Im Zangengriff der Konzerne und Lobbyisten
Privatisierung
in allen Bildungsbereichen – ein Überblick (Auszug
aus Erziehung und Wissenschaft, Zeitschrift der Bildungsgewerkschaft GEW
11/2008 , Seiten 6 – 10 ).
Einleitung
Von außen versuchen private Anbieter, die öffentlichen
Bildungseinrichtungen unter Wettbewerbsdruck zu setzen. Von innen sickern
Managementkonzepte aus der Privatwirtschaft ein. Drahtzieher sind neoliberale
Politiker, Unternehmen und unternehmensnahe Stiftungen. Was Markt, Wettbewerb
und „Autonomie "für die Beschäftigten in Schulen, Hochschulen und
Kindertagesstätten bedeuten, davon kann vor allem die hoch privatisierte
Weiterbildungsbranche ein Lied singen.
Doch zuerst ein Blick in den
Schulbereich - auf die Privatschulen : Nena
macht weiter. Die Popsängerin („99 Luftballons"), Mutter von vier
Kindern, gehört zu den Gründungseltern der privaten „Neuen Schule
Hamburg". Dort gebe es Gewaltprobleme" und es herrsche
„organisatorisches Chaos", schrieben Stern und Spiegel im März 2008.
Einige Eltern hätten ihre Kinder bereits abgemeldet.
Doch Nena und ihre
Mitstreiter lassen sich offenbar nicht entmutigen. „Solche Probleme können Sie
an jeder Schule finden", heißt es im Umfeld des Trägervereins. Mehr wolle
man dazu nicht sagen. Wie viele Kinder jetzt, im zweiten Jahr nach der
Gründung, die Neue Schule Hamburg besuchen, verrät der Schulverein nicht. Auch
nicht, ob Lehrkräfte abgesprungen sind. Gerne verweisen Nena und ihr
Unterstützerkreis hingegen auf die Auszeichnung, die sie im Mai 2008 in Berlin
bekommen haben: Den Sonderpreis für Wirtschaftskommunikation, verliehen für
„erfolgreiches und gesellschaftlich wichtiges Engagement".
Im Aufwind
Privatschulen befinden sich
im Aufwind. Im Schuljahr 2006/2007 - neuere Zahlen liegen nicht vor - besuchten
bundesweit 892000 Schülerinnen und Schüler allgemein bildende und berufliche
Schulen in privater Trägerschaft. Das waren 2,2 Prozent mehr als im Vorjahr.
„Das Gymnasium ist dabei die häufigste besuchte Schulart", meldet das
Statistische Bundesamt. Rund jeder zehnte Gymnasiast lernt derzeit auf einer
Privatschule. Antreiber für den Privatschulboom sind vor allem die neuen
Bundesländer. Dort schlössen die Behörden aufgrund der niedrigen Geburtenrate
viele öffentliche Schulen. Gleichzeitig gründeten Kirchen oder Elternvereine
eine private Schule nach der anderen.
Wie sehr private berufliche
Schulen boomen, zeigen etwa Zahlen aus Baden-Württemberg. Dort besuchten im
Schuljahr 2007/2008 genau 38199 Jugendliche Privatschulen. Ein Plus von 3,2
Prozent gegenüber dem Vorjahr. Auch in den neuen Bundesländern gibt es
„vergleichsweise zahlreiche" private Berufsfachschulen, berichtet das
Statistische Bundesamt. Das habe, so die Bundesstatistiker, möglicherweise mit fehlenden Ausbildungsstellen
zu tun.
Phorms-Firmengruppe
Ein besonders schillernder
Privatschul-Träger sitzt in Berlin: Die Phorms
Management AG. Sie betreibt allgemein bildende zweisprachige Grundschulen und
Gymnasien, mit denen sie richtig Geld verdienen will. Ihr Konzept: Englisch
schon für Sechsjährige, Ganztagsbetrieb, zwei Lehrkräfte pro Klasse. Dafür
zahlen Eltern, abhängig vom Einkommen, zwischen 200 und 1000 Euro im Monat. Phorms- Schulen gibt es bislang in
Berlin-Mitte, München, Köln und Frankfurt. Zu Schuljahresbeginn 2008/2009 kamen
zwei Grundschulen hinzu - in Hannover und Berlin-Süd. Ob es Phorms
gelingt, auch in Hamburg Fuß zu fassen, ist derzeit offen. „Die Hamburger
Bildungsbehörde hat die Gründung von zwei Phorms-Schulen
abgelehnt", meldete jüngst die Financial Times Deutschland (FTD). Es
bestehe „kein besonderes pädagogisches Interesse", habe die Schulbehörde
laut FTD argumentiert.
