PRIVATISIERUNG . Auszug aus Erziehung und Wissenschaft, Zeitschrift der Bildungsgewerkschaft GEW 11/2008 , Seiten 20 – 21  (gescannt)

 

Einleitung :

 

Die Goethe-Universität in Frankfurt am Main hat sich in eine Stiftungsuni umgewandelt- fast 40 Professoren werden privat bezahlt. Kritiker warnen, dass sich die Hochschule mehr und mehr von der Wirtschaft abhängig mache und kritische Wissenschaft auf der Strecke bleibe.

 

 

Zeitenwende auf dem Campus

 

Die Frankfurter Stiftungsuniversität polarisiert

 

 

Insbesondere Professoren der Johann Wolfgang Goethe-Universität sehen in der neuen Rechtsform der Hochschule (s. E&W 11/2007) eine große Chance: Die Uni soll nicht mehr länger Mittelmaß sein, sondern sich mit den besten Hochschulen messen können. Studierende und Beschäftigte kritisieren das Projekt schärf. Sie sehen eine Gefahr für die freie Wissenschaft.

 

Die Hochschulgruppe der Jusos fand deutliche Worte: „Ein Abzocker ist nicht genug - Honorarprofessur auch für "Zumwinkel", so der Text eines Transparentes, das Studierende im Senatssaal der Goethe-Uni aufgehängt hatten, um dagegen  zu  protestieren, dass Deutsche-Bank- Chef Josef Ackermann zum Professor ehrenhalber ernannt wird. Doch alle Mühen waren umsonst. Der Senat gab dem Antrag des Fachbereichs Wirtschaft statt.

 

Die Verleihung der akademischen Weihen an Ackermann ist aus Sicht der Studierenden der negative Höhepunkt einer Entwicklung, die viel mit der zum Jahresbeginn erfolgten Umwandlung der Hochschule in eine Stiftungsuniversität zu tun hat. Die Uni öffnet sich mehr und mehr der Wirtschaft, kritische Wissenschaft spielt nach Meinung vieler Studierenden kaum mehr eine Rolle, wichtig sind große Namen. Dabei könnte Ackermann höchstens in den Fächern „Schamlosigkeit und Bereicherung" lehren, wie die Gegner der Berufung erklärten.

 

Hin zur „Elite and Excellenz"

 

Universitätspräsident Rudolf Steinberg kann mit dieser Kritik wenig anfangen. Sein erstes Fazit des Modells Stiftungsuniversität fällt durchweg positiv aus. Formal hat die Universität zwar nur ihre Rechtsform geändert. Sie ist nun Eigentümerin ihrer gesamten Liegenschaften und nicht mehr dem Land Hessen unterstellt. Doch für Steinberg bedeutete die Umwandlung der Goethe-Universität in eine Stiftungsuni weitaus mehr. Sie war der Aufbruch zur „neuen Universität". Zu einer Universität, an der die Begriffe Elite und Exzellenz eine entscheidende Rolle spielen. Zu einer Universität, die eines Tages weltweit mit den berühmten Hochschulen konkurrieren kann.

 

Privat bezahlt

 

Ein wesentlicher Bestandteil des Konzepts sind Stiftungsprofessuren. Von privater Seite, oft Unternehmen, gibt es Geld für einen Lehrstuhl. Dieses Modell funktionierte schon, bevor die Goethe-Universität Stiftungshochschule wurde, doch die Zahl der eingeworbenen Professuren ist in den vergangenen Monaten deutlich nach oben geklettert. Knapp 40 Professorinnen und Professoren werden derzeit privat bezahlt.

 

Grundsätzlich sei es durchaus legitim, dass die Universität versuche, Geld auch von privater Seite einzunehmen, sagt der Hochschulexperte der GEW, Andreas Keller: „Ein neues Steuerungsmodell wie die Stiftungsuni wäre dafür aber gar nicht nötig gewesen." Studierende oder auch Beschäftigte hätten in der neuen Rechtsform an Einfluss verloren. Dafür seien Gremien wie der Hochschulrat gegründet worden, in denen vorwiegend Vertreter von Unternehmen sitzen. „Wie sich das auswirkt, müssen wir in den nächsten Jahren aufmerksam beobachten", sagt Keller. Derweil kritisieren die Studierenden, die Universität mache sich von der Wirtschaft abhängig. Zumal sich die Befürchtung, dass die Freiheit von Forschung und Lehre in Gefahr gerät, bewahrheitet habe. Als Beispiel führen die Studierenden gerne eine Professur an, die der ob seiner Geschäftspraktiken hochgradig umstrittene Finanzinvestor 3i"f gestiftet hat. Mit dem Geld von 3i soll die Universität die Folgen des Private Equity** untersuchen. Genau das aber ist das ureigene Betätigungsfeld von 3i.

 

Rudolf Steinberg sieht darin kein Problem. Die Stifter könnten höchstens vorgeben, worüber mit ihrem Geld geforscht werde. Auf die Besetzung der Professuren, die Methodik oder gar die Ergebnisse hätten sie keinen Einfluss. „Es hat niemand ein Interesse an Auftragsforschung- auch die Stifter nicht", sagt Steinberg.

