von Wilhelm Rühl, Zeller Weg 4, 36304 Alsfeld, Tel. 06631/74524, Email : Wilhelm.Ruehl@t-online.de
Aus aktuellem Anlass stelle ich hier eine alte Auflage des Berichts in meine Hompage, da meine Bearbeitung auf den neuesten Stand noch nicht abgeschlossen ist, die Thematik aber gerade jetzt auf Interesse stoßen müßte.
2. Allgemeines: Privatisierung fördert Eigennutz
3. Vorzüge des Beamtensystems
4. Kommerzialisierung von öffentlichen Unternehmen als Vorstufe zur Privatisierung ( Beispiel der Sparkassen )
5. Legalisierung der Korruption durch die Weiterentwicklung in den fortschreitenden Stufen der Privatisierung
6. Aus Gebühren werden Preise ( Beispiel bei der Privatisierung der Stadtwerke von Höxter )
7. Aus Sitzungsgeldern werden höhere Aufwandsentschädigungen
7.1. Beispiel: Gas- und Wasserversorgung Höxter GmbH
7.2. Beispiel: Wirtschaftsförderungsgesellschaft des Kreises Höxter
7.3. Beispiel : Stadtwerke Steinheim/Westfalen
8. Private Rechtsformen führen zum "Staat im "Staate"
8.1. Geschäftsordnungen ermöglichen, die sog. "politische Selbstbedienung" beizubehalten
9. Aufsichts- und Beiräte bei Versorgungsunternehmen werden zur Geschäftsstrategie genutzt
9.1. Das Beiratsunwesen
9.1.1. Was sind Beiräte ?
9.1.2. Entstehung der Beiräte bei Versorgungsunternehmen
9.1.3. Berufungsverfahren der Beiräte durch die Konzernunternehmen
9.1.4. Übersicht der Aufsichts- und Beiratsbesetzung in den einzelnen Konzernen mit Gesamtbezügen
9.1.4.1. Beiräte bei der 100-%-igen VEBA- Tochter PREUSSENELEKTRA AG
9.1.4.2. Beiräte bei der RWE AG und ihrer 100-%-igen Tochter RWE- Energie AG.
9.1.4.3. Beiräte bei der RWE- Mehrheitstochter Rheinische Energie AG ( RHENAG ) mit Sitz in Köln
9.1.4.4. Beiräte bei der Gelsenwasser AG und ihren regionalen 100-%-igen Tochtergesellschaften ( NGW, VGW, Westfalica):
9.1.4.5. Beiräte bei VEW
9.1.4.6. Besondere Beiräte bei regionalen Versorgungsunternehmen, dargestellt am Beispiel PESAG AG
9.1.5. Beiräte kosten Geld und werden deshalb vor der Öffentlichkeit und den Aktionären versteckt
9.1.6. Auch bei der Zusammenlegung von Sparkassen entstehen Beiräte
9.2. Beirats- und Aufsichtsratstantiemen steigen, um Privatisierung durchzusetzen ( Beispiele: PREUSSENELEKTRA, VIAG )
9.3. Politiker und Beamte behalten trotz vollständiger Privatisierung ihre Sitze in den Aufsichts- und Beiräten
9.4. Hohe Politiker ( Minister, Staatssekretäre, Kommunalbeamte ) werden sogar in Aufsichts- oder Beiräte berufen, ohne daß ein betreffendes öffentliches Beteiligungskapital vorhanden ist
9.4.1. Beispiel : Gelsenwasser AG im Land Nordrhein- Westfalen
9.4.2. Beispiel : Gelsenwasser AG in der BRD und im neuen Land Brandenburg
9.4.3. Beispiel : PREUSSENELEKTRA AG im VEBA- Konzern
9.4.4. Beispiel : Neue Aktivitäten der Stromkonzerne in den NBL zur Privatisierung der Abwasserentsorgung
9.5. Den Unternehmen wohlgesonnene Gewerkschaftler erhalten nach langjähriger Aufsichtsratstätigkeit im Beirat einen "Ruhesitz"
9.6. In Nebentätigkeitsverordnungen werden privatisierungsfördernde Bestimmungen eingebracht ( Beispiel NRW )
9.7. Kommunale Hauptverwaltungsbeamte verschweigen deshalb hohe Nebentätigkeitseinnahmen ihren Dienstvorgesetzen ( Beispiel : Kreis Höxter )
9.8. Aus den Geschäftsberichten von Unternehmen ist zu entnehmen, daß Vorstand, Aufsichtsrat und Beirat auch Sonderkonditionen neben den sonstigen Bezügen gewährt werden können
9.9. In die Aufsichts- und Beiräte werden auch Wissenschaftler berufen.
9.10. Diskussion um Beiräte innerhalb der SPD
10. Politiker ( von Beruf Rechtsanwälte ) wickeln Gesellschafter-Verträge ab.
11. Wirtschaftsprüfer erstellen kostspielige Gutachten und kassieren später höhere Prüfungsgebühren
12. Politiker nutzen Privatisierung für Sprungbrett zu lukrativen Managerjobs bzw. "Nebeneinkünften"
13. Auch bei Privatisierungen sollen Spenden die Entscheidungsträger beeinflussen
14. Die formale Privatisierung fördert und legalisiert Steuerentziehung, ja sogar Steuerhinterziehung ( Beispiel bei den kommunalen Holdinggesellschaften )
15. Die Geschäftsstrategie der Energie- und Wassermonopole ermöglicht ihnen eine starke Einflußnahme auf alle gesellschaftliche Gruppen: bei den Parteien, den Gewerkschaften, den Naturschutzverbänden, auch beim BUND
15.1. Beispiel : Niedersächsischer Ministerpräsident Günter Schröder
15.2. Beispiel : Niedersächsischen Energieagentur GmbH
15.3. Beispiel ; Stephan Kohler, Geschäftsführer der Niedersächsischen Energieagentur GmbH ist Leiter des Arbeitskreises Energie beim BUND
15.4. Beispiel : Der stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende der VEBA AG Rappe ( Vorsitzender der IG Chemie und SPD- MdB ) wird Beiratsmitglied der PREUSSENELEKTRA AG
15.5. Sondertarifverträge zwischen EVUs und ÖTV ermöglichen den Arbeitnehmern so gute Einkommenserhältnisse, daß sich die Unternehmen jeden Sachverständigen "einkaufen" können
15.5.1. Beispiel VEW AG : Diskussionen auf der Hauptversammlung 1995 : Hohe Personalkosten und entsprechende Rückstellungen bei Personalabbau
15.5.2. Beispiel : HEW AG mit höchsten anteiligen Pensionsrückstellungen
15.5.3. Beispiel OVAG : Änderung der Lohn- und Gehaltstarifgestaltung steigert Personalkosten um 20 Prozent
15.5.4, Beurteilung dieser Entwicklung auf dem Entlohnungssektor
15.5.5. Wie kann man die Entwicklung zur weiteren "Selbstbedienung" verhindern ?
15.5 6. Wie die SPD "Besserverdienende" erzeugt, die sich schließlich gegen die eigene Partei wenden
15.6. Wasserrohrenherstellung beeinflußt Wasserpolitik, dargestellt
am aktuellen Beispiel vom "Naturschutz-Zentrum Hessen e. V" und der Verhinderung
großer Wasserverbundleitungen in Ostwestfalen- Lippe
ANHANG I :
Verzeichnis der Anlagen
ANHANG II :
Was die deutschen Strom- und Wasserkonzerne für ihre Vorstände,
Aufsichts- und Beiräte bezahlen und wer alles darin sitzt
Aus der Sicht eines Alsfelder Neubürgers hatte ich Ende 1993/Anfang 1994 zur Privatisierungsfrage ein Papier erstellt, das sich mit dem politischen Streit um die Führungsspitze der OVAG AG und der Affäre um die hessische Lotto- GmbH grundsätzlich befaßte und u.a. auch die private Rechtsform von öffentlichen Unternehmen als Ursache dieser offensichtlichen politischen Mißstände herausstellte.
Ich habe dabei wie bereits vorher die Erfahrung gemacht, daß in der öffentlichen Meinungsbildung jegliche grundsätzliche Diskussion über die Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen und Unternehmen "unterdrückt" wurde. So bin ich , obwohl ich mich fast über 20 Jahre ( natürlich mit Pausen ) politisch mit dieser Thematik befasse, jetzt erst und nur zufällig auf die Existenz der Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft gestoßen, deren wissenschaftlicher Beirat ( besetzt mit 19 namhaften Professoren ) zu Beginn des Jahres 1994 die Studie "Privatisierungsdogma widerspricht Sozialer Marktwirtschaft" herausgebracht hat ( vergl. Anlage 1: Gliederung dieser Studie ).
Während meiner politischen Tätigkeit machte ich die Erfahrung, daß eine der Ursachen dieser "vorsichtigen" Behandlung des "Tabu- Themas Privatisierung" die Tatsache war, daß bei den politischen Entscheidungsträgern hier sehr oft persönliche Interessen eine Rolle spielten. Mein o. a. Papier hatte ich auch dem SPD- Vorstand in Bonn im Zusammenhang mit einer Ende März 1994 geplanten Konferenz "Bekämpfung der Korruption in der BRD" zugesandt. Der Büroleiter der stellv. Parteivorsitzenden Dr. Herta Däubler-Gmelin, der diese Konferenz vorbereitete, bestätigte mir in seinem Antwortschreiben, "daß die Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen ... die Korruption noch verstärkt hat." ( vergl. Anlage 2 : Schreiben des PV der SPD vom 08.03.1994 an den Autor ). Da diese Konferenz auf unbestimmte Zeit verschoben worden ist, erstelle ich nunmehr ein Papier, das gezielt daraufhin gerichtet ist, an Hand von Überlegungen und DOKUMENTEN darzustellen, wie die Privatisierung von öffentlichen Dienstleistungen und Unternehmen die Korruption fördert und legalisiert.
Aktueller Anlaß ist auch die beabsichtigte bundesgesetzliche Regelung, die eine Prüfungspflicht der amtlichen Stellen zwecks Privatisierung öffentlicher Aufgaben vorsieht. Diese gesetzliche Regelung wird zur Zeit noch vom Bundesrat blockiert. In der neuen Legislaturperiode 1994 - 1998 will die CDU/CSU/FDP- Koalition aber das Gesetzesvorhaben wieder neu aufgreifen. Nach der konstituieremden Regierungserklärung des Kanzlers am 23.11. 1994 haben dies je ein CDU- und FDP- Redner in der Bundestagsdebatte ausdrücklich erklärt.
Diese Gesetzesinitiative hat mich nun dazu aktiviert, nun auch zu überprüfen, welche Ursachen und Kräfte hinter diesen "Privatisierern" stecken, um unter dem Gesichtspunkt " Privatisierung fördert und legalisiert Korruption" meine diesbezüglichen Erfahrungen mit entsprechenden Belegen zusammenzufassen.
2. Allgemeines: Privatisierung fördert Eigennutz
Die private Rechtsform ist für Unternehmen bestimmt, die nicht dem Gemeininteresse, sondern durch Erzielung von Gewinn dem Eigeninteresse dienen sollen. Auf einem normalen Markt herrscht Wettbewerb, sodaß natürlich innerbetriebliche Vorgänge einer strengen Schweigepflicht unterliegen müssen.
Diese beiden privatwirtschaftlichen Grundsätze ermöglichen es schon bei der Übernahme dieser ( privatwirtschaflichen ) Rechtsform ( z.B. GmbH, AG ) durch öffentliche Unternehmen, also schon bei der sog. "formalen Privatisierung", daß der öffentliche Gemeinsinn durch den Eigennutz verdrängt wird.
Weitere Erscheinungsformen der "materiellen Privatisierung" und der mit ihr verbundenen "legalisierten Korruption" sollen in den folgenden Abschnitten behandelt werden.
3. Vorzüge des Beamtensystems
Man kann über das Beamtenwesen bei uns denken, wie man will, es hat aber ( im Gegensatz zu anderen Staaten ) eine ( wenn auch vielleicht oft übertriebene ) Korrektheit verwirklicht. Das Beamtenverhältnis gewährt den betreffenden Arbeitnehmern eine Sicherheit des Arbeitzplatzes und eine soziale Absicherung in allen Lebenslagen. In Korruptionsfällen droht dem Beamten nicht nur strenge Bestrafung, sondern auch ein Disziplinarverfahren, das für ihn vor allem zum Verlust seiner Stellung führen kann, was er dann auch als Existenzgefährdung ansieht. Diese Konsequenzen und der Verlust seines gesellschaftlichen Ansehens haben ihn immer von Korruption abgehalten.
In dem Maße, in dem das gesellschaftliche Ansehen nicht mehr so sehr nach dem Berufsstand ( hier: von dem "korrektem Beamtenstand" ), sondern nach Reichtum, d.h. nach der Höhe des geldlichen Einkommens, bewertet wird, entsteht die Gefahr, Bestechungsgelder anzunehmen. Diese Entwicklung ist vor allem dann zu beobachten, wenn Politiker oder Beamte zusammen mit Vertretern in den gemischtwirtschaftlichen ( z.B. VEW, RWE ) oder voll privatisierten Unternehmen ( z.B. PREUSSENELEKTRA, VIAG ) in gemeinsamen Gremien ( Aufsichts- und Beiräten ) sitzen. Aufgrund der hier "geballten Macht von Staat und Wirtschaft" kann durch privates Satzungs- und öffentliches Beamtenrecht etwas zustandekommen, was der SPD- Fraktionsvorsitzende Friedhelm Farthmann im nordrhein- westfaelischen Landtag einmal als "legalisierte Korruption" bezeichnet hat ( vergl. auch Ausführungen zu 5. und 9. unten: Beiräte bei Versorgungsunternehmen ).
4. Kommerzialisierung von öffentlichen Unternehmen als Vorstufe zur Privatisierung ( Beispiel der Sparkassen )
Wenn in öffentlichen Unternehmen bereits von ihrem Zweck her Geld im Spiele ist, wie z.B. bei den öffentliche Banken und Sparkassen, dann können sich bereits unter öffentlich- rechtlicher Regie privatwirtschaftliche Tendenzen durchsetzen, die ihren öffentlichen Auftrag in Frage stellen. Dies wird natürlich durch eine auf Privatisierung gerichtete Gesetzgebung ( hier : Kreditwesengesetz ) erleichtert.
So wird durch eine vorausgehende Kommerzialisierung die Privatisierung vorbereitet, wobei durch "Sonderbehandlung" der politischen Entscheidungsträger bereits das Eigeninteresse angeregt wird.
Es braucht also noch nicht einmal eine private Rechtsform eingeführt zu sein. Es genügt schon, daß im Rahmen eines auf Eigennutz abgestellten Geschäftsgebarens und einer dann nachfolgenden Gesetzgebung bereits in öffentlich- rechtlichen Unternehmen die Geschäftsführung sich kommerziellen Grundsätzen bedient.
Bei der Einführung privatrechtlicher Arbeitsverträge, z.B. für die Sparkassendirektoren, beginnt bereits das "korrupte Verhalten", welches Anfang der 70- iger Jahre der damalige Gründer und Vorstandsvorsitzende der WestLB Ludwig Poullain in seinem Buch "Tätigkeitsbericht" schilderte. Er berichtete hier auf den Seiten 62 - 64, wie er die Kommerzialisierung der Sparkassen über " die Veränderung des Status und der Besoldung der Herren Sparkassendirektoren durchgesetzt habe ".
U. a. führte er aus :
"Für viele verdoppelten sich die Bezüge, hinzu kamm eine Art Tantieme.... Ihre Idealvorstellung lautete: Zwar mehr Geld, aber keine Abschaffung des Beamtenstatus .... Die Ämter von Sparkassendirektoren waren nach der Neuordnung verdammt attraktiv geworden. Die Politiker begannen sich selbst für diese Positionen zu interessieren.... Die Vorstände erfuhren andere Mischungsverhältnisse : ... der Eindruck, der übrigens richtige Eindruck, daß sich die Politik der Öffentlich- Rechtlichen bemächtigt hat, ist schlimm..." ( vergl. Anlage 3 : Auszug aus dem Buch Tätigkeitsbericht" von Ludwig Poullain).
Über solche korruptionsfördernde Maßnahmen bei Sparkassen habe ich u.a. Ende der 80-er Jahre in meinem "Alternativen Geschäftsbericht der Sparkasse Höxter" berichtet.
Hier sind es die Sonderkonditionen der Unternehmen ( z. B. Banken ) für Politiker und Gewerkschaftler, die vor allem in den Aufsichtsgremien nicht nur bei den Sparkassen, sondern auch bei anderen Banken und Unternehmen gewährt werden ( z. B. sog. "Organkredite" ).
Bei Banken und Sparkassen gibt es nach dem Kreditwesengesetz die sog. "Organkredite". Hier muß das aufsichtführende Organ Kredite seiner Mitglieder genehmigen. Diese Vorschrift, die eigentlich zur Verhinderung von Korruption erlassen wurde, kann aber auch neue Vorteilnahmen bewirken. So werden u.a. den Mitarbeitern Kreditsonderkonditionen im Rahmen der Tarifverträge gewährt. Gehören diese Mitarbeiter nach den Mitbestimmungsgesetzen den Aufsichtsgremien an, müssen diese mit darüber entscheiden. So liegt es nahe, daß auch andere Aufsichtsratsmitglieder ( z. B. Politiker in den Sparkassenräten ) dieselben Konditionen erhalten. Die Gewährung kann unter Umständen sogar pauschalartig erfolgen.
Beispiel Nr. 1 :
Ein neues Kreistagsmitglied rief mich an : "Du kennst dich doch aus : Da sagte kürzlich der hiesige Filialleiter der Sparkasse zu mir, ich sei doch Mitglied des Sparkassenrates und brauche für meinen Kredit nun 2 % weniger Zinsen zu zahlen. Verhält sich das wirklich so ?" Ich habe ihn gebeten, sich doch die Grundlage dieser Regelung geben zu lassen. Er hat keine bekommen. Als er dann aus gesundheitlichen Gründen aus dem Kreistag ausschied, wollte er auf seine Funktion als Sparkassenratsmitglied verzichten. Auf Wunsch des Fraktionsvorsitzenden blieb er aber noch bis zum Ende der Legislaturperiode im Sparkassenrat. Jahre später sprach ich ihn bei Gelegenheit noch einmal darauf an. Er sagte, er habe damals keine Vorteile bei der Sparkasse wahrgenommen.
Beispiel Nr. 2 :
Ein Berufskollege, der in der Nachbargemeinde als Ratsmitglied wegen seiner geraden Haltung angeeckt war und sich politisch zurückgezogen hatte, erzählte mir, ein anderer Kollege habe ihn darauf aufmerksam gemacht, daß man als Politiker bei der einheimischen Volksbank Sonderkonditionen bekomme. Da wurden mir sofort bestimmte politische Verhaltensweisen des betreffenden Kollegen klar. Bei der Überprüfung der Listen des Aufsichtsrats und der Vertreterversanmmlung dieser Bank stieß ich auf viele einflußreiche Politiker ( Fraktionsvorsitzende, stellv. Landrat usw. ).
Beispiel Nr. 3 :
Von einem hauptamtlichen Gewerkschaftssekretär erfuhr ich, daß Angestellte der Gewerkschaften bei der damals noch gewerkschaftseigenen Bank für Gemeinwirtschaft ihr Privatkonto gebührenfrei führen konnten. Jetzt nach Änderung der Beteiligungsverhältnisse erhalten alle Kontoinhaber die Möglichkeit, gemäß einer neuen Geschäftsstrategie eine gebührenfreie Kontoführung zu erhalten.
Es ist sehr schwer, das Allgemeininteresse innerhalb einer auf Eigennutz abgestellten Gruppe zu behaupten, geschweige dann durchzusetzen.
