Quelle :
http://216.239.37.104/search?q=cache:mnVEVGw0eqkJ:141.90.2.45/cache/DRS/16/7/00327.pdf+sale+lease&hl=de&lr=lang_de&ie=UTF-8
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Große Anfrage der Abg. Hartmann, Hofmeyer, Rudolph, Schaub, Waschke (SPD) und Fraktion betreffend Kommunalleasinggeschäfte

Aufgrund der stark angespannten Finanzsituation der Kommunen glauben immer mehr Landkreise, Städte und Gemeinden, im Wege von Leasingge-schäften die kommunalen Haushalte aufbessern zu können. Jüngste Beispiele in Hessen sind u.a. der Kreis Waldeck-Frankenberg, der sich durch die Einbringung kreiseigener Liegenschaften in ein Erbschaftssteu-er- und Schenkungssteuer-Spar-Modell zusätzliche Einnahmen verspricht, und die Stadt Frankfurt/Main, die ihre desolate Finanzsituation dadurch aufzubes-sern sucht, dass sie ihre kompletten U-Bahn-Anlagen im Rahmen eines "cross-border-leasing"-Geschäfts an einen amerikanischen Investor verpach-ten will. Bekanntermaßen bringen solche Leasingmodelle nicht nur Vorteile für die jeweiligen Kommunen, sondern können auch zu erheblichen Verlusten und Belastungen der Bürgerinnen und Bürger führen. So hat z.B. der Main-Taunus-Kreis für sein Kreishaus aufgrund eines Leasinggeschäfts inzwischen ein Vielfaches von dem für die Nutzung des Gebäudes zahlen müssen, was er an Kosten gehabt hätte, wenn die Immobilie von Anfang an Eigentum des Kreises gewesen wäre. Und auch die Stadt Frankfurt/Main wird trotz fehlen-der Haushaltsmittel voraussichtlich circa. 70 Mio. € für das Jahr 2006 zusätz-lich einplanen müssen, um das 1994 über das Technische Rathaus abgeschlos-sene Leasinggeschäft abzuwickeln.

Wir fragen die Landeregierung :

1. Wie oft wurden durch die Kommunalaufsichtsbehörden in der Zeit seit 1999 Leasinggeschäfte hessischer Kommunen genehmigt?
a) Um welche Form des Leasings handelte es sich dabei jeweils?
b) Welche Kommunen haben jeweils eine solche Genehmigung bean-tragt?
c) Was war in den jeweiligen Kommunen Gegenstand des Leasinggeschäfts?
d) In welchem Umfang lagen der Kommunalaufsicht jeweils die dem Leasinggeschäft zugrunde liegenden Verträge vollständig zur Prü-fung vor?

2. Wie oft wurde von den Kommunalaufsichtsbehörden in der Zeit seit 1999 die Genehmigung zum Abschluss eines Leasinggeschäfts ver-weigert?
a) Um welche Form des Leasings handelte es sich hierbei?
b) Welche Kommunen betraf dies jeweils?
c) Was war in diesen Fällen jeweils Gegenstand des Leasinggeschäfts?

Eingegangen am 2. Juli 2003 · Ausgegeben am 10. Juli 2003

Druck und Auslieferung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden

Drucksache16/32702. 07. 2003 16. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG
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d) In welchem Umfang lagen der Kommunalaufsicht jeweils die dem Leasinggeschäft zugrunde liegenden Verträge vollständig zur Prü-fung vor?
e) Aus welchen Gründen wurde die Genehmigung zum Abschluss eines Leasinggeschäfts in den jeweiligen Fällen verweigert?

3. Welche konkreten Kriterien müssen nach Auffassung der Landesregierung erfüllt sein, damit ein genehmigungspflichtiges Leasinggeschäft von der Kommunalaufsicht genehmigt werden kann?
a) Wenn es sich dabei um "cross-border-leasing" handelt?
b) Wenn es sich dabei um "sale-and-lease-back"-Geschäfte mit einem Finanzierungsvorteil bei der Erbschafts- und Schenkungssteuer handelt?
c) Wenn es sich dabei um sonstige handelt?

4. Unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang bedarf es nach Auffassung der Landesregierung jeweils bei der Durchführung der in Frage 3 genannten Leasinggeschäfte einer Genehmigung durch die Aufsichtsbehörde? (Darstellung bitte nach den einzelnen Modell-varianten.)

