Aus express, Zeitung für sozialistische
Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit Nr. 2/2010, 48.Jahrgang (gescannt)
Privatliquidation?
Nadja Rakowitz zur Subsumtion des
Gesundheitswesens unter das Kapital
From the
series »American Embassy Mural«, Javad Montazeri, 2005 (Bild)
Angesichts der drohenden
»Reformen« durch die schwarz-gelbe Regierung ist derzeit wieder viel von
Privatisierung und Ökonomisierung des Gesundheitswesens die Rede. Dass
»Gesundheit keine Ware« ist oder sein soll, behaupten und fordern auch viele -
von Attac über die Gewerkschaften, die
Bundesärztekammer bis zum Verein demokratischer Ärztinnen und Arzte.
Begrifflich lassen alle diese Beschreibungen oder Forderungen zu wünschen
übrig. Im Folgenden soll daher versucht werden, die Entwicklungen im
Gesundheitswesen durch die Brille der Kritik der politischen Ökonomie zu
betrachten, um zu prüfen, ob sich auf diese Weise ein genauerer Begriff der
genannten Tendenzen entwickeln lässt.
»In jeder Aktienschwindelei
weiß jeder, dass das Unwetter einmal einschlagen muss, aber jeder hofft, dass
es das Haupt seines Nächsten trifft, nachdem er selbst den Goldregen
aufgefangen und in Sicherheit gebracht hat. Apres moi
le deluge! >Nach mir die Sintflut!< ist der Wahlruf jedes Kapitalisten und jeder Kapitalistennation.
Das Kapital ist daher rücksichtslos gegen Gesundheit und Lebensdauer des
Arbeiters, wo es nicht durch die Gesellschaft zur Rücksicht gezwungen wird.« (Marx, Kapital Ed. l, S. 285f.)
Nach
mir die Sintflut..
Im Kapitel zum Arbeitstag im
»Kapital« zeigt Marx, wie sich die Kapitalisten in Konkurrenz untereinander bei
der Ausweitung des Arbeitstags wechselseitig immer mehr zu übertreffen
versuchen, solange bis im Kampf um den Arbeitstag ein Gesetz durchgesetzt wird,
das die Länge des Arbeitstags regelt und damit wieder allgemein gleiche
Konkurrenzbedingungen herstellt, an denen das Einzelkapital von sich aus kein
Interesse hat.
Dies ist ein - nämlich der
staatliche - Weg, wie die Gesellschaft das Kapital »zur Rücksicht zwingen«
kann. Es gibt auch andere.
Am Beispiel der Einführung
der Sozialversicherung im Kaiserreich in den 80er Jahren des 19. Jahrhunderts
lässt sich dies studieren. Die Unterstützungskassen der Gesellenvereine waren
Anfang des 19. Jahrhunderts Kristallisationskern erster gewerkschaftlicher
Aktivitäten und damit ein immer noch gesellschaftlicher Versuch, das Kapital
zur Rücksicht zu zwingen oder sich zumindest gemeinschaftlich gegen die ärgsten
Zumutungen des Zwangs der Lohnarbeit zu schützen. Mit der Gründung von Gewerkschaften
1868 kam es erneut zur verstärkten Errichtung von Hilfskassen als
Selbsthilfeeinrichtungen. {Deppe 1987, S. 12ff.) Deren Aktivitäten wurden im
Zuge der Repression durch die Sozialistengesetze ebenfalls behindert.
Selbstständige gesellschaftliche Versuche, den Zumutungen des Kapitals Paroli
zu bieten, waren (und sind) tendenziell für die Herrschenden gefährlich. In
diesem Zusammenhang ist die staatliche Schaffung der Krankenversicherung zu
sehen. Es ist also nicht nur eine Funktion des Staates in der bürgerlichen
Gesellschaft, zur Sicherung der allgemeinen Akkumulationsbedingungen des
Kapitals das Einzelkapital zur Rücksicht zu zwingen, sondern dies unter
Umständen auch in sozialen Auseinandersetzungen oder zur Prävention von
zukünftigem Widerstand zu tun. August Bebel betont, dass der Gesetzentwurf zur
Schaffung der Krankenversicherung seine Existenz dem Umstand verdanke, dass man
bei der Beratung des Gesetzes vom 21. Oktober l 878, betreffend die
gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie, das Versprechen abgegeben
habe, auch für positive Maßregeln zum Wohl der Arbeiter zu sorgen und damit die
Sozialdemokratie zu bekämpfen. (Ebd., S. 16)
Heute - in Zeiten eines
allgemeinen freien Wahlrechts in einer parlamentarischen Demokratie - kommt
immer auch noch das vermeintliche Interesse der Wählerschaft hinzu, das die
Regierenden zu bedienen versuchen wollen und müssen. Wie bei allen staatlichen
Funktionen gilt es also, ganz Widersprüchliches zu erfüllen - so auch für die
heutige Gesundheitspolitik: Sie will ein Gesundheitssystem organisieren, das
die Reproduktion der Arbeiterklasse garantiert, das die zum Teil
unterschiedlichen, zum Teil widersprüchlichen Interessen der Anbieter (Pharma-
und Geräteindustrie, Arzte, Krankenhäuser, Versicherungen etc.) bedienen, die
Lohnkosten für die Unternehmen niedrig halten und die Wählerinteressen der
Mehrheiten an einem guten, bezahlbaren Gesundheitssystem berücksichtigen soll.