Beispiel Nr. 4:
Das folgende Erlebnis aus dem Sparkassenbereich zeigt, daß man das negative Eigeninteresse ( Neidkomplexe ) der Mandatsträger ansprechen muß, um gegen eigensüchtige Maßnahmen, z.B. weitergehende Diätenerhöhungen für die Vertreter der höheren Stufe wenigstens antreten zu können:
Wichtigster Punkt einer Sparkassenzweckverbandsversammlung war "Änderung der Sparkassensatzung" ( lt. Tagesordnung) zwecks Erhöhung des Sitzungsgeldes für Mitglieder des Sparkassenrats. In der Fraktionssitzung ( Minderheitsfraktion ) sprach sich der Vorsitzende (= Mitglied des Sparkassenrates) dafür aus, u.a. mit der Begründung, die Partei würde wegen der höheren Abführungsbeträge auch davon profitieren ( vergl. auch Ausführungen zu 9.2. ). Ich sprach dagegen und wies neben der schlechten Optik ( relativ niedriger Sparzins ) u.a. auch darauf hin, daß während meiner Amtszeit dies bereits die 2. Erhöhung beim Sparkassenrat sei, während das Sitzungsgeld bei den Mitgliedern der Sparkassenzweckverbandsversammlung immer konstant geblieben sei. Die Fraktion beschloß daraufhin mit großer Mehrheit, gegen die Erhöhung zu stimmen. Der Fraktionsvorsitzende trug den Beschluß der Fraktion in der Versammlung natürlich nicht vor. Ich argumentierte wie in der Fraktion. Dagegen wurde eingewendet, eine Erhöhung der Vergütung der Versammlungsteilnehmer könnte die Versammlung selbst nicht beschließen. Da ich ja auch keine Erhöhung dieser Sitzungsgelder wollte, wies ich nicht auf diese Möglichkeit hin ( Das Sitzungsgeld der Versammlungsteilnehmer war in der Verbandssatzung geregelt ). Mit ganz geringer Mehrheit und sehr vielen Enthaltungen wurde die Erhöhung beschlossen.
Auch bei Eigenbetrieben ( öffentlicher Träger ), erst recht bei Eigengesellschaften (in privatrechtlicher Trägerschaft), in der Versorgungswirtschaft kann die Kommerzialisierung zu Korruptionsfilz führen (vergl. Ausführungen zu 12.: Beispiel der Wasserwerke Krefeld).
5. Legalisierung der Korruption durch die Weiterentwicklung in den fortschreitenden Stufen der Privatisierung
In der 1, Stufe der Privatisierung werden öffentlich- rechtliche Bereiche ( meist öffentlich- rechtliche Anstalten oder Eigenbetriebe, aber auch Haushaltspositionen im freiwilligen Aufgabenbereich ) in eine private Rechtsform ( GmbH oder AG ) umgegründet. Man spricht hier auch von "formaler Privatisierung".
Hier werden der Öffentlichkeit, meist durch Vertreter der Opposition, eine Reihe von Mißständen ( Postenrangelei, steigende Bezüge der Organmitglieder usw. ) bekannt. Diese Mißstände der neuen privaten Rechtsform sollen dann durch weitergehende Privatisierung beseitigt werden ( Beispiele: bei der sog. " Bahn-, Postreform": Diskussion um OVAG mit meinem Leserbrief: vergl. hier Anlage 4 : Bericht " FDP fordert die Privatisierung der OVAG " aus der "Oberhessische Zeitung" vom 10.05.1994, Forum der Leser "Wider die Privatisierungseiferer" aus der "Alsfelder Allgemeinen" vom 14.05.1994" ).
Wenn dann das Unternehmen 100-%-ig von privatem Kapital beherrscht wird, dann sind diese Mißstände in die "freie Wirtschaftsordnung" eingereiht. Stellenbesetzungen und Beförderungen mit hohen Bezügen gelten als Leistungserfolg und Tüchtigkeit. Oft übernehmen dieselben Personen, die vordem Beamte waren, die höher dotierten Managerpositionen. Auch werden Politiker eingesetzt, ohne die entsprechende Qualifikation zu besitzen ( vergl. die Ausführungen unter 4.: Zitate von Poullain ).
Bei privatisierten Versorgungsunternehmen werden von der Unternehmensleitung neben den obligatorischen Aufsichtsräten Beiräte gebildet. ( vergl. die Ausführungen unter 9.1. )
Die Mitglieder dieser Unternehmensgremien werden nunmehr erheblich besser dotiert als unter öffentlicher Regie. Hauptverwaltungsbeamte der Kommunen, Vertreter der Ministerialbürokratie , Minister usw. werden dort hineinberufen, auch dann, wenn keine öffentliche Anteile mehr zu vertreten sind ( vergl. die Ausführungen unter 9.4. ).
Die Ministerialbürokratie erläßt Nebentätigkeitsverordnungen, nach denen die hohen Bezüge aus privatwirtschaftlichen Unternehmen nicht mehr an die öffentliche Hand abzuführen sind ( vergl. die Ausführungen unter 9.5. ).
So wird also mit gesetzlichen ( legalen ) Mitteln das ursprünglich gemeinwirtschaftliche Verhalten der Vertreter der öffentlichen Hand durch ein eigennützliches Verhalten abgelöst.
In den Gremien des nunmehr privaten Unternehmens sind sie nunmehr aufgrund privaten Rechts verpflichtet, die Interessen des Unternehmens zu vertreten, was zumindest zu Kollisionen mit den Allgemeininteressen führen kann.
Der damalige Vorsitzende der SPD- Fraktion im Landtag von Nordrhein- Westfalen Friedhelm Farthmann hat das von den privaten Versorgungsunternehmen praktizierte Beiratssystem deshalb auch als eine "legalisierte Korruption" bezeichnet ( s. oben ).
6. Aus Gebühren werden Preise ( Beispiel bei der Privatisierung der Stadtwerke von Höxter )
In den Stadtwerken mit öffentlich- rechtlicher Organisationsform ( Regie- und Eigenbetriebe ) werden vom Rat ( Stadtverordnetenversammlung ) bzw. Werksausschuß Tarife mit öffentlich- rechtlichen Gebühren in öffentlich-rechtlichen Satzungen festgelegt, die für alle Bürger verbindlich sind.
Nach der Umwandlung in eine private Rechtsform ( GmbH oder AG ) werden aus diesen allgemein verbindlichen Gebühren nur bedingt verbindliche Preise, die im Rahmen von Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die vom Unternehmen autonom nach der entsprechenden privatrechtlichen Satzung festgelegt werden.
Die folgende Darstellung zeigt, wie aufgrund von Affären im öffentlich- rechtlichen Raum sich eine Privatisierung entwickelte, die letztlich das was vorher verboten war, nämlich sog. Sonderkonditionen legalisierte.
Beispiel der Privatisierung der Stadtwerke von Höxter
Als ich vor Jahren in die Kommunalpolitik einstieg und nach einer Kommunalwahl als geschäftsführendes Mitglied eines örtlichen Parteivorstandes erstmals an der konstituierenden Sitzung der Ratsfraktion teilnahm, fiel mir auf, daß eine große Anzahl der gewählten Ratsmitglieder sich für den Werksausschuß interessierte. Durch Nachfragen erfuhr ich dann später, daß man dort bei den Sitzungen immer gut bewirtet werde.
Als diplomierter Volkswirt hatte ich mich damals für den Sparkassenrat ( die Stadt hatte damals noch eine eigene Sparkasse ) und am Rande auch für den Werksausschuß interessiert und mich auch dafür gemeldet, da hier auch sachkundige Bürger eingesetzt werden konnten. Als Neuling hatte ich damals nicht für den Rat kandidiert und aus prinzipiellen Gründen meiner Frau den Vortritt gelassen.
In der Aufbruchsstimmung der frühen 70- iger Jahre war es aber damals auch möglich, als Vorstandsmitglied an den Fraktionssitzungen teilzunehmen. Hier konnte man auch aktiv mitwirken, ohne Mandatsträger zu sein.
In einer Fraktionssitzung wurde von einem Mitglied aus dem Werksausschuß berichtet, daß einige Mitglieder dieses Ausschusses Sonderkonditionen von den Stadtwerken für den Wasser- und Gasbezug erhielten. Man sprach damals von dem "Tarif X" nach dem Namen des Werksausschußvorsitzenden, welcher der FDP- Fraktion angehörte. Aufgrund einer Anfrage im Rat wurde dann ein Untersuchungsausschuß eingesetzt und eine Sonderprüfung in den Stadtwerken durchgeführt.
Diese Sonderprüfung war der Beginn einer Affäre, die sich nach einem Zerwürfnis von Stadtdirektor und Werksdirektor im Zusammenhang mit dem Bau einer interkommunalen Wasserleitung zu einer "Schmiergeldaffäre" ausweitete und schließlich zur Entlassung der beiden leitenden Beamten führte. Die Mehrheitsfraktion fand die Lösung des Skandals schließlich in einer weitgehenden Privatisierung: Verkauf sämtlicher Brunnen an einen Wasserkonzern ( Gelsenwasser AG ) und Verteilung von Gas und Wasser durch eine GmbH mit paritätischer Beteiligung des Konzerns und der Stadt.
Aus den späteren Geschäftsbeziehungen mit dieser GmbH ergab sich, daß nunmehr allen Bürgern aufgrund von abgeschlossenen Verträgen Sonderkonditionen bei den Gas- und Wasserpreisen gewährt werden konnten.
7. Aus Sitzungsgeldern werden höhere Aufwandsentschädigungen
Die Aussicht auf höhere persönliche Einnahmen stimmen viele Kommunalpolitiker privatisierungsfreundlich. Hier spielt noch nicht einmal die Höhe der Summe eine entscheidende Rolle.
So hat bei Entscheidungen über Privatisierungen die Aussicht auf mehr oder weniger lukrative Nebeneinnahmen der Entscheidungsträger einen besonderen Reiz. Allein schon die Tatsache, daß beispielsweise 50,-- DM Aufwandsentschädigung für eine Sitzung der Gesellschafterversammlung ( bei einer GmbH ) bzw. Hauptversammlung (bei einer AG) statt 25,-- DM für eine Werksausschußsitzung gezahlt werden, beeinflußt bestimmte Politiker bei ihrer Entscheidung für die Umwandlung eines Betriebes von einer öffentlichen in eine private Rechtsform.
Dies gilt natürlich in stärkerem Maße, wenn einflußreichere Entscheidungsträger Aussichten sehen, in die Aufsichtsräte, Beiräte oder sogar in die Vorstände der nunmehr privatrechtlichen Betriebe einzusteigen.
Dabei hat vor allem der Vorsitzende ( der Fraktion, der kommunalen Vertretung bzw. Verwaltung ) die beste Ausgangslage. Er kann als Aufsichtsrats- oder Beiratsmitglied oder sogar als Vorsitzender des betreffenden Gremiums ( hier mit doppelten oder sogar 3- fachen Beträgen ) eingesetzt werden.
Zu diesem Punkt sollen die folgenden Beispiele angeführt werden:
7.1. Beispiel: Gas- und Wasserversorgung Höxter GmbH
Als die Privatisierung der Wasseranlagen in der Stadt Höxter vollzogen war, hatte die Höxteraner SPD beschlossen, daß die kommunalen Vertreter im Aufsichtsrat der Gas- und Wasserversorgung Höxter GmbH ( 50 % Gelsenwasserkonzern + 50 % Stadt Höxter ) nur Sitzungsgelder in gleicher Höhe wie in den Ratsausschüssen erhalten dürften.
Der Ratsfraktion, die als Opposition diesen Beschluß bei der Stadt durchsetzen wollte, wurde entgegengehalten, daß die im Aufsichtsrat vertretenen Mitglieder des Konzerns eine Aufwandsentschädigung in Höhe von 3000,-- DM ( für höchstens 2 Sitzungen im Jahr ) gewohnt seien. Man könne ja auch nicht zwei unterschiedliche Beträge vergüten. Mit einer Vergütung von 1500,-- DM wären aber alle einverstanden. Auch die SPD- Ratsfraktion billigte dies dann. Bezeichnend war die Aussage eines Ratsmitgliedes in der entscheidenden Fraktionssitzung, man könne ja selbst einmal diese Position besetzen. Dieses Mitglied übernahm dann auch in der nächsten Legislaturperiode diesen Aufsichtsratssitz.
Der Stadtdirektor wechselt jährlich mit einem Konzernvertreter den Vorsitz und erhält entsprechend mehr. Er ist außerdem im Beirat der betreffenden Konzerngesellschaft und bezieht hier jährlich 3000,-- DM Aufwandsentschädigung.
7.2. Beispiel : Wirtschaftsförderungsgesellschaft des Kreises Höxter
Bei der Gründung der Wirtschaft- und Strukturförderungs- Gesellschaft des Kreises Höxter wurde erklärt, der Aufsichtsrat erhielte keine Sitzungsgelder. Als ich als stellvertretendes Aufsichtsratsmitglied nmal an einer Sitzung teilgenommen hatte, bekam ich 50,-- DM als Sitzungsgeld überwiesen. Ich erfuhr dann, daß die Gesellschafterversammlung ein Sitzungsgeld von DM 50,-- pro Sitzung auf Drängen der dort anwesenden Stadtdirektoren für die Aufsichtsratsmitglieder beschlossen hatte. Die Vertreter in der Gesellschafterversammlung, die fast alle Freizeitpolitiker waren, erhielten aber nichts. ( vergl. die Ausführungen unter 13. und Anlage 5 : Sammlung von Redetexten und Zeitungsberichten: "Warum die Wirtschaftsförderungsgesellschaft des Kreises Höxter aufgelöst wurde").
7.3. Beispiel : Stadtwerke Steinheim/Westfalen
Bei der geplanten Umgründung der Stadtwerke Steinheim in eine GmbH lag der Entwurf einer Geschäftsordnung des Aufsichtsrates vor, wonach die Aufsichtsratsmitglieder sich Entschädigungsgelder selbst bewilligen konnten. Nach Veröffentlichung dieses Tatbestandes in der örtlichen Presse, der auf den Zusammenhang mit der Ausweitung eines Wasserkonzerns (dem später gescheiterten Wasserverbund Ostwestfalen-Lippe) hinwies, wurde die Umgründung nicht vollzogen ( vergl. Ausführungen zu 8.1, ).
8. Private Rechtsformen führen zum "Staat im "Staate"
In der Öffentlichkeit werden immer wieder die Mißstände und "Selbstbedienungs"- Mentalitäten in den öffentlichen Parlamenten und Verwaltungen diskutiert und als Lösungsformen eines sog. "schlanken Staats" wird an Stelle von öffentlich- rechtlichen Verwaltungsstellen die Organisation in privaten Rechtsformen ( Gesellschaften ) wie AG oder GmbH vorgeschlagen und praktiziert.
Dabei wird übersehen, daß sich dann die gleichen Kräfte in komplizierten, nur von Steuerfachleuten und Juristen durchschaubaren Rechtsgebilden ( wie z. B. bei den Holdinggesellschaften ) tummeln können, die zudem noch durch die private Rechtsform nach außen abgeschirmt werden.
Hinzu kommt noch, daß nunmehr Angelegenheiten, die vordem noch nach öffentlichem, nunmehr nach privatem Recht behandelt werden. Dies kann dazu führen, daß geschäftliche Praktiken, die vordem noch verboten waren, nunmehr erlaubt sind.
Auch für Art und Höhe der z. T. zusätzlichen Vergütungen bieten sich für alle beteiligten Personengruppen gute lukrative Möglichkeiten ( Vorstands- bzw. Geschäftsführerposten, Aufsichts- und Beiratssitze für Spitzenbeamte und -politiker, Einstieg in Tarifverträge mit höheren Dotierungen für Mitarbeiter ). An dieser Stelle wird auf die Bildung der Holdinggesellschaft bei der OVAG hingewiesen ( vergl. Anlage 25 : Handschriftliche Übersicht der neuen Holding des ZOV = Zweckverband Oberhessischer Versorgungsbetriebe ).
Diese "Verquickung von öffentlichem Recht in privatem Gewand" führt letztlich zu einem "Staat im Staate", wie wir dies z. B, bei den großen und kleinen Energieversorgungsunternehmen beobachten können.
Über die diversen "korrupten" Möglichkeiten von Aufsichts- und Beiräten wird ausführlich berichtet. Auch soll an Hand von kommunal beeinflußten Enegieversorgungsunternehmen ( EVUs ) dargestellt werden, wie dort mit Hilfe von Tarifvertragsgestaltung, die von der Öffentlichkeit bisher überhaupt nicht wahrgenommen wird, eine "besserverdienende Arbeiterklasse" geschaffen wird. Diese Arbeitnehmergruppe ( vertreten durch ihre Gewerkschaft ) verteidigt dann natürlich mit "Hauen und Stechen" ihre gut bezahlten Arbeitsplätze, mögen diese auch noch so "umweltschädigend" und sogar ( wie unten bei VEW dargestellt) langfristig letztlich arbeitsplatzvernichtend sein.
8.1. Geschäftsordnungen ermöglichen, die sog. "politische Selbstbedienung" beizubehalten
Bei geplanten Umgründungen von Eigenbetrieben in Eigengesellschaften werden den für die Willensbildung in den Kommunalparlamenten relevanten Personen ( Fraktions-, Ausschußvorsitzenden ) die Satzungs- und Geschäftsordnungsentwürfe für die betreffenden Organe der Gesellschaft vorgelegt, darunter u.a. auch eine Geschäftsordnung für den Aufsichtsrat. Hierin ist auch festgelegt, daß im Aufsichtsrat die Art der Reisevergütung und der Verdienstausfallvergütung für die Mitglieder beschlossen wird ( vergl. Ausführungen zu 7.3. )
9. Aufsichts- und Beiräte bei Versorgungsunternehmen werden zur Geschäftsstrategie genutzt
Die Organisationsstruktur der Energie- und Wasserkonzerne ist nicht nur für einen Außenstehenden, sondern auch für die bei der Privatisierung die Entscheidung treffenden Politiker undurchschaubar. Diese Undurchschaubarkeit ermöglicht es den die Entscheidung vorbereitenden Kräften, im Rahmen der organisatorischen Möglichkeiten vor allem die Aufsichtsorgane ( Aufsichtsräte bei AGs und GmbHs ) mit Personen zu besetzen, die sich in das herrschende Wirtschaftssystem einfügen. Dabei wird von "Marktwirtschaft" geredet. In Wirklichkeit handelt es sich aber um Monopole, die sich den Markt regional aufgeteilt haben. Von "Sozialer Marktwirtschaft" kann erst recht nicht die Rede sein. Diese Monopolwirtschaft ermöglicht eine Kommerzialisierung ( d.h. Geschäftemacherei ), die das Geld vorrangig nicht als volkswirtschaftliches Tausch- und Kapitalbeschaffungsmittel, sondern als universelles Machtmittel einsetzt. Das ist im Rahmen dieser im Energie- und Wasserbereich naturnotwendigen Monopolwirtschaft fast immer der Fall. Privatisierung bedeutet hier weitergehende Zentralisierung. Aus kommunalen ( öffentlichen ) dezentralen Monopolen werden private zentrale Monopole.
Die Konzerne schaffen sich dann selbst ein über die gesetzlichen Möglichkeiten hinausgehendes "Beiratssystem", über welches in der Folge ausgiebig berichtet wird.
Hierbei geht es nicht um eine Kritik an den Aufsichtsorganen, also an den Aufsichtsräten selbst, sondern vor allem um die Einflußnahme, die mit Hilfe des Geldes auf die dortigen Vertreter der öffentlichen Hand ausgeübt werden kann. "Wer die Musik bezahlt, gibt den Ton an !" Diese Redensart hat hier vor allem dann seine Bedeutung, wenn die privatisierte öffentliche Aufgabe von einem Unternehmen erfüllt werden soll, welches nur noch geringe oder gar keine öffentlichen Anteile mehr besitzt. Die Frage lautet dann : Wie können h i e r in den Aufsichtsräten von Vertretern der öffentlichen Hand die Interessen der Allgemeinheit ( Das ist doch wohl die öffentliche Aufgabe ? ).gegenüber dem betriebswirtschaftlichen Gewinninteresse durchgesetzt werden ?
Die Beeinflussung mit Hilfe von sog. "Beiräten" bei den Konzernunternehmen ( Mutter- und regionalen 100-%-igen Tochtergesellschaften ) erfolgt vor allem dann, wenn der Konzern bei den öffentlichen Unternehmen ( z. B. Stadtwerke ) gleiche oder Minderheitsbeteiligungen unterhält.