Inzwischen stellte Phorms eine ganze Firmengruppe auf die Beine: metaPhorms bietet Kurse für Lehr- und Führungskräfte. UniPhorms vertreibt Schulbekleidung. PerPhorms
Management GmbH, eine Fondsgesellschaft, sammelt Geld von Investoren ein - für
den weiteren Ausbau der Schul-AG. Versprochen wird
eine „attraktive feste Verzinsung". Zu den Aktionären der Phorms AG gehören u. a. die Manager Rolf Schmidt-Holtz (Sony) und Antonella Mei-Pochtler
(Boston Consulting).
Auch die Stuttgarter
Klett-Gruppe tummelt sich mittlerweile auf dem Privatschul-Markt. Gemeinsam mit
der privaten Kalaidos-Bildungsgruppe aus der Schweiz
betreibt Klett die Swiss International School (SIS) in Felibach
bei Stuttgart. Die private Ganztagsschule startete zu Beginn dieses
Schuljahres. Eltern zahlen pro Monat 600 Euro Gebühren (Grundschule) oder 650
Euro (Gymnasium). Eine weitere SIS-Schule ist in Ingolstadt geplant.
Kein Leistungsvorsprung
Der Verband Deutscher
Privatschulverbände (VDP) behauptet schon lange, dass Schulen in freier
Trägerschaft „häufig erfolgreicher als ihre staatlichen Pendants*
unterrichteten. So sei der Anteil der Schülerinnen und Schüler, die hier das
Abitur erreichen, höher als an vergleichbaren staatlichen Schulen. Doch der
Schulforscher und Bildungsökonom Prof. Manfred Weiß aus Frankfurt am Main
widerspricht. „Keine signifikanten Leistungsunterschiede" seien zu
beobachten, wenn man private und staatliche Gymnasien vergleiche. Das belegt
der Bildungsexperte mit einer Studie aus dem Jahr 2006. Weiß argumentiert: An
Privatschulen lerne eine ganz andere Klientel als an öffentlichen
Einrichtungen. Beim Schulvergleich gelte es aber, die unterschiedliche soziale
Herkunft zu berücksichtigen. Rechne man diesen Unterschied heraus, schmelze der
Leistungsvorsprung der Privaten dahin. Zusätzliche Privatschulen zu gründen,
sei deshalb eine „wenig aussichtsreiche Strategie", um das Bildungsproblem
in den Griff zu bekommen, betont Weiß.
Arbeitgebernahe Schulexperten
wie Helmut E. Klein fordern inzwischen sogar ein marktnahes Finanzierungssystem
für Schulen - den Bildungsgutschein. Dieser wird vom Staat finanziert und
berechtigt Eltern, ihre Kinder wahlweise an einer staatlichen oder privaten
Schule anzumelden. Der Gutschein deckt das Privatschulgeld ab. Denn das Geld
folgt den Gutscheinen. Das heißt: Hat eine öffentliche oder private Schule hohe
Anmeldezahlen, sind auch deren Einnahmen hoch. Dieses System, so Klein, solle
den Wettbewerb zwischen den Schulen anheizen - und für mehr Qualität und
Vielfalt sorgen.
Die GEW kritisiert das
Gutschein-System. Es bringe den Bildungsträger in Planungsnot, bemängelt die
Bildungsgewerkschaft. Denn niemand weiß zu Beginn des Jahres, wie viele
Gutscheine die Eltern einlösen und wie hoch die Einnahmen sein werden. Die
Folge: Entlassungen, Prekarisierung von
Beschäftigungsverhältnissen und Zerstörung von Trägerstrukturen. Den weiteren
Ausbau des Privatschulwesens lehnt die Bildungsgewerkschaft deshalb ab. Diese
Entwicklung verstärke die „extreme Spaltung des Schulwesens in
Deutschland", erklärt GEW- Schulexpertin Marianne Demmer.