Welche Interessen bei welcher Regierungsformation in welche
Prioritätsreihenfolge gebracht werden, hängt von der historischen Situation,
der politökonomischen Konstellation, der ideologischen Ausrichtung der
jeweiligen Regierung und den sozialen Kräfteverhältnissen insgesamt ab.
Nicht
einmal
formell
subsumiert
»Der Arbeitsprozess wird zum
Mittel des Verwertungsprozesses, des Prozesses der Selbstverwertung des
Kapitals - der Fabrikation von Mehrwert/}. Der Arbeitsprozess wird subsumiert
unter das Kapital... und der Kapitalist tritt in den Prozess als Dirigent,
Leiter... Dies nenne ich die formelle Subsumtion der
Arbeit unter das Kapital ...Es ist ein Prozess, der zum Zweck vorgeht, aus Geld
mehr Geld zu machen. Trotz alledem ist mit jenem change
durchaus nicht von vorn herein ein wesentlicher Wechsel in der reellen Art und
Weise des Arbeitsprozesses, des wirklichen Produktionsprozesse eingetreten.
(...)« »Im Gegenteil Hegt es
in der Natur der Sache, dass... das Kapital sich einen gegebenen, vorhandenen
Arbeitsprozess subsumiert«. Marx, Resultate, S. 91 f)
Welche Auswirkungen hatte die
Einführung einer staatlichen Sozialversicherung auf das Gesundheitswesen?
Springen wir zu den Anfängen der Bundesrepublik: Die Mehrheit der Bevölkerung
ist in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) versichert. Diese sind Körperschaften
öffentlichen Rechts, nach dem Solidarprinzip organisiert und selbstredend nicht
profitorientiert wie die Privaten Krankenversicherungen (PKV). Insolvenzen
waren für Kassen der GKV ausgeschlossen - bis zur Reform durch die schwarz-rote
Koalition. Die Krankenhäuser, der größte Ausgabenposten der GKV, waren
größtenteils in öffentlicher oder frei-gemeinnütziger Trägerschaft (noch im
Jahr 1991 waren 46,0 Prozent der Krankenhäuser öffentlich, 39,1 Prozent
frei-gemeinnützig und 14,8 Prozent privat; im Jahr 2007 waren 32,4 Prozent in
öffentlicher, 37,9 Prozent in frei-gemeinnütziger und 29,7 Prozent in privater
Trägerschaft1) (Schulten/Böhlke, S. 98) - und
ebenfalls nicht profitorientiert. Sie wurden seit Anfang der 70er Jahre dual
finanziert: Die Investitionen wurden durch die öffentliche Hand erstattet, die
Betriebskosten hingegen durch die GKV nach tagesgleichen Pflegesätzen, wobei
ein Anspruch auf Deckung aller entstandenen Betriebskosten bestand
(Selbstkostendeckungsprinzip). (Vgl. Böhm/Henkel, 2009)
Insofern herrschte in den
Krankenhäusern keine Notwendigkeit, kapitalistischen Profit zu machen, noch
standen sie in kapitalistischer Konkurrenz zueinander, sondern waren Teil eines
Krankenhausplans der Öffentlichen Hand und mussten sich nicht auf dem Markt
bewähren. In den Kategorien der Kritik der politischen Ökonomie gesprochen, war
das Gesundheitswesen in wesentlichen Teilen dem Kapital Verhältnis also weder
im oben genannten Sinne formell, schon gar nicht reell subsumiert, denn der
Arbeitsprozess selbst war von dieser Logik noch nicht ergriffen.(2)
Das Warenkapital in der Hand
der Verkäufer, z.B. der Gerätehersteller, fingiert in der Hand des Käufers,
z.B. eines kommunalen Krankenhauses, im »Produktionsprozesse nicht - wie zum
Beispiel eine beim Druckmaschinenhersteller gekaufte Druckmaschine in einer
kapitalistischen Druckerei - als konstantes Kapital, sondern zunächst einmal
als Ware mit einem bestimmten Gebrauchs-»wert«. Während der Gerätehersteller
aus seinem Warenkapital Geldkapital gemacht und seinen Mehrwert - in der Regel
- realisiert, mindestens aber einen Profit gemacht hat, um damit weiterhin
seinen kapitalistischen Produktionsprozess finanzieren zu können, hat das
Öffentliche Krankenhaus für die Ware, das entsprechende medizinische Gerät,
Geld (in seiner Funktion als Zirkulations- oder Zahlungsmittel, nicht als
Geldkapital) ausgegeben, um dieses Gerät nun anzuwenden zum Zwecke der
gesundheitlichen Versorgung, nicht, um aus Geld mehr Geld zu machen.