Dieses Geschäftsgebaren und dessen Notwendigkeit fürs Betriebsinteresse der Konzerne wird auf deren Hauptversammlungen offen zugegeben, wenn kritische Aktionäre dort auf die hohen Ausgaben bei den Vergütungen für die Beiräte hinweisen, die oft höher sind als die Vergütungen für den gesamten Aufsichtsrat ( z.B. bei PREUSSENELEKTRA AG, VEW AG, RWE Energie AG, vergl. unten 9.1.3 ).
9.1. Das "Beiratsunwesen"
9.1.1. Was sind Beiräte
Beiräte gibt es eigentlich bei den staatlichen Verwaltungen. Sie werden meist in kommunalen Parlamenten gewählt ( z.B. in NRW von den Kreistagen : Landschaftsbeiräte, Polizeibeiräte ) und sollen die unteren und mittleren Verwaltungsstellen in ihren Angelegenheiten beraten. Die eigentlich rechtskräftigen Entscheidungen trifft dann die Verwaltungsstelle selbst. Diese staatlichen Beiräte, deren Mitgliedern ein Sitzungsgeld etwa in der Höhe eines kommunalen Mandatsträgers erhalten, beruhen auf gesetzlicher Grundlage .
Das private Gesellschaftsrecht ( Aktien-, GmbH- Gesetz usw. ) sieht aber keine Beiräte, sondern lediglich Aufsichtsräte vor. Die Beiräte bei Versorgungsunternehmen existieren lediglich bei AGs auf satzungsmäßiger Grundlage oder sind in den Gesellschafterverträgen von GmbHs angesiedelt.
9.1.2. Entstehung der Beiräte bei Versorgungsunternehm-
Öffentlich-rechtlich organisierte Versorgungsunternehmen regeln in sog. Zweckverbänden ihre gegenseitige Koordination, wobei nach deren Umgründung in private Rechtsformen wegen der Verknüpfung von öffentlichem und privaten Recht erste Komplikationen von "Filz" auftreten, die sich zu Korruption ausweiten können. Als jüngstes Beispiel können hier die Diskussionen bei der Wahl des Landtagsabgeordneten und ehemaligen Landrats des Vogelsbergkreises Jochen Zwecker zum Vorstandssprecher der Oberhessischen Versorgungsbetriebe AG (OVAG) genannt werden ( Ende 1993/Anfamg 1994 , vergl. Anlage 6: Zeitungsbericht " Zwecker- Berufung schlug hohe Wellen - OVAG- Aufsichtsrat zum Rücktritt aufgefordert" aus der Oberhessische Zeitung vom 18.12. 1994 und Ausführungen bei Abschnitt 12 ). Sie haben allerdings gezeigt, daß wegen der hier noch möglichen politischen Kontrolle in der Zweckverbandsversammlung die auftretenden Probleme angesprochen und daher auch geklärt werden können. Anders ist es aber dann, wenn sich privatrechtlich organisierte Versorgungsunternehmen regional betätigen. Dann bedarf es zwar auch der Koordination der einzelnen Versorgungsgemeinden. Die Organisation zur Übernahme der gemeinsam abzustimmenden Versorgung der Bevölkerung, also der an die privaten Unternehmen übertragenen öffentliche Aufgabe, geht hier aber nicht von der öffentlichen Hand, sondern von den Privaten aus, die ( meist nach privatem Satzungsrecht ) sog. Beiräte bilden, in welche die zuständigen Werksdirektoren oder kommunalen Hauptverwaltungsbeamten berufen und meist sehr gut dotiert werden.
Großkonzerne gründen zur regionalen Versorgung ( z. B. die Gelsenwasser AG im ostwestfälischen Raum die VGW ) oder zur Gliederung in Geschäftssparten (z. B. die RWE AG die RWE Energie AG ) sehr oft 100-%-ige Tochterunternehmen , die dann meist Beteiligungen unterschiedlicher Größe bei Versorgungsunternehmen ( z.B. bei Stadtwerken mit privater Rechtsform ) übernehmen. In diesen 100- %- igen Tochtergesellschaften, in denen die Geschäftsleitung der Konzernmutter alle Unternehmensorgane ( Vorstände, Haupt- bzw. Gesellschafterversammlungen und Aufsichtsräte ) bestimmen kann, werden dann meist diese Beiräte gebildet. So kann auf die letztlich von Managern bestimmten einflußreiche Personengruppen ( in der Überzahl öffentliche Vertreter, aber auch Wissenschaftler, Gewerkschaftler ) nicht nur Einfluß ausgeübt, sondern auch diese Tatsache der Öffentlichkeit und den Aktionären gegenüber verschleiert werden (vergl. unten 9.1.4. ).
Diese Beiräte sind also bei der fortschreitenden Zentralisierung und Privatisierung der Versorgungswirtschaft aus der Konzernbildung der privaten Versorgungsunternehmen entstanden.
Wenn man aus betriebswirtschaftlichen bzw. steuerlichen Gründen eine Fusion durchsetzen wollte, mußte man die in den Aufsichtsräten der zu verschmelzenden Unternehmen sitzenden und mitentscheidenden Personen bei Laune halten, um die Maßnahme durchzusetzen. So sind meines Erachtens einige sog. Regionalbeiräte entstanden.
Als Beispiel verweise ich auf die Ausführungen des Herrn Dr.rer.nat. Hermann Krämer anläßlich der letzten ordentlichen Hauptversammlung der Nordwestdeutschen Kraftwerke AG (NWK) am 29.07. 1985 in Hamburg. Er erklärte hier u.a., für den bei der Fusion von NWK mit Preussenelektra entfallenen Aufsichtsrat solle ein paritätisch besetzter Beraterkreis beim vereinigten Unternehmen für die Belange des norddeutschen Raumes gebildet werden. ( vergl. auch Ausführungen zu 9.3. )
Es gibt Hinweise dafür, daß bei dieser Gelegenheit auch eine Erhöhung der Bezüge vorgenommen wurde ( vergl. auch Ausführungen zu 9.2. und Anlage 7: Auszug aus dem Tagesprotokoll des SPD-Bundesparteitages in Münster 1988 und die Abhandlung "Nach der Privatisierung, oder kurz vorher: Aufsichts- bzw. Beiratsvergütungen im Strombereich der VEBA/PREUSSENELEKTRA und bei der VIAG verdoppelt" ).
9.1.3. Berufungsverfahren der Beiräte durch die Konzernunternehmen
Der Aufsichtsrat der Konzernunternehmen beruft in der Regel auf Vorschlag des Vorstandes ( Geschäftsführers ) bei den Gemeinden, deren Versorgungsunternehmen dem Konzernen angeschlossen sind bzw. durch die Konzernunternehmen versorgt werden, die betreffenden kommunalen Spitzenbeamten in diese Beiräte. Das sind dann Oberkreisdirektoren. Oberstadtdirektoren , Landräte, Oberbürgermeister, Werksdirektoren, Stadtdirektoren, Bürgermeister usw. Außerdem erscheinen dort Vertreter der Wirtschaft (darunter oft sogar von "Konkurrenzunternehmen") und Wissenschaftler.
Manchmal sind sogar Vertreter der Arbeitnehmer bzw. der Gewerkschaft in den Beiräten vorhanden, was allerdings mit Mitbestimmung nichts zu tun hat. Die Beiräte üben nämlich keine aufsichtführende, sondern lediglich eine beratende Funktion aus. Hier finden sich oft solche Personen, die vorher sich in den Aufsichtsräten "bewährt haben" ( auch Arbeitnehmervertreter !!) und dort sozusagen einen "Alterssitz" erhalten. Es ist wohl davon auszugehen, daß diese "Bewährung" natürlich im Interesse des Unternehmens ( im weitesten Sinn ) zu verstehen ist. Ob man sich allerdings diesen "Alterssitz" durch Wohlverhalten gegenüber dem Vorstand während seiner Amtszeit im Aufsichtsrat "verdienen" kann, sei einmal dahingestellt. Immerhin bildet in einigen Fällen der Vorstand allein diesen Beirat, z. B. bei RWE AG und RWE- Energie AG.
Diese Beiräte, die bei den Konzernunternehmen angesiedelt und von ihnen auch mehr oder weniger reichlich vergütet werden, entwickeln sich dann zu Instrumenten der Geschäftspolitik der Unternehmen.
Die Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre, die das Soziale
( = Gesellschaftliche ) in der Marktwirtschaft auf Hauptversammlungen der
großen Publikumsgesellschaften ( u.a. auch bei RWE, VEW und VEBA
AG ) verteidigen und dabei u.a. auch auf die Mißstände dieser
Beiräte hinweisen, haben bereits oft auf die hohen Summen hingewiesen,
die dafür ausgegeben werden. Es werden dann von den Unternehmensleitungen
den Aktionären gegenüber die aus dem Geschäftsbericht ersichtlichen
relativ hohen Vergütungen für die Beiratsmitglieder mit dem Hinweis
auf das
große Unternehmensinteresse für diese Einrichtung begründet.
"Der Beirat von PREUSSENELEKTRA besteht aus Vertretern von Wirtschaft, Politik und Arbeitnehmers. Die Aufgaben und Problemstellungen unseres Strombereiches erfordern ein hohes Maß an Zusammenarbeit mit eben diesen gesellschaftlichen Gruppen, welche durch den Beirat wesentlich unterstützt wird. Er tagt in der Regel zweimal jährlich und gibt uns eine Vielzahl von Möglichkeiten, unsere Belange besonders in den Bundesländern, in denen wir energiepolitisch tätig sind, nahezubringen." ( Schreiben der VEBA AG an den Autor vom 30.06.1992)
9.1.4. Übersicht der Aufsichts- und Beiratsbesetzung in den einzelnen Konzernen mit Gesamtbezügen
9.1.4.1. Beiräte bei der 100-%-igen VEBA- Tochter PREUSSENELEKTRA AG
Sie ist ein Stromkonzern und will vor allem ihre Töchter mit Mehrheitsbesitz, zum Beispiel die PESAG AG in Paderborn neuerdings ins Abfall- und Abwassergeschäft einsteigen lassen.
Bei der PREUSSENELEKTRA AG liegen die jährlichen Bezüge des ca. 48- köpfigen Beirats:
1993 bei 1 036 989,-- DM ( lt. Geschäftsbericht , Seite 103 )
1994 bei 996 000,-- DM ( lt. Geschäftsbericht , Seite 96 )
Pro Person sind dies ca. 25 000,-- DM.
Sie liegen über denen des 20-köpfigen Aufsichtsrats, für den
1993 : 665 129,-- DM und
1994 : 629 000,-- DM ausgegeben wurden
Pro Person sind dies ca. 30 000,-- DM.
Im ANHANG II, Seite 1 sind die aktuellen Zahlen angegeben.
9.1.4.2.Beiräte bei der RWE AG und ihrer 100-%-igen Tochter RWE- Energie AG
Der SPD- Landtagsfraktionsvorsitzende von NRW Friedhelm Farthmann hat gerade hier bei der Verfolgung einer vernünftigen Energiepolitik mit den Beiräten ungute Erfahrungen gemacht. Sein Ausspruch : "Beiräte bei Versorgungsunternehmen = legalisierte Korruption" ist in die einschlägige Literatur eingegangen ( vergl. auch Ausführungen zu 3. und 5. ).
Bei der RWE AG ( Konzernmutter ) lagen die jährlichen Bezüge des ca. 15- köpfigen Wirtschaftsbeirats
bei 454 500,-- DM ( lt. Geschäftsbericht 1993/94, Seite 85 )
Dies sind pro Person ca. 20 000,-- DM.
Sie liegen unter denen des 20-köpfigen Aufsichtsrats, für den
1 372 083,-- DM ausgegeben wurden.
Im ANHANG II, Seite 3 sind die aktuellen Zahlen angegeben.
Bei RWE- Energie AG liegen die jährlichen Bezüge des ca. 78- köpfigen Beirats bei
1 051 050,-- DM ( lt. Geschäftsbericht 1993/94, Seite 72 )
Dies sind pro Person ca. 13 000,-- DM.
Sie lagen über denen des 20-köpfigen Aufsichtsrats, für den
537 500,-- DM ausgegeben wurden.
Dies sind pro Person ca. 26 000,-- DM.
Im ANHANG II, Seite 3 sind die aktuellen Zahlen angegeben.
9.1.4.3. Beiräte bei der RWE- Mehrheitstochter Rheinische Energie AG ( RHENAG ) mit Sitz in Köln
Die jährlichen Bezüge des ca. 62- köpfigen Verwaltungsbeirats lagen
1993 bei 222 000,-- DM ( lt. Geschäftsbericht 1993, Seite 31 )
1994 bei 232 000,-- DM ( lt. Geschäftsbericht 1994, Seite 46 )
Dies sind pro Person ca. 3700,-- DM .
Sie liegen unter denen des 18-köpfigen Aufsichtsrats, für den
1993 : 393 400,-- DM und
1994 : 394 800,-- DM
ausgegeben wurden.
Dies sind pro Person ca. 20000;-- DM.
Im ANHANG II, Seite 3 sind die aktuellen Zahlen angegeben.
9.1.4.4. Beiräte bei der Gelsenwasser AG und ihren regionalen 100-%igen Tochtergesellschaften ( NGW, VGW, Westfalica ):
Bei der Konzernmutter liegen die jährlichen Bezüge des ca. 48- köpfigen Beirats
1993 bei 147450,-- DM ( lt. Geschäftsbericht 1993, Seite 94 )
1994 bei 147100,-- DM ( lt. Geschäftsbericht 1994, Seite 94 )
Dies sind pro Person ca. 3000,-- DM.
Sie befinden sich unter denen des 12-köpfigen Aufsichtsrats, für den
1993 : 480 450,-- DM und
1994 : 555 300,-- DM.
ausgegeben wurden.
Dies sind pro Person ca. 40 000,-- DM ( 1993 ) bzw. 46 000 ( 1994 ).
Im ANHANG II, Seite 3 sind die aktuellen Zahlen angegeben.
9.1.4.5. Beiräte bei VEW :
Die jährlichen Bezüge des ca. 75- köpfigen Verwaltungsbeirats lagen
1993 bei 589446,-- DM ( lt. Geschäftsbericht 1993, Seite 81 ).
1994 bei 582142,-- DM ( lt. Geschäftsbericht 1994, Seite 81 ).
Dies sind pro Person ca. 7 500,-- DM.
Sie lagen über denen des 20-köpfigen Aufsichtsrats, für den
1993 : 361 413,-- DM und
1994 : 358 233,-- DM
ausgegeben wurden.
Dies sind pro Person ca. 17 000,-- DM.
Beiratsmitglieder erhalten hier bei VEW sogar zinslose Darlehen (vergl,
unter 9.8. und ANHANG
II, Seite 2 )).
Die o. a. Gesamtbezüge mit den Namen der betreffenden Mitglieder sind aus den jüngsten Geschäftsberichten der Unternehmen zu entnehmen.
ANHANG II unter dem Titel "Was die deutschen Strom- und Wasserkonzerne für ihre Vorstände, Aufsichts- und Beiräte bezahlen und wer alles darin sitzt" enthält diese Daten.
9.1.4.6. Besondere Beiräte bei regionalen Versorgungsunternehmen, dargestellt am Beispiel PESAG AG
Beiräte der genannten Art existieren auch bei regionalen Versorgungsunternehmen, wenn an ihnen neben Kommunen auch Private Anteile besitzen. Hier gehören die privaten Anteile meist nur Energiekonzerne in direkter oder indirekter Form. Es ist allerdings sehr schwierig, an die Namen und die Vergütung der Beirats- und Aufsichtsratsmitglieder heranzukommen ( vergl. auch Ausführungen zu 9.1.4. ).
So besitzt z. B. die PESAG AG in Paderborn neben einem Verwaltungsbeirat einen besonderen Energiebeirat.
Dieses regionale Stromversorgungsunternehmen mit Verkehrsbetrieb gehört:
zu 54,7 % der PREUSSENELEKTRA AG,
zu 28,7 % der Stadt Paderborn,
zu 16,6 % mehreren anderen Kreisen und Städten.
Die Amtszeit der Mitglieder des Energiebeirats entspricht der Amtszeit des zur gleichen Zeit gewählten Aufsichtsrats.
Die Mitglieder des Energiebeirates werden auf Vorschlag des Vorstandes und des Aufsichtsrats von der Hauptversammlung gewählt, die aber - wie im Aktiengesetz üblich - nicht an die Wahlvorschläge gebunden ist. Jede von der PESAG unmittelbar versorgte Stadt bzw. Gemeinde Samtgemeinde soll im Energiebeirat vertreten sein. Die betreffenden Kommunen werden dann aufgefordert, für eine Vorschlagliste, die vom Vorstand dem Aufsichtsrat zur Empfehlung an die Hauptversammlung vorgelegt werden soll, entsprechende Personen zu benennen.
Diese Information stammt aus einem Schreiben der PESAG AG an die Stadt Höxter vom 09.12.92, das in den öffentlichen Sitzungen des Hauptausschusses am 18.01.93 und des Rates der Stadt Höxter am 04.02.93 zwecks Benennung der betreffenden Personen vorlag. Der Stadtdirektor konnte auf Anfrage nicht beantworten, wie hoch die Vergütung ( Aufwandsentschädigung ) eines Beiratsmitgliedes ist ( vergl. Anlage 8 : Ausschuß- und Ratsvorlagen der Stadt Höxter ).
In einem mir vorgelegenen Geschäftsbericht dieses Unternehmens
war neben Vorstand und Aufsichtsrat wohl ein besonderer Beirat, aber nicht
dieser Energiebeirat angegeben. Der OKD sitzt ja im Aufsichtsrat der PESAG,
was aufgrund des Anteilbeitzes des Kreises Höxter auch in
Ordnung ist.
Die PESAG kann natürlich mit Hilfe dieser Organisation ihren Einfluß auf die Kommunen weiter ausdehnen. Sie hat sich inzwischen mit 49 % an der Abfallverwertungsgesellschaft des Kreises beteiligt und in mindestens 2 Städten des Kreises Höxter die Geschäftsführung für neu gebildete Abwasser- Eigenbetriebe übernommen.
9.1.5. Beiräte kosten Geld und werden deshalb vor der Öffentlichkeit und den Aktionären versteckt
Als ich Anfang der 80-er Jahre erstmals als kritischer Aktionär auf der Hauptversammlung der VEW AG anwesend war, stellte ich fest, daß in dem allen Aktionären zugeschickten "J a h r e s bericht" die Namen und Vergütungen der Beiratsmitglieder fehlten.
Ich besorgte mir auf der Hauptversammlung den ungekürzten G e s c h ä f t s bericht, der diese Angaben enthielt. Hier wies ich auf die mangelhafte Information und den hohen Betrag der Aufwendungen für den Beirat hin, der auch damals schon die Ausgaben für den Aufsichtsrat überschritt ( siehe Abschnitt 9.1.3. ). Man begründete die Notwendigkeiten dieser Aufwendungen sinngemäß damit, dieser Beirat habe eine wichtige Aufgabe für das Unternehmen zu erfüllen.
Immerhin erhielten seitdem die Aktionäre den ungekürzten G e s c h ä f t s bericht zugeschickt.
Beiräte werden sehr oft in Unternehmen gebildet, die keine Publikumsgesellschaften sind, d. h. in 100-%-igen Tochtergesellschaften von Konzernen oder in solchen gemischtwirtschaftlichen ( teilprivatisierten ) Unternehmen, bei denen kein Streubesitz existiert ( z.B .PREUSSENELEKTRA AG, RWE- Energie AG ). So dringt ihre Existenz oft nicht an die Öffentlichkeit.
Bei VEBA- Hauptversammlungen war es dann auch oft schwierig, z.B. an den Geschäftsbericht deren 100-%-igen Tochter PREUSSENELEKTRA AG heranzukommen. Einmal erhielt ich diesem erst, nachdem ich die Nichtzurverfügungstellung bei meiner Wortmeldung reklamierte. Bei der Informationsstelle für VEBA- Aktionäre lag der PREUSSENELEKTRA- Bericht meist nicht vor. So wurde er mir einmal erst auf mein Drängen hin bei der Pressestelle zur Verfügung gestellt. Zur jüngsten Hauptversammlung erhielt ich ihn schon vorher zugeschickt, allerdings erst nach zweimaliger Aufforderung. Ich mußte auch auf der Hauptversammlung wieder erleben, daß ein anderer kritischer Aktionär sich wieder über mangelhafte Information in diesem Zusammenhang beschwerte.
