An alle Landtagsabgeordnete
im Hessischen Landtag
Wiesbaden
Betr.: Änderung der Hessischen Kommunalverfassung,hier: Gemeindewirtschaftsrecht
u. Gesetzentwurf
für die Neufassung des Hessischen Wassergesetzes,hier: Privatisierung
der Wasserversorgung
Sehr geehrte Damen und Herren,
obwohl landauf landab sich die Menschen seit Jahren in ihren Kommunen
gegen formale oder/und echte Privatisierung öffentlicher Daseinsvorsorge
zur Wehr setzen,hat die Hessische Landesregierung diese Gesetzesvorhaben
in den Landtag eingebracht, nach unserer Auffassung ein von besonderer
arroganter Ignoranz geprägter Akt .Die betroffene Öffentlichkeit
wurde erneut über so weitreichende Gesetzesvorhaben nicht ausreichend
informiert.
Attac Alsfeld/Vogelsberg wendet sich vehement gegen diese
Gesetzesvorhaben und fordert Sie auf,die Verabschiedung dieser Gesetzentwürfe
zu verweigern.Begründung:
-bedeutende Aufgaben im Bereich der öffentlichen Daseinsvorsorge
(z.B. Wasserversorgung, Abwasserentsorgung,Müllbeseitigung,Gesundheit
und Bildung)sollen privatem Gewinnstreben unterworfen werden,der Gesetzgeber
würde also einseitig zugunsten der Privatwirtschaft und zu Lasten
des kommunalen Gemeinwesens handeln;
-es besteht besonders keinerlei gesetzgeberischer Handlungsbedarf ,der
die Privatisierung der Wasserversorgung und damit den sensibelsten Bereich
der kommunalen Daseinsvorsorge zum Gegenstand hat,denn die kommunalen Versorger
stellen Trinkwasser in bester Qualität und gewünschter Menge
zu vernünftigen Preisen zur Verfügung.Eine Privatisierung könnte
also keinerlei Verbesserung bringen;
-Erfahrungen in anderen Ländern mit privatisierten Sektoren
sind besonders im Bereich der Wasserversorgung ein abschreckendes Beispiel.So
privatisierten z.B. England und Wales Ende der 80er Jahre ihre Wasserversorgung.Studien
der Universitäten Manchester und Greenwich fällten dazu einige
Jahre später ein vernichtendes Urteil(enorme Steigerungen der Verbraucherpreise,aber
auch der Direktorengehälter und des Börsenwertes der Wasserbetriebe,mangelnde
Bereitschaft zu Netzsanierungen,Verschlechterung der Wasserqualität,steigende
Wasserverluste);
-ein erschreckendes Beispiel auf nationaler Ebene ist Berlin.Die Bilanz
der Teilprivatisierung der Wasserwerke zeigt riesige Arbeitsplatzverluste(2000),eine
in der Höhe unverantwortliche Reduzierung der Instandhaltungsinvestitionen
(75%) - was wiederum zu enormen Arbeitsplatzverlusten bei Zulieferern
führte(8000) - ,Gebührenerhöhung von 15%,aber garantierte
Rendite für private Teilhaber von jährlich 8% für 28 Jahre
(Quelle: Wasser - öffentliche Kontrolle statt Kommerz,INKOTA-netzwerk
e.V. Sonderdruck, Berlin Juni 2004);
-mit der Verabschiedung dieser Gestzentwürfe der Hessischen Landesregierung
würden Sie die Enteignung öffentlichen Eigentums legalisieren
und einseitig die Interessen privater Investoren bedienen - ein eklatanter
Widerspruch zu ihrer eigentlichen Verpflichtung,die Sie mit der Übernahme
ihres Mandates eingegangen sind,nämlich Ihr Handeln am Gemeinwohl
auszurichten;
-in Art.28 Grundgesetz wird der Kommune unmissverständlich das
Recht der Selbstverwaltung garantiert.So heißt es hier,dass der Gemeinde
gewährleistet sein muss,alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft
im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln.Zu diesen Angelegenheiten
gehören unbedingt u.a. die Müllentsorgung,die Wasserver- und
Abwasserentsorgung.Sie müssen in der kommunalen Verantwortung bleiben.
Sehr geehrte Damen und Herren, stoppen Sie die Privatisierungsoffensive
der feudal abgehobenen und neoliberal berauschten Landesregierung ,und
lehnen Sie die Gesetzentwürfe bezüglich des Gemeindewirtschaftsrechts
und der Privatisierung der Wasserversorgung ab.Sie befänden sich damit
im Einklang des Grundgesetzes,der Hessischen Landesverfassung und der Hessischen
Kommunalverfassung.So heißt es in der Hessischen Gemeindeordnung
in §1 Abs.1:“ Die Gemeinde ist die Grundlage des demokratischen Staates.Sie
fördert das Wohl ihrer Einwohner in freier Selbstverwaltung durch
ihre von der Bürgerschaft gewählten Organe.“
Mit freundlichen Grüßen für Attac Alsfeld/Vogelsberg
Hans-Georg Bodien