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FREIE PRESSE/DER TAG 3.5.2004

Beitrag von Peter Zudeick (freier Journalist) in "Der Tag" (HR1) am 3.5.2004 zum "Tag der Pressefreiheit"

Allmählich sollte man mal Schluß machen mit diesem sentimentalen Quatsch, den sich irgendwelche alten Säcke im vorigen Jahrtausend ausgedacht haben, bloß weil gerade mal wieder ne Diktatur zu Ende war. Asylrecht, Menschenrechte, Pressefreiheit, - das juckt im Internet-Zeitalter sowieso keinen mehr, Als würde heute noch irgendein Feudalherr irgendeinen kleinen Schreiberling ins Verlies sperren, well der seine Meinung in Wort und Schrift frei äußert. Das geht heute ganz anders; Die Lokalzeitung gehört einem ortsansässigen Geldsack, der gleichzeitig in der Lokalpolitik rummacht und in allen möglichen Vereinen, Verbänden, Gremien das Sagen und seine dicken Wurstfinger buchstäblich in allem drin hat. Können Sie sich vorsteilen, daß der Lokalreporter irgendwas Kritisches über die Rathauspolitik schreibt oder die Wasserwirtschaft oder die überregionale Müllverwertung ? Na, also. Es sei denn, das entspricht den Interessen des Herrn Verlegers. "Pressefreiheit ist die Freiheit von ein paar hundert reichen Leuten, ihre Meinung drucken zu lassen." Hat Paul Sethe gesagt. Den muss man nicht kennen, der ist seit über 30 Jahren tot und hat früher mal die "FAZ" mit herausgegeben. Der wusste also, wovon er redete. Und genauso oder noch schöner ist das mit den Riesen-Presse-Konzernen, die Stück für Stück die kleinen, freien Lokalzeitungen aufgekauft haben und noch aufkaufen : Springer, Westdeutsche Allgemeine, Holtzbrinck, von den großen Fernsehimperien ganz zu schweigen, und wenn die Staatsmacht mal wieder so richtig zuschlägt und bei einer Demonstration einen Fotografen vertrimmt, der fotografieren will, wie die Staatsmacht Demonstranten vertrimmt - da schweigen alle Pressefreiheits-Großschwätzer höchst vernehmlich. Weil das alles nicht sein darf, weil da an der Basis ziemlich viel passiert, was für einen Rechtsstaat wie die Bundesrepublik ziemlich blamabel ist, redet man lieber über Pressefreiheit, wenn der Bundeskanzler fliegen geht. Übrigens tun das mit Vorliebe Zeitungskollegen, die seit Jahrzehnten ziemlich klaglos Interviews, die sie selbst mit Politikern geführt haben, anschließend den jeweiligen Pressestellen zur "Abnahme" vorlegen und dort nicht selten bis zur Unkenntlichkeit entstellen lassen. Es gilt das zerbrochene Wort.

Ausgerechnet die Kolleginnen und Kollegen regen sich dann tierisch auf, wenn Kanzler Schröder der Bild-Zeitung kein Interview mehr geben will. Der Lichterketten erprobte Giavanni di Lorenzo, allerlei Zeitungsleute aus dem Vorstand der Bundespressekonferenz - sie alle jammern zum Herzerweichen, dass aber nun die Pressefreiheit ganz doll bedroht sei. Weil nämlich die freie Presse von "wichtigen Informationen" ausgeschlossen werde, wenn "Bild" und "Stern" nicht am Munde Schröders hängen dürfen. Nur damit keiner sagt, es hätte keiner gesagt: Wer den Kanzler interviewt, will keine Informationen. Sondern er will sich erstens mit dem Kanzler schmücken, und er will zweitens Zitate produzieren, die von anderen Traumtänzern, die Kanzlerinterviews auch für informativ halten, übernommen werden. Ein Kanzler liefert Zitate, das ist wahr. Informationen aber, oh ihr eitlen Dummschwätzer, bekommt man woanders her.

Und wer bei einer Kanzler-Reise dabei sein will, muss nicht im Kanzlerjet mitfliegen. Meistens wird für Journalisten eine zweite Maschine gechartert. In die Kanzlermaschine passen sowieso nur wenige Journalisten rein, weil da auch immer noch die Kanzlerdelegation reingepackt wird. Es wird also immer ausgesiebt, und "Bild" und "Stern" gehören fast immer zu den Privilegierten. Wieso beklagt sich keiner, dass ein Vertreter des "Schwarzwälder Boten" oder des "Flensburger Tagblatts" so gut wie nie des Kanzlers Nähe genießen darf? Nie Champagner und Cognac auf Staatskosten schlürft und nie einen warmen Händedruck und die müden Scherze des Kanzlers abbekommt, Liegen Schwarzwald und Flensburg außerhalb des Geltungsbereichs der Pressefreiheit? Eins ist freilich richtig: Fürs Ego einer bestimmten Sorte von Journalisten ist die Nähe zum Kanzler notwendig wie eine Droge. Sie sind der Macht nahe und damit wichtig-wichtig, und manchmal sitzen auch in den Zentralen ein paar Deppen, die ihren Mann in Berlin deshalb für wichtig halten, weil er in der Kanzlermaschine mitfliegen darf. Also: Nur Wichtigtuer und eitle Fatzkes müssen im Kanzlerjet reisen, und das hat mit Pressefreiheit nun wirklich gar nichts zu tun. Da kämpfen Hofschranzen um ihren Platz an der Sonne, Sollen sie. Aber sie sollen uns mit dem Pressefreiheits-Geschwätz in Ruhe lassen.