9.1.5. Auch bei der Zusammenlegung von Sparkassen entstehen Beiräte
Nach der Gebietsneugliederung dauerte es oft sehr lange, bis die verschiedenen öffentlichen Institutionen und andere Verbände an die neuen Gebietsgrenzen angeglichen werden konnten. Oft mußte dabei von den öffentlichen Verwaltungen mit gesetzlichen Maßnahmen gedroht oder sogar die Angleichung durch Maßnahmen der Verwaltung oder der Gesetzgebung durchgeführt werden.
Ein besonderes Problem bei den hiervon betroffenen öffentlichen Sparkassen war die durch die Neugliederung notwendige Neubesetzung der Entscheidungsgremien, hier der Verwaltungsräte. Die in diesen Gremien sitzenden Personen waren nämlich sehr oft nicht bereit, sich den "eigenen Ast abzusägen". Neben persönlichen mußten lokale und regionale Interessen sowie deren Proporz berücksichtigt werden. Da die zahlenmäßige Besetzung der Verwaltungsräte nach bestimmten Kriterien meist gesetzlich festgelegt war, wurden aufgrund von Satzungsregelungen bzw. sonstigen Beschlüssen sog. Sparkassenbeiräte gebildet, in denen die aus den Verwaltungsräten ausscheidenden Mitglieder untergebracht werden konnten. Dabei ist anzunehmen, daß sie mit Aufwandsentschädigungen in gleicher Höhe dotiert werden.
So kann man im Geschäftsbericht 1994 der Sparkasse Vogelsbergkreis dazu lesen ( Seite 3 ) :
" Der Verwaltungsrat der Sparkasse Vogelsbergkreis hat in seiner Sitzung am 24. 06. 1993 auf Vorschlag des Vorstandes beschlossen, einen Beirat für die Sparkasse Vogelsbergkreis zu berufen. Der Zweck dieses Beirates besteht darin, die Sparkasse im Sinne einer möglichst optimalen Aufgabenerfüllung zu unterstützen. sowie insbesondere auch einen Beitrag zur Förderung und Festigung der Geschäftsbeziehungen mit allen gesellschaftlich relevanten Gruppen im Geschäftsgebiet zu leisten. Die konstituierende Sitzung des Beirats hat am 20.01.1994 stattgefunden. "
Als ehemalige Mitglieder des Verwaltungsrats von kleineren selbständigen Sparkassen erfüllten die betreffenden Personen noch eine echte Aufsichtsaufgabe. Als Beiratsmitglieder auf Initiative des Vorstandes sind sie allerdings nicht nur ein "Anhängsel" der Sparkasse, sondern sie stützen eine Geschäftspolitik ab, die in ihrer Entwicklung immer mehr dem eigentlichen öffentlichen Auftrag der Sparkassen zuwiderläuft.
9.2. Beirats- und Aufsichtsratstantiemen steigen, um Privatisierung durchzusetzen ( Beispiele: PREUSSENELEKTRA, VIAG )
Bei der weitergehenden Privatisierung von der VEBA AG ( 1984/85) und der VIAG ( 1986/87 ) verdoppelten sich kurz vor bzw. nach dem Vollzug die Beirats- bzw. Aufsichtsratsvergütungen.
Dieser Tatbestand wurde durch einen Vergleich der in den o.a. Jahren herausgegebenen Geschäftsberichte angegebenen entsprechenden Vegütungen festgestellt. Ich habe in auf dem Münsteraner SPD- Bundestag 1988 in meinem Diskussionsbeitrag vorgetragen.
Ein Papier unter dem Titel :
" Nach der Privatisierung ( oder kurz zuvor ) : Aufsichtsrats- oder Beiratsvergütungen im Strombereich der VEBA (PREUSSENELEKTRA) und bei der VIAG verdoppelt - Beamte brauchen nicht abzuführen"
habe ich dort dem SPD-Vorsitzenden Vogel überreicht. ( vergl. Anlage 7 )
Ein Gegenargument, das diese unangemessen hohen Bezüge bei Aufsichtsräte- und Beiratsmitgliedern in Gewerkschaftskreisen entschuldigen soll, besagt, daß die Gewerkschaftsvertreter einen Großteil davon an die Gewerkschaft abführen. Ähnliches wird auch in Kreisen vorgetragen, wo Satzungen oft eine Abführungspflicht an die zuständige Organisationsgliederung ( z.B. 30 % ) vorschreiben. Ich habe allerdings auch schon mehrmals erlebt, daß zur Rechtfertigung, ja sogar zum Durchsetzen von entsprechenden Erhöhungen in ähnlichen Fällen diese Abführungspflicht als Argument dafür vorgebracht wurde ( vergl. auch Ausführungen zu 4., 9.3. und 9.6. ).
9.3. Politiker und Beamte behalten trotz vollständiger Privatisierung ihre Sitze in den Aufsichts- und Beiräten
Nach der Privatisierung eines Unternehmens, die oft in Teilabschnitten vorgenommen wird, behalten die Anteilsvertreter der öffentlichen Hand oft ihre Sitze im Aufsichtsrat. Das ist bis zur vollständigen Privatisierung noch vertretbar, da noch ( geringere ) öffentliche Anteile vorhanden sind. Anders ist es, wenn alle Anteile in privater Hand sind.
Da sie sich nun als Mitglied im Aufsichtsrat nicht mehr auf öffentliche Anteile in der Hauptversammlung berufen können, ist ihr dortiger Einfluß für das öffentliche Interesse gleich Null. Ja, sie können nun sogar noch stärker in die betriebswirtschaftlichen Interessen der privaten Kapitalseigner eingebunden werden, die sehr oft den öffentlichen Interessen widersprechen
Hinzu kommt, daß nunmehr z. T. wegen der Koppelung der Aufsichtsratsvergütungen am Gewinn die Sitze noch besser vergütet werden, was jetzt eine Privatisierung für die Entscheidungsträger wieder schmackhaft macht ( vergl. auch Ausführungen zu 4. und 9.2. ).
Auch nach der vollständigem Privatisierung sind dann oft noch die Sitze im Aufsichts- und Beirat an die ehemaligen öffentlichen Anteilseigner gebunden. Die entsprechenden Repräsentanten rücken dann mehr oder weniger automatisch nach, was z.B. bei der PREUSSENELEKTRA AG satzungsmäßig festgelegt ist.
Beispiel bei der PREUSSENELEKTRA AG :
Auf der letzten Hauptversammlung der NWK vor der Fusion mit der PREAG am 29.07.85 in Hamburg erklärte der damalige NWK- und späterer PREUSSENELEKTRA- Boss Krämer:
"Der Weiterführung der guten Beziehungen zu den Gebietskörperschaften wird u.a. dadurch Rechnung getragen, daß VEBA den Gebietskörperschaften die weitere Mitarbeit im Aufsichtsrat und Beirat ( der fusionierten PREAG/NWK ) angeboten hat." ( vergl. auch Ausführungen zu 9.1.2.).
Auch ist in der Satzung der PREUSSENELEKTRA ( Stamd: 04.03.1992 ) im 11, Abs. 2 zum Aufsichtsrat festgelegt :
"Wer als Träger eines öffentliches Amtes zum Mitglied des Aufsichtsrates gewählt worden ist, scheidet, wenn das Amt endigt, mit dem Schluß der nächsten darauf folgenden ordentlichen oder außerordentlichen Hauptversammlung aus dem Amt aus."
Im Gegensatz zu anderen Unternehmenssatzungen ( z.B. bei RWE, VEW ) ist in der Satzung der PREUSSENELEKTRA AG nichts über den Beirat zu lesen. Dieses Stromunternehmen entzieht sich wie ihre Tochtergesellschaften sowieso der öffentlichen Kontrolle. Lediglich VEBA- Aktionäre haben die Möglichkeit, sich genaue Informationen zu beschaffen, wobei ihnen noch Schwierigkeiten gemacht werden..
Als 100-%-ige VEBA- Tochter dürfte auf ihrer Hauptversammlung nur die VEBA- Spitze ( = Hauptversammlung der PREUSSENELEKTRA AG ) mit Aufsichtsrat und Beirat vertreten sein. Für VEBA- Aktionäre ist es oft schwierig, an den Geschäftsbericht der PREUSSENELEKTRA AG heranzukommen, aus der u.a. die Namen und Funktionen der Organe dieser AG zu ersehen sind ( vergl. auch Ausführungen zu 9.1.5.).
9.4. Hohe Politiker ( Minister, Staatssekretäre, Kommunalbeamte ) werden sogar in Aufsichts- oder Beiräte berufen, ohne daß ein betreffendes öffentliches Beteiligungskapital vorhanden ist
In vielen privatisierten Unternehmen sitzen nicht nur die bereits vorher von den ehemaligen öffentlichen Eignern entsandten Vertreter, sondern es werden auch nachher noch von den Unternehmensorganen (!!) solche öffentliche Repräsentanten vorgeschlagen und gewählt ( z.B. für den Aufsichtsrat ) oder berufen (für sog. Beiräte). Das geschieht sowohl bei Unternehmen mit privaten Mehrheiten als auch bei solchen. die vollständig privatisiert sind. Dabei spielt es auch oft keine Rolle, ob vorher einmal eine Kapitalverbindung mit der betreffenden öffentlich-rechtlichen Körperschaft bestand oder ob dies nicht der Fall war. Aufgrund dieser Situation ist mir klar, daß die Unternehmen auf die öffentlich- rechtlichen Stellen einen stärkeren Einfluß ausüben können als umgekehrt.
In der Folge soll dies in 3 Beispielen an 2 Konzernen des Versorgungsbereichs gezeigt werden :
9.4.1. Beispiel : Gelsenwasser AG im Land Nordrhein- Westffalen
Auf der Hauptversammlung der Gelsenwasser AG am 24.06.1994 wurde der Staatssekretär im Ministerium für Wirtschaft, Mittelstand und Technologie des Landes Nordrhein- Westfalen Hartmut Krebs aus Meerbusch mit sofortiger Wirkung in den Aufsichtsrat der Gelsenwasser AG berufen.
Hier ist folgendes zu bemerken:
1. Er erhält hier eine Vergütung von ca. 30000,-- bis 40000,-- DM, von der er als Beamter nach der nordrheinwestfälischen Nebentätigkeitsverordnung nichts abzuführen braucht ( vergl. Ausführungen zu 9.5. ).
2. Das Land NRW hat keine Anteile an der Gelsenwasser AG.
3. Bereits in den 70-iger Jahren hatte der damalige nordrhein- westfälische Staatssekretär des Landwirtschaftsministeriums Arnold Ebert aus Detmold, der für Wasser- und damit auch für Umweltschutzfragen zuständig war, einen Aufsichtsratssitz. Im Zusammenhang mit der internen Diskussion in der SPD um den Wasserverbund Ostwestfalen- Lippe ( WOL ) in den Jahren 1978 bis 1985 war dieser Sitz nach dessen Ausscheiden im Jahre 1979 nicht wieder von einem nordrhein- westfälischen Ministerialbeamten besetzt worden.
4. Es bleibt abzuwarten, welche Ziele der Wasserkonzern mit dieser erneuten Berufung eines Regierungsvertreters verfolgt. Anfang der 80-iger Jahre sollten dem WOL 60 - 80 Mio DM Landeszuschuß zum Bau einer großen Verbundleitung zur Verfügung gestellt werden. Der Gelsenwasserkonzern sollte an diesem Verbund zunächst mit 75 %, ( im Rahmen der Diskussion ) dann 50 % und schließlich mit 25 % ( im Rahmen der bereits konzipierten Verträge ) beteiligt werden. Schließlich scheiterte er dann 1985 endgültig an dem Widerstand der Naturschützer und der umweltbewußten Politiker. ( vergl. Anlage 9 : Bericht aus dem "IKT-Info-Dienst" 10/Januar 1988 ).
Maßgeblich für diese politische Entscheidung war meines Erachtens auch, daß der aus Schleswig- Holstein gekommene neue nordrhein-westfälische Landwirtschafts- und Umweltminister Mathiessen noch nicht in diese "Gelsenwasser- Lobby" eingebunden war.
5. Die Berufung eines Vertreters des Wirtschaftsministeriums statt eines Fach- bzw. Umweltministeriums führe ich darauf zurück, daß der Wasserkonzern im Aufsichtsrat vorrangig ( betriebs- ) wirtschaftliche Diskussionen haben will und umweltpolitische scheut.
9.4.2. Beispiel : Gelsenwasser AG in der BRD und im neuen Land Brandenburg
Lt. Seite 58 des Geschäftsberichtes 1993 der Gelsenwasser AG sind Beiratsmitglieder bei der Konzernmutter :
der Staatssekretär im Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und für Reaktorsicherheit Clemens Stroetmann, Bonn ( vergl. unten : Ausführungen zu 9.4.5 ),
der Chef der Staatskanzlei des Bundeslandes Brandenburg Dr. Jürgen Linde, Potsdam,
Beide beziehen dort jährlich je 3000,-- DM Vergütung. Die Bundesrepublik Deutschland und das Land Brandenburg sind an keiner Unternehmung des Gelsenwasserkonzerns beteiligt.
Aus Seite 104, rechte Spalte von "Ratgeber für die kommunale Abwasserentsorgung" von Dr. Dieter Schulze geht hervor, daß die Bundesregierung mit Kabinettbeschluß vom 18. Juli 1991 empfohlen hat, im Infrastrukturbereich verstärkt auf die Dienstleistungstätigkeit privater Träger zurückzugreifen, und daß im Bundesland Brandenburg im Mai 1993 schon 10 Gemeindeverbände aufgrund einer Ende 1991 erklärten Empfehlung der für Umwelt und Wirtschaft zuständigen Minister der NBL private Unternehmungen ganz oder teilweise mit der Abwasserentsorgung beauftragten.
Auch stoßen in den nördlichen NBL ( Mecklenburg- Vorpommern und Brandenburg ) Anträge der dortigen Städte auf Gründung von eigenen Stadtwerken auf den Widerstand der betreffenden Landesregierungen ( vergl. Anlage 10 : Bericht "Stromstreit bricht erneut aus" in "FR" vom 14.09.94 ).
9.4.3. Beispiel : PREUSSENELEKTRA AG im VEBA- Konzern
Seit 1985 ist die PREUSSENELEKTRA AG eine 100-prozentige Tochtergesellschaft der VEBA AG, die seit 1987 vollständig privatisiert ist, wobei es jetzt noch ganz geringe öffentliche Kapitalanteile aus dem Aktientausch PREUSSENELEKTRA -> VEBA geben kann.
Ende der 80-iger Jahre, als die Diskussion um den "Schrottreaktor" des Atomkraftwerkes Würgassen in vollem Gange war, wurde der damalige nordrhein- westfälische Wirtschaftsminister Joachimsen in den Beirat der PREUSSENELEKTRA AG berufen, wo man für in der Regel 2 Sitzungen pro Jahr 25000,-- DM als Aufwandsentschädigung bezieht. Diese Tatsache wurde im Zusammenhang mit der selben "Nebentätigkeit" des Höxteraner Oberkreisdirektors Paul Sellmann in Form von Leserbriefen in der Öffentlichkeit diskutiert.
Dazu ist zu bemerken:
1. Das Land Nordrhein- Westfalen hat nie Anteile an der PREUSSENELEKTRA AG oder der Konzernmutter VEBA AG besessen.
2. Der Minister stellte kurzfristig seinen Sitz zur Verfügung. Hierbei spielte auch der Beschluß seines SPD-Landesverbandes NRW eine Rolle, die Beiräte bei Versorgungsunternehmen abzuschaffen. ( vergl. Anlage 11 : Bericht " SPD- Landesverband beschließt Antrag aus Höxter, Versorgungsunternehmen : Die Beiräte abschaffen " der "Neuen Westfälischen" vom 09.10. 1987 )
3. Der Kreis Höxter hatte bis 1985 PREUSSENELEKTRA- Aktien besessen, die dann in VEBA- Aktien umgetauscht wurden. Obwohl der Kreis Höxter in der Zwischenzeit seine VEBA- Aktien verkauft hat, nimmt der Oberkreisdirektor lt. Geschäftsbericht 1993 seinen lukrativen Beiratssitz immer noch wahr.
9.4.4. Beispiel : Neue Aktivitäten der Stromkonzerne in den NBL zur Privatisierung der Abwasserentsorgung
Über die Sanierung der Abwasserentsorgung soll in den neuen Bundesländern ( NBL ) die Wasserversorgung privatisiert werden. Dabei werden die großen westdeutschen Stromkonzerne mit den von ihnen beherrschten Wasserkonzernen und ostdeutschen Tochtergesellschaften eingesetzt.
Die Weichen dazu werden im Bundesumweltministerium gestellt, in welchem die Staatssekretäre bereits von den Konzernen in ihre gut dotierten Beiräte berufen worden sind ( Beiräte bei Versorgungsunternehmen = "legalisierte Korruption" lt. SPD- Landtagsfraktionsvorsitzenden NRW Friedhelm Farthmann, vergl. auch Ausführungen zu 3., 5. und 9.1.3. ) :
Lt. Seite 58 des Geschäftsberichtes 1993 der Gelsenwasser AG ist Beiratsmitglied bei der Konzernmutter :
der Staatssekretär im Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und für Reaktorsicherheit Clemens Stroetmann, Bonn ( vergl. oben : Ausführungen zu 9.4.2 ). Er wurde zwar Anfang Januar 1995 von der neuen Bundesumweltministerin Merkel entlassen. Es bleibt aber der neue Geschäftsbericht des Unternehmens abzuwarten, ob dort ein entsprechender Nachfolger für den Beirat erscheint.
Lt. Seite 105 des Geschäftsberichtes 1993 der PREUSSENELEKTRA AG ist dort Beiratsmitglied:
der neue parlamentarische Staatssekretär im Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und für Reaktorsicherheit Walter Hirche, der hier noch unter seiner alten Funktion geführt wird: Minister für Wirtschaft, Mittelstand und Technologie des Landes Brandenburg in Potsdam. Er war es lt. Geschäftsbericht 1994 ( Seite 98 ) bis zum 09.12.94. Aus dem Land Brandenburg ist bisher kein neues Beiratsmitglied berufen worden.
Die PREUSSENELEKTRA AG ( 100 % VEBA AG ) ist mit 42,4 % an der Gelsenwasser AG beteiligt .
Folgende Punkte weisen auf die Entwicklung zur gesteuerten Privatisierung hin ;
- 1. Der Deutsche Industrie- und Handelstag ( DIHT ) veröffentlicht in dem "Infodienst Kommunal - Informationen der Bundesregierung für Städte Gemeinden und Kreise in den Ländern Berlin, Brandenburg, Mecklenburg- Vorpommern, Sachsen, Sachsen- Anhalt, Thüringen", Nr. 93 vom 1. 7. 1994 unter der Herausgeber- Adresse "Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit"
Richtlinien, nach denen Finanzmittel der Deutsche Bundesstiftung Umwelt ( DBU ) zur Behebung der Abwasserentsorgungskrise in den NBL nur mit vertraglicher Prüfungspflicht zur Privatisierung gewährt werden, wobei die dazugehörige Wasserversorgung miteinbezogen wird (vergl. Ziff. 5.1. der "Richtlinien über die Förderung der Kommunalen Infrastruktur zum beschleunigten Aufbau einer effizienten Abwasserbeseitigung in den neuen Bundesländern und Berlin ( Ost ) vom 01.06.1994 mit dem dazugehörigem Merkblatt "Beratungsprogramm kommunale Infrastruktur in den neuen Bundesländern" ).
- 2. Am Donnerstag, den 21. April 1994 erklärte der SPD- Bundestagsabgeordneten Prof. Dr. Nils Diedrich, vor dem Deutschen Bundestag in einem Diskussionsbeitrag, als es um eine allgemeine Prüfungspflicht der Länder und Kommunen zur Privatisierung ging:
"... Es wird so sein, daß spezialisierte Großeinrichtungen auf Bundesebene, anonyme Apparate auftauchen. Diese haben ihre Akquisititions-abteilungen. Solche Einrichtungen werden überall in den Kommunen fragen : Wo können wir bei einer weiteren kommunalen Aufgabe absahnen ? Wir haben diesbezüglich zahlreiche Erfahrungen in den neuen Ländern. Den dortigen Kommunen wurde von zugereisten Westdeutschen aufge-schwatzt, derartige Unternehmen einzuschalten. Solche Unternehmen sind letztlich sehr viel teurer. Ich denke in diesem Zusammenhang bei-spielsweise an die Abwasserentsorgung. Die Kommunen stöhnen unter der Last, die sie sich vor 2 oder 3 Jahren aus Mangel an Erfahrung aufgeladen...." ( lt. Seite 13138 des stenographischen Berichts, 222.Sitzung; Plenarprotokoll 12/222 ).
