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Junge Welt vom 17.07.2006
Sahra Wagenknecht
Derr Ex-Vorstandsvorsitzende der Berlin Hyp und Ex-CDU-Fraktionschef
Klaus-Rüdiger Landowsky vor dem Landgericht Berlin (29. Juli 2005)
Am gestrigen Freitag versammelte sich der illustre Verein der Aktionäre der
Berliner Bankgesellschaft AG zur alljährlichen Hauptversammlung. In dieser
Zusammensetzung wohl zum letzten Mal, denn bis Ende 2007 soll der Konzern
verscherbelt werden. Da man indes potentielle Käufer nicht abschrecken will,
die mit dem Namen »Bankgesellschaft« zwielichtige Immobiliengeschäfte und
handfeste Korruption verbinden könnten, wurde noch schnell der Name geändert:
Die Berliner Bankgesellschaft heißt in Kürze ganz seriös Landesbank Berlin
Holding AG. Hinter der Landesbank Berlin wiederum verbirgt sich insbesondere
die Berliner Sparkasse, die mit über 150 Filialen und knapp 1,9 Millionen
Kunden das darstellt, was man unter Finanzhaien »Filetstück« nennt. Im Kern
geht es bei dem Bieterverfahren für die Bankgesellschaft, das im Herbst
eröffnet werden soll, also um die Versteigerung der Sparkasse.
Glaubt man der Presse und den Erklärungen Berliner Politiker, so ist der
Verkauf der Bankgesellschaft der unausweichliche und endgültige Schlußpunkt der
größten Bankenkrise der Bundesrepublik, die das Land Berlin an den Rand der
Pleite brachte.
Aber wird mit der Privatisierung tatsächlich die richtige Schlußfolgerung aus
dem Bankenskandal gezogen? Handelt es sich gar um einen Akt »progressiver
Entstaatlichung«, der – wie einige Vertreter der Linkspartei meinen
– »Teil einer Transformationsstrategie zum demokratischen Sozialismus«
sein kann? Weit mehr spricht dafür, daß der Verkauf der Bankgesellschaft selbst
ein Skandal ist, da mit der ersten Privatisierung einer Sparkasse der von der
Privatbankenlobby lange ersehnte Präzedenzfall geschaffen wird, der die
Grundfesten des öffentlichen Bankwesens in der Bundesrepublik erschüttert. Ein
Skandal, der nur deswegen nicht auffliegt, weil er – wie schon die
Entscheidung zur Abschirmung sämtlicher Risiken und Verluste 2001/02 –
von einer Allparteienkoalition verantwortet wird, an der selbst die Berliner
Linkspartei beteiligt ist.
Die Vorgeschichte
Der Grundstein für den Berliner Bankenskandal wurde schon Anfang der neunziger
Jahre gelegt. Da mit dem Ende der DDR die Notwendigkeit entfallen war,
(West)Berlin durch umfangreiche Subventionen zu einer glänzenden Metropole
hochzupäppeln, plagte den Berliner Politklüngel die Not, welche Finanzquellen
man künftig anzapfen könne. So gerieten die Sparkassen ins Visier, bei denen
sich beträchtliche Sparpolster angesammelt hatten und die daher mit den
privaten Berliner Banken zu einem finanzstarken Konzern zusammengeschlossen
werden sollten. Begründet wurde die Notwendigkeit der Fusion schon zur Zeit des
rot-grünen Senats (1989) mit dem Argument, daß die Sparkassen wegen ihrer
öffentlich-rechtlichen Bindungen keine »richtigen« Bankgeschäfte tätigen
könnten, während die privaten Berliner Banken nicht kapitalkräftig genug seien,
um der verschärften Konkurrenz im europäischen Binnenmarkt standhalten zu
können.