5. In welchem Umfang ist vor Abschluss eines Leasinggeschäfts eine Ausschreibung hinsichtlich des so genannten Arrangeurmandats und in Bezug auf den Leasingvertragspartner erforderlich?
a) In welchen Fällen in Hessen ist eine solche nationale oder interna-tionale Ausschreibung erfolgt?
b) In welchen Fällen in Hessen ist eine solche nationale oder interna-tionale Ausschreibung nicht erfolgt?
c) Welche Erkenntnisse hat die Landesregierung über eine Aus-schreibung durch die Stadt Frankfurt/Main hinsichtlich ihres aktuellen "cross-border-leasing"-Vorhabens?

6. Nach welchen Kriterien sollte nach Auffassung der Landesregierung eine Auswahl der jeweiligen Vertragspartner erfolgen?

7. Welche Risiken bestehen nach Auffassung der Landesregierung für die Kommunen beim Abschluss von Leasinggeschäften? (Dargestellt bitte nach den unter Frage 3 aufgeführten Leasingvarianten.)

8. In welchem Umfang findet die Beurteilung der bestehenden Risiken Eingang in die Entscheidung der Kommunalaufsicht, ob ein Leasing-geschäft genehmigt wird oder nicht?

9. Auf welche Weise überprüft die Kommunalaufsicht die Risiken, die sich durch die Anwendung ausländischen Rechts auf das zu genehmi-gende Rechtsgeschäft - z.B. beim "cross-border-leasing" mit US-Investoren - ergeben?

10. Wie beurteilt die Landesregierung den Kenntnisstand und den Bera-tungsaufwand derjenigen Kommunen, die mit US-Investoren "cross-border-leasing"-Verträge abgeschlossen haben oder abschließen wol-len, bezüglich der Anwendbarkeit des US-amerikanischen Rechts sowie der sich hieraus ergebenden Folgen?

11. In welchem Umfang prüft die Kommunalaufsicht im Rahmen des Genehmigungsverfahrens, ob einer Kommune durch Änderungen der Gesetzeslage im In- oder Ausland finanzielle Risiken entstehen?

12. In welchem Umfang prüft die Kommunalaufsicht im Rahmen des Genehmigungsverfahrens, ob einer Kommune durch veränderte Bedarfsentwicklungen oder andere die Verwendung des Leasinggegen-standes einschränkende Entwicklungen finanzielle Risiken entstehen?

13. Wen trifft beim Abschluss
a) eines "cross-border-leasing"-Geschäfts;
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Hessischer Landtag · 15. Wahlperiode · Drucksache 16/327

3b) eines "sale-and-lease-back"-Geschäfts mit einem Finanzierungs-vorteil bei der Erbschafts- und Schenkungssteuer;
c) eines sonstigen "sale-and-lease-back"-Geschäfts in aller Regel bezüglich des Leasinggegenstandes die laufende In-standhaltungspflicht?

14. Kann davon ausgegangen werden, dass im Fall der Genehmigung eines Leasinggeschäfts durch die Kommunalaufsicht in Hessen die vertraglichen Risiken für die jeweilige Kommune - und damit für die Bürgerinnen und Bürger - derart gering sind, dass die Kommune in ihren strukturellen Planungen nicht eingeschränkt ist und ihr aus dem Rechtsgeschäft keine finanziellen Nachteile erwachsen können? Wenn nein, warum nicht?

15.
a) In welchem Umfang hält die Landesregierung die Grundsätze des Urteils des OLG Dresden vom 11. Juli 2001 (Az.: 6 U 254/01), das einer sächsischen Gemeinde gegenüber der Kommunalaufsicht einen Schadensersatzanspruch aufgrund einer rechtswidrigen Ge-nehmigungserteilung zubilligte, auf die hier in Rede stehenden Leasinggeschäfte und die Genehmigungspraxis der hessischen kommunalen Aufsichtsbehörden für übertragbar?
b) Welche Maßnahmen wurden von der Landesregierung seit Juli 2001 unternommen, um die kommunalen Aufsichtbehörden vor einer vergleichbaren Schadensersatzpflicht zu bewahren?

16. Liegen der Landesregierung Erkenntnisse über Abschlüsse und Abwicklungen von
a) "cross-border-leasing"-Geschäften;
b) "sale-and-lease-back"-Geschäften mit einem Finanzierungsvorteil bei der Erbschafts- und Schenkungssteuer;
c) sonstigen "sale-and-lease-back"-Geschäften aus anderen Bundesländern vor und wenn ja, welche sind dies?

17. Wie beurteilt die Landesregierung den Umstand, dass die bayerische Landesregierung noch zu Beginn dieses Jahres einen Gesetzentwurf gefertigt hatte, der zum Ziel hatte, die notwendige kommunalaufsicht-liche Genehmigung für Rechtsgeschäfte, die nicht nur eine Investition zum Gegenstand haben, sondern Dritten einen steuerlichen Vorteil verschaffen, an dem die Kommune partizipiert, zu versagen?