Die Opposition lehnte den entsprechenden Gesetzesentwurf ab, der dann im Bundesrat scheiterte.
- 3. Die großen Stromkonzerne mit ihren "Wasser"- Töchtern, die Prof. Dr. Nils Diedrich wohl ansprach, sind dabei, ihre Vorkehrungen zu treffen:
- 3.1. In die Satzung der RWE AG wurden in der Hauptversammlung am 08.12.94 u. a. die Durchführung wasserrechtlicher Maßnahmen und Ingenieurtätigkeiten aller Art als neue Gegenstände des Unternehmens ausgewiesen ( vergl. Anlage 12 : " Übersicht über die der Hauptversammlung vorgeschlagene Ergänzung der Satzung der RWE Aktiengesellschaft " aus dem Kurzbericht 1993/94 der RWE AG, Seite 6).
- 3.2. Die Vereinigten Elektrizitätswerke Westfalen AG ( VEW mit
Sitz in Dortmund ), die sich über eine Holding in die Dortmunder Stadtwerke
eingekauft hat, will ins Abwassergeschäft einsteigen und mit der Gelsenwasser
AG, mit der sie und die VEBA ja bereits verschachtelt
sind, ein gemeinsames Abwasserunternehmen gründen ( Anlage 13
: Artikel "Nach der Abfallentsorgung reizt VEW nun das Abwassergeschäft"
in der "FAZ" vom 18.03.1994 ).
- 3.3. Die VEBA AG hat bereits Tochtergesellschaften mit Trink- und Abwassertätigkeit in den NBL gegründet. Sie berichtet in seinem Geschäftsbericht 1993 in seinem 4-seitigen UMWELTSCHUTZ- Abschnitt von den Aktivitäten seiner Tochter- ( oder besser Urenkelinnen- ) Gesellschaft OEWA Wasser und Abwasser GmbH. Im Geschäftsbericht wird außer der werbewirksamen Schilderung (vergl. Seiten 61 - 63) zu dieser Gesellschaft weiter nichts angegeben. Aus dem Nachschlagewerk "Wer gehört zu wem ?" (18. Auflage, 1994 von der Commerzbank) geht hervor, daß sie in Potsdam ihren Sitz hat, ein Stammkapital von 1,0 Mio DM besitzt und die VEBA AG indirekt über die PREUSSENELEKTRA AG und VEBA- Kraftwerke Ruhr AG (VKR) mit 50 % beteiligt ist. Partner sind 2 französische Firmen.
- 3.4. Die Gelsenwasser AG ist bereits an einer ganzen Reihe von Stadtwerken in den NBL meist indirekt ( z. B. in Zeitz, Weißenfels, Burg, Frankfurt/Oder ) beteiligt.
- 3.5. Die Gelsenwasser AG hat sich auch an der VEWA Vereinigte Wasser GmbH, Berlin mit 25 % beteiligt, die Betriebsführung für einen Trinkwasser- und 2 Abwasserzweckverbämde ab 01.01.94 im Raum Radeberg übernommen hat. Ihr Partner mit ebenfalls je 25 % sind der Ruhrverband in Essen, die WestLB in Düsseldorf und die Rheinisch- Westfälische Wasserwerks- GmbH in Mühlheim ( lt. Geschäftsbericht 1993 der Gelsenwasser AG, Seite 71 ).
9.5. Den Unternehmen wohlgesonnene Gewerkschaftler erhalten nach langjähriger Aufsichtsratstätigkeit im Beirat einen "Ruhesitz"
Bekanntlich werden von der Belegschaft nach dem Mitbestimmungsgesetz Belegschaftsmitglieder und Gewerkschaftsvertreter in den Aufsichtsrat gewählt. Sehr oft sind bei großen Konzernen ,darunter Vorsitzende der betreffenden Gewerkschaft, z. B. bei der VEBA AG die der IG Bergbau, IG Chemie bzw. ÖTV.
So war mir bereits in den 80- ziger Jahren in den Geschäftsberichten der PREUSSENELEKTRA AG aufgefallen, daß der frühere Vorsitzende der IG Bergbau Walter Arendt in der Liste der Beiratsmitglieder erschien ( hier allerdings mit der Bezeichnung "Bundesminister a. D." ). Er war bis zum 6. Juli 1983 im Aufsichtsrat dieses Stromunternehmens tätig und wurde am selben Tag dort Mitglied des gut dotierten Beirats. ( damals 15000,--, jetzt 25000,-- DM für 2 Sitzungen im Jahr ).
Deutlicher ist es allerdings in den Geschäftsberichten 1994 der
VEBA AG und deren 100 %- igen Tochter PREUSSENELEKTRA AG zu beobachten.
Der stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende der VEBA AG Rappe ( Vorsitzender
der IG Chemie und MdB ) erscheint hier sowohl in der Aufsichtsratsliste
der VEBA als auch erstmals als Beiratsmitglied der PREUSSENELEKTRA AG und
zwar in dem Jahr, in dem er lt. Berichten in den Medien aus Altersgründen
seine Gewerkschaftsfunktion aufgegeben hat. Seine Unternehmerfreundlichkeit
ist wohl nbestritten,
hat sie ihm doch vor seinem Abtritt den Karry- Preis der FDP eingebracht.
Unklar ist allerdings noch, ob Beiratsmitglieder der Gewerkschaften ein Teil ihrer nicht unerheblichen Bezüge an ihre Gewerkschaft abführen müssen.
9.6. In Nebentätigkeitsverordnungen werden privatisierungsfördernde Bestimmungen eingebracht ( Beispiel NRW )
Beamten können im Auftrag ihrer öffentlichen Körperschaften Aufsichts- und Beiratssitze übernehmen. Ihre dort erhaltenen Nebeneinnahmen müssen sie unter Berücksichtigung von festgelegten Mindestbeträgen an die Auftraggeber abführen. Natürlich müssen diese in der Regel auch versteuert werden
Anders ist es allerdings im Land Nordrhein- Westfalen geregelt, wenn sie nicht von öffentlichen Gremien sondern von anderen Dritten berufen werden und wenn der öffentliche Anteil des sie berufenden Unternehmens weniger als 50 % beträgt. In diesen Fällen können sie die hier anfallenden Beträge in voller Höhe behalten, allerdings bedarf diese Nebentätigkeit der Genehmigung ihres Dienstvorgesetzten.
Über die Genehmigungsstelle der Nebentätigkeit und die Vorlage
der Aufstellung aller Nebeneinkünfte des Oberkreisdirektors ( siehe
nachfolgenden Abschnitt 9.6. ) hat es im Kreis Höxter Auseinandersetzungen
gegeben. Bis Ende 1982 hatte der Kreistag in der Kreisordnung des Kreises
Höxter sein im 68, Abs 1 Landesbeamtengesetz NRW zustehendes Recht
auf den Kreisausschuß übertragen. Nachdem durch Gesetzesänderung
( März 1981 ) dieses Übertragungsrecht fortfiel, übernahm
dann auf Drängen der überörtlichen Prüfung und oppositioneller
Kreistagsmitglieder der Kreistag diese Genehmigungen.
9.7. Kommunale Hauptverwaltungsbeamte verschweigen deshalb hohe Nebentätigkeitseinnahmen ihren Dienstvorgesetzen ( Beispiel : Kreis Höxter )
Nach dem Gemeinderecht ( Gemeinde- bzw. Kreisordnung ) von NRW ist die Vertretungskörperschaft ( Rat bzw. Kreistag ) Dienstvorgesetzter des Hauptverwaltungsbeamten ( Gemeinde- bzw. Oberkreisdirektor ). Als solcher hat er die Nebentätigkeiten zu genehmigen und ist ihm auch die Liste aller Nebentätigkeiten jährlich vorzulegen. Dies wurde 1975, als ich Kreistagsmitglied wurde, allerdings anders gehandhabt, auf jeden Fall so im Kreis Höxter: Die Genehmigung erfolgte durch den Kreisausschuß, die Vorlage der Liste nur beim Landrat. Hintergrund war wohl, nur einer geringen Anzahl von Spitzenpolitikern diese Informationen offenzulegen. Obwohl der Prüfer des Regierungspräsidenten dies seit 1979 mehrmals beanstandete, dauerte dies fast 10 Jahre, bis dem Gesetz endlich genüge getan wurde.
Als Mitglied des Rechnungsprüfungsausschusses erhielt ich den überörtlichen Prüfungsbericht des Regierungspräsidenten, der mich auf diese Problematik aufmerksam machte. Durch Geschäftsberichte der Energie- bzw. Wasserkonzerne VEBA ( PREUSSENELEKTRA AG ), Gelsenwasser AG ( VGW in Rheda- Wiedenbrück ), Westfälische Ferngas AG ( WFG ) konnte ich die Namen und die Gesamtsumme der Aufsichtsrats- und Beiratsmitglieder feststellen und in Bezug auf diese Quellen sogar der Öffentlichkeit zugängig machen. Einzelheiten konnte ich sogar als kritischer Aktionär auf den betreffenden Hauptversammlungen erfragen.
Es wurden natürlich die tollsten "Klimmzüge" unternommen, um meine Aktivitäten auf diesem Gebiet zu bremsen, auf die ich aber im einzelnen nicht eingehen möchte.
Praktische Bedeutung bekam dieser Mangel allerdings, als 1984/1985 die VEBA AG ihre bereits mehrheitlich beherrschte Tochter PREUSSENELEKTRA AG aus steuerrechtlichen Gründen voll integrierte und dabei die privaten Aktionäre der Nordwestdeutschen Kraftwerke AG ( NWK ) sowie die öffentlichen Anteilbesitzer der alten Preussenelektra ( Preag ) ausbootete. In dieser Zeit wurde nämlich die jährliche Aufwandsentschädigung der Beiratsmitglieder von 15000,-- DM auf 25000,-- DM erhöht,. Dies wurde nämlich ( auch auf den Zeitpunkt bezogen ) mir erst nach einigen Jahren bekannt, als die Vorlage der Aufstellung über die Nebeneinnahmen des Oberkreisdirektors vor dem Kreistag endlich durchgesetzt werden konnte. Die entsprechende Beobachtung konnte vorher nur in der Gesamtheit der Bezüge durch einen Vergleich der entsprechenden Geschäftsberichte gemacht werden ( vergl. Anlage 7 : Auszug aus dem Parteitagsprotokoll des SPD-Bundesparteitages in Münster 1988 und die Abhandlung "Nach der Privatisierung, oder kurz vorher: Aufsichts- bzw. Beiratsvergütungen im Strombereich der VEBA/PREUSSENELEKTRA und bei der VIAG verdoppelt" und auch Ausführungen zu 4., 9.2. und 9.3. ).
9.8. Aus den Geschäftsberichten von Unternehmen ist zu entnehmen, daß Vorstand, Aufsichtsrat und Beirat auch Sonderkonditionen neben den sonstigen Bezügen gewährt werden können
Lage- bzw. Geschäftsberichte von Unternehmen geben in immer stärkerem Maße bekannt, daß ihren Organen und auch den Mitglieder ihrer Beiräte Sonderkonditionen für Kredite gewährt werden.
Auf einen Fall bei einem Beiratsmitglied von VEW wird in diesem Zusammenhang hingewiesen.
Dazu heißt es im Geschäftsbericht 1993, Seite 81 :
" Einem Mitglied des Verwaltungsbeirats ist ein Darlehen in Höhe von 20 521,-- DM gewährt. Das Darlehen ist zinslos und mit 15 % zu tilgen."
und im Geschäftsbericht 1994, Seite 81 :
" Einem Mitglied des Verwaltungsbeirats ist ein Darlehen in Höhe von 13 021,-- DM gewährt. Das Darlehen ist zinslos und mit 15 % zu tilgen. Tilgung 1994 : 7500,-- DM.".( siehe oben unter 9.1.4.5., vergl. auch ANHANG II, Seite 2 ).
9.9. In die Aufsichts- und Beiräte werden auch Wissenschaftler berufen.
Einige Energie- und Wasserkonzerne ( z.B. RWE ) unterscheiden Wirtschaftsbeiräte
und regionale Beiräte.
In die Wirtschaftsbeiräte werden auch Wissenschaftler berufen.
Es ist eigentlich nichts dagegen einzuwenden, daß sich Konzerne von
Wissenschaftlern beraten lassen. Allerdings muß dann darauf geachtet
werden, daß diese Wissenschaftler nicht zur Erstellung von neutralen
Gutachten herangezogen werden, wenn die betreffenden Konzerne an der umstrittenen
Angelegenheit beteiligt sind.
9.10. Diskussion um Beiräte innerhalb der SPD
Nach dem Verkauf der Höxteraner Brunnen an den Gelsenwasserkonzern entwickelte sich innerhalb der Höxteraner SPD eine Diskussion um die Höhe der Vergütung der Mitglieder des Aufsichtsrates der Gas- und Wasserversorgung Höxter GmbH, die je Mitglied pro Jahr 3000,-- DM betragen sollte ( vergl. die Ausführungen unter 7. ).
Im Zusammenhang mit dem nun auch bekanntgewordenen "Beiratswesen" entwickelte sich folgende übereinstimmende Meinungslage :
1. Beiräte bei Versorgungsunternehmen sind abzulehnen.
2. In die Aufsichtsräte sind vorwiegend Mandatsträger zu wählen,
3, Mitglieder in den Gremien ( Gesellschafterversammlung und Aufsichtsrat ) erhalten das gleiche Sitzungsgeld wie in den Ausschußsitzungen.
Beim 1. Punkt war die einheimische SPD nicht betroffen. Die Beiratsmitglieder des Gelsenwasserkonzerns ( Stadt- und Oberkreisdirektor ) gehörten und gehören z. Zt. noch der CDU an.
Die Diskussion zum 3. Punkt führte immerhin zu einer Halbierung der Bezüge der Aufsichtsratsmitglieder bei der Gas- und Wasserversorgung Höxter GmbH ( vergl. die Ausführungen unter 7. ). Der damalige SPD- Fraktionsvorsitzende war sehr korrekt und daher in diesen Angelegenheiten sensibel. Für den Aufsichtsrat kandidierte er gar nicht. Seine Funktion als Mitglied der Vertreterversammlung legte er nieder, als er immer wieder nach seiner Vergütung gefragt wurde. Einmal äußerte er, man habe dort den Vertretern einen Blankoscheck vorgelegt, in welchen jeder seine "verdiente" Aufwandsentschädigung eintragen könne. Inwieweit dies den Tatsachen entsprach, kann ich nicht beurteilen. Es ist aber genau so möglich, wie die Aussage eines Journalisten mir gegenüber, bei einer Pressekonferenz des Gelsenwasserkonzerns hätten die Teilnehmer "goldene Uhren als Werbegeschenke erhalten". Eine solche Praxis bei Journalisten wurde auch bei der sonntäglichen Runde der ARD Mitte Januar 1995 angesprochen. als es um Korruption in der BRD ging.
Die genannten 3 Punkte wurden als Anträge in die SPD-Organisation weitergeleitet und in den Vorständen zunächst bis zur Bezirksebene, u. a. in der Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen ( AfA ), ausführlich diskutiert.
Zustimmung in allen Gremien fand die Forderung, daß vor allem Mandatsträger in den Aufsichtsräten tätig werden sollten ( Punkt 2 ). Hierdurch sollte eine größere Informationsmöglichkeit aus den Versorgungsbetrieben zumindest in den kommunalem Fraktionen zustande kommen.
In der Vergütungsfrage ( Punkt 3 ) wurde schließlich ( ähnlich den Regelungen bei den Gewerkschaften ) eine Abführungspflicht eines bestimmten Anteils ( z. B. 30 % ) an die zuständige Organisationsgliederung satzungsrechtlich festgelegt. Die Begründung lautete, man habe auf die Höhe des Betrags wegen der privaten Rechtsform der Unternehmen keinen Einfluß.
Die Diskussion über die Ablehnung bzw. Abschaffung der Beiräte ( Punkt 1 ) zog sich lange hin und wurde eigentlich nur im SPD- Landesverband NRW 1987 durchgesetzt. Die entsprechenden Anträge wurden zunächst nur auf den unteren Organisationsebenen geführt und immer bereits dort den Vorständen überwiesen, welche sie "auf Eis legten". Allerdings wurde nach dem Ausscheiden des für Wasserfragen zuständigen Staatssekretärs im nordrhein- westfälischen Landwirtschaftsministerium aus dem Beirat des Gelsenwasserkonzerns im Jahre 1979 diese Position bis 1994 nicht mehr von einem SPD- Regierungsvertreter besetzt ( vergl. die Ausführungen unter 9.4. ).
Eine aufgrund der Diskussionen auf der AfA- Landeskonferenz vom Vorstand unter dem Vorsitzenden Friedhelm Farthmann berufene "Gelsenwasser- Kommission" untersuchte auch intensiv die Funktion dieser Beiräte. Dort wurde von der Unternehmensseite des größten deutschen Wasserkonzerns besonders auf die Mehrheit der Kommunen im betreffenden Ausschuß hingewiesen, der über die Festsetzung des Wasserpreises entschied. Dann stellte sich aber heraus, daß der Kommunalpolitiker, der hier den Ausschlag gab, dem gut dotierten Beirat des Konzerns angehörte.
Zu meiner Überraschung tauchte auf einmal ein Antrag des SPD- Bezirks Westliches Westfalen zur Abschaffung der Beiräte auf. Dies muß in den Jahren 1984 bzw. 1985 gewesen sein. In den Jahren 1985 bis 1987 vertrat ich den SPD- Bezirk Ostwestfalen- Lippe in der Energiekommission des SPD- Landesverbandes NRW. Vorsitzender war das damalige Vorstandsmitglied der Ruhrkohlem AG Fritz Ziegler. Hier wurde u. a. der Ausstiegs- Beschluß der SPD aus der Kernenergie vorbereitet, der nach der Katastrophe von Tschernopyl ( 1986 ) sich durchsetzte. Ich legte hier mein Papier " Bemerkungen zu den organisatorischen Rahmenbedingungen der Energie- und Wasserversorgungswirtschaft " vor, der einen Teil der in diesem Papier behandelten Probleme anschnitt. Das Beiratssystem wurde im damaligen Papier bereits breit behandelt. Obwohl darüber in der Kommission kaum gesprochen wurde, bin ich überzeugt, daß es mit dazu beigetragen hat, die unten angeführte Beschlußfassung der zu beeinflussen.
Nach Rücksprache mit dem SPD- Fraktionsvorsitzenden im Düsseldorfer Landtag Friedhelm Farthmann, der auch Mitglied dieser Kommission war und bekanntlich die Beiräte als "legalisierte Korruption" bezeichnet hatte ( vergl. die Ausführungen unter 3., 5. und 9.1.3. ), wurde der o.a. Antrag des SPD- Bezirks Westlichen Westfalen zur Auflösung der Beiräte im Bezirk Ostwestfalen- Lippe neu eingebracht.
Auf dem Parteitag des SPD- Unterbezirks Höxter- Warburg 1986 wies ein Betriebratsmitglied des Kernkraftwerkes Würgassen bei der Diskussion dieses Antrags darauf hin, daß ja auch Gewerkschaftsangehörige Mitglieder in den Beiräten seien ( vergl. auch 9.5. Den Unternehmen wohlgesonnene Gewerkschaftler erhalten nach langjähriger Aufsichtsratstätigkeit im Beirat einen "Ruhesitz" auf Seite 24 ). Obwohl er ausdrücklich erklärte, daß er nicht gegen den Antrag spreche, war die Zustimmung für ihn so knapp, daß das positive Votum zur Abschaffung der Beiräte erst durch Auszählen der Stimmen festgestellt werden mußte.
Auf dem Bezirksparteitag der ostwestfälischen SPD 1986 in Minden hatte die Antragskommission bei diesem Antrag zunächst "Nichtbefassung" vorgeschlagen. Erst nach meinem Diskussionsbeitrag änderte sie ihr Votum in "Annahme", welches dann vom Parteitag überzeugend bestätigt wurde.