Für die Waren der
Pharmaindustrie gilt im Prinzip das Gleiche wie für die der Geräteindustrie,
wobei die Pharmaindustrie traditionell in Deutschland den größeren Einfluss im
Gesundheitswesen hat und diesem wie kaum einem anderen und kaum ein anderer
ihren Stempel aufgedrückt hat. Das führt dazu, dass die Ausgaben für
Arzneimittel (ohne die Arzneimittel im Krankenhaus) den zweitgrößten Posten bei
den GKV-Ausgaben bilden. Die Macht der Pharmalobby ist so groß, dass es bislang
keiner Regierung gelungen ist, sie zu brechen. In Gestalt der Pharmaindustrie
war Ökonomisierung also von Anfang an im Gesundheitswesen präsent. Und dennoch
funktionierte es m wesentlichen Teilen nach einer anderen als der
wirtschaftlichen Logik.
Auch heute ist es nach wie
vor so, dass eine große Summe Geld im Gesundheitswesen einfach zwischen
Körperschaften öffentlichen Rechts und öffentlichen Einrichtungen (und
Kleinunternehmern) zirkuliert und nicht oder nur sehr beschränkt Teil der
Kapitalzirkulation und Akkumulation ist. Der »Arbeitsprozess« ist hier nicht,
auch nicht formell, kapitalistischer Prozess, denn er dient nicht dem
Profitmachen.(3) Man hat in einem öffentlichen
Krankenhaus zwar Ware-Geld-Beziehungen, insofern alles, was dort gebraucht
wird, als Ware gekauft werden muss. Und man hat dort Lohnarbeitsverhältnisse, also
auch systematisch unbezahlte Mehrarbeit, von der das Krankenhaus »profitiert«;
aber dies dient nicht dem Profitmachen und war, vor der Einführung der DRG und
dem systematischen Wettbewerb der Krankenhäuser miteinander, weder von einer
Profit- noch von einer Konkurrenzlogik geprägt. Doch dazu unten mehr.
Mittelalterliche
Rangordnung
und
Privatliquidation
Damit soll nun weder gesagt
werden, dass das Krankenhaus unberührt war oder ist vom Kapitalverhältnis, noch
dass die Versorgungs- und Arbeitsbedingungen in öffentlichen Krankenhäusern
nicht kritikwürdig waren. Mitnichten. In der kritischen Literatur der 70er
Jahre wird gezeigt, dass - auch das öffentliche — Krankenhaus »im
gesellschaftlichen Widerspruch« der kapitalistischen Gesellschaft steht,
insofern die »aus umverteiltem Mehrwert (...) finanzierte Behandlung von
Kassenpatienten und die Entlohnung des (...) medizinischen Personals einerseits
> dem Prinzip der Profitmaximierung bzw. Kapitalakkumulation«
entgegenwirken, dass andererseits die Erhaltung und Reproduktion der knappen
Arbeitskraft selbst eine Bedingung für profitable Kapitalverwertung« darstelle
(Regus 1970). Nicht ohne Gründe wurde Anfang der
70-er Jahre das Klassenlose Krankenhaus
in Kritik und Abgrenzung zum Regelkrankenhaus konzipiert (Woythal
1970, Woythal 1973, See 1973). Klassenlos sollte das
Krankenhaus zum einen deshalb sein, weil die Klassengesellschaft in Gestalt des
Verhältnisses von GKV- und PKV-Patienten Eingang ins Krankenhaus nehmen konnte
und kann. Auch mit den privaten Versicherungskonzernen sind von Anbeginn an
kapitalistische Momente in den ansonsten noch anders organisierten Bereich der
Gesundheitsversorgung eingedrungen. Allerdings gilt dies - dennoch weltweit
einzigartig - »nur« für zehn Prozent der Bevölkerung.
Zum anderen aber sollte das
Krankenhaus klassenlos sein durch die »Beseitigung der überlebten
Chefarzthierarchie und Einführung einer demokratischen Organisations- und
Führungsstruktur auf der Basis der Teamarbeit und der kollegialen Leitung«
sowie durch »Abschaffung des privaten Liquidationsrechts und Vereinheitlichung
der Pflegesätze« (Woythal 1973). Was die innere
Struktur des Krankenhauses anging - das wird auch in diesen Forderungen schon
deutlich -, so waren und sind sie zum Teil bis heute »gekennzeichnet durch ein
extrem autoritär-hierarchisches System mit einer durch nichts gerechtfertigten
Privilegierung des Chefarztes« (Regus 1973, S. 4l).