 

Beschäftigte enttäuscht

 

Auch bei den Beschäftigten der Hochschule fällt das Fazit nach zehn Monaten Stiftungsuniversität durchwachsen aus. „Viele hatten sich mehr versprochen", sagt Personalrat Alexander Rausch. Die Mitarbeiter hätten sich sehr über die neuen Job-Tickets gefreut -aber ansonsten? Bei der Bezahlung und den zu leistenden Arbeitsstunden gebe es immer noch Ungerechtigkeiten. Auch von den Verhandlungen über einen Haustarifvertrag seien viele enttäuscht. Zwar bekommen die Uni- Beschäftigten seit Anfang des Jahres drei Prozent mehr Lohn. Das ist aber nur die Gehaltserhöhung, die alle Landesbediensteten erhalten haben. In einer Universität, die an die Spitze der deutschen Hochschullandschaft will, hatten die meisten Beschäftigte auf einen größeren Gehaltssprung gehofft.

 

Dazu komme, dass die Universität nicht mehr allen offen stehe, kritisiert Rausch. Als eine der ersten Regelungen der Stiftungsuni hatten die verantwortlichen Gremien beschlossen: Bewerber, die statt des Abiturs nur eine Fachhochschulreife haben, dürfen, anders als an allen anderen hessischen Hochschulen, in Frankfurt nicht mehr studieren. Präsident Steinberg wird die Geschicke der Uni bald anderen übergeben. Aus privaten Gründen tritt er Ende 2008 von seinem Amt zurück. In einer Pressemitteilung würdigte ihn die Hochschule bereits als „Architekten der Stiftungsuniversität".

 

Georg Leppert, Redakteur der „Frankfurter Rundschau "

 

 

Anmerkungen :

 

*3i Group (3i steht für Investors in Industries) ist ein Private-Equity-Unternehmen.. Die Gruppe entstand 1946 als Arbeitsgemeinschaft britischer Banken, um in Industrien zu investieren und gilt als der älteste noch aktive Finanzinvestor. Neben Wachstums- und Infrastrukturfinanzierungen  war 3i auch im Geschäftsfeld Risikokapital aktiv,  **Private Equity ist eine Kapitalunterstützung auf Zeit

 

 

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Bildung für alle Menschen

 

Kommentar: Plädoyer für ein gutes öffentliches Bildungssystem

 

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Ulrich Thöne (Bild)

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Die wachsende Privatisierung im Bildungsbereich hat mehrere Ursachen: Zu erwähnen ist die treibende Kraft der ungeheuren Gier expandierwütiger Finanzhaie, den „Markt" auf alle Lebensbereiche    auszuweiten. Dies wird in der nächsten Zeit wohl eher nachlassen, auch wenn vermutlich viele  Spekulantinnen und Spekulanten darauf hoffen, durch Einsparungen im Bildungsbereich von den sicheren Staatseinnahmen profitieren zu können. Zum Anderen sind viele Eltern nachhaltig verunsichert, was die Zukunftschancen ihrer Kinder betrifft. Seit Jahren fühlen sich Eltern zunehmend verpflichtet, für bestmögliche Lernbedingungen ihrer Kinder selbst zu sorgen. Nur so, glauben viele, könne dem Nachwuchs später eine erfolgreiche berufliche Integration in die Gesellschaft gelingen. Dem öffentlichen Bildungswesen traut man in dieser Hinsicht immer weniger.

 

Fakt ist: Mütter und Väter sind mit dem staatlichen Bildungssystem unzufrieden und verlangen zu Recht Verbesserungen: bessere Pädagogik, mehr Personal, bessere Rahmenbedingungen. Und sie wollen von Bund und Ländern dabei nicht auf ein Ungewisses Morgen vertröstet werden. Das Kind, ihr Kind, hat nur ein einziges Leben und soll nicht als Verliererin oder Verlierer am Rande der Gesellschaft landen. Deshalb suchen Eltern nach Alternativen, auf die sie direkter Einfluss nehmen können.

 

 

Bildung ist der Schlüssel für die Zukunft des Sozialstaates. Die Gewerkschaften machen sich für das Recht auf Bildung stark. Dieses schließt eine hohe Qualität von Bildung genauso ein wie gebührenfreie Angebote für jeden - von der Kita bis zum Studium und zur Weiterbildung.

 

 

Auf dem Weg dorthin ist es dann nicht mehr weit bis zu der Ideologie, dass Bildung vor allen Dingen allein dem Zweck diene, individuelle Lebenschancen zu verbessern. Propagiert wird vor allem der Aufstieg durch Bildung.

 

Dabei: Bildung ist der Schlüssel für die Zukunft des Sozialstaates. Um diese Gesellschaft weiter nach vorne zu bringen, um eine friedliche Zukunft zu gestalten, um soziale Antworten auf die vielfältigen sozialen und politischen Probleme zu finden, um das Zusammenleben demokratisch zu organisieren, brauchen wir eine gute Bildung für alle Menschen. Die Gewerkschaften machen sich für das Recht auf Bildung stark. Dieses schließt eine hohe Qualität von Bildung genauso ein wie gebührenfreie Angebote für jeden - von der Kita bis zum Studium und zur Weiterbildung. Die GEW will, dass alle Lernwege zum Erfolg führen. Nicht nur der oder die Einzelne, die ganze Gesellschaft wird davon profitieren!

 

Die Ideologie, Bildung „marktmäßig" zu organisieren, führt uns jedoch geradewegs in längst überwunden geglaubte schlimme Zustände zurück. Eine bestmögliche öffentliche Bildung für alle gehört zum Kernbestandteil des Sozialstaates, für den wir uns als Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter, über alle Organisationsgrenzen hinweg, gemeinsam einsetzen. Das ist auch die Kernbotschaft des DGB und der Mitgliedsgewerkschaften zum Bildungsgipfel.

 

Ulrich Thöne, GEW-Vorsitzender