäfts, der Deutschen Bank, wer der Investor sei und welche Adresse die Briefkastenfirma auf den Cayman Islands habe, kam nur die stereotype Antwort: „Der Investor hat sich Vertraulichkeit ausgedungen, sonst platzt das Geschäft.“
(43) Auch im Falle der allg. Veräußerung gemeindlichen Anlagevermögens ist die Rechtsprechung nicht einheitlich. Allerdings hat das OVG Münster vom 15.12.1994 im Sinne einer Gutschreibung für den Gebührenhaushalt entschieden. Für eine generelle Verpflichtung den Barwertvorteil den Gebührenzahlern zur Verfügung zu stellen vgl. Quaas, NVwZ 2002, S. 146.
(44) Die Stadt Leipzig konnte nicht zweifelsfrei darlegen, dass sich bei einer Verleasung des Trinkwassernetzes keinerlei Risiken für die Trinkwasserversorgung und die Gestaltung der Wasserpreise der Bürgerinnen und Bürger ergeben können. Auch hatte das Regierungspräsidium Angst später von der Stadt haftbar gemacht zu werden, nachdem der Bundesgerichtshof (BGH) in einem Urteil vom 12.12.2002 (Fall Oderwitz) entschieden hat, dass
 

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zig bereit erklärte, den Gewinn in die allgemeine Rücklage der Stadt zu nehmen. Erst wenn „geeignete Maßnahmen zur Risikovorsorge" nachgewiesen sind – gemeint ist das finanzielle Risiko einer vorzeitigen Vertragsbeendigung –, kann das Geld wie geplant in Investitionen fließen.(45)  Die Rechtsexperten der Stadt Lübeck, die im vergangenen Jahr ein Cross-Border-
Geschäft für die Hansestadt prüften, kamen sogar zum Schluss, dass die Millionen für die gesamte Vertragslaufzeit von 25 Jahren als Rücklage gesichert werden müsse. Damit war sofort jegliches Interesse erloschen.(46)

4. Gewinner und Verlierer

Deutsche Banken(47) finanzieren das Fremdkapital (85%) des Trusts und realisieren selber Steuervorteile. Damit wird nicht nur der US-Fiskus, sondern auch der deutsche Fiskus geschädigt. Schätzungen des US-Finanzministeriums aus dem Jahr 1999 haben ergeben, dass die Cross-Border-Leasings mit europäischen Städten zu einem jährlichen Steuerverlust für die öffentlichen US-Haushalte von 10, 2 Mrd. Dollar führen. Die gleichzeitigen Verluste der europäischen Staaten hat Werner Rügemer mit der Hälfte davon eingeschätzt.(48) Der Steuervorteil des Investors beträgt abgezinst (Barwertmethode) zwischen 10 und 35 Prozent des Transaktionsvolumens, während die Kommune nur 4 Prozent erhält. Darüber hinaus verdienen die Banken an den Krediten, erweitern ihr Eigenkapital und dehnen ihre Bilanzsumme künstlich auf.

Förderung der Steueroasen und „legale amerikanische Gesetze“

Eine besondere Rolle spielen mittlerweile die berühmt berüchtigten Steueroasen wie die Cayman Islands.49 Dort wird eine dem US-Trust vorgeschalte „Special Purpose Company“ (SPC, Gesellschaft für besondere Zwecke) installiert, die unmittelbarer Vertragspartner der Kommune ist und eigens für diesen Zweck gegründet wird (zweistufiges Modell). In den Kölner Ratsvorlagen preist der Arrangeur Deutsche Bank die SPC wegen ihrer „schnellen und kostengünstigen Verlagerbarkeit in ein anderes Sitzland im Falle einer Rechts-oder Steueränderung in den USA.“ Den Bürgern erklärte der damalige Kölner Stadtkämmerer Böllinger im Fernsehen: „Es ging alles mit rechten Dingen zu. Es sind legale amerikanische Gesetze, an die wir uns streng gehalten haben.“(50)

Insofern ist der saarländischen SPD-Landtagsfraktion nur zuzustimmen, wenn sie konstatiert: „Saarländische Kommunen sollten von windigen Geschäften besser ihre Finger lassen.“ Es könne "nicht Zweck des Steuerrechtes oder kommunaler Entscheidungen sein, amerikanische Investoren, Banken und Anwaltsbüros oder deutsche Steuerberatungsgesellschaften durchzufüttern." Zu Recht wird darauf verwiesen, dass die Reichweite und Risiken solcher Verträge für eine Kommune, erst recht für die ehrenamtlich tätigen kommunalen Entscheidungsträger nicht überschaubar seien.51 Soviel Einsicht herrscht im Berliner Abgeordnetenhaus bei den fehlerhafte Genehmigungen von kreditähnlichen Rechtsgeschäften von Kommunen zu Haftungsansprüchen gegen die Genehmigungsbehörde führen können.
 