Die große Koalition unter Eberhard Diepgen (CDU) setzte den Plan dann in die
Tat um: Zum 1. Januar 1994 wurden die Berliner Bank AG, die Berliner
Hypotheken- und Pfandbriefbank AG (Berlin Hyp), die ehemalige WBK als
Investitionsbank Berlin (IBB) sowie die Landesbank Berlin (LBB) unter der
Holding der Bankgesellschaft Berlin AG (BGB) zusammengefaßt. Ziel dieser
Konstruktion war es, die eigenkapitalschwache und konkursgefährdete Berliner
Bank zu retten, indem man ihr den Zugriff auf die Ressourcen der Landesbank
bzw. der Sparkasse erlaubte. Außerdem sollte es der BGB ermöglicht werden, die
günstigeren Refinanzierungsmöglichkeiten der LBB zu nutzen, die sich aus der
Gewährträgerhaftung des Landes Berlins ergaben. Vor allem aber konnte die
Haftung des Landes Berlin für die Geschäfte der LBB dazu genutzt werden, ohne
Rücksicht auf Verluste einen aggressiven Expansionskurs zu verfolgen, um so zu
einem »global player« auf den internationalen Finanzmärkten aufzusteigen.
Wie der Untersuchungsausschuß des Berliner Abgeordnetenhauses »zur Aufklärung
der Vorgänge bei der Bankgesellschaft AG, der Landesbank Berlin und des Umgangs
mit Parteispenden« im nachhinein feststellte, war die Gründung der
Bankgesellschaft Berlin »sowohl in der rechtlichen Konstruktion als auch in der
Unternehmensbewertung mit schwerwiegenden Fehlern und erheblichen Risiken
behaftet«. So wurde die eigenkapitalschwache und konkursgefährdete Berliner
Bank auf der Grundlage eines Gutachtens von Goldman Sachs fast ebensohoch
bewertet wie die LBB, die über eine weitaus bessere Eigenkapitalquote und
wesentlich höhere Reserven verfügte. Als die derart konzipierte Fusion bei der
LBB auf Kritik stieß, drückte der Berliner Senat kurzerhand ein Gesetz durch,
nach dem der Vorstand der LBB weisungsgebunden ist und der Fusion zustimmen
muß.
Die irreal hohe Bewertung der Berliner Bank setzte den gesamten Konzern von
Anfang an unter Expansionsdruck. Allerdings stieg mit der Ausweitung des
Geschäftsvolumens auch die Gefahr für das Land Berlin, über die LBB für die
immer risikoreicheren Geschäfte in Haftung genommen zu werden. Doch statt das
öffentliche Vermögen über eine Begrenzung der Haftungsrisiken zu schützen und
wirksame Kontrollmöglichkeiten des Landes zu etablieren, verließen sich die
Verantwortlichen im Berliner Senat, im Aufsichtsrat und in den regierenden
Fraktionen von CDU und SPD lieber auf die im Auftrag der Bank tätigen
Anwaltskanzleien und Wirtschaftsprüfer und kümmerten sich nicht weiter um die
ständig wachsenden Risiken. Die Haftung des Landes Berlin, die ursprünglich nur
für die LBB galt, wurde vielmehr durch die Gründung einer gemeinsamen
Refinanzierungsfirma in Dublin sowie über verschiedene
Ergebnisabführungsverträge und Patronatserklärungen auf den gesamten Konzern
ausgeweitet.
Kriminelle Immobiliengeschäfte
Die Krise ließ nicht lange auf sich warten. Schon 1996 geriet der Konzern in
eine finanzielle Schieflage, die laut Bericht des Untersuchungsausschusses auf
krasse Fehleinschätzungen der wirtschaftlichen Entwicklung, mangelnde Reaktion
auf sich verändernde Märkte, übertriebene Risikobereitschaft und fehlende
Steuerung der Kreditvergabe zurückzuführen war (siehe FAZ, 2. Juni 2006). In
Wahrheit kann allerdings von »fehlender Steuerung der Kreditvergabe« keine Rede
sein. Schließlich war es gerade die Funktion der Bankgesellschaft, die alte
Westberliner Baumafia mit Krediten und lukrativen Pöstchen zu versorgen, wofür
diese sich mit großzügigen Geldgaben an die CDU unter Parteichef Klaus-Rüdiger
Landowsky revanchierte. Eine Parteispende von Vertretern der Immobilienfirma
Aubis an die Berliner CDU in Höhe von 40000 DM war es denn auch, die den
Bankenskandal im Sommer 2001 auffliegen ließ und zum Sturz der großen Koalition
beitrug.