Der SPD- Bundesparteitag 1986, der mit der Annahme von 2 Anträgen einen Grundsatzbeschluß gegen Privatisierung faßte ( Anlage 14 : Protokoll des SPD- Bundesparteitages 1986, Seite 736 : Antrag W 23 "Privatisierung" des SPD- Bezirks Ostwestfalen- Lippe und Seite 829 : Antrag E 19 "Elektrizitätsversorgungsunternehmen" des SPD- Unterbezirks Höxter- Warburg ), überwies den Antrag zur Auflösung der Beiräte ( Anlage 15 : Protokoll des SPD- Bundesparteitages 1986, Seite 837: Antrag K1 des SPD- Bezirks Ostwestfalen- Lippe und des Unterbezirks Höxter- Warburg zur Auflösung der Beiräte in Versorgungsunternehmen ) dann an die Bundestagsfraktion, die Landtagsfraktionen, sowie an die Sozialdemokratische Gemeinschaft für Kommunalpolitik ) mit der ausdrücklichen Maßgabe, daß in den binnen eines Jahres vorzulegenden Berichten zu diesem Problem dezidiert Stellung genommen wird.
Dem SPD- Bundesparteitag 1988 in Münster lagen dann im Rechenschaftsbericht des Vorstandes diese Stellungnahmen vor. Hier berichtete ausführlich die bayrische SPD- Landtagsfraktion von den Beiräten der Bayernwerk AG und der Ferngas Nordbayern. Die hessische Landtagsfraktion vertrat die Auffassung, über die Einsetzung von Beiräten könnten nur die Anteilseigner entscheiden. In Bremen, Rheinland- Pfalz, Berlin und Hamburg trifft das im Antrag genannte Problem nicht zu. In Nordrhein- Westfalen sei eine Initiative zur Auflösung der Beiräte in Vorbereitung ( vergl. Anlage 16 : Auszug aus "Erledigung und Bearbeitung der Anträge vom SPD- Bundespateitag 1986", Seite 4 und 12 ).
Die entsprechendem Unterlagen waren nur den aktiven Teilnehmern des Parteitages ( Ordentliche Delegierte und beratende Mitglieder ) zugänglich. Als Ersatzdelegierter erhielt ich sie erst kurz vor den Vorstandswahlen, nachdem ich als Delegierter nachgerückt war, sodaß diese Thematik auf dem Parteitag ( von mir aus ) nicht angesprochen werden konnte.
Immerhin gelang es auf diesem 1988- er Parteitag, dem ein entsprechender Antrag des SPD- Bezirks Hannover vorlag ( vergl. Anlage 17: Auszug aus dem Antragsbuch des SPD- Bundesparteitages 1988 in Münster : Antrag W 7 des SPD- Bezirks Hannover : "Keine Privatisierung im gesamten öffentlichen Dienst" ), eine Bestätigung des grundsätzlichen Beschlusses gegen Privatisierung zu erreichen. Die stellv. Bezirksvorsitzende von Ostwestfalen Martina Tiltmann erwirkte dies in ihrem Redebeitrag ( vergl. Anlage 18 : Auszug aus dem SPD- Parteitagsprotokoll Münster 1988, Diskussiomsbeitrag von Martina Tiltmann, Bezirk Ostwestfalen. Lippe, S. 253/254 ).
Bei der Behandlung der Energieanträge konnte ich dann in einem Diskussionsbeitrag auf eine Verdoppelung der Aufsichts- und Beiratsvergütungen hinweisen, die kurz vor bzw. nach der Privatisierung bei der VEBA AG und der VIAG AG erfolgt waren, und dem SPD-Vorsitzenden Hans Jochen Vogel mein entsprechendes Papier überreichen ( vergl. Anlage 7 : Auszug aus dem Parteitagsprotokoll des SPD-Bundesparteitages in Münster 1988 und die Abhandlung ." Nach der Privatisierung, oder kurz vorher: Aufsichts- bzw. Beiratsvergütungen im Strombereich der VEBA/PREUSSENELEKTRA und bei der VIAG verdoppelt" und die Ausführungen unter 9.2.).
Der Landesparteitag der nordrhein- westfälischen SPD des Jahres 1987 hatte inzwischen den Antrag gegen die Beiräte dann einstimmig ohne Diskussion angenommen ( vergl. Anlage 11 : Bericht " SPD- Landesverband beschließt Antrag aus Höxter - Versorgungsunternehmen : Die Beiräte abschaffen " der "Neuen Westfälischen" vom 09.10. 1987 ). Immerhin wurde durch Berufung auf diesen Parteitagsbeschluß der damalige nordrhein- westfälische Wirtschaftsminister Jochimsen gezwungen, seinen Beiratssitz bei der PREUSSENELEKTRA AG aufzugeben ( vergl. die Ausführungen unter 9.4.).
Nach der deutschen Vereinigung wurde auch die SPD von der "Privatisierungs- Euphorie" angesteckt. Eine Diskussion über Privatisierung und Beiräte hat dann auf den Parteitagen nicht mehr stattgefunden.
10. Politiker ( von Beruf Rechtsanwälte ) wickeln Gesellschafter- Verträge ab.
In der Öffentlichkeit werden immer mehr Fälle bekannt, daß die in den Gremien der ( kommunalen ) Parlamente tätigen Politiker, die beruflich ein Anwaltsbüro betreiben bzw. eine Tätigkeit als Notar ausüben, von ihren Freunden mehr oder weniger lukrative Aufträge erhalten, u. a. um Verträge zu beurkunden oder Unterschriften zu beglaubigen. Kritikern dieser Auftragsvergabe wird entgegengehalten, man dürfe Personen, die ein Teil ihrer Freizeit dem öffentlichen Wohl opfern, nicht benachteiligen.
Durch die vielartigen Privatisierungsmöglichkeiten (z.B. Umgründungen mit Holding und vielen Tochtergesellschaften) wird diesen Juristen natürlich Arbeit beschafft. Diese "Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen" fördern natürlich wieder neue Privatisierungsmaßnahmen, wenn diese "Arbeitsempfänger" wichtige Entscheidungsträger sind. Das sog. "Juristenmonopol" in den Verwaltungen begünstigt diese Tendenzen noch zusätzlich.
11. Wirtschaftsprüfer erstellen kostspielige Gutachten und kassieren später höhere Prüfungsgebühren
Vorschläge zur Privatisierung von öffentlichen Aufgaben werden meist von privatwirtschaftlichen Prüfungsgesellschaften in Form von Gutachten erstellt, wobei sie bei Versorgungsunternehmen sehr oft die steuerlichen Vorteile ins Feld führen. Dies ist z.B. bei den sog. Holding- , Vermögenverwaltungs- oder Vermögensbeteiligungs- Gesellschaften der Fall.
Es ist schon eigenartig, daß es sich bei uns als legitim durchgesetzt hat, daß eine Öffentliche Hand in privater Rechtsform zwecks Erfüllung öffentlicher Aufgaben der anderen Steuern entziehen darf. Durch einen vernünftigen Finanzausgleich der betreffenden öffentlichen Stellen müßten doch die Mittel für die Erfüllung der öffentlichen Aufgaben aufgebracht werden können.
Erklärlich ist diese Sucht nach privaten Rechtsformen nur, weil eine Menge Leute, darunter auch viele Politiker daran verdienen können :
- die Wirtschaftsprüfungsgesellschaften durch gut bezahlte Gutachten und höhere Prüfungsgebühren, die nunmehr vertraglich festgelegt werden können.
- Beamte und Politiker durch höhere Sitzungsgelder, insbesondere in Aufsichts- und Beiräten ( vergl. Ausführungen zu 7. ).
- Rechtsanwälten, welche die dabei zahlreich anfallendem Verträge abwickeln. Sie sind sehr oft als Politiker an den Privatisierungsmaßnahmen beteiligt ( vergl. Ausführungen zu 10. ).
Interessant ist hier die geschichtliche Entwicklung, die ich vor Jahren in NRW untersucht habe:
In NRW obliegt die Jahresabschlußprüfung der öffentlich- rechtlichen kommunalen Eigenbetriebe dem Gemeindeprüfungsamt des Regierungspräsidenten, das sich zu deren Durchführung eines Wirtschaftsprüfers oder einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft bedienen kann.
Bis zum 01.01.1981 waren hierzu Vorschriften aus der Notstandsgesetzgebung der 30-iger Jahre die Grundlage, nämlich
- 5. Teil, Kapitel VIII der Notverordnung vom 06.10. 1931
in Verbindung mit der entsprechenden
- Durchführungsverordnung vom 30.03. 1933.
Bei der Novellierung der nordrhein- westfälischen Gemeindeordnung im Jahre 1979 wurde diese Regelung dort in einem neuen 103 a festgelegt, der wohl jetzt noch gültig ist (1993).
Nach einer Auskunft der Bundes- SGK ( Sozialdemokratische Gemeinschaft für Kommunalpolitik ) aus dem Jahre 1983 gab es damals in den Gemeindeordnungen der anderen Bundesländer keine ähnliche Vorschrift, sodaß anzunehmen ist, daß man hier heute noch nach den alten Vorschriften verfährt.
So empfehlen also diese privaten Prüfungsunternehmen, die im Auftrag des Regierungspräsidenten die Abschlüsse der kommunalen Eigenbetriebe kontrollieren, aus sog. "wirtschaftlichen Gründen" eine Umwandlung dieser Eigenbetriebe in eine private Rechtsform ( sog. Eigengesellschaft ).
Solche Umgründungen wurden damals ( 1982/83 ) in den Städten Minden und Herford vorgenommen, scheiterten aber in Warburg und Steinheim ( beide im Kreis Höxter ) aufgrund der öffentlichen Diskussion um die Privatisierung von Wasseranlagen im Kreis Höxter.
Ich habe dazu damals einen Dokumentationsbericht mit dem Titel
"Wie im Norden des Kreises Höxter geräuschlos der Anschluß der Wasserversorgung an den Gelsenwasserkonzern vorbereitet wird" ( vergl. Anlage 19 )
verfaßt. Er zeigt an einem Beispiel die Zusammenhänge auf, wie in der Praxis hinter den Kulissen die Privatisierung öffentlicher Aufgaben vorbereitet wird.
Dieser Bericht wurde aufgrund eines von mir damals veröffentlichen Leserbriefes an den damaligen Leiter der Steinheimer Stadtwerke gegeben. Alle Informationen hatte mir ein damaliger Fraktionskollege aus dem Kreistag zugänglich gemacht, der u.a. auch Vorsitzender des Steinheimer Werksausschusses war. Vernünftige Politiker aller Fraktionen der Stadt Steinheim erhielten so die Stadtwerke als öffentlich- rechtlichen Eigenbetrieb, der Strom-, Gas- und Wasserversorgung in einer Hand betreibt.
12. Politiker nutzen Privatisierung für Sprungbrett zu lukrativen Managerjobs bzw. "Nebeneinkünften"
Eine ehrgeizige persönliche Zielsetzung bei Politikern und Hauptverwaltungsbeamten kann wesentlich dazu beitragen, daß eine Privatisierung angestrebt wird. Gründe des Gemeinwohls in der Verhaltensweise dieser einflußreichen Personen erscheinen dann zweitrangig. Dabei kann dieser "Sprung" kurz vor oder nach einer Privatisierung erfolgen.
Hier könnten viele Beispiele angeführt werden, von denen nur die folgenden erwähnt werden sollen :
- In Krefeld ist ein Rechtsstreit darüber entstanden, ob ein Bundestagsabgeordneter ( früherer Realschullehrer ) nebenher die Stelle eines Personalchefs mit 240 000,-- DM jährlich bei den dortigen Wasserwerken wahrnehmen darf. ( vergl. Anlage 20 : Zeitungsbericht "Ein Urteil läßt Stadtwerke ins Schwitzen kommen - Darf über einen höheren Wasserpreis ein Eishokeyspieler bezahlt werden ?" der "Frankfurter Rundschau" vom 15,07.1994 )
"Im Vorstand der Kölner Stadtwerke- Holding sind alle Mitglieder auf dem ticket in ihre Ämter gekommen. Dabei ist die Besoldung vor einigen Jahren mit der Begründung angehoben worden, nur so könne man fähige Leute aus der Wirtschaft gewinnen." ( Prof. Erwin K. Scheuch ).
Diese beide Fälle wurden im "Stern"- Interview mit Prof. Erwin K. Scheuch unter dem Titel "Postenwirtschaft nicht hinnehmen" ( vergl. Anlage 21 : Nr. 30 vom 21.7.94, Seite 104 ) angesprochen.
Während es sich in Köln um Versorgungsbetriebe mit privater Rechtsform handelt, ist es bei den Krefelder Wasserwerken nicht klar. Sollte es sich hier um einen Eigenbetrieb handeln, ist dessen Kommerzialisierung bereits stark fortgeschritten. ( vergl. Ausführungen zu 4. )
- Der Landtagsabgeordnete und ehemalige Landrat des Vogelsbergkreises Jochen Zwecker aus Alsfeld wurde Ende 1993 Vorstandsvorsitzender der Oberhessischen Versorgungsbetriebe AG ( OVAG ). Wegen der unklaren Mehrheitsverhältnisse im Vogelsberger Kreistag wurde seine Berufung ( er war damals auch SPD- Unterbezirksvorsitzender ) als Ämterpatronage vor allem von der oppositionellen CDU angeprangert. Die Diskussion war dann beendet, als man einem CDU- Amtsträger den Vorsitz im Aufsichtsrat übertrug. Zwecker hatte bereits vorher seine Parteifunktion niedergelegt. ( vergl. Anlage 6 : Zeitungsbericht " Zwecker- Berufung schlug hohe Wellen - OVAG- Aufsichtsrat zum Rücktritt aufgefordert " aus der Oberhessische Zeitung vom 18.12.1995 und Ausführungen bei Abschnitt 9.1.2.).
- Der Oberkreisdirektor von Herford übernahm die erheblich besser dotierte Stelle eines kaufmännischen Geschäftsführers bei EMR. Mitte und Ende der 80-er Jahre hatte die Herforder SPD in der Energiepolitik ihre Probleme mit ihrem Bundestagsabgeordneten, der Mitglied im Aufsichtsrat von EMR war.
13. Auch bei Privatisierungen sollen Spenden die Entscheidungsträger beeinflussen
Die wohl direkteste Beeinflussung in Politik und Wirtschaft ist die Gabe und Annahme von Spenden.
Spendenaffären hat es genug gegeben. Sie treten auch bei Privatisierungen auf. Da Spenden meist an Parteien bzw. deren Stiftungen, manchmal auch über Abgeordnete, gegeben werden, kann man sie oft nicht mit Schriftstücken belegen. Das nachfolgend geschilderte Beispiel beruht deshalb nur aufgrund einer Schilderung von Vorfällen :
Im Zusammenhang mit der Gründung der Kreiswasserversorgung Höxter GmbH und des Wasserverbundes OWL unter Einbeziehung des Gelsenwasserkonzerns ( vergl. Anlage 9 : Bericht aus dem "IKT-Info-Dienst" 10/Januar 1988 ) wurde ich gefragt, ob hier auch Spenden geflossem seien. Ich empfahl, doch einfach einmal intern nachzufragen. So lag dann offiziell diese Anfrage bei der Kreistagsfraktion vor und löste eine heftige Reaktion des Vorsitzenden aus. Es wurde empfohlen, im Namen der Fraktion zu antworten, es sei eine Unverschämtheit, so etwas zu behaupten. Ich verlangte Aufklärung und stellte den Antrag, die Anfrage zu verneinen und die Behauptung deshalb als unverschämt zu bezeichnen. Mein weitergehende Antrag erhielt 2 Stimmen und wurde abgelehnt. Ich stimmte dann gegen die ursprüngliche Empfehlung..
Später erzählte mir ein aushilfsweise eingestellter Geschäftsführer der Partei, er habe beim Aufräumen einen uneingelösten Scheck des Gelsenwasserkonzerns gefunden.
14. Die formale Privatisierung fördert und legalisiert Steuerentziehung, ja sogar Steuerhinterziehung ( Beispiel bei den kommunalen Holdinggesellschaften )
Immer wieder erfährt man aus örtlichen Presseorganen von Planungen und Gründungen von kommunalen Holdinggesellschaften, welche in Konzernen im Kleinformat die regionale oder lokale kommunale Wirtschaft ( bzw. alles, was man dazu zählt ) organisieren sollen.
In der Folge will ich auf die Gefahren und Nachteile dieser kommunalen Organisationsform hinweisen, die in der Öffentlichkeit nur am Rande und dann auch nur von "Randgruppen" erwähnt werden, wenn diese bei der Gründung der Holding nicht mit mehr oder weniger lukrativen personellen Positionen bedacht worden sind.
Diese Holdinggesellschaften werden von Kommunen bzw. von kommunalen Eigengesellschaften meist aus steuerrechtlichen Gründen gegründet. Der Hintergrund ist sehr oft die vermeintliche kommunale Verschuldung und die damit verbundene Ausgliederung von immer mehr kommunalen Aufgaben mit den damit verbundenen Ausgaben aus dem Haushalt.
Diese Ausgliederung kann in Eigenbetrieben erfolgen, wobei bekanntlich der Betrieb zwar selbständig geführt wird, aber die öffentlich- rechtliche Rechtsform unter direkter Kontrolle der Kommune beibehält. Sie geschieht aber sehr oft in privatrechtliche Gesellschaften ( meist GmbHs ), die dann von einander getrennt in den Holdings zusammengefaßt werden. Es sollen dann Gewinne aus Versorgungsbereichen ( Strom, Gas, Wasser ) mit Verlusten aus anderen Bereichen ( Verkehr, Kultur ) ausgeglichen und damit die verbundenen steuerlichen Vorteile (Einsparung von Körperschafts- und Kapitalertragssteuern ) in Anspruch genommen werden.
Nachteile sind:
- Die haushaltsrechtliche Kontrolle der Bürger fällt weg. Die Bürger können für die in den ausgegliederten Bereichen getätigten Einnahmen und Ausgaben ihr Einsichts- und ggf. Einwendungsrecht ( z.B. im Land NRW ) nicht mehr ausüben. Dies gilt auch für Eigenbetriebe.
- Die parlamentarische Kontrolle durch die Opposition wird ( z.B durch eine privatrechtliche Verschwiegenheitspflicht ) erschwert und kann bei kleinen Fraktionen, die nicht in den privatrechtlichen Aufsichtsgremien ( Aufsichtsrat, Vertreterversammlung usw.) vertreten sind, vollkommen ausgeschaltet werden.
- Die verfassungsrechtliche Mitwirkung der Parteien, die bei den bestimmenden politischen Kräften noch eine interne Kontrollfunktion darstellen könnte, kann in den betreffenden öffentlichen Aufgabenbereichen ganz ausgeschaltet werden.
- Die "steuerrechtlichen Vorteile" entpuppen sich im Nachhinein als gesamtstaatliche und gesamtwirtschaftliche Nachteile :
Statt einen vernünftigen politischen öffentlichen Finanzausgleich zwischen den verschiedenen staatlichen Ebenen anzustreben, entzieht eine öffentliche Hand der anderen Einnahmen. Man kann deshalb diese Holdinggesellschaften auch als "Steuerentziehungsgesellschaften" bezeichnen.
Diese privatrechtliche Gestaltungsweise bei der öffentlichen Hand macht zudem noch die ähnlich gearteten privaten sog. "Abschreibungsgesellschaften" hoffähig. Wegen der ebenfalls privaten Rechtsform bei dem Holdinggesellschaften kann man gegen diese, die man ja oft als "Steuerhinterziehungsgesellschaften" bezeichnet, rechtlich sehr schwer etwas oder gar nichts unternehmen.
Es gelten hier außerdem die gleichen Nachteile wie bei der "formalen Privatisierung".Weiterhin besteht die Gefahr, daß bei den einzelnen Holdinggesellschaften eine weitergehende "materielle Privatisierung" ( Teil- oder Vollprivatisierung ) erfolgen kann, die im Außenverhältnis unter Umständen ohne das Einschalten öffentlicher Stellen wirksam werden kann.