Hans Mausbach beschrieb die Verhältnisse im Krankenhaus 1970 als
mittelalterlich: »Klasseninteresse ist verantwortlich für die Beibehaltung
mittelalterlicher, antidemokratischer Rangordnungen in den Krankenhäusern, bei
den Schwestern, den Ärzten und in der Verwaltung. Die versteinerten
Rangordnungen sind Leitschienen der Formierung von oben nach unten. Über diese
Leitlinien dringen z.B. die Einflüsse der pharmazeutischen und
Medizingeräteindustrie mit einem Minimum an Reibung ein ... Die Machtfülle des
Ordinarius und Chefarztes ist die Klammer, die alles zusammenhält. Fast
unumschränkte Entscheidungsgewalt in organisatorischen, personellen und
medizinischen Fragen, verbunden mit der Herrschaft über Ausbildung und dem
Recht, im Rahmen des öffentlichen Dienstes ein Privatunternehmen zu betreiben«
(Mausbach 1971, S. 977ff.)(4)
Wie im ambulanten Sektor die
niedergelassenen Ärzte sind es also auch im Krankenhaus die Ärzte, die hier die
Vorreiter - oder soll man sagen Avantgarde? - der Ökonomisierung der inneren
Strukturen des Gesundheitswesens waren. Man könnte die Streiks der
Krankenhausärzte 2006 vor diesem Hintergrund als Ausdruck des Einzugs moderner
Verhältnisse im Krankenhaus interpretieren, die damit einhergehen, dass Ärzte
nun auch als das, was sie schon die ganze Zeit waren, nämlich als Lohnarbeiter
agieren. Freilich zeigten diese Ärzte«streiks« bei
genauerem Hinsehen, dass es immer noch ein weiter Weg ist, bis alles
»Ständische und Stehende verdampft«, bis sich Ärzte tatsächlich als
Lohnarbeiter verhalten (und sich z.B. mit ihren nichtärztlichen Kollegen
solidarisieren) und tatsächlich - auch gegen den Willen des Chef(arzte)s — streiken.
Auch im ambulanten Sektor gab
es mindestens seit Beginn der Bundesrepublik eine Form der Ökonomisierung, die
durch die niedergelassenen Ärzte bestimmt war bzw. ist - vor allem dadurch,
dass sie sich mit dem Kassenarztrecht einen Status als Kleinunternehmer
sicherten.(5) Entgegen den heutigen Beteuerungen ärztlicher Standesvertreter,
dass »Gesundheit keine Ware« sei, und den Klagen, dass jetzt die Ökonomisierung
über sie komme, wo sie doch bislang ganz selbstlos nur für ihre Patienten und deren gute
Versorgung da gewesen seien, lesen sich die Analysen aus der Zeit, in der das
gegolten haben soll, deutlich anders: »Die Ideologie des großen Arztes, der
medizinischen Autorität, die für den Kranken entscheidet und welcher der Kranke
sich bedingungslos anvertrauen muß, ohne Fragen zu
stellen, ohne ihr zu widersprechen, diese Ideologie kommt auf eine nahezu
perfekte Weise den Rechtfertigungsbedürfnissen des Ärztestandes entgegen, der
gezwungen ist, die Bedeutung finanzieller Faktoren als Motive des eigenen
Handelns ständig zu verdrängen.« (Wulff 1971, S. 967) Und weiter schreibt
Wulff: »So erscheint es mir beinahe ein Euphemismus zu sagen, dass das
Vergütungssystem die Arzt-Patient-Beziehung >beeinflusst<. Finanzielle
Motive beeinflussen die Pnoritäten und wirken sich so
auf Entscheidungen aus, die nach der ärztlichen Berufsethik lediglich vom Wohle
des Patienten abhängig gemacht werden dürften. Sie bringen den Arzt auch dazu,
dem Eide des Hippokrates entgegen zu handeln, der von ihm verlangt, reiche und
arme Kranke genau gleich zu behandeln... Der Arzt wird deshalb die Tendenz
zeigen, seine Entscheidungen den Kranken in einer autoritären Weise aufzureden,
d.h. sich auf seine ärztliche Autorität zu beziehen, die manchmal weder von der
medizinischen Wissenschaft noch von der Logik gerechtfertigt werden kann. Die
Mystifizierung der Arzt-Patient-Beziehung scheint mir also kein Zufall zu sein,
sondern eine Notwendigkeit, die sich aus der Situation ergibt, ökonomischen
Motiven folgen zu müssen und diese noch zu verleugnen.«
(Ebd. S. 966ff.)
Das ist keineswegs nur die
Analyse von linken Kritikern, sondern wird affirmativ und offen im Deutschen
Ärzteblatt bekannt: »Das im Gesundheitssystern
erbrachte Leistungsspektrum orientiert sich primär - völlig zu Recht — an den
wirtschaftlichen Überlebenschancen der Leistungserbringer und nicht an den
Bedürfnissen der Leistungsnehmer.« (Porzsolt/Dieter
Hart 1997) Im gleichen Organ wird entsprechend das Kassenarztrecht von 1955
gefeiert, das eine solche Situation erst möglich machte. So sei die ambulante
ärztliche Behandlung in vollem Umfang den niedergelassenen Ärzten übertragen,
Krankenhausambulanzen und Eigeneinrichtungen der Krankenkassen als Konkurrenz
ausgeschaltet worden, wofür man im »Gegenzug auf das Streikrecht verzichtete«.
