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Rundbrief Nr. 2 // 26. April
2006 - Stoppt den Börsenwahn –
Bahn-für-alle - info@bahn-fuer-alle.de
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Liebe Interessierte,
dies ist der zweite Rundbrief der Kampagne zur Verhinderung eines
Börsenganges der Deutschen Bahn. Der erste Rundbrief ist nicht
veraltet, ihr könnt ihn unter http://www.bahn-fuer-alle.de
nachlesen. Wer diesen Rundbrief regelmäßig erhalten
möchte, kann ihn auf dieser Seite abonnieren oder eine Mail an
info@bahn-fuer-all.de senden. Auf unserer Homepage findet ihr
auch diesen Rundbrief bereits als .pdf- Datei. Vorschläge für
den nächsten Rundbrief, Kritik und Verbesserungsvorschläge
jederzeit erwünscht.
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Inhalt:
1. Zwölf Gründe gegen den Börsengang der Bahn
2. Ein Leserbrief an die entstehende Kampagne
3. Radiosendung mit Prof. Karl-Dieter Bodack auf der Web-Seite
4. Zur personellen Verquickung von Bahn und Bahn-Konkurrenz
5. Highlight: FRplus zur Bahn auf unserer Webseite
6. Was wir wollen – wer wir sind
7. Wichtige Termine
8. Impressum
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1. Zwölf Argumente gegen eine
Privatisierung der Deutschen Bahn AG ohne Netz
(von Winfried Wolf)
In der Debatte um einen Bahn-Börsengang heißt es oft: Ein
Verkauf der DB AG an private Investoren OHNE Netz ist ein „kleineres
Übel“ oder von Vorteil, da „Wettbewerb Fortschritt“ bringe. Dazu
zwölf Gegenargumente. (Eine ausführliche Fassung dieses
Textes findet sich unter
http://bahn-fuer-alle.de/?id=Bahn.Texte.12-Argumente-gegen-
Boersengang-lang )
1. Der Wert des Bahnbetriebs – vor allem des rollenden Materials (Loks,
Waggons, Triebfahrzeuge usw.) liegt bei einem Vielfachen dessen, was
beim Verkauf der Bahnverkehrsgesellschaften (DB Regio, DB Reise &
Touristik, DB Railion oder Schenker) erzielt werden soll. Es sollen
Milliarden Euro verschenkt werden.
2. Alle Privatisierungsmodelle gehen davon aus, dass der Staat nach der
Privatisierung ähnliche Summen für das System Schiene
ausgeben muss wie vor der Privatisierung. Im Fall einer
Bahnprivatisierung ist der Einfluss auf die Verwendung dieser Gelder
allerdings weit geringer als heute. Also: Gleiche Staatsknete – weniger
Einfluß.
3. Alle Privatisierungsvarianten gehen davon aus, dass der
Fernverkehr und der Nahverkehr im Verkehrsmarkt Marktanteile verlieren.
Das heißt: Auch die Betreiber der Privatisierung sagen, dass mit
einem Börsengang der DB AG die Schiene weiter im Verkehrsmarkt an
Boden verlieren wird.
4. Mehr als bei den konkurrierenden Verkehrsträgern Straße
und Luftverkehr sind im Schienenverkehr die Verkehrsmittel (Loks,
Waggons, Triebfahrzeuge usw.) eng mit der Schiene verzahnt. Kommt es zu
einer Trennung, so werden Standards von Service und Sicherheit
gefährdet. Darüber hinaus führt die Trennung zu neuen
Synergieverlusten.
5. Private Investoren rechnen mit zehn und mehr Prozent Kapitalrendite
– mehr als das Vierfache der aktuellen Gewinne der DB AG. Da unter den
gegebenen Bedingungen relevante Steigerungen im Schienenverkehr nicht
erwartet werden, können solche Renditen nur erzielt werden: durch
Mehreinnahmen bei den Fahrgästen (Fahrpreiserhöhungen), durch
weniger Service für die Fahrgäste, durch weniger Personal und
niedrigere Arbeitseinkommen und durch (abgepresste) höhere
Subventionen. Real wird es wohl einen Mix aus all dem geben.
6. Private Bahnbetreiber werden sich auf diejenigen Strecken
konzentrieren, die die höchste Rendite abwerfen. Sie werden im
Umkehrschluss solche Strecken, die niedrige Renditen bringen,
ausdünnen oder nicht mehr betreiben bzw. sie werden Bund und
Länder und Kommunen zu höheren Unterstützungsleistungen
erpressen, wenn auf diesen ein weiterer Betrieb aufrecht erhalten
werden soll.