Der mit Abstand größte Schaden für das Land Berlin war durch die massenhafte
Auflage spezieller Immobilienfonds entstanden, die mit Konditionen
ausgestattet wurden, wie sie die Finanzwelt noch nicht gesehen hatte. Etwa
70000 Anleger gehörten zu den Nutznießern dieser einzigartigen Geldmaschine.
Dabei schien die Auflage der Fonds zunächst eine elegante Möglichkeit zu sein,
überschuldete Kreditnehmer der Bankgesellschaft zu sanieren, indem man ihnen
gescheiterte Immobilienprojekte zu überhöhten Preisen abkaufte und anschließend
in einen der Fonds steckte. Obwohl es sich also bei vielen Fondsobjekten um
Schrottimmobilien handelte, wurden die potentiellen Investoren mit traumhaften
Renditen geködert, die auf Jahre garantiert und obendrein durch lukrative
Steuersparmöglichkeiten ergänzt wurden. Hinzu kam das Recht zur Rückgabe zum
Nominalwert am Ende der Laufzeit. Den Anlegern wurden so jegliche Risiken
abgenommen, die wurden der Bank bzw. – dank der Gewährträgerhaftung für
die Landesbank – dem Land Berlin übergeholfen.
Damit der Betrug nicht gleich aufflog, wurde ein klassisches Schneeballsystem
etabliert. So konnte man mit dem Geld, das die Auflage des zweiten Fonds
einbrachte, die Garantien des ersten Fonds bezahlen usw. Um dieses System am
Laufen zu halten, mußten freilich immer mehr und immer größere Fonds plaziert
werden. Erst im Jahre 2000 – zu diesem Zeitpunkt war die Berliner
Bankgesellschaft mit einem Anteil von fast 20 Prozent bereits Marktführer im
Geschäft mit geschlossenen Immobilienfonds – wurde das Bundesaufsichtsamt
für das Kreditwesen aktiv und setzte eine Sonderprüfung durch. Da allerdings
lag das Kind bereits mausetot im Brunnen. Und als hätten die
Vorstandsmitglieder der Bankgesellschaft geahnt, daß die propere Melkkuh bald
geschlachtet würde, gewährten sie sich zwischen 1998 und 1999 noch mal einen
Gehaltssprung von knapp 1,5 Millionen Euro – eine Steigerung um 67,5
Prozent (siehe FAZ, 2. Juni 2006).
Sozialisierung der Verluste
Im Laufe des Jahres 2001 spitzte sich die Krise immer mehr zu. Schon im Mai
fielen die haftenden Eigenmittel des Konzerns unter die gesetzlich vorgeschriebene
Schwelle von acht Prozent, was den SPD-Grünen-Senat zu einer Kapitalspritze von
1,755 Milliarden Euro veranlaßte. Doch schnell stellte sich heraus, daß diese
Summe bei weitem nicht ausreichte, um eine Pleite abzuwenden. Nachdem das
Bundesaufsichtsamt für Kreditwesen im November 2001 mit der Schließung der
Bankgesellschaft drohte, beschloß das Berliner Abgeordnetenhaus am 9. April
2002 das sogenannte Risikoabschirmungsgesetz, das den Berliner Steuerzahlern
Risiken von bis zu 21,6 Milliarden Euro aus faulen Krediten und Wertverlust von
Immobilien auf die Schultern lud.
Die Sozialisierung von Risiken und Verlusten, die durch eine jahrelange
kriminelle Selbstbereicherung entstanden waren, wird seitdem auch vom
SPD-Linkspartei-Senat als alternativlos gepredigt. Letzterer argumentiert etwa,
daß die Risikoabschirmung der Bankgesellschaft für das Land immer noch billiger
gewesen sei als eine Insolvenz des Konzerns. Dabei beruft er sich auf eine
Kalulation, die von Finanzsenator Thilo Sarazzin in Auftrag gegeben und von der
Bankgesellschaft selbst erstellt wurde. Nach diesem »Insolvenzszenario« wäre
der Haushalt Berlins im Falle eines Konkurses der Bankgesellschaft mit einem
zweistelligen Milliardenbetrag belastet worden. Pikant ist freilich, daß man ausgerechnet
die Bankgesellschaft selbst mit dem Gutachten betraut hat, das die Kosten ihrer
eigenen Insolvenz – an der die Bank wohl kaum ein Interesse hatte –
errechnen sollte. Auch stellt sich die Frage, warum man selbst bei der PDS
davon ausgeht, daß das Land Berlin tatsächlich für alle Geschäfte der LBB, die
zahlreiche Risiken der anderen Teilbanken übernahm, in Vollhaftung steht.1
Hätte man nicht wenigstens gerichtlich prüfen lassen können, inwiefern die
Gewährträgerhaftung der Landesbank von den Verantwortlichen in der
Bankgesellschaft mißbraucht wurde? Das konzerninterne Geflecht von
Ergebnisabführungsverträgen und Patronatserklärungen auf dieser Basis
juristisch anzufechten, wäre kein von vornherein aussichtsloses Unterfangen
gewesen. Aber auch betreffs der angeblich so kostengünstigen Risikoabschirmung
sind Zweifel angebracht. Nach einer Rechnung der Initiative Berliner
Bankenskandal summiert sich der Schaden aus den Folgen des Bankenskandals und
der Risikoabschirmung auf etwa 15,5 Milliarden Euro – also ebenfalls ein
zweistelliger Milliardenbetrag.