Damit habe die ärztliche Standesvertretung erreicht, dass dieses Verhältnis so
geregelt wurde, dass der ursprüngliche Arbeitgeber auf sein Recht verzichtet
habe, den Arzt als Arbeitnehmer anzustellen. Dies sei ansonsten keiner Gewerkschaft
gelungen. (Gerst 2005) Das so geschaffene
Kassenarzt-recht habe, so wird weiter gejubelt, den Kassenärzten über
Jahrzehnte hinweg »das Monopol bei der ambulanten medizinischen Versorgung«
garantiert und »aufgrund seiner Honorarbestimmungen die Voraussetzungen für den
in der Folge zu verzeichnenden überdurchschnittlichen Einkommenszuwachs«
geschaffen. (Ebd.)
Alles
Ständische
und Stehende
verdampft
»Die Bourgeoisie kann nicht
existieren, ohne die Produktionsinstrumente, also die Produktionsverhältnisse,
also sämtliche gesellschaftlichen Verhältnisse fortwährend zu
revolutionieren... Die fortwährende Umwälzung der Produktion, die
ununterbrochene Erschütterung aller gesellschaftlichen Zustände, die ewige
Unsicherheit und Bewegung zeichnet die Bourgeoisepoche vor allen anderen aus.
Alle festen eingerosteten Verhältnisse mit ihrem Gefolge von altehrwürdigen
Vorstellungen und Anschauungen werden aufgelöst, alle neugebildeten veralten,
ehe sie verknöchern können. Alles Ständische und Stehende verdampft, alles
Heilige wird entweiht, und die Menschen sind endlich gezwungen, ihre
Lebensstellung, ihre gegenseitigen Beziehungen mit nüchternen Augen anzusehen.« (Marx/Engels, Kommunistisches Manifest, S. 465)
Im Moment sind wir Zeugen und
zum Teil Opfer dieses von Marx und Engels beschriebenen Prozesses. Im
ambulanten Sektor heißt das z.B., dass mit der Möglichkeit der Gründung von
Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) durch die rot-grüne Gesundheitsreform
2003 Angestellten Verhältnisse möglich sind und damit systematisch der Status
des Kleinunternehmers aufgehoben werden könnte, der einen extremen Anreiz
bedeutete, medizinische Entscheidungen betriebwirtschaftlichen Kriterien
unterzuordnen. Von Ärzten könnte diese Gelegenheit, auch im niedergelassenen
Bereich als Angestellter mit festem Gehalt arbeiten zu können, mit Freude
aufgegriffen werden. Dies geschieht aber bei den wenigsten. Die Mehrheit der
Ärzteschaft befürchtet, dass mit dieser Möglichkeit der Modernisierung eine
»Industrialisierung der Medizin« einhergehe und dass sie so ihren Status der
Freiberuflichkeit einbüße, der bislang als Argument herhalten musste, um
Kontrolle, Orientierung an Leitlinien etc. zu verhindern - natürlich alles im
Namen der guten Versorgung der Patienten. Mit dem gleichen Gestus plädiert die
offizielle Vertretung der Ärzteschaft heute auch für eine so genannte Priorisierung: Sie verlangt wegen des »chronischen
Geldmangels« von »der Politik« festzulegen, welche von den notwendigen
medizinischen Leistungen in Zukunft nicht mehr von der GKV bezahlt werden
sollen. Diese Leistungen - das wird aber nicht so laut in der Öffentlichkeit
gesagt - kann die Ärzteschaft dann privat als Individuelle Gesundheitsleistung
(IGeL) abrechnen. Ein weiterer Schritt in die
Ökonomisierung der Medizin. Wer in der letzten Zeit mal beim Augenarzt war,
weiß in der Regel, wovon hier die Rede ist...
Auf dem Weg
zur Industrialisierung
Andererseits eröffnen die MVZ
zum ersten Mal die Möglichkeit, dass große Medizin-Konzerne, wie z.B. die
Rhönklinikum AG, Asldepios, Helios
u.a., Zugang zum ambulanten Sektor erhalten und
diesen so zunächst formell, zügig auch reell - sofern das die spezifischen
»Produktionsverhältnisse« dort zulassen - dem Kapital unterwerfen können. Die
ambulante Versorgung dient in solchen MVZ dann zunächst dem Zweck, Profite zu
machen; diesem wird aus der daraus resultierenden immanenten Logik die Medizin
untergeordnet. Freilich ist das noch Zukunftsmusik. Nur ein kleiner Teil der
existierenden MVZ war Ende 2009 tatsächlich in der Trägerschaft von
Krankenhäusern, entsprechend ein noch kleinerer Teil in Trägerschaft privater
Klinikkonzerne. Doch die Strukturen dafür sind nun geschaffen. Wenn die neue
Bundesregierung in ihrem Koalitionsvertrag schreibt: »Der Gesundheitsmarkt ist
der wichtigste Wachstums- und Beschäftigungssektor in Deutschland«
(Koalitionsvertrag, S. 78), dann heißt das unter anderem, dass genau diese
Entwicklungen forciert werden sollen. Ob das die mehr als 50 Prozent der Arzte,
die FDP gewählt haben, unterstützen wollten?