18. Teilt die Landesregierung die Auffassung der bayerischen Landesre-gierung, dass die Kommunen vor besonderen Risiken im Zusammenhang mit Leasingmodellen, deren Grundlage insbesondere steuerrechtliche Rechtsvorschriften aus dem Bereich außerhalb der Vertragsstaaten der EU sind, bewahrt werden müssten und daher es zu deren Schutz notwendig sei, dass der Abschluss solcher besonders risikoreicher Rechtsgeschäfte - wie dem "cross-border-leasing" - verhindert werde?
a) Wenn ja, auf welche Weise gedenkt die Landesregierung solche risikoreichen Rechtsgeschäfte künftig zu verhindern?
b) Wenn nein, wie begründet die Landesregierung ihre Auffassung?

19. Teilt die Landesregierung die Auffassung der bayerischen Landesregierung, dass Leasingmodelle, die darauf abzielen, Dritten inländische Steuervorteile (z.B. Erbschaftssteuer, Schenkungssteuer), an denen die Kommune partizipiert, zulasten des Staates zu verschaffen, mit der Stellung der Kommunen im Verband des Gesamtstaates nicht vereinbar seien und im gesamtstaatlichen Interesse nicht gebilligt werden könnten?
a) Wenn ja, auf welche Weise gedenkt die Landesregierung solche Rechtsgeschäfte zulasten der Allgemeinheit künftig zu verhindern?
b) Wenn nein, wie begründet die Landesregierung ihre Auffassung?
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20. Welche Auffassung vertritt die Landesregierung hinsichtlich der in Frage 3 aufgeführten Leasingmodelle und der damit für die Kommunen verbundenen Risiken und welche Maßnahmen wird sie ergreifen, um die hessischen Kommunen vor den Risiken, die mit solchen Rechtsgeschäften verbunden sind, zu schützen?

21. Ist die Landesregierung der Auffassung, das die Mitglieder der kommunalen Vertretungskörperschaften in den Fällen, in denen eine Kommune ein Leasinggeschäft abschließen will, stets ausreichend in-formiert werden, um die Tragweite und Folgen eines solchen Rechtsgeschäfts beurteilen und dem Vertragsabschluss zustimmen zu können?

22. Sind der Landesregierung in Hessen Fälle bekannt, in denen aus Gebühren finanzierte Anlagen im Rahmen eines Leasinggeschäfts an private Dritte übertragen worden sind?
a) Wenn ja, um welche Kommunen und welche Anlagen handelt es sich hierbei?
b) Wenn ja, um welche Form des Leasings und um welche Art der Überlassung an Dritte handelt es sich hierbei?

23.
a) Auf welche Weise ist im Fall der Frage 22 sichergestellt, dass finanzielle Mittel, die aufgrund eines Leasinggeschäfts von einer Kommune eingenommen werden, in den Gebührenhaushalt zu-rückgeführt werden?
b) Was bedeutet dies jeweils für die Höhe der von den Nutzern zu entrichtenden Gebühren und die ebenfalls nach Vertragsabschluss zu finanzierenden Instandhaltungskosten?

24. Wie beurteilt die Landesregierung die Auffassung, dass bei Abschluss eines
a) "cross-border-leasing"-Geschäfts;
b) "sale-and-lease-back"-Geschäfts mit einem Finanzierungsvorteil bei der Erbschafts- und Schenkungssteuer;
c) sonstigen "sale-and-lease-back"-Geschäfts über einen Leasinggegenstand, der ursprünglich mit Zuschussmitteln des Landes und/oder des Bundes finanziert worden ist, auch das Land bzw. der Bund an der von der Kommune nach Vertragsabschluss ein-genommenen Einmalzahlung zu beteiligen wäre?

21. In wie vielen und welchen Fällen war nach Kenntnis der Landesregie-rung die Hessische Landesbank (Helaba) seit 1999 an der Vermittlung und Abwicklung von
a) "cross-border-leasing"-Geschäften;
b) "sale-and-lease-back"-Geschäften mit einem Finanzierungsvorteil bei der Erbschafts- und Schenkungssteuer;
c) sonstigen "sale-and-lease-back"-Geschäften zwischen hessischen Kommunen und Investoren aus Hessen, aus anderen Bundesländern oder dem Ausland beteiligt?

22. Wie beurteilt die Landesregierung angesichts der aufgezeigten Risi-ken und Auswirkungen auf die Allgemeinheit das Engagement der Helaba in diesem Bereich?

Wiesbaden, 25. Juni 2003

Der Fraktionsvorsitzende:

Walter, Hartmann, Hofmeyer, Rudolph, Schaub, Waschke