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Frankfurter Rundschau vom 19.05.2006  (Seite 30    : WIRTSCHAFTS-THEMA (Gescannter Bericht)

Privatbanken piesacken Sparkassen

Der Verlust der Staatsgarantien, interner Streit und die Attacken der Großbanken beenden bei der größten Finanzgruppe der Welt das beschauliche Geschäftsleben.


VON HERMANNUS PFEIFFER

Vor einem Jahr war die letzte Rate fällig. Insgesamt-4,3 Milliarden Euro mussten die öffentlichen Kreditinstitute an Bund und Länder für Beihilfen und Zinsen zurückzahlen. Wenige Monate später fielen dann auch noch die bisherigen Staatsgarantien weg - zur Freude der privaten Großbanken, die seither ihre Chance wittern, die traditionsreiche Festung Sparkasse zu schleifen.

Der Konflikt hat eine mehr als zehnjährige Vorgeschichte. Mitte der neunziger Jahre hatten die Deutsche Bank und der Bundesverband deutscher Banken (BdB) sich bei der EU-Wettbewerbskommission über vermeintliche Privilegien der Sparkassen und Landesbanken beklagt. Die öffentlich-rechtlichen Institute hatten Vermögen der Länder - beispielsweise Wohnungsbauanstalten - als Ersatz für fehlendes Eigenkapital eingesetzt und über Jahre nur bescheiden verzinst. Nach Ansicht der Europäischen Union (EU) ein klarer Wettbewerbsvorteü im Vergleich zu den Privaten.

Nach jahrelangem Hickhack einigten sich Brüssel und Berlin auf einen politischen Kompromiss: Die Landesbanken zahlen die Beihilfen zurück, zudem fallen Mitte 2005 die staatlichen Garantien - Gewährträgerhaftung und Anstaltslast Im Gegenzug dürfen Sparkassen und Landesbanken weiterhin als öffentliche Anstalten im Eigentum von Land, Stadt oder Kommune bleiben - oder sie werden privatisiert.

Die Sparkassen, auf deren Konten heute bundesweit vier von zehn gesparten Euro liegen, blicken auch sonst auf einebewegte Geschichte zurück. Beispielsweise feuerte 2003 der Internationale Währungsfonds (IWF), dessen damaliger Präsident der frühere deutsche Sparkassenpräsident und heutige Bundespräsident Horst Köhler war, eine politische Breitseite gegen die deutschen Institute ab. Der Verhandlungsführer der rot-grünen Schröder-Regierung, der später zur Deutschen Bank wechselnde Caio Koch-Weser, galt vor Köhler als kommender IWF-Boss und war spätestens seither nicht gerade als Anhänger der Öffentlichen bekannt - und sollte sich trotzdem in Brüssel für die Sparkassen stark machen. Und auch für den damaligen Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) war Privatisierung kein Tabu. Dagegen unterstützten etwa das schwarze Hessen und das rot-rote Mecklenburg-Vorpommern eine Fortsetzung der öffentlichen Rechtsform. Die Zukunft der Staatsbanken entzweit seit langem die politischen Lager.

Viele Sparkassen und wohl einige Landesbanken werden sich als zuklein für die neue Freiheit erweisen. In Frankfurt, Sachsen, Köln, Bremen und andernorts suchen die Sparkassen ihr Heil in Kooperationen und Zusammenschlüssen. Von den rund 600 Sparkassen Mitte der neunziger Jahre sind heute etwas mehr als 450 übrig geblieben - Tendenz weiter fallend. Im Osten werden von derzeit 60 Instituten nur 20 bis 30 überleben, meint der Ostdeutsche Sparkassen-verband, und auch im Westen wird es mit der „Bündelung der Kräfte" weiter gehen, erwartet der Deutsche Sparkassen- und Giroverband (DSGV).

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In Kooperationen und Fusionen suchen in Frankfurt, Köln, Bremen und andernorts viele Institute ihr Heil.
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Partner machen sich Konkurrenz

„In echter Partnerschaft hat Dominanz keinen Platz", sagt Thomas Fischer. Seit der frühere Vorstand der Deutschen Bank an die Spitze der größten deutschen Landesbank, der WestLB, gerückt ist, macht er bundesweit Schlagzeilen; Kauf der privaten Weberbank, ein Bündnis mit der schwä-chelnden NordLB in Hannover oder die Kooperation mit der fidelen US-Fondsgesellschaft Mellon. Die Reichweite der WestLB wird durch solche strategischen Partner immer ausufernder - kein Einzelfall.

Anfang der neunziger Jahre hatte noch jedes Bundesland seine eigene Landesbank, die sich sowohl um die Finanzierung staatlicher Aufgaben kümmerte, als auch um die Sparkassen. Landesbanken wickeln für die oft sehr kleinen örtlichen Kreditinstitute den Wertpapierhandel mit Frankfurt oder London ab, organisieren den Zahlungsverkehr von Millionen Girokonten und bilden die Brücke zu den internationalen Finanzmärkten.
Durch Fusionen hat sich die Zahl der Landesbanken mittlerweile auf elf verringert, die faktisch in nur noch acht Konzernen zusammen geschlossen sind. Was nicht bedeutet, dass sie wirtschaftlich schwächer geworden wären, im Gegenteil. Landesbanken und Deka-Bank weisen mittlerweile eine Bilanzsumme von 1,4 Billionen Euro aus, und in rund 500 Geschäftsstellen werden mehr als 50000 Frauen und Männer beschäftigt. Eigentümer sind regionale Sparkassen- und Giroverbände, gemeinsam mit dem jeweiligen Bundesland oder einer anderen Landesbank.