Im Krankenhaussektor ist
diese Entwicklung allerdings schon ein ganzes Stück weiter. Nicht nur die dort
Arbeitenden nehmen das als eine Industrialisierung der Medizin wahr. Mit der
Einführung der Finanzierung über diagnosebezogene Fallpauschalen (Diagnosis Äelated Groups) Anfang der 2000er
]ahre und der damit verbundenen Konkurrenz um
Marktpositionen aller Krankenhäuser miteinander kehrte im stationären Sektor
ein massiver ökonomischer Druck ein, der zum großen Teil auf dem Rücken der
Beschäftigten (vor allem in der Pflege und den technischen Diensten)
ausgetragen wird. Während die DRG als eine Form der Einzelleistungsvergütung
den immanenten Anreiz geschaffen haben, Leistungen auszuweiten und - aus
ökonomischen Gründen^ - so viele Fälle wie möglich zu »produzieren«, führt die Deckelung der Budgets der Krankenhäuser zugleich dazu, dass
gerade am Personal gespart wird bis zum Äußersten (vgl. Böhm 2009, Vivantes- Beschäftigten-Befragung 2007), was in der
Wahrnehmung des Patienten durchaus zu Recht als Ökonomisierung im Sinne von
Rationierung Leistungen erscheinen kann. 'Thorsten Schulten und Nils Böhlke vergleichen Krankenhauskennzahlcn
von 1991 mit denen von 2007, und ihre Zahlen belegen diese Tendenzen: Die
absolute Zahl der Krankenhäuser sank insgesamt um 13,4 Prozent, während die
Zahl der privaten Krankenhäuser um 73,2 Prozent stieg (öffentliche: -39,0
Prozent, frei-gemeinnützige: -16,2 Prozent). Die Anzahl Beschäftigter
(Vollzeitäquivalente) sank im gleichen Zeitraum um 9,5 Prozent, während die
Fallzahlen um 17,9 Prozent stiegen! (Schulten/ Böhlke
2009, S. 100)
Dabei ist die Zahl der
Beschäftigten pro Patient in der immer größer werden Zahl der privaten Häuser
noch geringer als in öffentlichen. Der Druck und die Arbeitsintensivierung dort
sind entsprechend noch höher (Hanschur/Böhlke 2009),
da aus diesen Krankenhäusern ja auch noch ein Profit erwirtschaftet werden muss
- sie sind dem Kapital jetzt zumindest formell unterworfen. Zum Teil lässt sich
an den veränderten Arbeitsprozessen auch zeigen, dass auch reelle Subsumtion stattfindet. So werden zürn Beispiel die »Poren
des Arbeitstags« - wie Marx das zu nennen pflegte - systematisch geschlossen.
In den Funktionsbereichen, wie Labor und Röntgenabteilungen etc., gibt es oft
keine Kernarbeitszeiten mehr, sondern es wird rund urn
die Uhr gearbeitet. Stehen in der kapitalistischen Fabrik die Bänder möglichst
nicht mehr still, so gehen in spezialisierten Klinken (oft in privater
Trägerschaft) die Lichter im OP nicht mehr aus. Auch die Formen der
Arbeitsteilung verändern sich demgemäß.
Insofern aber öffentliche wie
frei-gemeinnützige und private Krankenhäuser in Konkurrenz zu einander stehen,
sind nun auch öffentliche Krankenhäuser ökonomisch gezwungen, sich genauso zu
verhalten wie private und ihre internen Prozesse entsprechend umzugestalten.
Ohne dass also öffentliche Krankenhäuser formell dem Kapital subsumiert sind,
müssen sie unter dem Druck der Konkurrenz agieren als ob - mit dem Unterschied,
dass sie keine Profite erwirtschaften müssen und auch Organe der öffentlichen
Hand noch einen bestimmten politischen Zugriff und Einfluss auf sie haben.
Statt
Abschaffung von
Hierarchien:
Taylorisierung
Im Zuge der Ökonomisierung
werden aber auch ständische Privilegien in Krankenhäusern von oben aufgeweicht
oder sogar abgeschafft. Vorreiter sind hier, wie Michael Wendl von ver.di berichtet, die privaten Konzerne. Wendl nennt diese
Entwicklung im Rückgriff auf einen Marxschen Terminus richtig »innere
Landnahme«: »Trendsetzer dieser Entwicklung ist die Rhön-Klinikum AG. In diesem
Prozess werden die tradierten Berufsbilder von Ärzten, Pflegekräften und
anderen nichtärztlichen Beschäftigten, insbesondere die ständische Abgrenzung
zwischen diesen Tätigkeiten, theoretisch infrage gestellt und in ersten
Ansätzen aufgehoben.« (Wendl 2009, S. 226) Daran wäre zunächst einmal nicht
Kritikwürdiges, im Gegenteil. Es geht hier allerdings mitnichten um eine
emanzipatorische Abschaffung von Privilegien und eine demokratischere
Arbeitsteilung, sondern dies geschieht nahezu ausschließlich nach ökonomischen
Kriterien. Es wird gemacht, weil es billiger zu sein scheint.
