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SPD-Bezirksvorstand beschließt außerordentlichen Bundesparteitag

(redaktion) Der Bezirksvorstand der SPD Hessen-Süd hat am 3.2.2003 die Einberufung eines außerordentlichen Bundesparteitages beschlossen. Der genaue Wortlaut des Beschlusses:
 

Beschluss des Bezirksvorstands Hessen-Süd vom 03.02.2003

"Rückbesinnung nach dem Wahldesaster"
 

1. Die Wahlergebnisse der SPD bei den Landtagswahlen in Hessen und Niedersachsen am 02.02.2003 markieren einen weiteren Tiefpunkt des sozialdemokratischen Niedergangs nicht nur in Hessen und Niedersachsen. Dabei haben jeweils landespolitische Akzente offensichtlich für die SPD noch stabilisierend gewirkt. Denn nach den letzten Meinungsumfragen liegt die Partei bundesweit bei 25 %.

Die SPD hat ihre potentiellen Wählerinnen und Wähler in Hessen wie in Niedersachsen nur unzureichend mobilisieren können. Ursache hierfür war in erster Linie die bundespolitische Prägung dieser Wahlen.

2. Der sozialdemokratische Niedergang ist vorrangig eine Folge der Entfremdung der sozialdemokratischen Politik von ihrer gesellschaftlichen Wählerbasis seit 1999 durch neoliberale Experimente.

Dafür drei besonders markante Beispiele:

- Entgegen dem Kernbestand sozialdemokratischen Selbstverständnisses
 

- hat die sozialdemokratisch geführte Regierung die an sich notwendige Rentenreform zum Anlass genommen, den Einstieg in den Ausstieg aus der paritätischen Finanzierung des Rentensystems durch Arbeitgeber und Arbeitnehmer durchzusetzen.
 

- sind am Ende der sozialdemokratisch verantworteten Steuerreform die Konzerne weitestgehend steuerfrei gestellt und wird der Staat nur noch von den Arbeitnehmern und dem Mittelstand finanziert.
 

- sind die Städte und Gemeinden als Ergebnis sozialdemokratischer Steuerpolitik in die tiefste finanzielle Krise gestürzt.

Zu dem durch diese Politik verursachten Schrumpfungsprozess in den öffentlichen Haushalten, der dann zu der Steuererhöhungshektik nach der Bundestagswahl geführt hat, haben auch Wirtschaftsstrukturprobleme und das Ausbleiben des von der Regierung als Ergebnis dieser Politik mit großer Zuversicht vorausgesagten Wirtschaftsaufschwungs beigetragen. Aber eine Steuerreform, die eine auch nur annähernd intakte Finanzsituation der staatlichen Ebenen nur noch bei immerwährenden massiven Wachstumsschüben ermöglicht und damit die Möglichkeit nimmt, Arbeitslosigkeit über Beschäftigungspolitik gerade dann zu bekämpfen, wenn dies am nötigsten ist, entspricht dem neoliberalen, aber nicht dem sozialdemokratischen gesellschaftlichen Leitbild.

So ist die hohe Arbeitslosigkeit durch diese Politik nicht gesenkt worden, obwohl doch eine die Arbeitslosigkeit minimierende Politik von einer sozialdemokratisch geführten Regierung erwartet und auch versprochen wurde.

3. Die von dieser Politik verursachte Frustration in der sozialdemokratischen Wählerbasis schlug sich nieder in Umfragezahlen im Vorfeld der Bundestagswahl am 22.09.2002, die den Wahlverlust ankündigten. Der konnte
 

- durch Handlungsstärke der Bundesregierung bei der Hochwasserkatastrophe in Ost- und Süddeutschland und
 

- durch die klare Absage der Regierung an eine deutsche Beteiligung an dem bevorstehenden amerikanischen kolonialistischen Raubkrieg um die irakischen Ölfelder knapp verhindert werden.

Die vom Bundeskanzler selbst so genannte "Kakophonie" der sozialdemokratischen Politik am Beginn der neuen Legislaturperiode, insbesondere die erneute gegen das sozialdemokratische gesellschaftspolitische Grundverständnis sozialer Gerechtigkeit gerichteten neoliberalen Signale, beispielsweise

- die demonstrative Verhinderung der von den Länder-SPD-Organisationen, insbesondere auch von der hessischen und niedersächsischen SPD in ihren Wahlkampfaussagen geforderten Wiedereinführung der Vermögenssteuer und ihr sog. "Ersatz" durch Absenkung der Besteuerung leistungslosen Kapital-(Zins-)Einkommens sehr Wohlhabender unter die Lohnsteuerquote, die viele Arbeitnehmer für ihr Arbeitseinkommen zu tragen haben,

- die Ankündigung, die Arbeitslosigkeit durch Lockerung des Kündigungsschutzes für Arbeitnehmer bekämpfen zu wollen, obwohl doch die Wirkungslosigkeit dieses Versuches in den Zeiten gelockerter Kündigungsschutzregeln am Ende der Regierung Kohl eindrucksvoll bewiesen war,

- die Ankündigung der Bundesgesundheitsministerin von "Reformen" für die Zeit nach den Landtagswahlen, die die sozialdemokratische Wählerbasis nur als Bedrohung empfinden kann und die Befürchtung, dass unter dem Schlagwort "Eigenvorsorge" auch der neoliberale Ausstieg aus der paritätischen Finanzierung der Krankenversicherung durch Arbeitgeber und Arbeitnehmer begonnen werden soll, haben zur erneuten verheerenden Frustration der sozialdemokratischen Wählerschaft geführt, die schließlich auch nicht durch den Versuch, die Landtagswahlen zu einer Abstimmung über die amerikanischen Kriegspläne zu machen, vollständig zu überwinden war.

4. So sind die Landtagswahlen vom 02.02.2003 nach allgemeiner Bewertung ein Denkzettel für die SPD-Politik, der in der Tat Anlass zum Nachdenken, zur Rückbesinnung und zur Korrektur des Kurses der Bundes-SPD sein muss.

Geschieht dies nicht, droht gar im Zusammenspiel mit der konservativen Mehrheit im Bundesrat eine Verschärfung der neoliberalen Experimente, wird dies die Sozialdemokratie in den endgültigen Niedergang führen.

Die in den letzten Jahren besonders stark sinkenden Mitgliederzahlen sind ein Menetekel, das nicht länger nur mit steigenden Mitgliedsbeiträgen beantwortet werden darf.

Seit dem Wechsel im Parteivorsitz 1999 überwiegt die Austrittswelle erheblich die Zahl der Neueintritte.

Seit 1999 haben allein im Bezirk Hessen-Süd über 8.200 zum Teil sehr langjährige Mitglieder, auch viele ehrenamtliche Leistungsträger, die SPD verlassen. Soweit sie dies begründet haben, geschah dies überwiegend mit dem Hinweis auf die Bundespolitik.

Eine Fortsetzung des neoliberalen Fehlweges der SPD droht diesen Exodus und den politischen Niedergang der Partei noch zu beschleunigen.

5. Wir fordern, dass die innerparteiliche Demokratie wieder hergestellt wird und die Partei die Entscheidung über die Grundlinien der Politik trifft.

Deshalb wollen wir die Einberufung eines außerordentlichen Bundesparteitags zur Diskussion der Lage der SPD und zur Neubestimmung ihrer Politik.

( Der Text ist der Homepage von SPD- Bezirk Hessen-Süd unter http://www.spd-hessensued.de/artikel.php?id=19 entnommen und stand auch im "Sozialdemokrat", der Regionalteil ist vom "Vorwärts", März 2003 )