Zu guter Letzt sollte die Frage erlaubt sein, warum man die Vorstellung des 900
seitigen Berichts des Untersuchungsausschusses des Abgeordnetenhauses zum
Berliner Bankenskandal nicht genutzt hat, um die Verantwortlichen für den
Bankenskandal zum Rücktritt von allen öffentlichen Ämtern aufzufordern. Da die
Hauptbelasteten, zu denen neben Landowsky auch die einstigen Finanz- und
Wirtschaftssenatoren der großen Koalition Ditmar Staffelt, Annette Fugmann-Heesing,
Elmar Pieroth, Peter Kurth und Norbert Meisner zählen, sich gegen die Vorwürfe
des Untersuchungsausschusses wohl kaum öffentlich zur Wehr setzen werden, läuft
die lautlose Entsorgung des Skandals, der für die Verantwortlichen weitgehend
folgenlos geblieben ist.
Attacke auf Sparkassen
Für die deutschen Sparkassen hingegen dürfte sich die Risikoabschirmung der
Bankgesellschaft als ausgesprochen folgenreich erweisen. Denn mit dem
Risikoabschirmungsgesetz wurden nicht nur die Zeichner der »Schweinefonds«
weiter aus Steuergeldern gemästet, sondern die auf diese Weise versenkten
Milliarden stellten zudem eine staatliche Beihilfe dar. Solche Beihilfen indes
rufen, sofern machtvolle Interessen berührt sind, die EU-Kommission auf den
Plan, die auch in diesem Fall eilfertig eine Verzerrung des Wettbewerbs
witterte. Sie genehmigte die Beihilfe unter der Bedingung, daß das Land Berlin
bis Ende 2007 seine Anteile an der Bankgesellschaft verkauft. Tatsächlich zeigt
diese Auflage überdeutlich den ganzen Irrsinn europäischer Wettbewerbspolitik:
Das Hineinpumpen von Milliarden öffentlicher Haushaltsmittel in einen maroden
Konzern wird genehmigt – allerdings nur, wenn dieser Konzern anschließend
privatisiert und dadurch garantiert wird, daß der Sanierungserfolg jedenfalls
dem Steuerzahler, der ihn finanziert hat, nicht zugute kommt.
Nach europäischem Recht muß das Bieterverfahren außerdem »diskriminierungsfrei«
sein, d.h. private Banken dürfen gegenüber öffentlichen Banken (hierzu zählen
Landesbanken und Sparkassen) nicht benachteiligt werden. Dies ist jedoch ein
Problem, denn nach deutschem Recht ist es privaten Banken nicht erlaubt, eine
Sparkasse zu betreiben. Am Berliner Sonderfall hat sich daher ein Streit
zwischen der EU und Deutschland entzündet, der womöglich vor dem Europäischen
Gerichtshof landen wird. So wurde die Bundesregierung am 28. Juni von der
EU-Kommission aufgefordert, künftig auch privaten Banken die Verwendung des
Namens »Sparkasse« zu gestatten. Kein Wunder, daß der Deutsche Sparkassen- und
Giroverband über diese Entscheidung entsetzt ist, zählt doch das rote
Sparkassen-»S« zu den bekanntesten Firmenlogos in Deutschland, dessen Wert
allein auf einen zweistelligen Milliardenbetrag geschätzt wird.