Ob es das langfristig auch
ist, wird sich noch zeigen. Auf keinen Fall führt dies aber, wie manche
Soziologen meinen, zu flacheren oder weniger Hierarchien, noch lässt sich dies
als »postfordistisch« beschreiben. Vielmehr erleben
wir im Gesundheitswesen zurzeit eine Taylorisierung,
die von der Pflege bis zum OP reicht. Im Rahmen der Delegation von Tätigkeiten
nach »unten«, also zu den schlechter bezahlten Kräften, lassen sich in der
Pflege Tendenzen zu tayloristischer Arbeitszerlegung
und eine Abkehr von der ganzheitlichen Pflege erkennen; aber auch in den
Operationssälen wird versucht, »einfache« Tätigkeiten an billigere Kräfte zu
delegieren. Es gibt deshalb schon eine ganze Reihe neuer, in der Regel
staatlich nicht anerkannter Berufe wie z.B. den Operationstechnische
Assistenten (OTA), Anästhesietechnische Assistenten (ATA),
Chirurgisch-technische Assistenten (CTA), Gefäßassistenten (präparieren oder
entnehmen die Gefäße).
Eine andere Strategie
wiederum wird bei den Gesetzlichen Krankenkassen verfolgt - allerdings mit
ähnlichem Effekt. Sie werden nicht einfach privatisiert — das hieße etwa, die
AOK an den Allianz-Konzern zu verkaufen -, sondern von innen heraus umgewandelt
und immer weiter den Privaten Kassen und deren Mechanismen angepasst. Dieser
Prozess begann Mitte der 90er Jahre, als unter Gesundheitsminister Seehofer die
Kassen in Konkurrenz zueinander gesetzt wurden und setzte sich mit verschiedenen
Reformen fort. Seit der rot-grünen Regierung wurden einige Elemente der PKV in
der GKV erlaubt (wie z.B. Kostenerstattung), seit der Reform der Großen
Koalition dürfen die Kassen Wahltarife anbieten, können Beiträge rückerstatten
etc. - und sie können, worauf eingangs hingewiesen wurde - insolvent gehen. All
solche Regelungen durchlöchern das Solidarprinzip der
GKV und nähern sie der PKV an. Wird diese Tendenz fortgesetzt, wird irgendwann
der Europäische Gerichtshof völlig zu recht entscheiden, dass Krankenkassen der
GKV auch dem Wettbewerbsrecht unterliegen müssen, weil sie ihres ursprünglich
sozialen Charakters, der solidarischen Ausgleich, Risikostrukturausgleich etc.
zuließ, beraubt wurden und von Unternehmen kaum noch zu unterscheiden sind. Das
wäre das politisch bewusst, aber auf einem eleganten
Umweg herbeigeführte Ende der GKV.
Wenn sich jetzt noch die FDP
und Minister Rösler durchsetzen und in Zukunft »Beitrag und Leistung ... in
einem adäquaten Verhältnis stehen« sollen, ist das Solidarprinzip abgeschafft
und das Äquivalenzprinzip der PKV eingeführt; wenn auf »der Versicherungs-,
Nachfrage- und Angebotsseite ... die Voraussetzungen für einen funktionsfähigen
Wettbewerb um innovative und effiziente Lösungen geschaffen« werden sollen, ist
der einheitliche Leistungskatalog der GKV abgeschafft, und es wird billige
schlechte und gute teure Verträge geben; wenn in Zukunft »langfristig ... das
bestehende Ausgleichssystem überführt (wird) in eine Ordnung mit mehr
Beitragsautonomie, regionalen Differenzierungsmöglichkeiten und
einkommensunabhängigen Arbeitnehmerbeiträgen« (alle Zitate aus
Koaliiionsvertrag2009), ist die paritätische Finanzierung weg. Das
Gesundheitswesen wird dann dem »Markt geöffnet« bzw. immer weiter dem Kapital
unterworfen. Viele Gesundheitsökonomen erwarten, dass die Wirtschaftskrise
diese Tendenz noch verschärfen wird, weil das Anlagen
suchende Geld- oder Finanzkapital versuchen wird, irn
Gesundheitsmarkt Geschäfte zu machen. Wohin das führt, kann man in den USA
studieren, wo gerade ein Präsident versucht, das dortige System dem deutschen,
wie wir es noch kennen, etwas ähnlicher zu machen. Aber wer wird denn alles so
schwarzsehen?
