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Frankfurter Rundschau vom 19.05.2006 : WIRTSCHAFTS-THEMA PLUS
(Gescannter Bericht)
HINTERGRUND :
Wichtige Rolle
Die Sparkassen in Deutschland empfehlen sich Otto Normalverbraucher als
die bessere Bank. Das kommt wahrlich nicht immer hin -trotzdem hat der
Bundesbürger sie bitter nötig.
VON MARIO MÜLLER
Wozu sind eigentlich Sparkassen gut? Um „besonders der ärmeren
Klasse" die Gelegenheitzu verschaffen, „ihre Ersparnisse für
Notfälle und für das Alter sicher und zinstragend anzulegen".
So heißt es in dem Beschluss, mit dem der Magistrat von Potsdam
im Juni 1840 die Gründung eines eigenen Geldinstituts bekanntgab.
Ähnlich lesen sich die „Geburtsurkunden" anderer Sparkassen.
„Gut für Deutschland" - die aktuelle Werbebotschaft der
S~Finanzgruppe, wie sich der Verbund aus Sparkassen, Landes banken,
Bausparkassen, Versicherungen und Investment- und Leasinggesellschaften
inzwischen nennt, klingt reichlich hochtrabend. Folgt man der
Selbstdarstellung des Spitzenverbands DSGV, kombiniert die Gruppe
„Kompetenz in Finanzdienstleistungen mit Verantwortung für die
Gemeinschaft".
Schlecht für Deutschland, halten Kritiker dagegen. Ihrer Meinung
nach hat der Staat im Kreditgeschäft nichts (mehr) zu suchen. Er
verzerre den Wettbewerb und müsse deshalb die Sparkassen und
Landesbanken privatisieren. Von einem Öffentlichen Auftrag
könne ohnehin keine Rede mehr sein.
„Der Öffentliche Auftrag ist erledigt", sagt auch Ludwig Poullain,
einst Chef der Westdeutschen Landesbank und DSGV-Präsident. Ihm
zufolge hatte der damalige Bundeswirtschaftsminister Karl Schiller der
Sparkassenorganisation den Leitgedanken auf den Weg gegeben, für
mehr Konkurrenz im deutschen Kreditgewerbe zu sorgen. „Nun, die
Wettbewerbsgleichheit ist erreicht", behauptet Poullain und wirft
seinen Nachfolgern vor, „krampfhaft neue Inhalte" für einen
Öffentlichen Auftrag zu erfinden.
Tatsächlich tun sich die heutigen Ver-bandsoberen mit Argumenten
für die Existenzberechtigung der staatlichen Geldhäuser
reichlich schwer. „Mit ihrer flächendeckenden Präsenz
fördern die Institute den kreditwirtschaftlichen Wettbewerb und
sorgen für verbraucherfreundliche Preise für
Finanzdienstleistungen" schreibt der DSGV. Und verweist auf „ein
breites gesellschaftliches Engagement in Kunst und Kultur,
Wissenschaft, Sport und Sozialem", wodurch die
„Entwicklungskräfte" in den Regionen gestärkt würden.
Das ist, wie immer in solchen Fällen, nicht unbedingt zum Nennwert
zu nehmen. So können die Sparkassen beispielsweise bei den
Konditionen für normale Geldgeschäften kaum punkten. Vielmehr
verlangen und bieten sie „marktübliche" Zinsen und Entgelte
für Dienstleistungen. Wer nach Schnäppchen sucht, findet sie
im Zweifel bei anderen Adressen, etwa Direktbanken.
Dass die Sparkassen alles anderer als ein „billiger Jakob" sind,
lässt sich an ihrer Zinsspanne ablesen, also dem Abstand zwischen
Soll- und Habensätzen. Sie lag nach Berechnungen der Bundesbank im
Jahr 2004 bei 2,35 Prozent und damit deutlich über den knapp ein
Prozent, den die privaten Großbanken erreichten. Was kompetente
Beratung betrifft, dürften die Sparkassen dagegen nicht viel
besser abschneiden als die Konkurrenz.
Immerhin können sie auf ihren guten Ruf bei Firmenkunden
verweisen. Einer vom Handelsblatt in Auftrag gegebenen Umfrage zufolge
liegen die Sparkassen und Landesbanken auf der Image-Rangliste an der
Spitze vor der Commerzbank und den Volks- und Raiffeisenbanken.
Das Argument, dass die öffentlichen Kreditinstitute für
„verbraucherfreundliche Preise" sorgen, ist gleichwohl nicht von der
Hand zu weisen. Würden sie durch Übernahmen vom Markt
verschwinden, bestünde jedenfalls die Gefahr, dass der Wettbewerb
an Intensität einbüßt und die überlebenden Banken
die Kunden stärker zur Kasse bitten.
Auch die Kommunen und Kreise müss-ten mit Einbußen rechnen.
Die Sparkassen gehören nicht nur zu den größten
Arbeitgebern hier zu Lande, sondern auch zu den größten
Steuerzahlern. Und sie sind, anders als die Großbanken, in der
Region verwurzelt, was im Zweifel auch der heimischen Wirtschaft nutzt.
Diese „Präsenzpflicht" ist nicht zu unterschätzen. In
Großbritannien etwa wird heftig darüber geklagt, dass in
vielen Gegenden keine Bankfilialen mehr existieren. In den USA wurde
ein Gesetz verabschiedet, das die Geldhäuser verpflichtet, in
solchen Vierteln Geschäftsstellen zu eröffnen. Wie eine
kürzlich veröffentlichte US-Studie zeigt, haben
Zusammenschlüsse von Banken, die meist auch mit
Filialschließungen verbunden sind, erhebliche soziale Folgen: Die
betroffenen Regionen verarmen, die Kreditvergabe wird
eingeschränkt, es wird weniger investiert, die Immobilienpreise
fallen, die Kriminalität steigt. Die Aufsichtsbehörden,
meinen die Autoren, täten gut daran, all dies zu
berücksichtigen.