Da in der Regel nur gewinnbringende Gesellschaften ( z. B. die für Gas, Strom, Wasser ) voll privatisiert werden, bleiben der Holding die Verlustgesellschaften ( z. B. für Verkehr ) erhalten, was langfristig zur weiteren Verschlechterung der Finanzlage der betreffenden Kommune beiträgt. ( vergl. die Ausführungen unter 7.2. und Anlage 5 : Sammlung von Redetexten und Zeitungsberichten: "Warum die Wirtschaftsförderungsgesellschaft des Kreises Höxter aufgelöst wurde").
An dieser Stelle sollen nun 2 jüngst entstandenen Holding- Gesellschaften aus den beiden ehemaligen deutschen Staaten vorgestellt werden :
Die Stadt Frankfurt(Oder) hat ihre verschiedenen wirtschaftlichen Bereiche ausgegliedert und meist Eigengesellschaften in der Rechtsform der GmbH, z.B. die Stadtwerke Frankfurt(Oder) GmbH, aber auch einen Eigenbetrieb für Abwasser gebildet. Diese Betriebe sind dann untereinander verschachtelt und können Anteile an Private abgeben. So hat sich die VEWA- GmbH in Berlin, an der zu je 25 % die WestLB, die Rheinisch- Westfälische Wasserwerksgesellschaft mbH, der Ruhrverband Essen und die Gelsenwasser AG beteiligt sind, "von unter her angeschlichen" und 26 % der Anteile von der Frankfurter Wasser/Abwasser- GmbH ( FWA ) erworben, die wiederum eine Tochtergesellschaft der Stadtwerke Frankfurt(Oder) GmbH ( 74 % ) ist (vergl. Anlage 22 : Übersicht des Stadtwerksmodells Frankfurt/Oder aus dem Buch "Ratgeber für die kommunale Abwasserbeseitigung" von Dr. Dieter Schulze, Verlag für Bauwesen, Berlin 1994 ).
In Mittelhessen hat die OVAG ( = Oberhessische Versorgungsbetriebe AG) nunmehr eine ähnliche Holding- Struktur entwickelt, um mit Hilfe ihrer fetten Gewinne aus dem Strom- und Wassergeschäft die Verluste der 3 beteiligten oberhessischen Kreise Vogelsberg, Wetterau und Gießen aus dem Öffentlichen Personen- Nahverkehr auszugleichen und gleichzeitig dabei erhebliche Steuerbeträge zu sparen. Außerdem ist der Einstieg ins Müllgeschäft vorgesehen ( vergl. Anlage 23 : Zeitungsbericht "Das Strom- und Wasserunternehmen auf neuen Kurs gebracht" aus "Frankfurter Rundschau" vom 18.07. 1994 ).
Ende 1994 wurden zum neuen Jahr die betreffenden Verträge und Gesellschaftsgründungen vorgenommen ( vergl. Anlage 24 : Bericht "ZOV gab mit großer Mehrheit grünes Licht für Holding- Gesellschaft" aus der "Oberhessischen Zeitung" vom 17.12. 1994 ). Wegen der komplizierten Anteilsstruktur ( ein Zweckverband der 3 Kreise hält das gesamte Aktienpaket der OVAG ) mußte hier eine neue Holding- Muttergesellschaft gegründet und die Gewinn-bzw. Verlustverteilung vertraglich geregelt werden. Die Verkehrsgesellschaften der 3 Kreise sind im Konzept eingearbeitet. Eine Abfall- Gesellschaft existiert vorläufig noch nicht. ( vergl. Anlage 25 : Handschriftliche Übersicht der neuen Holding des ZOV = Zweckverband Oberhessischer Versorgungsbetriebe ).
Da die großen Parteien nach anfänglichen personellen Kontroversen ( vergl. Anlage 7 ) die zu besetzenden Positionen sich bereits vorher aufgeteilt haben, ( vergl. Anlage 26 : Zeitungsbericht "Rainer Schwarz zum Vorsitzenden des OVAG- Aufsichtsrats gewählt aus der "Oberhessischen Zeitung" vom 18.07.1994) wird Kritik sachlicher Art in der Öffentlichkeit nur noch von den in den Kreisparlamenten vertretenen kleinen Gruppen artikuliert ( vergl. Anlage 27 : Zeitungsbericht "Grüne lehnen OVAG- Holding als eine undemokratische Mogelpackung ab" aus der "Oberhessischen Zeitung" vom 15.12. 1994 ). Nun ist abzuwarten, wie lange es dauert, bis auch hier "privates Kapital" eingeschleust wird. Gerade die komplizierte Struktur dieser Holding gibt Juristen und Wirtschaftsprüfern unübersehbare Möglichkeiten von zusätzlichen Verdienstmöglichkeiten ( vergl. Ausführungen zu 10. und 11. ).
Zu erwähnen ist nur noch, daß zur Zeit auch im westdeutschen Frankfurt am Main, das noch ( aber nicht mehr lange : das steht schon fest ) einen Eigenbetrieb besitzt, an einer ähnlichen Holding gebastelt wird.
Mir persönlich sind 2 kommunale Gesellschaften aus Nordrhein- Westfalen bekannt, die wegen der Nichtgenehmigung im Jahre 1987 durch die staatlichen Aufsichtsstellen aus steuerrechtlichen Gründen nach ihrer Gründung wieder aufgelöst werden mußten:
- die Erftkreis- Vermögensverwaltungsgesellschaft mbH und
- die Vermögemsbeteiligungsgesellschaft des Kreises Höxter mbH.
In beiden Fällen war für die Nichtgenehmigung maßgebend, daß die Steuerentziehung ( Steuerersparnis ) der alleinige Zweck dieser Gesellschaften war.
Ausschlaggebend war hierbei aber auch der politische, in die öffentliche Diskussion getragene Widerstand der Oppositionsen, der Nachteile und Gefahren dieser Einrichtungen offenkundig machte.
15. Die Geschäftsstrategie der Energie- und Wasserkonzerne ermöglicht ihnen eine starke Einflußnahme auf alle gesellschaftliche Gruppen: bei den Parteien, den Gewerkschaften, den Naturschutzverbänden, auch beim BUND
Aufgrund der starken Einbindung von Politikern und Gewerkschaftlern erhalten die mehr oder weniger "privatisierten" EVUs einen großen politischen Einfluß in den örtlichen und regionalen Gliederungen der Parteien. Seit die Naturschutzverbände mit der Wirtschaft kooperieren, verstärkt sich deren Einfluß auch in diesem gesellschaftlichen Bereich.
15.1. Beispiel : Niedersächsischer Ministerpräsident Günter Schröder
Aus dem Zeitungsbericht " Energiekonsens : Schröder schließt neue Atomkraftwerke nicht aus " der "FR" vom 16.05.1995 ( siehe Anlage 30 ) ist zu entnehmen, daß der Niedersächsischer Ministerpräsident Gerhard Schröder ( SPD ) " von einem Spitzenmanager des VEBA- Konzerns beraten wird ".
Diese Tatsache erklärt nicht nur seine Haltung zur Frage der Atomenergie, sondern auch seine industriefreundliche Haltung in den kontroversen Auseinandersetzungen mit seiner eigenen in der Sommerpause des Jahres 1995, wobei er vor allem gegenüber dem SPD- Vorsitzenden Scharping in einer öffentlichen Mediendebatte sozialdemokratische Grundsätze und Parteitagsbeschlüsse in Frage stellte.
Der BUND- Landesverband NRW wirft seinem Bundesvorsitzenden vor, im Rahmen der Energiekonsensdiskussion die Auffassungen von Schröder zu unterstützen ( vergl. Anlage 35 : Stellungnahme des BUND- Landesverbandes NRW zur Stellungnahme von Hubert Weinziel, Vorsitzender des BUND, abgegeben auf dem Forum "Energie für das 21. Jahrhundert", Seite 2, letzter Satz ).
Um zu erklären, wie all dies möglich ist, führt der Weg nach Hannover, dem Regierungssitz von Schröder und dem Sitz der PREUSSENELEKTRA AG.
15.2. Beispiel : Niedersächsischen Energieagentur GmbH
1991 wurde als Initiative der niedersächsischen Landesregierung
und der VEBA AG die Niedersächsischen Energieagentur GmbH gegründet.
Bis zum 30.06.94 gehörte sie noch zu je 50 % dem beiden Initiatoren,
die bis dahin "gleichberechtigte Partner" ( lt. Seite 4 des Jahresberichtes
1993 ) waren. Jetzt muß man allerdings beobachten, daß zu Lasten
der Beteiligung des Landes Niedersachsen, also unter Wegfall der Paritätsbeteiligung
( und das ist entscheidend ! ), einem Öl- und Gasunternehmen, der
BEB Erdgas und Erdöl GmbH. eine 25 %- ige Beteiligung gewährt
wurde. Die BEB Erdgas und Erdöl GmbH. gehört zu je 50 % der Deutschen
Shell AG und der ESSO AG ( lt. "Wer gehört zu wem ?" : Herausgegeben
von der Commerzbank, Stand 1994 ). Die Deutsche Shell AG hat sich bekanntlich
durch die geplante Versenkung einer
Ölgewinnungsinsel in der Nordsee einen "traurigen Ruhm" erworben.
Die englische Komzernmutter behält sich trotz des Widerstands der
breiten Weltöffentlichkeit dies weiter vor ( vergl. Anlage 31 : Bericht
der "FR" vom 20.07.95 "Shell läßt nicht locker" ).
Die Beteiligungen an der Niedersächsischen Energieagentur GmbH bestehen nunmehr wie folgt :
25 % Land Niedersachsen,
25 % VEBA AG,
25 % PREUSSENELEKTRA AG ( 100- %- ige VEBA- Tochter ),
25 % BEB Erdgas und Erdöl GmbH.
Eine Mehrheit im Aufsichtsrat für das Land Niedersachsen ( unter Berücksichtigung der Nord/LB, die aber bereits nach meiner Einschätzung ein mehr kommerzielles als gemeinwirtschaftliches Grundverhalten zeigt ) wurde beseitigt. Eine paritätische Besetzung bleibt hier noch erhalten. Die Besetzung der Gesellschafterversammlung und erst recht die der ( entscheidenden ) Arbeitsgruppe zeigt deutlich, wer hier das Sagen hat. ( siehe Anlage 32 : Auszug aus dem Prospekt der Niedersächsischen Energieagentur GmbH ).
15.3. Beispiel ; Stephan Kohler, Geschäftsführer der Niedersächsischen Energieagentur GmbH ist Leiter des Arbeitskreises Energie beim BUND
Bei der Vorbereitung einer Anti- Atom- Demonstration in Hannover im Mai 1995 war es innerhalb des BUND im Zusammenhang mit dem Konsensgesprächen der Bundesregierung mit der SPD zu Streitigkeiten gekommen, die auch in der Öffentlichkeit ausgetragen wurden. Innerhalb des BUND zeigten sich Tendenzen, die Verhandlungspolitik des SPD- Vertreters Gerhard Schröder, der sich selbst von der Beschlußlage der SPD entfernte und von ihr sogar zurückgepfiffen wurde, zu unterstützen. Dabei stand Stephan Kohler, Geschäftsführer der Niedersächsischen Energieagentur GmbH, als Leiter des Arbeitskreises Energie beim BUND im Mittelpunkt. ( vergl. Anlage 33 : Schriftverkehr des Autors mit Stefan Kohler ).
Auch die Diskussionen um die Privatisierung der Versorgumgsunternehmen innerhalb der Naturschutzverbände, zuletzt das Tauziehen um die Veröffentlichung und Gestaltung des Papiers "Privatisierung der Wasserversorgung und Abwasserentsorgung ? Nein danke !" des AK Wasser im BUND ( vergl. Anlage 34 : Meine "Bemerkungen zu der Aufmachung des Privatisierungspapiers" ), zeigen den starken Einfluß der Energie- und Wassermonopole in unserer Gesellschaft, der sich bereits bei den Naturschutzverbänden, auch beim BUND, auswirkt.
15.4. Beispiel : Der stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende der VEBA AG Rappe ( Vorsitzender der IG Chemie und SPD- MdB ) wird ab 1994 Beiratsmitglied der PREUSSENELEKTRA AG
Der Wechsel von Gewerkschaftlern vom Aufsichts- in den Beirat bei Wohlverhalten ( sozusagen als "Alterssitz" ) ist bereits unter dem Punkt 9.5. abgehandelt.
15.5. Sondertarifverträge zwischen EVUs und ÖTV ermöglichen den Arbeitnehmern so gute Einkommenserhältnisse, daß sich die Unternehmen jeden Sachverständigen "einkaufen" können
Durch die Privatisierung können auch für die Beschäftigten Pfründe geschaffen werden. Die folgenden Beispiele zeigen, wie in den EVUs "Besserverdienende" erzeugt werden, was sie verdienen und wie ihre Bezüge anwachsen
15.5.1. Beispiel VEW AG : Diskussionen auf der Hauptversammlung 1995 : Hohe Personalkosten und entsprechende Rückstellungen bei Personalabbau.
Auf der Hauptversammlung der VEW AG am 22. 06. 1995 in der Dortmunder Westfalenhalle wurden von mehreren Aktionären aus unterschiedlicher Sicht die relativ hohen Personalkosten des Unternehmens angesprochen.Dabei wurde festgestellt, daß diese im stromerzeugenden Bereich, der auf dieser Hauptversammlung in eine besondere VEW Energie AG ausgegliedert wurde, pro Mitarbeiter die stolze Summe von 165000,-- DM erreicht haben ( vergl. Übersicht 1: Personalkosten in von Kommunen beherrschten Energieversorgungsunternehmen ).
Allein die Höhe der Löhne und Gehälter betrug im Jahr 1994 durchschnittlich ( von der Raumpflegerin bis zum Direktor ) ca. 115 000,-- DM, was aus dem Geschäftsbericht entnommen werden konnte.
Auch die Auswirkungen auf die Bilanz wurden in der Diskussion mit einbezogen.
Hier umfassen die Rückstellungen für Pensionen nunmehr zum 31.12.94
bei der VEW AG mehr als 25 % der Bilanzsumme und haben die Summe des gesamten
Eigenkapitals ( Grundkapital und Rücklagen ) erreicht. Danach werden
für eine zusätzliche Altersversorgung ( die meisten der Mitarbeiter
erhalten ja wohl noch eine Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung
) für jeden der ca. 6500 Beschäftigten die stolze Summe von über
350 000, -- DM zurückgestellt, was dem Wert
einer großen Eigentumswohnung entspricht ( vergl. Übersicht
2 : Auswirkungen der Personalkosten auf die Bilanz der Energie- Versorgungsunternehmen
).
Gleichzeitig wurde von einem Personalabbau im Stamm- Energiebereich von per Saldo 498 auf 6430 Mitarbeitern berichtet. Dadurch ging wohl bei der VEW AG der Gesamtbetrag der Löhne und Gehälter in 1994 gegenüber 1993 von 112 Mio DM auf 106,3 Mio DM zurück, der Durchschnittsbetrag für jeden Mitarbeiter stieg aber von 110691,-- auf 115970,-- DM. ( vergl. Übersicht 1: Personalkosten in von Kommunen beherrschten Energieversorgungsunternehmen ). Also ist innerhalb des Betriebes eine Tendenz zu beobachten, daß weniger verdienende Arbeitnehmer herausgedrängt werden, wodurch die "Besserverdienenden" ihren Standard erhalten bzw. noch verbessern können.
15.5.2. Beispiel : HEW AG mit den höchsten anteiligen Pensionsrückstellungen
Eine ähnliche Entwicklung der Personalkosten ist bei der Hamburger Elektrizitätswerken AG ( HEW ) zu beobachten ( vergl. beide o. a. und unten dargestellte Übersichten ). Hier haben vor allem die Rücklagen für Pensionen einen immens hohen Bilanzwert ( über 40 % der Bilanzsumme ) erreicht.
15.5.3. Beispiel OVAG : Änderung der Lohn- und Gehaltstarifgestaltung steigert Personalkosten um 20 Prozent
Wie diese außergewöhnlich hohen Arbeitnehmerentgelte zustande kommen, konnte man vor kurzem der örtlichen Presse in Mittelhessen entnehmen :
Hier hatten 1994 die Politiker der 3 Kreise Wetterau, Vogelsberg und Gießen zwecks Finanzierung des Personennahverkehrs ihres Raumes eine besondere Holdinggesellschaft, die Oberhessische Versorgungs- und Verkehrs- GmbH, gegründet, welche die erwarteten Verluste ihrer neugegründeten Kreisverkehrsgesellschaften mit den Gewinnen der ihrem Zweckverband Oberhessischer Versorgungsbetriebe ( ZOV ) gehörenden Oberhessischen Versorgungsbetriebe AG ( OVAG ) zwecks Steuerersparnis verrechnen soll.
Auf der jüngsten Zweckverbandsversammlung des ZOV wurde bekanntgegeben, daß die 582 Mitarbeiter der OVAG seit 1994 nicht mehr nach dem Tarif des öffentlichen Dienstes, sondern nach dem der energiewirtschaftlichen Unternehmen Hessens bezahlt werden. Ein Blick in den Geschäftsbericht 1994 der OVAG zeigt, daß dadurch die Personalkosten von ca. 40 Mio ( 1993 ) auf 50 Mio ( 1994 ) gestiegen sind.
Die Rückstellungen für Pensionen, die hier noch verhältnismäßig gering sind ( 4 bis 5 % der Bilanzsumme ), stiegen gleichzeitig nach der neuen Tarifgestaltung um 4,28 Mio DM an. Am 31.12.92 betrugen diese noch 15,48 Mio DM. 1993 ( vor der neuen Tarifgestaltung ) wuchsen sie demnach "nur" um 1,74 Mio DM an ( vergl. Übersicht 2 ), also um weniger als die Hälfte. Der durch die neue Tarifübernahme - wegen der zu erwartenden Lohnabschlüssen von Jahr zu Jahr steigende - Mehraufwand betrug also 1994 insgesamt ca. 12,5 Mio DM.
Den Haushalten der 3 Kreise sind bisher immer jährlich Summen an Dividenden zugeflossen, die insgesamt nur wenig höher waren als dieser Betrag. Man kann daher jetzt schon sagen, daß dieser durch den neuen Tarif verursachte Mehraufwand wohl den größten Teil der erwarteten Steuerersparnis aufzehren wird.
Dazu hat auch der Vorstandssprecher der OVAG nach dem Zeitungsbericht erklärt, daß die nunmehr den Gewinn einkassierende Holdinggesellschaft 20 Mio DM für den öffentlichen Personennahverkehr ( ÖPNV ) der 3 Kreise zur Verfügung stellen werde ( vergl. Anlage 28 : Zeitungsbericht der Oberhessischen Zeitung, Alsfeld "en beurteilen Jahresabschlüsse positiv" vom 03.07.1995 ).
Um die Auswirkungen der 20- %- igen Erhöhung der Personalkosten und der durch die Holdingbildung zu erwartenden Steuerersparnis zu beurteilen, muß man auf die Entwicklung der in den letzten Jahren gezahlten Einkommens- und Ertragssteuer zurückblicken, die wie folgt aussah :
1991 : 24 097 114 DM
1992 : 21 417 618 DM
1993 : 7 085 804 DM
1994 : 11 288 946 DM
1991 und 1992 sind als Jahre mit normalem Erträgen aufzufassen. 1993 beeinflußte ein größerer Verlust bei einer Fehlinvestition das Jahresergebnis, worauf die niedrige Steuer zurückzuführen war. 1994 zeigt beim Jahresergebnis erstmals die Auswirkung der Lohntarifumgestaltung.
Durch die Erhöhung der Personalkosten ist also der größte Teil der erwarteten Steuerersparnis bereits "verfrühstückt" worden. wodurch die möglichen zusätzlichen Zuschüsse für den ÖPNV halbiert worden sind.
Wenn man dann noch bedenkt, daß gerade im Jahr 1994 die Arbeitnehmer bei ihrer Einkommensentwicklung eine "Nullrunde" aufwiesen, dann ist diese Erhöhung von ca. 20 % bei der OVAG ( auch im Hinblick auf die in ihrem Raum angestiegene Arbeitslosigkeit ) ein Beweis von mangelnder Solidarität der Arbeitnehmerschaft und ihrer Gewerkschaften. Sehr eigenartig ist es, daß die Tarifänderung ( zumindest formal ! ) nicht von den Beschäftigten bzw. der Gewerkschaft, sondern vom Unternehmen selbst ausging.