(45) Leipziger Volkszeitung vom 20.3.2003, S. 13
(46) Vgl. Der Spiegel 9/2003, S. 58
(47) Zu nennen wären die z.B. Deutsche Bank, Landesbank Baden Württemberg, Norddeutsche Landesbank oder auch die Sächsische Landesbank.
(48) Diese Zahl hat er jedoch später zurück genommen, da er hierfür keine Belege angeben konnte. Die Institutionen haben ihm darüber jegliche Auskünfte verweigert.
(49) Mit Steueroasen werden Finanzplätze bezeichnet, die bewusst Kapital mit der Umgehung der Gesetze und Vorschriften der Industrieländer anziehen. Dies gilt besonders für Schwarzgeld. Zugleich sind sie die ureigensten Geschöpfe der Industrieländer, die sie weitgehend dulden. Die Finanzströme der mafiösen Organisationen, der Bestecher und Bestochenen, Schmuggler und Potentaten wissen das schon lange. Die Cayman Islands gehören inzwischen neben New York, Tokio,. London, Frankfurt und Genf zu den Welt-Hauptfinanzplätzen. Vgl. Le Monde Diplomatique : Atlas der Globalisierung, 2003, S. 34
(50) detailliert nachzulesen bei Rügemer a.a.O.
(51) Presseinformation der SPD-Fraktion im saarländischen Landtag vom 16. Januar 2003.
 

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Finanzexperten von SPD und Grünen noch lange nicht. Während Oliver Schruoffeneger von den Grünen keinen Grund zur Aufregung sieht, da es sich nur um ein US-amerikanisches Steuerschlupfloch handele, entschuldigt seine SPD-Kollegin Iris Spranger alle Bedenken mit den enormen finanziellen Zwängen der Hauptstadt.(52) Wer, wie Iris Spranger, so naiv und
blauäugig die Ergebnisse einer der zentralen kommunalpolitischen Debatte der letzten Monate ignoriert, scheint nichts, aber auch gar nichts aus der verhängnisvollen Berliner Mischung aus Größenwahn, Ignoranz und Mittelmäßigkeit der letzten Jahre gelernt zu haben. Dagegen hat sich der Donnerstagskreis (SPD-Linke) klipp und klar gegen jegliche CBL-Deals usgesprochen:

„Erst werden im Standortwahn die Großkonzerne über alle Maßen steuerlich entlastet, so dass die Kommunen zu Insolvenzfällen werden. Dann sehen die Haushälter keinen anderen Ausweg mehr als windige Geschäfte einzugehen. Verlierer sind die Kommunen und der USFiskus gleichermaßen. Gewinner sind deutsche und amerikanische Banken, Kanzleien und
Finanzkonzerne.“(53)

Der SPD-Abgeordnete Stefan Zackenfels (Kreuzberg) hat bereits wegen des Messehallen-Deals im Jahr 2000 und des geplanten Geschäfts zur Sanierung der Staatsoper eine kleine Anfrage gestellt, in der er umfassende Auskunft verlangt. Spannend dürfte auch sein, ob von Seiten der Staatsoper bereits Haushaltsgelder an einen Arrangeur geflossen sind.

Was tun?

In vielen Städten mussten geplante Geschäfte bereits aufgrund des öffentlichen Drucks abgesagt werden. Im Ruhrgebiet gibt es kaum noch eine Stadt ohne außerparlamentarischen Widerstand. Mal arbeiteten die Bürgerinitiativen mit der SPD54 zusammen, mal mit den Grünen, der PDS oder dem Bund der Steuerzahler. Im Ruhrgebiet wechselt der SPD-Standpunkt von Stadt zu Stadt. Sind die Sozialdemokraten in der Opposition, werden die windigen Geschäfte meist abgelehnt.

Eine klare und grundsätzliche Positionierung des Senats zu diesen Deals ist daher überfällig. Mit sozialdemokratischer und sozialistischer Politik sind solche Geschäfte nicht vereinbar!

Berlin, 28.3.2003

Für Kritik und Verbesserungsvorschläge: birger@attacberlin.de
 

(52) Vgl. TAZ, Lokalteil Berlin vom 28.2.2003
(53) Hans-Georg Lorenz in der Tageszeitung junge Welt vom 03.03.2003
(54) In Recklinghausen sammelten die SPD-Ortsvereine fleißig Unterschriften für ein Bürgerbegehren der Bürgerinitiative
"Nix mit Abwassertricks".