Doch es geht um weit mehr als nur den Namen. Wenn das aus drei getrennten
Säulen (private Banken, Genossenschaftsbanken, öffentlich-rechtliche Banken)
bestehende Bankensystem erst einmal aufgebrochen ist, droht eine
Privatisierungswelle von Sparkassen mit verheerenden Folgen für Verbraucher,
mittelständische Unternehmen und Beschäftigte. Welche Folgen das haben kann,
läßt sich an Großbritannien studieren, wo es keine Sparkassen gibt und der
Markt von wenigen privaten Großbanken dominiert wird: Dort verfügen zirka 3,5
Millionen Haushalte über kein Girokonto, da es sich für die privaten Banken
schlicht nicht rentiert, auch für ärmere Bevölkerungsgruppen ein Konto
anzubieten (siehe Die Zeit, 3. Februar 2005).
Ob die EU-Kommission sich durchsetzen wird, ist allerdings noch unklar. So hat
die Bundesregierung versprochen, den Namensschutz für Sparkassen zu verteidigen
und es auch künftig nur öffentlich-rechtlichen Instituten zu gestatten, den
Namen »Sparkasse« zu verwenden. Hinzu kommt, daß es der EU-Kommission laut
Artikel 295 des EU-Vertrags untersagt ist, sich in die Eigentumsordnung eines
EU-Mitgliedslandes einzumischen. Und wie die EU-Kommission dem Vorsitzenden des
Sparkassen- und Giroverbandes (DSGV) bestätigte, geht von Brüssel »keinerlei
Druck aus, Sparkassen an Private zu verkaufen.«(2)
Vorgeschobene Sachzwänge
Stellt sich also die Frage, wer für die erstmalige Versteigerung einer
Sparkasse tatsächlich verantwortlich ist. Der Berliner Senat behauptet, daß die
EU den Verkauf der Sparkasse erzwingen würde. In ihrer Antwort auf meine
schriftliche Anfrage hat die EU-Kommission jedoch darauf hingewiesen, »daß das
Land Berlin im Rahmen des Umstrukturierungsplans die Veräußerung der BGB
einschließlich der Berliner Sparkasse vorgesehen hat.« Eine zweite Anfrage, in
der ich um Einsicht in diverse Umstrukturierungspläne bat, wurde von der
Kommission abgelehnt, denn »Deutschland hat die Kommission darüber informiert,
daß es nicht mit der Verbreitung der Dokumente einverstanden ist.« Diese
Verheimlichungspolitik ist typisch und sowohl für die Bundesregierung als auch für
das Land Berlin sehr nützlich. Denn indem man auf vermeintliche Sachzwänge
verweist und der EU-Kommission den Schwarzen Peter zuschiebt, kann man
Protesten vor Ort den Wind aus den Segeln nehmen.
Fakt ist, daß in der Auflage der EU-Kommission an keiner Stelle der Verkauf der
Sparkasse gefordert wird. Und wie ein Sprecher von EU-Kommissar McCreevy
bestätigte, geht es der EU nur darum, im Falle eines Verkaufs sicherzustellen,
daß für alle potentiellen Käufer die gleichen Bedingungen gelten. Die Entscheidung
zum Verkauf der Sparkasse wurde also höchstwahrscheinlich vom Berliner Senat
getroffen, der im anstehenden Bieterverfahren auf einen möglichst hohen
Privatisierungserlös hofft. Dazu paßt, daß der Berliner Finanzsenator Sarrazin
schon vor Monaten die EU-Kommission um Hilfe gebeten und sich für eine schnelle
Beseitigung des Namensschutzes für Sparkassen stark gemacht hat.
Dazu paßt auch, daß Berlin als erstes Bundesland ein Sparkassengesetz
verabschiedet hat, welches der privaten Konkurrenz den Einstieg bei einer
Sparkasse ermöglicht. Wie Report Mainz am 20. März berichtet hat, wurde das
Gesetz von der Kanzlei Freshfields, Bruckhaus, Deringer erarbeitet – eine
»der besten Adressen für milliardenschwere Wirtschaftsdeals«, die »mit dem
Bundesverband deutscher Banken und vielen Großbanken über Berateraufträge eng
verbunden« ist.(3) Entsprechend sieht das Gesetz auch aus: So verfügt die
Berliner »Sparkasse« über kein eigenes Vermögen, keine eigene Banklizenz, und
auch die Gewinne sollen in die Taschen des privaten Trägers fließen. All dies
ist mit dem deutschen Kreditwesengesetz nicht vereinbar, d.h. man hat mit dem
Gesetz einen gefährlichen Präzedenzfall geschaffen, dem andere Länder womöglich
folgen werden.