Auf Seite 17 des Geschäftsberichtes 1994 der OVAG heißt es dazu :
"Aufgrund eines Aufsichtsratsbeschlusses vom 10.12.1993 sind wir der Arbeitgebervereinnigung energiewirtschaftlicher Unternehmen e. V. ( AVE ) mit Wirkung vom 01.01.94 beigetreten. Damit wenden wir - wie auch verschiedene andere benachbarte Versorgungsunternehmen - einen Tarifvertrag an, der die betrieblichen Besonderheiten in der Versorgungswirtschaft besser berücksichtigt."
Hier muß man sich fragen : Was kann den Aufsichtsrat eines Unternehmens, das den kostenträchtigen ÖPNV mitfinanzieren und deshalb aus Steuerersparnisgründen eine weitgehende Umstrukturierung vornehmen will, bewogen haben, sich noch kurz vorher mit zusätzlichen Personalkosten zu belasten, die noch über die zu erwarteten Steuerersparnissen hinausgehen ?
Da nach meinem derzeitigen Informationsstand ein Zusammenhang zwischen beiden Maßnahmen nicht erkennbar ist, sollen beide unabhängig von einander behandelt werden, wobei hier nur die Tarifvertragsumstellung behandelt wird.
Sie soll nämlich auf eine Absprache zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern des Aufsichtsrates im Zusammenhang mit der Berufung des neuen Vorstandes zurückzuführen sein. Dem ehemaligen Aufsichtsratsmitglied ( bis 10.12.93 ) und damaligen Landtagsabgeordneten Dr. Jochen Zwecker sollen damit die Stimmen der Arbeitnehmervertreter zu seiner Berufung als Vorstandsprechers zugesichert worden sein.
Jetzt ist es auch unerheblich, wie alles zustande gekommen ist. Man muß sich mit den jetzigen Gegebenheitem abfinden. Die Vorgeschichten dienen aber zur Erklärung und eventuellen Handhabe, die weitere Entwicklung positiv zu beeinflussen.
Da die OVAG bislang der Vereinigung kommunaler Arbeitgeber angehörte, ist die neue Mitgliedschaft in der Arbeitgebervereinigung energiewirtschaftlicher Unternehmen e. V. ( AVE ) als ein weiterer kleiner Schritt in Richtung Privatisierung im Rahmen der derartigen vielschichtigen Modelle zu bewerten.
15.5.4. Beurteilung dieser Entwicklung auf dem Entlohnungssektor
Die in den 3 o. a. EVUs beobachten Entwicklungen auf dem Beschäftigungs-, insbesondere dem Entlohnungssektor, kann man wohl auch bei allen anderen regionalen EVUs beobachten, die in einer privaten Rechtsform geführt werden. Sie berühren die Problematik der Einkommensverteilung der Arbeitnehmer untereinander.
Es zeigen sich hier Beispiele von einer ungewöhnlichen Einkommensentwicklung von Arbeitnehmern, die bisher von der Öffentlichkeit nicht wahrgenommen wird. Dies ist wohl darauf zurückzuführen,
- daß man an die Geschäftsberichte dieser meist nur von Kommunen beherrschten ( oft auch mit Beteiligung von Energiekonzernen ) Unternehmen schlecht herankommt und
- daß man die von der OTV und den beteiligten Arbeitgeberverbänden abgeschlossenen Tarifverträge wie ein Geheimnis hütet,
Diese für die Arbeitnehmer günstigen Tarifverträge können von den Tarifen nur deshalb abgeschlossen werden, weil die Unternehmen in ihrem Geschäftsbereich keinem Konkurrenzdruck unterliegen. EVUs sind nun einmal wegen ihrer Leitungsgebundenheit Monopole. Sie unterliegen zwar bei Strom einer Genehmigungspflicht, die in der Regel durch die Landeswirtschaftsministerien durchgeführt wird, bei Gas und Wasser wird aber nur eine "Mißbrauchsaufsicht" durch die Landeskartellämter ausgeübt. In den meisten Fällen wird diese Aufsicht sehr lasch gehandhabt, wobei ggf. auch Beiratssitze von Staatssekretären bzw. Ministern mit beitragen.
Diese Aufsicht bezieht sich allerdings nur auf die Tarifgestaltung der Preise. Wegen des Grundsatzes der Tariffreiheit der Tarifpartner dürfte ein Einfluß auf die Gestaltung der Lohn- und Gehaltstarife ausgeschlossen sein.
15.5.5. Wie kann man die Entwicklung zur weiteren "Selbstbedienung" verhindern ?
Die beiden Übersichten und die Bilanzen der Energieunternehmen zeigen es doch : Hier liegen genügend Finanzierungsmittel brach bzw. können aufgrund der Monopolstellung erwirtschaftet werden, die statt zum Pfründeausbau zum Energieumbau genutzt werden könnten, der dann zusätzliche Arbeitsplätze und damit auch eine ausgeglichenere Einkommensverteilung unter den Arbeitnehmern schafft .
Der BUND- Landesverband Hessen hat dazu aufgrund eines Antrags seines Ortsverbandes Alsfeld auf seiner Landesdelegiertenversammlung 1995 einen Beschluß gefaßt. Danach " werden alle Politikerinnen und Politiker aufgefordert, sich dafür einzusetzen, daß die Erlöse und Erträge ( Gewinne, Überschüsse, Komzessionsabgaben, Einnahmen aus kalkulatorischen Zinsen und Abschreibungen u, ä. ), die von der Öffentlichen Hand bei Aktivitäten in den Bereichen Wasser-, Abwasser- und Energiewirtschaft erzielt werden, zusätzlich zu freiwilligen Umweltschutzmaßnahmen verwendet werden.
Damit diese finanziellen Mittel nicht in andere Kanäle geleitet werden können, wird in einem weiteren Beschluß von BUND- Hessen die Privatisierung von Umweltschutzbereichen abgelehnt.
Der Bundesarbeitskreis Wasser des BUND hat dazu im April 1995 ein spezielles Positionspapier mit dem Titel "Privatisierung der Wasserversorgung und Abwasserentsorgung ? Nein danke !" verabschiedet ( vergl. Anlage 29 : "Wasser- Info" Nr. 3/2, Juni des BUND- Hessen, in welchem die Beschlüsse und das Papier veröffentlicht sind ).
15.5 6. Wie die SPD "Besserverdienende" erzeugt, die sich schließlich gegen die eigene Partei wenden
Auf der oben bereits erwähnten Hauptversammlung der VEW AG am 22.06..1995 in der Dortmunder Westfalenhalle war auch von einem Sprecher der "Dortmunder Energiewende", der wohl den Grünen zuzuordnen ist, ein Positionspapier der VEW zur Bundestagswahl 1994 angesprochen worden, das nach einem Vergleich der politischen Ziele der Parteien in einer Wahlempfehlung für die CDU mündete. Dabei wurde von dem Sprecher betont, daß doch das Unternehmen vorwiegend von sozialdemokratisch beherrschten Kommunen getragen werde und die meisten Mitarbeiter ihre finanziell hervorragend dotierten Stellen ihrer sozialdemokratischen Mitgliedschaft zu verdanken hätten. An vorderster Stelle wurden hier der Vorstandssprecher von VEW Fritz Ziegler als ehemaliger Schatzmeister des SPD- Landesverbandes NRW und der Dortmunder SPD- Oberbürgermeister Samtlebe, der ja jahrelang Aufsichtsratsvorsitzender von VEW ist, genannt.
Von der Geschäftsleitung wurde das Papier zwar beschwichtigt, die Wahlempfehlung aber nicht dementiert.
Diese Ereignisse in Dortmund zeigen es : Die Arbeitnehmer SPD erzeugt durch ihren Filz in der Gesellschaft sog. "Besserverdienende", die nunmehr in ihrem eigenen Einkommens- Interesse die SPD nicht mehr wählen können. Setzen sie ihre egoistischen Ziele in der Partei vor Ort durch, dann wenden sich die bisherigen Stammwähler von ihr ab.
Auch im Vogelsbergkreis ist die "Tarif- Aktion" nur von SPD- Vertretern eingefädelt worden..Dr. Jochen Zwecker war nicht nur SPD- Landtagsabgeordneter, sondern damals sogar Unterbezirksvorsitzender dieser Partei. Im Zusammenhang mit seiner Berufung kam es auch zu Gegenreaktionen der anderen Fraktionen im Vogelsberger Kreistag. Die CDU stellte ihren Widerspruch erst ein, als ihr der Vorsitz im Aufsichtsrat der OVAG eingeräumt wurde.
Es bleibt abzuwarten, wie die OVAG- Arbeitnehmer und die sonstigen Wähler sich in Zukunft zur SPD verhalten werden.
15.6. Wasserrohrenherstellung beeinflußt Wasserpolitik, dargestellt am aktuellen Beispiel vom "Naturschutz-Zentrum Hessen e. V" und der Verhinderung großer Wasserverbundleitungen in Ostwestfalen- Lippe.
Als Mitglied des AK Wasser beim Landesverband Hessen erhielt ich Einladungen des Naturschutz-Zentrum Hessen e.V. zu sog. "Wasserforen". Bei der Veranstaltung "Grundwasser- Bildung" am 24. und 25. 10. 1995 in Wetzlar fiel mir auf, daß sie "mit Unterstützung von BUDERUS GUSS, Wetzlar" stattfindet ( vergl. Anlage 36 : Einladung zur Grundwasser- Bildung des Naturschutz- Zentrums Hessen e. V. mit Unterstützung von BUDERUS GUSS, Wetzlar ).
Aufgrund einer Anfrage erhielt ich über das Naturschutz-Zentrum Hessen e.V. folgende Auskunft : Mitglieder sind neben Naturschutzverbände ( darunter der BUND ) auch Interessenverbände. ( z.B. der Bauernverband, der Forstverband ). Einzelpersonen können nur als fördernde Mitglieder aufgenommen werden.
Als kritischer Aktionär war mir bekannt, daß die BUDERUS GUSS GmbH eine 100- %- ige Tochter der BUDERUS AG ist, welche bis vor kurzem noch mehrheitlich ( zu ca. 80% ) der Metallgesellschaft AG gehörte. Vor ca. 3 Jahren, d.h. noch vor der Krise dieses Unternehmens und dem Verkauf der BUDERUS- Anteile, soll das Naturschutz-Zentrum Hessen e. V mit BUDERUS GUSS einen Spomsorenvertrag abgeschlossen haben. Außerdem wußte ich, daß die Metallgesellschaft AG in den NBL im Wassergeschäft tätig war und es wohl auch noch ist.
Lt. "Ratgeber für die kommunale Abwasserentsorgung" von Dieter Schulze "obliegt in der Stadt Brandenburg die Betriebsführung der Abwasserentsorgung der Brawag GmbH, einem Gemeinschaftsunternehmen der Metallgesellschaft AG und der Westfälischen Ferngas AG" ( vergl. dort Seite 105, linke Spalte ).
Die BUDERUS GUSS GmbH produziert u. a. Wasserleitungsrohre. Ihr wirtschaftliches Interesse besteht vor allem darin, große Mengen dieser Rohre herzustellen. Durch die Forderung von Naturschützern nach weitgehend dezentraler Wasserentnahme wird dieses Interesse stark beeinträchtigt.
Im Zusammenhang mit den Auswirkungen und Einflüssen solcher wirtschaftliches Interessen auf die Wasserpolitik kann ich auf meine folgenden Erfahrungen aus NRW zurückgreifen :
Anfang der 70- iger Jahre soll der Wasserleitungszweckverband Höxter- Bad Driburg deshalb gescheitert sein, weil die PREUSSAG AG den Auftrag zum Bau der Wasserleitung und zur Lieferung der Wasserrohre nicht erhielt. Die Aufsichtsbehörde beim Kreis leitete damals gegen den Zweckverband ein Strafverfahren wegen Subventionsbetrug ein, der in Zusammenarbeit mit der Konkurrenzfirma begangen worden sein soll. Das Vorhaben scheitere schließlich daran und an einer zusätzlichen Schmiergeldaffäre.
Die ursprünglich für den Wasserleitungszweckverband Höxter- Bad Driburg erschlossenen Brunnen wurden Ende 1977 mit sämtlichen Wassergewinnungsanlagen der Stadt Höxter an den Gelsenwasserkonzern verkauft, der mit der Bildung der Wasserverbund Ostwestfalen- Lippe GmbH die Privatisierung der Wasseranlagen des gesamten Regierungsbezirks Detmold anstrebte, bei welchem er bereits in Teilbezirken Fuß gefaßt hatte,
Anfang der 80- iger Jahre gelang es umweltbewußten Politikern und Naturschützern ( unter Federführung des BUND, der damals seinen Kreisverband Höxter gründen und aktivieren konnte ) die bereits existierende Wasserverbund Ostwestfalen- Lippe GmbH zu verhindern. Ich persönlich kann mich noch ganz gut daran erinnern, wie ich mich damals mit den Betriebsräten der Herstellerfirmen für Wasserrohre aus dem Ruhrgebiet "herumschlagen" mußte, die um ihre Arbeitsplätze fürchteten.
ANHANG I :
Verzeichnis der Anlagen
Anlage 1: Gliederung der Studie "Privatisierungsdogma widerspricht Sozialer Marktwirtschaft"
Anlage 2 : Schreiben des PV der SPD vom 08.03.1994 an den Autor
Anlage 3 : Auszug aus dem Buch "Tätigkeitsbericht" von Ludwig Poullain
Anlage 4 : Bericht " FDP fordert die Privatisierung der OVAG! aus der "Oberhessische Zeitung" vom 10.05.1994, Forum der Leser "Wider die Privatisierungseiferer" aus der "Alsfelder Allgemeinen" vom 14.05.1994" ).
Anlage 5 : Sammlung von Redetexten und Zeitungsberichten: "Warum die Wirtschaftsförderungsgesellschaft des Kreises Höxter aufgelöst wurde".
Anlage 6 : Zeitungsbericht " Zwecker- Berufung schlug hohe Wellen - OVAG- Aufsichtsrat zum Rücktritt aufgefordert" aus der Oberhessischen Zeitung vom 18.12. 1995 ).
Anlage 7 : Auszug aus dem Parteitagsprotokoll des SPD-Bundestages in Münster 1988 und die Abhandlung "Nach der Privatisierung, oder kurt vorher: Aufsichts- bzw. Beiratsvergütungen im Strombereich der VEBA/PREUSSENELEKTRA und bei der VIAG verdoppelt".
Anlage 8 : Ausschuß- und Ratsvorlagen der Stadt Höxter
Anlage 9 : Bericht aus dem "IKT-Info-Dienst" 10/Januar 1988
Anlage 10 : Bericht "Stromstreit bricht erneut aus" in "FR" vom 14.09.94
Anlage 11 : Bericht " SPD- Landesverband beschließt Antrag aus Höxter - Versorgungsunternehmen : Die Beiräte abschaffen " der "Neuen Westfälischen" vom 09.10. 1987
Anlage 12 : " Übersicht über die der Hauptversammlung vorgeschlagene Ergänzung der Satzung der RWE Aktiengesellschaft " aus dem Kurzbericht 1993/94 der RWE AG, Seite 6
Anlage 13 : Artikel "Nach der Abfallentsorgung reizt VEW nun das Abwassergeschäft" in der "FAZ" vom 18.03.1994
Anlage 14 : Protokoll des SPD- Bundesparteitages 1986, Seite 736 : Antrag W 23 "Privatisierung" des SPD- Bezirks Ostwestfalen- Lippe und Seite 829 : Antrag E 19 "Elektrizitätsversorgungsunternehmen" des SPD- Unterbezirks Höxter- Warburg
Anlage 15 : Protokoll des SPD- Bundesparteitages 1986, Seite 837: Antrag K1 des SPD- Bezirks Ostwestfalen- Lippe und des Unterbezirks Höxter- Warburg zur Auflösung der Beiräte in Versorgungsunternehmen
Anlage 16 : Auszug aus "Erledigung und Bearbeitung der Anträge vom SPD- Bundesparteitag 1986", Seite 4 und 12
Anlage 17 : Auszug aus dem Antragsbuch des SPD- Bundesparteitages 1988 in Münster : Antrag W 7 des SPD- Bezirks Hannover : "Keine Privatisierung im gesamten öffentlichen Dienst"
Anlage 18 : Auszug aus dem SPD- Parteitagsprotokoll von Münster 1988, Diskussiomsbeitrag von Martina Tiltmann, Bezirk Ostwestfalen- Lippe, S. 253/254 ).
Anlage 19 : Papier des Autors "Wie im Norden des Kreises Höxter geräuschlos der Anschluß der Wasserversorgung an den Gelsenwasserkonzern vorbereitet wird"
Anlage 20 : Zeitungsbericht "Ein Urteil läßt Stadtwerke ins Schwitzen kommen - Darf über einen höheren Wasserpreis ein Eishokeyspieler bezahlt werden ?" der "Frankfurter Rundschau" vom 15,07.1994
Anlage 21 : "Stern"- Interview mit Prof. Erwin K. Scheuch unter dem Titel "Postenwirtschaft nicht hinnehmen" in Nr. 30 vom 21.7.94, Seite 104
Anlage 22 : Übersicht des Stadtwerksmodells Frankfurt/Oder aus dem Buch "Ratgeber für die kommunale Abwasserbeseitigung" von Dr. Dieter Schulze, Verlag für Bauwesen, Berlin 1994
Anlage 23 : Zeitungsbericht "Das Strom- und Wasserunternehmen auf neuen Kurs gebracht" aus "Frankfurter Rundschau" vom 18.07. 1994
Anlage 24 : Bericht "ZOV gab mit großer Mehrheit grünes Licht für Holding- Gesellschaft" aus der "Oberhessischen Zeitung" vom 17.12. 1994
Anlage 25 : Handschriftliche Übersicht neuen Holding des ZOV ( = Zweckverband Oberhessischer Versorgungsbetriebe )
Anlage 26 : Zeitungsbericht "Rainer Schwarz zum Vorsitzenden des OVAG- Aufsichtsrats gewählt aus der "Oberhessischen Zeitung" vom 18.07.1994
Anlage 27 : Zeitungsbericht "Grüne lehnen OVAG- Holding als eine undemokratische Mogelpackung ab" aus der "Oberhessische Zeitung" vom 15.12. 1994
Anlage 28 : Zeitungsbericht der Oberhessischen Zeitung, Alsfeld "en beurteilen Jahresabschlüsse positiv" vom 03.07.1995
Anlage 29 : Auszug aus "Wasser- Info" Nr. 3/2, Juni 1995 des BUND- Hessen
Anlage 30 : Zeitungsbericht " Energiekonsens : Schröder schließt neue Atomkraftwerke nicht aus " der "FR" vom 16.05.1995
Anlage 31 : Bericht der "FR" vom 20.07.95 "Shell läßt nicht locker"
Anlage 32 : Auszug aus dem Prospekt der Niedersächsischen Energieagentur GmbH
Anlage 33 : Schriftverkehr des Autors mit Stefan Kohler
Anlage 34 : Meine "Bemerkungen zu der Aufmachung des Privatisierungspapiers"
Anlage 35 : Stellungnahme des BUND- Landesverbandes NRW zur Stellungnahme von Hubert Weinziel, Vorsitzender des BUND, abgegeben auf dem Forum "Energie für das 21. Jahrhundert", Seite 2, letzter Satz.
Anlage 36 : Einladung zur Grundwasser- Bildung des Naturschutz- Zentrums
Hessen e. V. mit Unterstützung von BUDERUS GUSS, Wetzlar
ANHANG II :
Was die deutschen Strom- und Wasserkonzerne für ihre Vorstände, Aufsichts- und Beiräte bezahlen und wer alles darin sitzt
Auf den folgenden Seiten sind die Namen der Mitglieder von den Vorständen, Aufsichts- und Beiräten mit ihren Gesamtbezügen aus den folgenden Konzernen aufgeführt:
- VEBA AG,
- PREUSSENELEKTRA AG,
- VEW AG,
- GELSENWASSER AG,
- RWE AG,
- RWE ENERGIE AG,
- RWE ENTSORGUNGS- AG
- RHENAG AG.
Die Angaben sind direkt aus den betreffenden aktuellen Geschäftsberichten
entnommen.