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Streik der Lokführer ab dem 7. Januar 2008
von Winfried Wolf
Eine „Schöne Bescherung“
bereiteten Mehdorn, Suckale &
Co. durch Provokation und Betrug. Die GDL kündigte zu Recht das
Scheitern der
Tarifverhandlungen und einen unbefristeten Streik ab Montag, dem 7.
Januar 2008
an. Nunmehr muss in kurzer Zeit die Solidarität mit den
Lokführern
„hochgefahren“ werden.
Am 4. Dezember gab es nach allgemeinen
Verständnis einen
„Durchbruch“ bei den Verhandlungen zwischen Bahnvorstand und GDL.
Danach
einigten sich beide Seiten darauf, dass die GDL einen
„eigenständigen
Tarifvertrag“ erhält – auf der „Basis des Moderatorenergebnisses
vom 27. August
2007“. Gleichzeitig sollte es deutliche
materielle Verbesserungen für die Triebfahrzeugführer geben –
800 Euro pauschal
als Einmalzahlung plus eine Steigerung der Einkommen im zweistelligen
prozentualen Bereich. Die GDL erklärte, dass sie dabei keine
weitere
Arbeitszeitverlängerung akzeptieren würde. Der
eigenständige Tarifvertrag
sollte eingebettet sein in einen Basisvertrag, an dem alle im
Bahnbereich
aktiven Gewerkschaften beteiligt sein würden. Beim
Spannungsverhältnis
„eigenständiger Vertrag“ und „Basisvertrag“ war aber klar, dass
der Begriff
„eigenständig“ nur dann Sinn macht, wenn der größte
Teil der klassischen
Elemente eines Tarifvertrags (so die Vereinbarungen über
Einkommen/Entgelte und
Arbeitszeiten) im „eigenständigen Tarifvertrag“ Bahn/GDL geregelt
und der
Basistarifvertrag nur eine ergänzende Rolle spielen würde.
Bahnvorstand
provoziert
In den bisherigen, nunmehr zwei
Wochen andauernden
Tarifverhandlungen rückte der
Vorstand
der DB AG Schritt um Schritt in dreierlei Hinsicht von den
Vereinbarungen vom
4. Dezember ab: Erstens war er nicht bereit, ein materielles Angebot zu
unterbreiten, das auch nur annähernd in Richtung „zweistelliges
Ergebnis ohne Arbeitszeitverlängerung“
gehen würde. Zweitens versuchte er, den Personenkreis, für
den die GDL
verhandelt, ständig weiter einzuengen: So sollte es der GDL
untersagt sein, den
in Frage stehenden Tarifvertrag auch für „Rangierlokführer“
(Lokführer, die Loks
und Züge innerhalb eines Bahnhofs bewegen) und
„Lokrangierführer“ (Lokführer,
die Loks und Züge auch zwischen Bahnhöfen bewegen)
abzuschließen. Vor allem
aber forderten der Bahnvorstand und - als Flankenschutz - die
vorstandstreuen
Gewerkschaften Transnet und GDBA, dass die GDL zuerst ein
„Kooperationsabkommen“ mit diesen beiden Gewerkschaften
abschließen müsse,
bevor es Verhandlungen über einen so genannten
„eigenständigen Tarifvertrag“
geben würde.
Spätestens jetzt war klar: Die GDL
soll weiterhin keinen
eigenständigen Tarifvertrag, der diesen Namen verdient, bekommen.
Denn ein
vorgeschaltetes Kooperationsabkommen mit Transnet und GDBA würde
die GDL in ein
enges Korsett zwängen, und bessere Vereinbarungen über
diejenigen Abkommen
hinaus, die Transnet und GDBA mit dem Bahnvorstand abgeschlossen haben,
weitgehend ausschließen.
Vor diesem Hintergrund ist es
nachvollziehbar und richtig,
wenn der Vorstand der GDL am 19. Dezember zur Notbremse griff und die
Verhandlungen für „gescheitert“ erklärte.
Warum
ein „eigenständiger“ Tarifvertrag?
Immer wieder taucht die Frage auf: Aber
warum bloß ein
„eigenständiger Tarifvertrag“? So argumentierten am 20.12. erneut
SPD-Parteichef Kurt Beck und der Chef der SPD-Bundestagsfraktion Peter
Struck.
Die Antwort lautet: In dem
vergangenen Jahrzehnt befand sich
die GDL mit ihren „starken Truppen“, den Lokführern, in einer
Tarifgemeinschaft
mit Transnet und GDBA. Dennoch sanken die realen Einkommen der
Eisenbahner
allgemein; diejenigen der Lokführer um rund zehn Prozent.
Gleichzeitig wurden
die Arbeitszeiten verlängert. Transnet und GDBA hätten ja –
im Rahmen der
bestehenden Tarifgemeinschaft - von der strategischen Stärke der
Lokführer
Gebrauch machen können, um mit deren Kampfkraft gemeinsam eine
Verbesserung
aller Einkommensverhältnisse im Bahnbereich zu erstreiten.
Dazu kam es nicht. Ganz im
Gegenteil – siehe oben.
Da war und ist es nur logisch,
wenn die GDL aus der
Tarifgemeinschaft ausbricht und sich zu einem eigenständigen
Arbeitskampf
entschließt. Und es ist auch richtig, festzustellen, dass bessere
Ergebnisse
bei den Einkommen und Arbeitszeiten der Lokführer letzten Endes
allen
Bahnbeschäftigten zugute kommen.