Dabei geht es der Sparkassenorganisationbesser denn je. Die Gewinne stiegen 2005 auf 4,8 Milliarden Euro, die durchschnittliche Eigenkapitalquote liegt mit mehr als zwölf Prozent weit höher als die Branchennorm von acht Prozent. Und das Verhältnis von Aufwand und Ertrag ist in den vergangenen Jahren deutlich günstiger geworden. Verantwortlich dafür sind vor allem die gesunkenen Kosten, zum Beispiel wurde bundesweit die Informationstechnik in drei Zentren zusammen gefasst. Gespart wird zudem am Personal, die Ostkassen strichen rund 3000 Stellen und auch die Nord/LB reduziert die Belegschaft erheblich. Nach Angaben der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (Verdi) soll bis 2008 rund ein Viertel aller Arbeitsplätze vernichtet werden.

Energie Cottbus gerettet

Neben Auswüchsen beim Kostenabbau bedrohen interne Querelen die Freundschaft. So jagen die Landesbanken in Bayern und Hessen-Thüringen mit eigenen Direktbanken den lokalen Sparkassen Kunden ab, Der genervte WestLB-Chef Thomas Fischer drohte mit einem Konter, der den bayerischen Kollegen Kunden kosten würde. Erst ein Strategie-Kongress des DSGV versuchte im November zu klären, ob man weiter als gemeinsame Familie überleben will oder die größte Finanzgruppe der Welt in regionale Blöcke zerfällt. In einem schicken Hotel am Potsdamer Platz hatten sich die Kontrahenten intern auf eine „Berliner Erklärung" geeinigt, mit anschließender öffentlicher Versöhnung. Danach bleibt das lukrative Privatkundengeschäft den Sparkassen vorbehalten. Dort, wo Landesbanken bereits in anderen Sparkassen-Revieren wildern, müsse eine „einvernehmliche Lösung" gefunden werden. Dafür können die Landesbanken vor allem international relativ frei agieren.

Das Leitbild bleibt die dezentrale Sparkasse unter kommunaler Trägerschaft. Festgeschrieben wird in der „Berliner Erklärung" obendrein die Gemeinwohlorientierung, die sich sowohl in einer relativ generösen Vergabe von Krediten an die örtlichen Betriebe, als auch in Spenden an die Stadtteilinitiative oder den dörflichen Gesangsverein ausdrückt. Selbst der jüngste Bundesliga-Aufsteiger, FC Energie Cottbus, verdankt sein Überleben der Sparkasse Spree-Neiße, die den Verein vor der Zahlungsunfähigkeit bewahrt hat.

Der damals amtierende Sparkassen-Präsident Dietrich Hoppenstedt sprach nach dem Berliner Krisengipfel laut von „Aufbruchstimmung". Die herrscht andernorts in Berlin. Dort stehen Berliner Bank und ihre Konzernmutter Bankgesellschaft, die nur durch einen Kapitalzufuhr von 1,75 Milliarden Euro durch das schon damals klamme Land gerettet werden konnte, zum Verkauf an - und schon beginnt die Einheitsfront zu bröckeln. Kaum eine Landesbank, die nicht Appetit auf den fetten Kuchen zu verspüren scheint, die berlinische Landesbank ist im Clinch mit dem DSGV wegen des Rechts am Namen „Sparkasse", und deutsche und internationale Großbanken träumen erneut von einem Einbruch in die Sparkassen-Festung.

Streit über das Namensrecht

Der erste Versuch im provinziellen Stralsund war misslun-gen, weil Bürgermeister Harald Lastovka (CDU) an der rotroten Landesregierung, dem Sparkassengesetz Mecklenburg-Vorpommerns, aber auch am massiven Widerstand in Bevölkerung und lokaler Parteiprominenz bis hinein in die CDU 2005 gescheitert war. Der umstrittene und juristisch unklare Verkauf der Bankgesellschaft bis Ende 2007, zu deren Tochtergesellschaften die Berliner Sparkasse mit einem Marktanteil von 50 Prozent gehört,könnte den Einstieg der privaten Banken in einen der lukrativsten Märkte der Republik ermöglichen.

In schon einmal bewährter Manier suchen private Geldgiganten die juristisch-politische Auseinandersetzung über Brüssel. Bankenpräsident Klaus-Peter Müller (Commerzbank) begrüßt die Ankündigung von EU-Binnenkommissar Charlie McCreevy, das seit 2003 ruhende Sparkassenverfahren gegen Deutschland eventuell wieder aufzunehmen. Berlin müsse das Recht zustehen, im Falle eines Verkaufs der Sparkasse auch den Namen mit zu veräußern - an privat.

Bundeskanzlerin Angela Merkel unterstützte dageger beim Amtsantritt des neuen Sparkassen-Präsidenten Heinrich Haasis die öffentlichen Banken im Namensstreit: „Namen sind Markenzeichen, und da muss der Inhalt auch zum Namen passen." Ob die Kanzlerin mit ihrem Rat bei der EU Kommission durchdringt, bleibt abzuwarten. Ihr Vorgänger ist damit gescheitert.