Was will Attac? ( Entwurf vor dem Ratschlag am 24. - 26.05.2002 )
Die Globalisierung ist ein Umbruch von historischen Dimensionen. Sie verändert die Gesellschaft mit enormem Tempo und greift tief in unsere Lebensbedingungen ein.
Sie wird bisher einseitig von mächtigen Wirtschaftsinteressen dominiert, von großen Banken, Investmentfonds, Transnationalen Konzernen und anderen großen Kapitalbesitzern. Ihr Leitbild ist der Neoliberalismus. Nach dieser Ideologie lassen sich die gesellschaftlichen Probleme am besten lösen, wenn man sie dem Markt und den Privatunternehmen überlässt.
Das neoliberale Versprechen, die Globalisierung bringe Wohlstand für alle, hat sich jedoch nicht erfüllt, im Gegenteil:
· Die soziale Kluft zwischen Nord und Süd wird tiefer: Während die Reichen immer reicher werden, wächst die Armut in der Dritten Welt. Durch Finanz- und Wirtschaftskrisen werden über Nacht ganze Volkswirtschaften ruiniert und verlieren Hunderttausende ihren Arbeitsplatz.
· Die Armut ist in die Industrieländer zurückgekehrt. Auch bei uns nehmen soziale Unsicherheit, Ausgrenzung und Ungerechtigkeit zu. Die sozialen Sicherungssysteme werden abgebaut und sind von Privatisierung bedroht. Renten, Gesundheit, Bildung sollen zur Ware werden.
· Demokratie und Parlamentarismus werden untergraben, weil die Global Players mit der Drohung, den „Standort" zu wechseln, zunehmend die Politik diktieren. [Dissens: „Demokratische Rechte werden...“ statt „Demokratie und Parlamentarismus“]
· Neue Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern entstehen. Die Deregulierung der Arbeitsmärkte und der Sozialabbau werden wesentlich mithilfe unter- und unbezahlter, flexibler Frauenarbeit vollzogen.
· Die Lösung der Umweltprobleme wird verschleppt. Die natürlichen Lebensgrundlagen werden durch Unterwerfung unter die Marktlogik zerstört.
· Kulturelle Vielfalt wird durch eine ökonomisch mächtige Kulturindustrie eingeebnet. Die Suggestivkraft von Werbung und Markenlogos bestimmt immer stärker Wertorientierungen und gesellschaftliche Leitbilder.
Die neoliberale Globalisierung hat sehr viele Verlierer und nur wenige Gewinner hervorgebracht. Sie begünstigt damit politische Destabilisierung und ist ein Nährboden für Gewalt, Krieg und Terrorismus. Dies führt zur Rechtfertigung von weltweiter Aufrüstung, von Militarisierung und zur Aushöhlung demokratischer Rechte.
Wir brauchen eine andere Politik!
Die neoliberale Globalisierung ist jedoch keineswegs schicksalhaft und alternativlos. Sie ist von den Regierungen der großen Industrieländer und mit Hilfe von Internationalem Währungsfonds (IWF), Weltbank und Welthandelsorganisation (WTO) zielgerichtet betrieben worden. Dazu gab und gibt es wirtschafts- und gesellschaftspolitische Alternativen.
Es geht nicht um ein Zurück zu vermeintlich idyllischen Zuständen des vergangenen Jahrhunderts. Notwendig ist die Globalisierung von sozialer Gerechtigkeit, demokratischer Selbstbestimmung und umweltgerechtem Verhalten. Noch nie waren die Möglichkeiten dazu so groß. Noch nie war so viel Wissen vorhanden, die technischen und ökonomischen Voraussetzungen so günstig.
Diese Ziele sind nur durchsetzbar, wenn es eine starke, international handelnde gesellschaftliche Bewegung für eine andere Globalisierung gibt. Attac ist Teil dieser Bewegung.
Als Einstieg in eine Globalisierung, die allen Menschen zugute kommt, setzt sich Attac ein für:
· Die Einführung einer Steuer auf internationale Finanztransaktionen (sog. Tobinsteuer) und die Verwendung der Einnahmen für internationale Umwelt- und Entwicklungs-aufgaben.
· Die Schließung der Steueroasen, die Regulierung von Derivaten und das Verbot von hochspekulativen Fonds (sog. Hedge-Funds).
· Die stärkere Besteuerung von Kapitaleinkünften und großen Vermögen.
· Die Stabilisierung der Wechselkurse zwischen US-Dollar, Euro und Yen. [Dissens: Ein Teil der Redaktionsgruppe ist für Streichung dieses Punktes]
· Die Lösung der Schuldenkrise der Entwicklungsländer, die Beendigung der neoliberalen Strukturanpassung sowie die Ablösung der Diktatur der Gläubiger durch ein faires und transparentes Verfahren.
· Eine Welthandelsordnung, die den Interessen der Entwicklungsländer, der sozial Benachteiligten und der Umwelt Vorrang einräumt.
· Die grundlegende, demokratische Umgestaltung und politische Neuorientierung von IWF, Weltbank und WTO. [Dissens: Abschaffung]
· Eine demokratische und soziale Europäische Union, die sich an den Bedürfnissen der Menschen und der Solidarität mit den anderen Teilen der Welt orientiert. [Dissens: Abschaffung]
· Eine demokratische Reform der öffentlichen Dienstleistungen. Wir setzen uns ein für ein Niveau sozialer Sicherung, das allen ein menschenwürdiges Leben ermöglicht. Wir wenden uns gegen die Privatisierung des Gesundheits- und Bildungssystems und des öffentlich rechtlichen Rundfunks. [Dissens, ob wir uns gegen alle Privatisierungen wenden sollen.]
· Wir treten ein für ein System der solidarischen Alterssicherung.
· Die Privatisierung öffentlicher Güter wie Wasser und genetischer Ressourcen lehnen wir ab.
· Umverteilung und Umbewertung von Erwerbs- und unbezahlter Arbeit im Rahmen der internationalen und geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung.
· Eine soziale und ökologische Gestaltung der Landwirtschaft. Gentechnisch veränderte Produkte und Patente auf Leben lehnen wir ab.
· Die Regulierung und Einschränkung der Macht transnationaler Konzerne, u.a. durch Besteuerung, existenzsichernde Löhne, Arbeitsrechte, Gleichstellungsauflagen, soziale und ökologische Standards.
· Die zivile und friedliche Konfliktlösung. Eine Militarisierung der Außenpolitik und Kriegseinsätze der Bundeswehr im Ausland lehnen wir ab.
[In der Redaktionsgruppe gab es Dissens, ob zum Bereich Arbeitslosigkeit Forderungen aufgenommen werden sollen oder ob der laufende Diskussionsprozess abgewartet werden soll.]
Die Welt ist keine Ware – eine andere Welt ist möglich!