Marketing Im Klassenzimmer
Wie Produkt- und
Firmenwerbung in die Klassenzimmer gelangt, zeigen etwa die Chemie-Verbände
Baden-Württemberg. Sie veröffentlichten Unterrichtsmaterialien zum Thema
Blutzucker und Blutzuckermessgeräte. Und das sieht so aus: In der Broschüre
wird eine Firma ständig erwähnt - die Roche Diagnostics
GmbH in Mannheim. Deren Mutter-Unternehmen Roche, so heißt es hier, sei „ein
Pionier unter den Gesundheitsunternehmen". Die Mannheimer Firma produziert
„Accu-Chek", ein Gerät zur
Blutzucker-Selbstkontrolle. Auch dieser Produktname taucht im Heft immer wieder
auf. Folgerichtig steht im Impressum: „Wir danken der Röche Diagnostics
GmbH für die freundliche Unterstützung."
Zugang zu Klassenzimmern
finden Unternehmen und Arbeitgeber zudem über Lernpartnerschaften". Dabei
vereinbaren Firmen und Schulen, meist per Vertrag, zusammenzuarbeiten.
Erklärtes Ziel ist, den Unterricht „praxisnäher" zu gestalten. Oder
Bewerbungstrainings anzubieten. Allein in Nordrhein- Westfalen existieren
derzeit 1484 solcher Partnerschaften. Von Metro bis Siemens, von der Telekom
bis zu den Praktiker-Baumärkten - alle machen mit. Doch die Praxis bietet oft
Anlass zu Kritik.
Beispiel Handelslehranstalt
(HLA) Bruchsal, zu der auch eine Kaufmännische Berufsschule und ein
Wirtschaftsgymnasium gehören. Schülerinnen und Schüler der HLA organisierten
Ende Juni 2008 eine Podiumsdiskussion zum Thema „Zeitarbeit:
(Aus)Nutzen?". Doch auf dem Podium saß kein
Gewerkschafter und auch kein Branchen-Kritiker. Stattdessen kam der
Geschäftsführer einer
Zeitarbeitsfirma, der Select GmbH, ausfuhrlich zu Wort. Kein Wunder, denn Select
ist Schulpartner der HLA. Wie von der PR-Abteilung diktiert, liest sich denn
auch der Bericht zur Podiumsdiskussion, den Select
auf ihrer Homepage veröffentlichte. „Zeitarbeit wird von den Medien oftmals
fälschlicherweise sehr negativ dargestellt", heißt es dort. Abschließend
hat man die Veranstaltung umbenannt. Im Bericht heißt nun der neue Titel;
„Zeitarbeit: Nutzen!" HLA-Schulleiter Gerald Greil
hat damit keine Probleme. Das Für und Wider der Zeitarbeit sei im Unterricht behandelt
worden, erklärt der Pädagoge. Die Podiumsdiskussion „war der Abschluss dieses
Themas". Grell: „Wir hatten nicht den Eindruck, dass die Firma Select diese Diskussion für ihre eigenen Belange ausgenutzt
hat."
GEW, Verbraucherzentralen und
Bildungsfachleute beobachten den Trend zur Privatisierung mit Sorge. Wenn
privatwirtschaftliche Sponsoren Einfluss auf Schulen nehmen, „ist die
staatliche Bildungsautonomie gefährdet", so Andrea. Liesner,
Erziehungswissenschaftlerin an der Universität Hamburg.
Längst hat die
Privatisierungslobby auch die Hochschulen im Visier. Allerdings mussten
Privathochschulen in den vergangenen Monaten reichlich
Hiobsbotschaften verkünden. So verlor die Universität Witten/Herdecke ihren
Hauptsponsor, den Düsseldorfer Unternehmensberater und Finanzinvestor Droege International. Der hatte noch 2007 zugesagt, zwölf
Millionen Euro zu spenden. Dann kam es zum Zerwürfnis zwischen Uni und Sponsor.