7. Private Bahnbetreiber haben oft eine Verbesserung des Services mit
sich. Allerdings handelt es sich bei manchen dieser erfolgreichen
„privaten“ Bahngesellschaften um Betreiber, die sich ebenfalls in
öffentlichem Eigentum befinden. Dezentrale Formen des
öffentlichen Eigentums sind oft von Vorteil gegenüber einer
zentralisierten „Staatsbahn“. Entscheidend ist, dass sich die
erfolgreichen „rein privaten“ Betreiber im Personenverkehr so gut wie
ausschließlich im Bereich des Nahverkehrs finden, dort wo rund 70
Prozent der entstehenden Kosten durch Steuergelder
(Regionalisierungsmittel) finanziert. Es ist unternehmerisch keine
Leistung, bei 70 Prozent garantierten Staatszuschüssen
gewinnbringend zu wirtschaften.
Im übrigen legt es jedes vernünftige Marketing nahe, am
Beginn eines solchen Engagements „gut Wetter“ zu machen – u.a. indem im
Wortsinn „Farbe in den Betrieb“ gebracht und die Züge neu lackiert
oder einige Nettigkeiten (wie aushängende Zeitungen, Café
im Zug usw.) geboten werden. Mittelfristig ist oft bald der Lack ab.
Siehe Großbritannien: Das hierzulande öfters gelobte
Unternehmen Connex (heute: Veolia) bot in Großbritannien eine
derart schlechte Performance, dass die Aufsichtsbehörde es diesem
Betreiber zeitweilig untersagte, an neuen Ausschreibungen für
Bahnkonzessionen überhaupt teilzunehmen.
8. Private Betreiber richten den Betrieb nach den eigenen Interessen
und Bedürfnissen aus. Darunter leiden ein einheitlicher Fahrplan,
einheitliche Tarife, einheitliche soziale und Sicherheits-Standards. Im
Ergebnis bekommen wir einen Flickenteppich auf all diesen Ebenen. Wird
aber all das „reguliert“, dann gibt es keinen Wettbewerb mehr. Doch
genau dies soll ja angeblich Zweck der Übung sein.
9. Das Kapital, das allein im Eisenbahnbetrieb – ohne das Netz –
angelegt ist, hat einen Wert von rund 40 Milliarden Euro. Solche
Anlagen amortisieren sich in 10 bis 20 Jahren. Eine
betriebswirtschaftlich korrekte Gewinn- und Verlustrechung müsste
jährlich mindestens zwei Milliarden Euro an Abschreibungen
(Kosten) auf das rollende Material buchen. Entsprechend müssten
große Rückstellungen angelegt werden, um bei Eintreten des
technischen Verschleißes der Anlagen diese vernutzen Anlagen
(Loks, Triebfahrzeuge, Waggons) neu beschaffen zu können.
Private Investoren wollen jedoch kurzfristig hohe Gewinne und hohe
Dividenden erzieelen. Sie haben kein Interesse an hohen
(Abschreibungs-) Kosten. Ob in zehn oder zwanzig Jahren ausreichend
Rückstellungen da sind, um z. B. die ICE-Flotte zu erneuern, ist
für sie nicht von Interesse.
Bei privaten Investoren droht, dass sie auf Verschleiß fahren und
sich nach zehn oder fünfzehn Jahren verabschieden. Der Staat kann
dann prüfen, ob das System Schiene durch eine Investition von
Dutzenden Milliarden Euro reaktiviert werden kann.
10. Grundsätzlich gibt es auf der Schiene systembedingt keinen
klassischen Wettbewerb, wie es ihn auf der Straße, in der Luft
und im Binnenwasserverkehr gibt. Die enge Verzahnung des Rad-Schiene-
Systems lassen private Betreiber kaum direkt untereinander
konkurrieren. In der Regel erhalten private Betreiber Konzessionen
für ein bestimmtes Netz, eine bestimmte Strecke und dies für
einen festgelegten Zeitraum. Es kommt zur Bildung von regionalen
Monopolen und meist bald zur Konzentration unter den privaten
Betreibern, so dass es Oligopole im Gesamtnetz und Monopole in
Teilnetzen gibt. Damit gibt es die erhofften Vorteile eines echten
Wettbewerbs nicht: Das Gegenteil ist der Fall: Die Verkehrsnutzer
werden abhängig von der Willkür der privaten Oligopolisten
und Monopolisten.