Hören wir zum Abschluss Herr
Dr. Rösler zu, denn: »Die gute Nachricht ist: Der Gesundheitssektor kann bei
entsprechender Ausrichtung alle Voraussetzungen dafür bieten, in Zukunft einer
der zugkräftigsten Jobmotoren Deutschlands zu werden — zum doppelten Nutzen für
die Menschen in Deutschland. Für die, die Hilfe brauchen. Und für die, die
damit ihren Lebensunterhalt verdienen... Im Jahr 2030 werden über 20 Prozent
der Erwerbstätigen, und damit jeder Fünfte, in der Gesundheitswirtschaft
arbeiten... Die Gesundheitsbranche, ist aber auch ein wichtiger Exportfaktor
für Deutschland. Unser hohes medizintechnisches und pharmazeutisches Niveau
bringt zahlreiche Innovationen hervor, die im Ausland begehrt sind. Auch hier
bieten die deutschen Unternehmen Technologie auf Spitzenniveau. Eben typisch
>Made in Germany<. Hier gibt es noch viele Chancen. Wenn all das erfüllt ist,
dann wird die Gesundheitswirtschaft weiter wachsen. Erwirtschaften die
Unternehmen der Gesundheitswirtschaft bereits heute rund zehn Prozent des
Bruttoinlandsprodukts, werden es im Jahr 2030 einer Hochrechnung zufolge
bereits 13 Prozent sein. So wird sich das Gesundheitswesen auf der Basis des
demografischen Wandels und des steigenden Gesundheitsbewusstseins auch in
Zukunft als sicherer Jobmotor erweisen. Gesundheit darf nicht nur als
Kostenfaktor gesehen werden, sondern kann im Gegenteil einen wichtigen Beitrag
leisten für Wachstum und Beschäftigung«. (Financial Times Deutschland vom 22.
Februar 2010)
Nadja Rakowttz
Anmerkungen:
1) In den 70er Jahren, z.B. auf dem Marburger Kongress
1973, wurde auch diese Aufteilung der Trägerschaft kritisiert, da mit nur 50
Prozent öffentlichen Krankenhäusern das »Prahlern der Krankenhausträgerschaft,
speziell die Eigentumsfrage« nicht geklärt sei. See 1973, S. 158
2) »Aber auf dieser Basis erhebt sich eine
technologisch und sonstig spezifische, die reale Natur des Arbeitsprozesses und
seine realen Bedingungen umwandelnde Produktionsweise—, kapitalistische
Produktionsweise. Ersts ob diese eintritt, findet statt reale Subsumtion der Arbeit unter das Kapital... eine völlige
(und sich beständig fortsetzende und wiederholende) Revolution in der
Produktionsweise selbst... in der Produktivität der Arbeit im Verhältnis von
Kapital und Arbeiter.« Marx. Resultate, S. 104f.
3) Mehrwert wird in dieser Sphäre ohnehin nicht
produziert, auch nicht, wenn das Krankenhaus privatisiert ist und zu einer
Aktiengesellschaft gehört, wie die Rhönklinikums AG; gesamtgesellschaftlich
befrachtet muss viel mehr umgekehrt die medizinische Versorgung aus dem
gesellschaftlichen produzierten Mehrwert finanziert werden.
4) Wegen dieser
Aussagen in der APJ- Reportage »Halbgott in Weiß» verlor Hans Mausbach seine
Stelle als Assistenzarzt und wurde arbeitslos; die »hessische Landesärztekammer
ließ wegen des Verdachts eines Berufvergehens gegen ihn ermitteln, und einige
Ärzte beauftragten die LÄK, Strafantrag gegen ihn zu stellen wegen »Beleidigung
und Verleumdung der Chefärzte in Deutschland Ebd., S. 971 f.
5) Auf den Unterschied zu gewerblichen
Kleinunternehmern weist Hans-Ulrich Deppe hin: Dem niedergelassnen Arzt sei es
nicht möglich, »seine Praxis nach den Prinzipien privatwirtschaftlicher
Rationalität zu expandieren, Sachmittel und Personal über ein bestimmt Maß
hinaus zu erwerben, weitere Ärzte als Gehaltsabhängige zu beschäftigen, mehrere
Praxen zu unterhalb oder Werbung zur Steigerung des Umsatzes zu betreibe Die
Möglichkeiten der Akkumulation seines Geldes innerhalb der ambulanten
medizinischen Versorgung sind also begrenzt.« Deppe 1973, S. 98
6) Die Ökonomisierung kann also zwei Richtungen
annehmen: die der Rationierung von medizinisch notwendig und der Ausweitung von
medizinisch nicht notwendig Leistungen aus Ökonomischen Gründen. Selbst
rigorose Kritiker der -Ökonomisierungstendenzen wie Hag Kühn betonen
größtenteils nur die Rationierungsgefahr Vgl. Hagen Kühn 2006.
Die Langfassung und eine Literaturliste können über
die Redaktion bezogen werden.