Unbewältigter Skandal
Der Clou des Berliner Sparkassengesetzes besteht darin, daß man die Sparkasse
de facto privatisiert, die öffentlich-rechtliche Fassade jedoch aufrechterhält.
Letzteres ist nötig, da man den teuren Namen der Sparkasse ja behalten bzw.
mitverkaufen will. Die komplizierte Konstruktion des Sparkassengesetzes knüpft
damit an frühere Modelle der »Privatisierung unter Wahrung der
öffentlich-rechtlichen Rechtsform« an, die bei der Gründung der
Bankgesellschaft AG im Jahr 1994 sowie der Teilprivatisierung der Berliner
Wasserbetriebe im Jahr 1999 getestet wurden. In all diesen Fällen ging es
darum, private Investoren an den Vorteilen teilhaben zu lassen, die mit der
öffentlich-rechtlichen Rechtsform verbunden sind. Im Fall der Bankgesellschaft
Berlin war es vor allem die Haftung für sämtliche Risiken der Landesbank, von
der eine Beutegemeinschaft aus Politikern, Bankvorständen und Immobilienhaien
massiv profitiert hat. Im Fall der Berliner Wasserbetriebe wurden die privaten
Konzerne mit einer hohen und über mehrere Jahrzehnte laufenden Gewinngarantie
beglückt, d.h. auch hier wurde das Geschäftsrisiko vom privaten Investor auf
das Land Berlin abgewälzt. Im Fall der Berliner Sparkasse ist es die wertvolle
Marke, die sich die privaten Banken gerne aneignen würden – von der
Signalwirkung, die von einem Verkauf an private Investoren für ganz Deutschland
ausgehen würde, ganz zu schweigen. Um einen Verkauf an Private und damit einen
gefährlichen Präzedenzfall zu verhindern, wird der Deutsche Sparkassen- und
Giroverband (DSGV) gezwungen sein, mehrere Milliarden für eine Sparkasse und
einen Namen hinzublättern, die ihm eigentlich selbst gehören.
Es hat den Anschein, als hätte man aus dem Berliner Bankenskandal nichts
gelernt. Statt die Kosten und Risiken zu vermeiden, die sich ergeben, wenn man
öffentliche Unternehmen einem privaten Verwertungsinteresse unterstellt,
schafft man ein Sparkassengesetz, das es privaten Investoren ermöglicht, aus
dem Vermögen und dem guten Namen der Berliner Sparkasse Profit zu ziehen. Und
statt künftig zu verhindern, daß die Allgemeinheit für eine skrupellose
Bereicherungspolitik zur Kasse gebeten wird, riskiert man eine flächendeckende
Zerschlagung des öffentlichen Bankenwesens mit negativen Folgen für
Konsumenten, mittelständische Betriebe und Beschäftigte. Der Bankenskandal ist
also alles andere als bewältigt – das skandalöse Vorgehen bei der
Gründung der Bankgesellschaft wird vielmehr jetzt auf neuer Ebene reproduziert:
So wie Mitte der neunziger Jahre die in der Berliner Sparkasse angesammelten
Spargroschen geplündert wurden, um die angeschlagene Berliner Bank zu sanieren,
soll jetzt der Sparkassen- und Giroverband für den Bankenskandal bluten und
tief in die Tasche greifen, um zu verhindern, daß die Berliner Sparkasse im
anstehenden Bieterverfahren in private Hände gerät.
(1) Vgl. bspw. Klaus Lederer, Privatisierung der Berliner Sparkasse?, in: rls
Standpunkte 5/2006
(2) EU respektiert deutsches Drei-Säulen-System, Pressemitteilung des DSGV vom
28.06.2006
(3) Hechler, Daniel (2006): Sparkassen-Verkauf - Der Einfluß der Banken-Lobby.
Report Mainz vom 20. März 2006 URL:
www.swr.de/report/archiv/sendungen/060320/04/frames.html
Die junge Welt wird herausgegeben von 565 Genossinnen und Genossen (Stand:
3.7.2006)