11. Wenn einzelne private Betreiber in indirekte Konkurrenz zueinander
treten, dann findet der tatsächliche Wettbewerb in der Regel im
Bereich des Sozialdumpings statt. Dies ist bereits heute dort zu
beobachten, wo Strecken und Netze ausgeschrieben werden. Der Druck auf
die Löhne der Beschäftigten hat sich deutlich erhöht,
obgleich deren Arbeitseinkommen an der unteren Skala vergleichbarer
Berufsgruppen liegt. Sozialdumping steht auch in Widerspruch zu den
Interessen der Fahrgäste, für die dies mit einem weiteren
Abbau von Service und Sicherheit verbunden ist.
12. Der Verkauf des Bundeseigentums an der DB AG muß unter den
Bedingungen eines Verkehrsmarkts, der vom Auto und vom Flugzeug
beherrscht wird, zum Einstieg von Investoren verlocken, die direkte
Konkurrenzinteressen vertreten. In Großbritannien stiegen in
großem Maßstab Busgesellschaften (u.a. Stage Coach) und
Airlines (Virgin) als Bahnbetreiber ein. Damit wird der Schienenverkehr
nach den Interessen der Konkurrenz gelenkt.
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2. Ein Leserbrief an die entstehende
Kampagne
Sehr geehrte Damen und Herren,
… Die Bahnbeschäftigten stehen schon heute unter so enormen
Leistungsdruck, dass das Arbeiten in diesem Unternehmen den wenigsten
Beschäftigten noch Spaß macht. Die, die noch einen
Arbeitsplatz haben, können ihre zu leistende Arbeit nur noch auf
Lücke erledigen. Die Arbeitsverdichtung hat dazu geführt,
dass eine Arbeitskraft heute um 140 % effektiver arbeitet als vor der
Bahnreform 1994. Der zeitnah angestrebte Börsengang hat dazu
geführt, dass an wirtschaftliche Arbeitsweise nicht mehr zu denken
ist. Es wird gespart, egal was es kostet, Hauptsache die eigene
Kostenstelle wird nicht belastet. Der Bogen wurde in den letzten 5
Jahren überspannt. Die Folge: Arbeit bleibt liegen, Zahlen werden
so gedreht bis sie passen, und die Beschäftigten werden so um Ihre
Gesundheit gebracht. Innere Kündigung und Resignation des
Personals sind die Folgen dieser ungesunden Firmenpolitik.
Strukturelles Mobbing ist bei der Bahn in fast allen Ebenen, wie in
anderen Firmen, zur festen Kultur geworden. Das stört das
empfindliche Gefüge der Bahn schwer, weil sie wie kein anderer
Betrieb auf Kooperation aller Beschäftigten angewiesen ist, um gut
und reibungslos funktionieren zu können. Jede Trennung von Netz
und Betrieb würde dies deutlich erschweren. Es wäre so, als
würde man einem Menschen die Lunge herausoperieren und behaupten,
sie/er könne auch künftig ohne die Lunge weiteratmen. Das
kann nicht funktionieren, dass weiß jede/r, auch ohne Medizin
studiert zu haben. …
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3. Deutschlandfunk-Radiosendung mit
dem Bahnexperten Karl-Dieter Bodack
Am 2.4.06 gab es im Deutschlandfunk unter der Rubrik
„Zwischentöne“ ein einstündiges Gespräch mit dem
Bahnexperten Karl-Dieter Bodack. In der sehr informativen Sendung geht
es um den Interregio, die alte und neue Bahn-Philosophie, u.v.a.m… Die
Sendung kann unter www.bahn-fuer-alle.de/?id=bahn.texte
heruntergeladen werden. Karl- Dieter Bodack war lange Jahre bei der
Bahn in Stabs- und Führungspositionen beschäftigt und ist z.
Zt. Professor an der FH Coburg tätig. Prof. K.D. Bodack war fast
30 Jahre in Stabs- und Führungspositionen der DB und DB AG,
initiierte das InterRegio-Netz der DB, beriet die TUI, die Norwegische
und Namibische Bahn bei der Realisierung besonderer Zugsysteme,
arbeitet als freiberuflicher Berater und lehrt an der
Fachhochschule Coburg. Sein Buch: InterRegio, die abenteuerliche
Geschichte eines beliebten Zugsystems, erschienen 2005 im EK-Verlag
Freiburg, berichtet mit Bildern, Daten, Fakten, Hintergründen den
Aufbau und Zerstörung dieses meistgefragten Zugsystems und
spiegelt damit die aktuelle Situation der DB AG.
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4. Endspurt beim Projekt Bahn an die
Börse
Zur personellen Verquickung von Bahn und Bahn-Konkurrenz
Von Winfried Wolf
Die Meldung vom 21. April passt ins Bild: Der Vorstandsvorsitzende der
Deutschen Bahn AG, Hartmut Mehdorn, wurde eingeladen, in der
Unternehmensspitze eines Billig-Fliegers als Aufsichtsrat zu wirken.
Ein weiterer Meilenstein im Ausverkauf der Interessen der
Fahrgäste und der Bahnbeschäftigten und die Aufgabe des
Konzeptes von einem Schienenverkehr als potentieller Alternative zum
Straßenverkehr und zum Kurzstreckenverkehr in der Luft. Nicht nur
Mehdorn, auch andere Spitzenmanager wiesen vielfältige
Interessensverflechtungen mit konkurrierenden Unternehmen auf. Unter
www.bahn-fuer- alle.de/?id=bahn.texte der hervorragend
recherchierte Text von Winfried Wolf.
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5. Dreingabe: FRplus zur Bahn auf
unserer Webseite
Nach Absprache mit der Frankfurter Rundschau stellen wir die drei
Seiten des FRplus vom 8.1.2004 auf unsere Homepage. Die Texte
anlässlich des 10jährigen Jubiläums der Bahnreform sind
noch längst nicht veraltet und geben einen tiefen Einblick in die
Arbeit von Lokführern, es gibt Interviews mit Vorstandsmitgliedern
des Konzerns und der Gewerkschaft der Lokomotivführer, sowie
ausführliche Daten und Fakten zur Bahn. Alles unter
www.bahn-fuer-alle.de/?id=bahn.texte
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6) Bahn für alle: Was wir wollen
– wer wir sind
Wir streben eine integrierte Bahn in öffentlicher
Trägerschaft an. Wir wenden uns gegen die größte
Plünderung öffentlichen Eigentums des letzten Jahrzehnts –
den Börsengang der Bahn! Bisher sind mit dabei: Aktivisten von
Attac, die Bahnexpertengruppe „Bürgerbahn statt Börsenbahn“,
Robin Wood, die kritische Gewerkschafter-Initiative „Bahn-Von-Unten“
und UMKEHR e.V., Berlin. Als Bündnis haben wir uns den Namen
gegeben: „BAHN-FÜR-ALLE“. Wir sind dabei, mit weiteren Initiativen
und Vereinen Kontakt aufzunehmen – und Kontakt zu suchen. Jeder ist
willkommen. Weitere Informationen unter http://www.bahn-fuer- alle.de .
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7) Zentrale Termine:
Auf dem Attac-Ratschlag vom 28.-30.4. in Braunschweig (
http://www.attac.de/ratschlag ) wird Winfried Wolf am Samstag, dem
29.April um 14 Uhr einen Einführungsvortrag zu dem Thema halten.
Kurz darauf wird es einen Workshop zum Thema der Kampagne gegen die
Bahnprivatisierung mit Hendrik Auhagen geben. Am Abend gegen 19.30h
wird die Kampagne gegen die Bahnprivatisierung im Plenum vorgestellt
werden.
Sonntag, 7.5.: Erstes großes Kampagnentreffen der Gruppe in
Frankfurt am Main im Gewerkschaftshaus (Bahnhofsnähe). Beginn
voraussichtlich 11h. (Exakte Angaben zu Ort und Zeit werden noch
bekannt gegeben).
Mittwoch, 10. 5.: Anhörung im Verkehrsausschuss des Deutschen
Bundestags in Berlin zum Thema Bahnprivatisierung / PRIMON-Gutachten.
Auf dieser Veranstaltung werden rund ein Dutzend tatsächliche und
vermutete Experten den MdBs Rede und Antwort stehen. Die Anhörung
ist öffentlich.
DONNERSTAG, 1. 6.: Eine weitere öffentliche Anhörung zum
gleichen Thema und ebenfalls vom Verkehrsausschuss des Bundestages
veranstaltet, auf der vor allem die Verbände, Gewerkschaften etc.
zum Thema Bahnprivatisierung Stellung nehmen werden (Ort und Zeit wird
noch bekannt gegeben).
Ende September 2006: Es ist erklärtes Ziel der Regierung, zu
diesem Zeitpunkt über die Zukunft der Deutschen Bahn zu
entscheiden.
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Impressum für
diesen Rundbrief:
Harald Klimenta
(V.i.S.d.P., klimenta@attac.de, www.harald- klimenta.de,
Michael-Burgau-Str. 9, 93049 Regensburg)
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Mailingliste der
bundesweiten
Attac-AG
"Finanzmärkte"
Administration d.
Liste: Philipp.Hersel@blue21.de
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