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unsere zeit - Zeitung der DKP vom 14. Juli 2006

Sparkassen vor der Privatisierung?

Übernahme der Banken hätte verheerende Folgen für Verbraucher und Beschäftigte - Berlin will Vorreiter spielen

In den Chefetagen deutscher Großbanken dürften derzeit die Sektkorken knallen. Schließlich ist das Ziel der Zerschlagung des öffentlichen Bankensektors mit der jüngsten Entscheidung aus Brüssel ein gutes Stück näher gerückt. So wurde die Bundesregierung am 28. Juni von der EU-Kommission aufgefordert, künftig auch privaten Banken die Verwendung des Namens "Sparkasse" zu gestatten. Hintergrund ist das anstehende Bieterverfahren um die Bankgesellschaft Berlin: Da das Institut mit milliardenschweren Beihilfen gerettet wurde und die EU-Kommission darin eine Verzerrung des Wettbewerbs sah, muss das Land Berlin seine Anteile an der Bankgesellschaft bis Ende 2007 veräußern. Nun zählt zur Bankgesellschaft auch die Berliner Sparkasse, die mit einem Marktanteil von knapp 50 Prozent das "Filetstück" des Konzerns darstellt. Und der Wunsch des Berliner Senats, durch einen Verkauf der Bankgesellschaft einen Erlös von mindestens 4 Mrd. Euro zu erzielen, lässt sich nur verwirklichen, wenn auch die Sparkasse mitverkauft wird.

Die Forderung der EU-Kommission

Das Problem liegt nun darin, dass der Verkauf der Bankgesellschaft nach europäischem Recht "diskriminierungsfrei" sein muss, d. h. private Käufer dürfen im Bieterverfahren nicht benachteiligt werden. Nach Ansicht der EU-Kommission muss es also auch privaten Banken gestattet werden, das Logo der Sparkasse zu verwenden. Kein Wunder, dass der Deutsche Sparkassen- und Giroverband über diese Entscheidung entsetzt ist, zählt doch das rote Sparkassen-"S" zu den bekanntesten Firmenlogos in Deutschland, dessen Wert allein auf einen zweistelligen Milliardenbetrag geschätzt wird.

Sollte sich die EU-Kommission durchsetzen, droht eine Privatisierungswelle von Sparkassen mit verheerenden Folgen für Verbraucher, mittelständische Unternehmen und Beschäftigte. Zu befürchten ist, dass private Banken dann in großem Stil Sparkassen aufkaufen, Filialen schließen und die Konzentration im Kreditwesen massiv zunimmt. Welche Folgen dies haben kann, lässt sich an Großbritannien studieren, wo der Markt von wenigen privaten Großbanken dominiert wird. Da es nicht rentabel ist, auch für ärmere Bevölkerungsgruppen ein Konto anzubieten, gibt es in Großbritannien ca. 3,5 Millionen Haushalte, die über kein Girokonto verfügen.

Die Position der Bundesregierung

Ob private Banken und EU-Kommission sich durchsetzen werden, ist noch nicht klar. So hat die Bundesregierung versprochen, den Namensschutz für Sparkassen zu verteidigen und den Streit notfalls bis vor den Europäischen Gerichtshof zu führen. Dort stehen die Chancen nicht schlecht, denn dass es eine Täuschung der Verbraucher ist, wenn private Banken ihre Leistungen unter dem Namen "Sparkasse" anbieten, dürfte unschwer zu begründen sein. Hinzu kommt, dass es der EU-Kommission laut Artikel 295 des EU-Vertrags untersagt ist, sich in die Eigentumsordnung eines EU-Mitgliedslandes einzumischen. Nach intensiven Gesprächen mit der EU-Kommission hat der Vorsitzende des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes (DSGV) denn auch verkündet, dass "von Brüssel (...) kein Druck aus(-geht), Sparkassen an Private zu verkaufen. (...) Es ist gut, dass Brüssel dies jetzt auch eindeutig öffentlich anerkennt."

Präzedenzfall Berlin?

Sollte die Einschätzung des DSGV zutreffend sein, stellt sich die Frage, von wem der Druck zur Veräußerung von Sparkassen tatsächlich ausgeht. Der Berliner Senat behauptet zwar, dass die EU-Kommission den Verkauf der Sparkasse erzwingt - in ihrer Antwort auf eine schriftliche Anfrage der Linkspartei.PDS hat die EU-Kommission jedoch darauf hingewiesen, "dass das Land Berlin im Rahmen des Umstrukturierungsplans die Veräußerung der BGB einschließlich der Berliner Sparkasse vorgesehen (!) hat". Es bedurfte also offenbar gar keines besonderen Drucks von außen.

Fakt ist, dass der Berliner Finanzsenator Thilo Sarrazin schon vor Monaten die EU-Kommission um Hilfe gebeten und sich für eine schnelle Beseitigung des Namensschutzes stark gemacht hat. Dabei vertritt Sarrazin ganz offen die Meinung der Privatbanken, nach der die Dreiteilung des deutschen Bankensystems in private, öffentlich-rechtliche und genossenschaftliche Institute für die angeblich zu geringen Renditen deutscher Banken verantwortlich ist.

Fakt ist auch, dass Berlin als erstes Bundesland der privaten Konkurrenz den Einstieg bei einer Sparkasse ermöglichen will. Zu diesem Zweck wurde ein neues Sparkassengesetz geschaffen, das seit Juni 2005 in Kraft ist. Wie Report Mainz am 20. März berichtet hat, wurde das Gesetz von der Kanzlei Freshfields, Bruckhaus, Deringer erarbeitet - eine "der besten Adressen für milliardenschwere Wirtschaftsdeals", die "mit dem Bundesverband deutscher Banken und vielen Großbanken über Berateraufträge eng verbunden" ist. Entsprechend sieht das Gesetz auch aus: So verfügt die Berliner "Sparkasse" über kein eigenes Vermögen, keine eigene Banklizenz und auch die Gewinne sollen in die Taschen des privaten Trägers fließen.

Noch ist es nicht zu spät, eine Privatisierung von Sparkassen zu verhindern. Dazu müsste der Berliner Senat allerdings seine Angriffe auf den Deutschen Sparkassen- und Giroverband einstellen, mit denen er den privaten Banken in die Hände spielt. Nötig wäre eine Änderung des Berliner Sparkassengesetzes, das gegen deutsches Recht verstößt indem es auch privaten Banken ermöglicht, eine Sparkasse zu betreiben. Hält der "rot-rote" Senat in Berlin dagegen an der kurzsichtigen Strategie fest, die allein auf hohe Privatisierungserlöse schielt, muss er sich der Verantwortung stellen, aktiv zur Zerstörung des öffentlichen Bankwesens beigetragen zu haben.

Sahra Wagenknecht
(Mitglied des Europäischen Parlaments für die Linke.PDS)