Wer
lenkt Mehdorn, Suckale & Co.?
Das Bahnmanagement war
offensichtlich der Meinung, die
GDL-Führung Schritt für Schritt kaufen zu können. Die
Erfolge, die in dieser
Hinsicht bei den Führungen von Transnet und GDBA erzielt wurden,
mögen zu
diesem Trugschluss beigetragen haben. Die hektisch-kurzatmige Art und
die
aggressiv-kläffende Weise, wie Frau Suckale auf die
GDL-Erklärung, wonach die
Verhandlungen gescheitert sind, reagierte, deutet darauf hin, dass ein
GDL-Griff zur Notbremse nicht erwartet worden war. Die – auch von
Transnet und
GDBA genährte - Spekulation, es gebe im Vorstand der GDL eine
„innere
Spaltung“, wird sich ebenfalls als Fehlorientierung erweisen.
Tatsächlich ist
die GDL-Führung geschlossener als beispielsweise im vergangenen
Sommer. Die
Lokführer selbst sind ähnlich streikbereit wie im November.
Viele von ihnen
sind nun ausgesprochen „geladen“, angesichts des provokativen Kurses
des
Bahnvorstands.
Eine Frage allerdings steht zur
Debatte: Wer lenkt die
Top-Bahnvorstände Mehdorn, Suckale und Rausch? Sind es deren
ehemalige
Arbeitgeber Airbus, Mobil Oil und Lufthansa, die eine schnelle
Bahnprivatisierung erzwingen, damit die Schiene zurückdrängen
und ihre
Marktanteile ausweiten wollen? Und die klar erkennen, dass eine Bahn
mit einer
kämpferischen Gewerkschaft im strategischen Bereich Triebfahrzeuge
an der Börse
höchst unattraktiv ist?
Zu fragen ist weiter: Welche Rolle spielt die
Bundesregierung, die immerhin den Bund vertritt, der wiederum
hundertprozentiger Eigentümer der Bahn ist? Läßt sie
Mehdorn, Suckale & Co.
lediglich gewähren oder stützt sie gar aktiv deren
provokatorischen Kurs?
Letzteres würde durchaus Sinn machen:Trotz des faktischen
Scheiterns des
Bahnprivatisierungsgesetzes und in Widerspruch zu den Ergebnissen des
SPD-Parteitags von Ende Oktober in Sachen Bahnprivatisierung, wird in
der
Bundesregierung intensiv nach neuen Modellen eines Bahn-Ausverkaufs an
Heuschrecken gesucht (Stichwort: Holding-Modell).
Natürlich ist es
möglich, dass die Bundesregierung oder ihre
Hintermänner, die Unternehmerverbände, in letzter Minute
Mehdorn, Suckale &
Co. zurück pfeifen. Dann könnte es auf Basis der
Vereinbarungen vom 4. Dezember
doch noch zu einer Einigung kommen. Immerhin gehen auch die Arbeitgeber
und die
Bundesregierung ein enormes Risiko ein, wenn sie auf die Konfrontation
zusteuern – und dies in einer Auseinandersetzung, in der bisher eine
deutliche
Mehrheit in der Bevölkerung die Lokführer unterstützt.
Derzeit spricht allerdings viel dafür, dass
es zu einer
neuen Konfrontation kommt. Diese dürfte in der deutschen
Nachkriegsgeschichte
der Klassenkämpfe einmalig sein. Eine solche Auseinandersetzung
fällt dann
zusammen mit den allgemeinen Tarifverhandlungen im öffentlichen
Dienst (bei
denen die erfreulich hohen Forderungen von ver.di und Marburger Bundes
unzweifelhaft vom Kampf der Lokführer „inspiriert“ sind). Bereits
dieses Zusammentreffen
der genannten Auseinandersetzungen kann enorme Prozesse einer
wechselseitigen
Unterstützung auslösen.
Ein Arbeitskampf Lokführer
versus Bahnvorstand wird bereits
hinsichtlich der Witterung eine spektakuläre Komponente bekommen:
Wenn im
Januar bei deutlichen Minusgraden einige Tausend Triebfahrzeuge
über Tage
hinweg nicht bewegt werden, dann bringt dies enorme zusätzliche
Belastungen mit
sich (auch die Gefahr, dass als Reaktion darauf die Bundesregierung
eine Art
„Notstand“ erklärt oder versucht, eine „Zwangsschlichtung“ zu
etablieren).
Klar ist: Wenn in dieser sich
abzeichnenden
Auseinandersetzung die Lokführer verlieren, dann kann man sich
hierzulande bei
den progressiven Zielen vieles abschminken. Nicht zuletzt wäre
dies das
Startsignal für eine radikale Bahnprivatisierung.
Umgekehrt gilt: Ein Erfolg der Lokführer
würde
flächendeckende Austrahlungen auf alle gesellschaftlichen Bereiche
haben, und
allüberall die Positionen von Gewerkschaften und
Globalisierungskritik stärken.
Im diesem Sinn rufen wir als Initiative
„Bahnstreik
Solidarität“ dazu auf: Jetzt die Position der Lokführer zu
unterstützen. Jetzt
die Solidarität mit der GDL wieder zu aktivieren. Sich darauf
vorzubereiten,
dass es nun bald auch der praktischen Solidarität mit den
Triebfahrzeugführern
bedarf: