REDE 25.09.2008 – OSKAR LAFONTAINE Regierende
verantwortlich für Verabschiedung von Demokratie und Sozialstaat Oskar
Lafontaine antwortet auf die Regierungserklärung von SPD-Finanzminister
Steinbrück zur Lage der Finanzmärkte
Herr Präsident! Meine sehr
geehrten Damen und Herren! Ich glaube, dass mit dem Wort „Finanzmarktkrise“ die
Krise, über die wir heute reden, nicht ausreichend beschrieben ist. Nach unserer
Auffassung geht es nicht um eine ökonomische Krise, sondern um eine Krise der
geistigen und moralischen Orientierung der westlichen Industriegesellschaften.
(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier (fraktionslos))
Um verständlich zu machen, was ich damit meine, will ich zuerst
darlegen, wie das Ganze begonnen hat und wie vor einigen Jahren die Auffassung
der großen Mehrheit derjenigen, die an der Diskussion teilgenommen haben, war.
Im Jahre 1996 hat der Bundesbankpräsident Tietmeyer vor dem Weltwirtschaftsforum
in Davos gesprochen. Dort sagte er, gerichtet an die Politiker und
Wirtschaftsführer, die dort versammelt waren: Meine Herren, Sie alle sind jetzt
der Kontrolle der internationalen Finanzmärkte unterworfen. Wenn heute ein
Bundesbankpräsident so etwas sagte, würde er wahrscheinlich gleich in eine
Heilanstalt eingeliefert werden. Aber damals wurde diese Aussage mit großem
Beifall von allen Versammelten aufgenommen. Sie fand auch großen Anklang in der
deutschen Öffentlichkeit. Man sieht: Die damalige Überzeugung und Auffassung war
tatsächlich, dass die internationalen Finanzmärkte alles richtig regeln, dass
sie die richtigen Findungsprozesse in Gang setzen werden, während die Politik
nichts anderes zu tun hat, als diesen Findungsprozessen Rechnung zu tragen und
ihnen zu folgen.
Wer ein Zeugnis von einem relativ kritischen Politiker
von der linken Seite haben will, dem möchte ich Joschka Fischer zitieren, der in
den damaligen Auseinandersetzungen gesagt hat: Ihr glaubt doch wohl nicht, dass
ihr Politik gegen die internationalen Finanzmärkte machen könnt! Wenn Sie nur
diese zwei Aussagen als Beispiel nehmen, dann stellen Sie fest, in welchem
Ausmaß man sich damals geirrt hat und wie sehr die Fehlorientierung der Politik
durch die internationalen Finanzmärkte erzwungen wurde. Für uns war dies ein
Prozess, den ich wie folgt beschreiben möchte: Das war eine Verabschiedung von
der Demokratie und vom Sozialstaat. Die Folgen tragen wir alle heute.
(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier (fraktionslos))
Wenn ich von der Verabschiedung von der Demokratie durch die
internationalen Finanzmärkte spreche, dann will ich auf die Definition der
Demokratie zurückkommen, die entscheidend ist, um das beurteilen zu können.
Demokratie ist nicht nur ein formaler Prozess. Viele glauben, es sei Demokratie,
wenn man regelmäßig zur Wahlurne gehen könne. Ich wiederhole, dass die
klassische Definition der Demokratie von den Ergebnissen her kam. Wir bezeichnen
eine gesellschaftliche Ordnung dann als demokratisch, wenn die Entscheidungen so
getroffen werden, dass die Interessen der Mehrheit bei den Entscheidungen
berücksichtigt werden. Genau dies ist nicht eingetreten, sondern das glatte
Gegenteil. Deshalb ist die Demokratie nachweislich verabschiedet worden.
(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier (fraktionslos))
Das glatte Gegenteil besteht in dem, was Sie, Herr Bundesfinanzminister,
offensichtlich nicht zur Kenntnis nehmen wol en, nämlich dass die Reallöhne, die
Renten und die sozialen Leistungen - das ist ein einmaliger Vorgang - trotz
einer wachsenden Wirtschaft und der Prozesse, die ich hier nur kurz ansprechen
kann, fallen. Genau das ist eingetreten. Inhaltlich wird die große Mehrheit der
Menschen nicht mehr an der wachsenden Wirtschaft beteiligt. Wir haben aufgrund
des Regimes der internationalen Finanzmärkte keine soziale Marktwirtschaft mehr.
(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier (fraktionslos)
Klaus-Peter Flosbach (CDU/CSU): Dummes Zeug!)
Jemand hat gerade „dummes
Zeug“ dazwischengerufen. Am Schluss seiner Ausführungen hat der
Bundesfinanzminister genau das, was ich beschrieben habe, gesagt. Das sei seine
Vorstellung von sozialer Marktwirtschaft. Wenn das aber seine Vorstellung von
sozialer Marktwirtschaft ist, dann müsste er zumindest zur Kenntnis nehmen, dass
es ihm bisher nicht gelungen ist, diese zu realisieren.
Nun stellt sich
die Frage, wie man die geistig-moralische Umorientierung der Gesel schaft - das
ist immer ein ganz schwieriger Prozess - überhaupt in Gang setzen kann. Niemand
wird darauf eine Antwort geben können, die weiter trägt als von hier bis zur
nächsten Festveranstaltung. Aber im Grunde genommen muss man zuerst die Frage
aufwerfen: Ist beispielsweise die Forderung nach Transparenz geeignet, den
Prozessen zu begegnen? Ich sage: Transparenz hat nur dann einen Sinn, wenn aus
ihr irgendwelche Konsequenzen abgeleitet werden.
(Beifall bei der LINKEN
sowie des Abg. Gert Winkelmeier (fraktionslos))
Wenn man feststellt,
dass alles ganz schlimm sei, dann mag Transparenz herrschen. Aber dann macht
Transparenz keinen Sinn. Man muss auch nicht die großartigen Finanzinnovationen
verstehen, um zu erkennen, was eigentlich los war.
Ganz zum Schluss
haben Sie leise etwas zu den Renditeerwartungen gesagt. Aber wir alle wussten
seit vielen Jahren das, was fast täglich auf den Wirtschaftsseiten der Zeitungen
stand: Wir, der Betrieb oder die Bank, wol en eine Kapitalrendite von 25
Prozent. - Sie haben das jetzt als schizophren bezeichnet. Herr
Bundesfinanzminister, Sie hätten früher sagen müssen: Das ist verrückt.
(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier (fraktionslos))
Das einfache Beherrschen der Prozentrechnung hätte zu der Überlegung
führen können, dass dann, wenn der ganze Kuchen nur um 2 bis 3 Prozent größer
wird, nicht manche Kuchenstücke um 25 Prozent größer werden können.
(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier (fraktionslos))
Dies ist das, was ich als geistig-moralische Dimension bezeichne und was
hier eben sichtbar geworden ist. Dass man eine Elite hatte, die völlig
durchdrehte, kann man sich an folgendem Beispiel klarmachen: Stellen Sie sich
vor, ein älterer Mann oder eine ältere Frau wäre zu einer Bank oder Sparkasse
gegangen, hätte gesagt, er bzw. sie habe 2 000, 3 000 Euro gespart und wol e
jetzt 25 Prozent Zinsen. Die Bankangestellten hätten einen Knopf gedrückt und
irgendeinen hilfreichen Geist aus dem Hause gebeten, diesem Mann bzw. dieser
Frau zu helfen, weil er bzw. sie geistig verwirrt sei und nach Hause oder in ein
Altersheim gebracht werden müsse. Wenn aber Herr Ackermann oder sonst jemand so
etwas sagt, dann wird Beifall gespendet. Dies ist Ausdruck der moralischen
Verwerfung unserer Gesellschaft.
(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg.
Gert Winkelmeier (fraktionslos))
Diese Verwerfung ist aber nicht nur
festzustellen, sondern sie hatte auch erhebliche Implikationen für die gesel
schaftliche Entwicklung in den letzten Jahren. Die gesellschaftliche Entwicklung
in den letzten Jahren habe ich doch beschrieben. Was bedeutete denn die Aussage
„Sie sind alle der Kontrolle der internationalen Finanzmärkte unterworfen, und
wir haben keine Möglichkeit, irgendetwas dagegen zu tun“? Es wurde doch auch
hier in diesem Parlament immer wieder gesagt: Wer nicht so oder so handelt, den
bestrafen die Märkte. Man müsste einmal googlen, um herauszufinden, wie viele
von Ihnen oder wie viele frühere Kolleginnen und Kollegen immer wieder gesagt
haben: Wer nicht Sozialabbau betreibt, den bestrafen die internationalen
Finanzmärkte. Das war die ständige Rede in vielen Parlamenten, auch im Deutschen
Bundestag.
(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier
(fraktionslos))
Deshalb gibt es nicht nur Folgen für die Sicherheit der
Einlagen der Bankkundinnen und Bankkunden ich will gar nicht von der
Immobilienentwicklung sprechen, übrigens auch der hier in Berlin , von denen
hier gesprochen wird; vielmehr sind die Hauptbetroffenen die Bürgerinnen und
Bürger, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die Rentnerinnen und Rentner und
die Empfänger sozialer Leistungen, die aufgrund dieser Unterwerfung unter die
internationalen Finanzmärkte mit fallenden Löhnen, fallenden Renten und
sinkenden sozialen Leistungen bezahlen müssen. Das ist der gesellschaftliche
Zusammenhang.
(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier
(fraktionslos))
Dass Sie, Herr Bundesfinanzminister, immer noch keine
Lehren daraus gezogen haben, haben Sie in Ihrer Haushaltsrede zu Protokoll
gegeben. Dort reden Sie in einer Situation man fasst es nicht , in der der
amerikanische Finanzminister Sie haben das richtig dargestellt 5 Prozent des
Sozialproduktes einsetzen muss, um die Märkte zu stabilisieren, von einer weiter
sinkenden Staatsquote. Man fasst es manchmal nicht!
(Lachen des
Bundesministers Peer Steinbrück Peer Steinbrück, Bundesminister: Doch! Ernst
Hinsken (CDU/CSU): Sie nicht!)
Das Lachen wird Ihnen noch vergehen, Herr
Bundesfinanzminister. Sie werden sich mit dieser Prognose lächerlich machen. Das
bitte ich zu Protokoll zu nehmen und dick zu unterstreichen.
(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier
(fraktionslos))
Eine weiter sinkende Staatsquote das ist die Sprache der
internationalen Finanzmärkte, die Sie in Ihrer Haushaltsrede gebrauchten; denn
deren Credo ist: Je weiter die Staatsquote sinkt, umso besser geht es den
internationalen Finanzmärkten.
(Widerspruch bei der CDU/CSU)
Das
haben Sie jetzt selbst zu Protokoll gegeben. Sie haben zu Protokoll gegeben,
dass dann, wenn wir eine Staatsquote wie vor einigen Jahren hätten, die
jährlichen Ausgaben 114 Milliarden Euro höher wären. Wissen Sie jetzt, warum wir
andere Leistungen für Sozialhilfeempfänger haben, warum die Renten nicht steigen
und warum wir keine Investitionen in die öffentliche Infrastruktur tätigen?
(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier (fraktionslos))
Genau diese fehlerhafte Philosophie ist die Ursache für diese schlimme
Fehlentwicklung.
(Ernst Hinsken (CDU/CSU): Wie war es in der DDR? Nichts
gelernt!)
Das Hauptproblem ist aufgrund des Imperativs der
internationalen Finanzmärkte die Privatisierung der Sozialversicherungssysteme.
Ich wiederhole hier: Privare heißt berauben. Die Privatisierung der
Sozialversicherungssysteme hat dazu geführt, dass die Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmer und die Rentnerinnen und Rentner erhebliche Verluste in Kauf nehmen
müssen. Wie man auf so etwas stolz sein kann, entzieht sich unserer Kenntnis.
(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier (fraktionslos) –
Klaus-Peter Flosbach (CDU/CSU): Reden Sie mal von den positiven Dingen! - Thomas
Oppermann (SPD): Wer will die privatisieren?)
In dem gleichen Zuge hat
man dann die Sicherheit, nach der jetzt wieder gerufen wird, nämlich die
staatlich garantierte Rente immer mehr in Misskredit gebracht und erzählt: Nur
dann, liebe Rentnerinnen und Rentner, wenn ihr den internationalen Finanzmärkten
vertraut und wenn ihr euch privat versichert, werdet ihr die Kapitalrenditen
haben, mit denen ihr euren Lebensabend gestalten könnt. Das war doch die
Philosophie, nach der hier die Rentengesetzgebung erfolgt ist. Sie wollen alles
das heute nicht mehr wahrhaben, aber es ist eine Tatsache.
(Beifall bei
der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier (fraktionslos) Thomas Oppermann
(SPD): Das haben wir gar nicht gemacht! Wovon reden Sie eigentlich?)
Wenn Sie das nicht wahrhaben wollen, dann schauen Sie sich die
Ergebnisse Ihrer Rentenformel an. Die Ergebnisse Ihrer Rentenformel werden wir
hier immer wieder vortragen, bis Sie irgendwann einmal akzeptieren, dass die
Ergebnisse zum Handeln zwingen. Die Ergebnisse der Rentenformel sind, dass
jemand, der 1 000 Euro im Monat verdient, also im Niedriglohnsektor beschäftigt
ist dieser wird aufgrund der Unterwerfung unter die internationalen Finanzmärkte
in Deutschland immer größer; er ist mittlerweile der größte aller
Industriestaaten , eine Rentenerwartung von 400 Euro hat. Das ist eine Schande.
Diese Rentenformel darf nicht bestehen bleiben, auch wegen der internationalen
Finanzmärkte nicht.
(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert
Winkelmeier (fraktionslos))
Der OECD-Durchschnitt ist nicht 400 Euro,
sondern 730 Euro. In unserem Nachbarstaat Dänemark, der auch auf diesem Globus
liegt, also ebenfalls den Zwängen der Globalisierung unterworfen ist, sind es 1
200 Euro. Man muss das dreimal lesen. Man glaubt es ja gar nicht.
(Zuruf
von der SPD)
Der Zwischenruf war richtig. Lest es nach! Die Frage ist,
warum wir in Deutschland eine solche Sonderentwicklung haben. Immer mehr
Menschen merken, dass das Unterwerfen unter die internationalen Finanzmärkte ein
Fehler war. Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren, werden dafür bei den
nächsten Wahlen die Quittung bekommen. Warten Sie nur ab!
(Beifall bei
der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier (fraktionslos))
Dasselbe gilt
natürlich auch für die Lohnentwicklung. Sinkende Löhne bei steigendem
Sozialprodukt, das gab es noch nie. Die Unterwerfung unter die internationalen
Finanzmärkte mit dem Imperativ „Deregulierung, Flexibilisierung und
Privatisierung“ führte dazu, dass die Löhne immer weiter ins Rutschen kamen. Wir
haben jetzt Leiharbeit: Deregulierung. Wir haben jetzt befristete
Arbeitsverträge: Deregulierung. Wir haben jetzt Minijobs und Midijobs:
Deregulierung. Wir fummeln am Kündigungsschutz herum: Deregulierung. Wir fummeln
an den Tarifverträgen herum: Deregulierung. Wir haben auch die Finanzmärkte
dereguliert. Die Parole der Zeit ist nicht mehr Deregulierung der Irrglaube des
Neoliberalismus , sondern ein Staat, der reguliert, im Interesse der Menschen,
der Bürgerinnen und Bürger.
(Ernst Hinsken (CDU/CSU): Das ist
Kommunismus!)
Ach Gott, wie erbärmlich! Ich muss das wiederholen. Hier
schreit ein Kollege, Herr Hinsken, glaube ich, dazwischen, das sei Kommunismus.
Gerade hat der Finanzminister doch gesagt, man müsse regulieren. Ja sitzt denn
ein Kommunist auf der Regierungsbank?
(Heiterkeit und Beifall bei der
LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier (fraktionslos))
Machen Sie sich
doch nicht lächerlich! Die ganze Welt erkennt jetzt, dass Regulierung auf den
internationalen Finanzmärkten notwendig ist, und Sie diffamieren oder
diskreditieren die Forderung nach Regulierung als Kommunismus. Man fasst es
wirklich nicht mehr. Zu der Frage, was zu tun ist, möchte ich jetzt einige
Punkte ansprechen.
Erstens zu einem Punkt, von dem Sie, Herr
Bundesfinanzminister, nicht gesprochen haben. Wir sind der Überzeugung - das
möchte ich hier für meine Fraktion noch einmal erklären -, dass das
Wechselkursregime heute völlig falsch ist, da es zu Spekulation verleitet, und
dass daher ein seit 20 Jahren auf dem Tisch liegender Vorschlag aufgegriffen
werden muss, nämlich die Stabilisierung der Wechselkurse der Leitwährungen, wozu
mittlerweile auch die chinesische Währung gehört. Es geht um Zielzonen, die
international bereits seit vielen Jahren gefordert werden. Der Nobelpreisträger
Robert Mundell hat sie kürzlich in einem Interview der Frankfurter Allgemeinen
Zeitung wieder gefordert. Solange Sie dazu nichts sagen, so lange werden Sie den
ersten Einbruch nach dem Zusammenbruch des Bretton-Woods-System nicht in Angriff
nehmen.
(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier
(fraktionslos))
Das Zweite ist die Regulierung des internationalen
Kapitalverkehrs. Das hatte der Herr Schmidt gemeint, Herr Bundesfinanzminister.
Er hat schon vor 20 Jahren gesagt, dass man wie im Autoverkehr, wie im
Schiffsverkehr und wie im internationalen Flugverkehr Regeln braucht. Oder
nehmen Sie einen Spekulanten wie Soros, der gesagt hat: Wenn schon das Kapital
in wenigen Monaten in eine kleine Volkswirtschaft hineinfließen kann - das war
damals die Krise in Thailand -, dann muss man zumindest Ventile haben, damit das
flüchtige Kapital nicht von einem Tag auf den anderen wieder abfließt und so die
ganze Volkswirtschaft ruiniert. - Also, die Kontrolle des internationalen
Kapitals ist die zweite Forderung, die ich hier vortragen möchte.
(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier (fraktionslos))
Die dritte Forderung ist das Austrocknen der Steueroasen. Sie glauben
doch nicht, dass Sie die Dinge in den Griff bekommen, dass Sie Ordnung in die
internationalen Finanzmärkte bekommen, wenn sich viele Industriestaaten
augenzwinkernd weiter Steueroasen halten, in denen Geld gewaschen wird und sich
nicht versteuertes Geld immer mehr anhäuft.
(Beifall bei der LINKEN
sowie des Abg. Gert Winkelmeier (fraktionslos))
Zu begrüßen ist, dass
jetzt endlich erkannt ist: Man muss die Ratingagenturen zumindest kontrollieren.
Wir sagen: Die Ratingagenturen gehören in gesellschaftliche Verantwortung. So
wie es nicht sinnvoll wäre, die Zulassung von Medikamenten der Pharmaindustrie
zu überlassen, so wenig ist es sinnvol , die Zulassung von Finanzprodukten der
Finanzindustrie zu überlassen.
(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg.
Gert Winkelmeier (fraktionslos))
Das ist eine unmögliche Vorgehensweise.
Es ist anerkennenswert, dass man das jetzt wenigstens erkannt hat.
Natürlich brauchen wir internationale Regeln der Bankenaufsicht. Die
sind schon seit Jahrzehnten in Arbeit. Es sind einige Verbesserungen erreicht
worden. Aber sie haben offensichtlich nicht ausgereicht; sonst hätten wir die
Fehlentwicklungen jetzt nicht. Solche Regeln haben nur dann Sinn, wenn sich alle
daran halten; davon - das muss ich fairerweise sagen - war schon die Rede.
Kommen wir zu eigenen Verantwortung. Es ist immer wunderbar, dass man
auf die internationale Finanzregulierung zeigt und die eigene Verantwortung
nicht gelten
lassen will. Da kann ich den Redner der FDP unterstützen. Sie
hätten einmal über Ihre eigene Verantwortung sprechen müssen. Ich möchte
anführen, dass im Koalitionsvertrag genau das gefordert worden ist, was Sie hier
kritisieren. Ich lese Ihnen einmal vor, was im Koalitionsvertrag von CDU, CSU
und SDP unter dem Stichwort Finanzmarktpolitik steht: Produktinnovationen und
neue Vertriebswege müssen nachdrücklich unterstützt werden. Wenn man beim
Geldhandel schon von Produktinnovationen spricht, dann ist höchste Vorsicht
geboten. Dazu wol en wir die Rahmenbedingungen für neue Anlagenklassen in
Deutschland schaffen. Hierzu gehören … der Ausbau des Verbriefungsmarktes ...
(Lachen bei der LINKEN)
Das ist genau der Schrott, der bei der
IKB gehandelt wurde, wo auch noch ein Staatssekretär dabei saß. Sie haben es
doch ermöglicht, dass dieser Schrott gehandelt wurde.
(Beifall bei der
LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier (fraktionslos))
Das steht hier im
Koalitionsvertrag. Wieso sagen Sie dazu nichts? Sie stehen hier völlig mit in
der Verantwortung.
Dasselbe gilt natürlich für die Hedgefonds, die
allerdings unter der Vorgängerregierung zugelassen worden sind. Nachdem Sie die
Folgen von Hebelwirkungen erkannt haben, hätten Sie längst etwas unternehmen
müssen, um dieses Treiben zu beenden, dass man sich zu 1 Euro 40 Euro hinzu
leiht und damit Finanzmärkte oder ganze Unternehmen in Unordnung bringt.
(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier (fraktionslos))
Warum haben Sie nichts unternommen? Es ist ja jetzt so passend, auf die
USA zu zeigen und zu sagen, dort sei al es ganz schlimm gewesen. Nein, packen
Sie sich an die eigene Nase; dann haben Sie genug in der Hand, Herr
Bundesfinanzminister! Stellen Sie sich einmal Ihrer eigenen Verantwortung!
(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier (fraktionslos)
Zuruf von der CDU/CSU: Das gilt auch für Sie, Herr Kollege!)
Was die
Zweckgesellschaften angeht, ist es ja gut, dass über Basel irgendetwas gekommen
ist. Sie saßen die ganze Zeit über dabei, vertreten durch Ihren Staatssekretär,
als die Risiken in den Zweckgesellschaften versteckt worden sind. Machen Sie
deswegen hier nicht den Clown, Herr Bundesfinanzminister. Sie tragen die
Verantwortung für diese Fehlentwicklung und können nicht immer so tun, als säßen
Sie zwar dabei, hätten aber keine Verantwortung. Ihr Name ist doch nicht Hase;
so iel ich weiß, ist er immer noch Steinbrück.
(Beifall bei der LINKEN
sowie des Abg. Gert Winkelmeier (fraktionslos))
Meine sehr geehrten
Damen und Herren, wir stellen jetzt fest, dass die Formel von der Überlegenheit
freier Märkte an die Wand gefahren wurde und dass wir jetzt nicht mehr der
Kontrol e der internationalen Finanzmärkte unterworfen sind, sondern dass die
internationalen Finanzmärkte uns zwingen, aufgrund der Fehlentwicklungen
Entscheidungen zu treffen, die kontraproduktiv sind und die wir gar nicht
treffen wol ten, weil sie mit großen Verlusten verbunden sind, deren Ausmaß noch
niemand absehen kann. Wir haben jetzt gelernt, dass die Aussage, wir könnten
nicht gegen die internationalen Finanzmärkte regieren, umgedreht werden muss:
Wir müssen gegen die internationalen Finanzmärkte regieren, um endlich wieder
Ordnung in das System zu bringen.
(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg.
Gert Winkelmeier (fraktionslos))
Im Grunde genommen geht es bei dieser
Fragestellung zunächst natürlich um die Stabilisierung der internationalen
Finanzmärkte. In Bezug darauf ist eine Reihe von Entscheidungen der letzten Zeit
richtig gewesen; nicht alle, aus Zeitgründen kann ich darauf nicht weiter
eingehen.
Das Thema, um das es hier geht, fasse ich in einem Satz
zusammen: Es geht hier um die Wiederherstellung der Demokratie und des
Sozialstaats.
(Anhaltender Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert
Winkelmeier (fraktionslos))