Die private Hanseuniversität Rostock musste gar eingestehen, dass sich ein Jahr
nach dem Start lediglich drei Studenten eingeschrieben hatten. Doch von einer
Krise sind private Unis und Fachhochschulen (FHen)
weit entfernt: 1997 lehrten in Deutschland lediglich 28 staatlich anerkannte
Hochschulen in privater Trägerschaft: (ohne kirchliche Hochschulen). Heute sind
es 80.
Wie auch in den anderen
Bildungsbereichen sollen Gutscheine an Hochschulen für mehr Wettbewerb sorgen,
fordert das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW). Studierende
sollten Bildungsgutscheine erhalten, um sie an der Uni ihrer Wahl einzureichen.
Das, so das IW, zwinge die Einrichtungen, ihr Angebot „stärker an die
Nachfrage" anzupassen.
„Uni als Unternehmen"
An den öffentlichen
Hochschulen ist derweil ein struktureller Umbau in vollem Gange. Die Uni als
Unternehmen, lautet die Parole. In Nordrhein-Westfalen drückte
Wissenschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) das
„Hochschulfreiheitsgesetz" durch. Seit dem 1. Januar 2007 entscheiden dort
Unis und FHen weitgehend autonom, wie sie ihr Geld
verwenden. „Modernes Management", so das Gesetz, solle Einzug halten. In
Hessen gab Ministerpräsident Roland Koch (CDU) grünes Licht, um die
Goethe-Universität m Frankfurt am Main zum 1. Januar 2008 in eine
Stiftungs-Hochschule umzuwandeln (s. Seite 19). Besonders umstritten, nicht nur
in NRW und Hessen, ist das neue Organ des Hochschulrates. Er entscheidet, wohin
das Geld der Uni fließt. Der Rat wählt auch den Präsidenten - der wiederum
Dienstvorgesetzter der Professoren ist - und entscheidet über die strategischen
Ziele der Uni. In Baden-Württemberg heißen die Hochschulräte konsequenterweise
„Aufsichtsräte".
Laut einer Studie von
Ruhr-Universität Bochum und Hans-Böckler-Stiftung
kommen 34 Prozent aller externen Hochschulrats-Mitglieder aus der Wirtschaft.
An Fachhochschulen sind es sogar 46 Prozent. Darunter viele Vertreter von
Großunternehmen wie BMW., Altana und Deutsche Bank.
Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter sind lediglich mit etwa drei Prozent
vertreten. Betrachtet man die internen Mitglieder, so stellen Vertreter der Studierenden
lediglich 14 Prozent. Professoren entsenden 62 Prozent der Mitglieder.
„Hochschulräte befördern somit eine institutionelle Privatisierung der
Hochschulen", kritisiert das für Hochschule und Forschung verantwortliche
GEW-Vorstandsmitglied Andreas Keller.
Wie sehr private Unternehmen
und Privatpersonen Forschung und Lehre beeinflussen, zeigt auch der Boom der
Stiftungslehrstühle. 23 Stiftungsprofessuren und -dozenturen unterhält allein
die Frankfurter Goethe-Uni. Banken sind dort stark vertreten: Die Dresdner Bank
stiftete eine Professur für „Wirtschaftsrecht". Die Schweizer Großbank UBS
finanziert eine „Stiftungsprofessur für Finance".
Auch andere Unternehmen sind mit von der Partie: T-Mobile lässt M-Commerce, den Handel per Mobilfunk, erforschen. Und der Aventis- Stiftungsprofessor kümmert sich um chemische
Biologie. Auch diese Entwicklung erfüllt die GEW mit Sorge. „Die GEW ist nicht
prinzipiell dagegen, dass Private die Hochschulhaushalte aufbessern, etwa indem
sie Stiftungslehrstühle finanzieren. Die Hochschulen sollten diese Lehrstühle
aber nur dann akzeptieren, wenn die Stifter eine dauerhafte Finanzierung
einschließlich des ,Overheads'
für Verwaltungskosten und Lehrstuhlpersonal zusagen", betont Keller.
Am massivsten ist die
Privatisierung sicherlich in der Weiterbildung. Ob Englisch-Kurs,
Computer-Lehrgang oder Fortbildung zur „Betriebswirtin IHK": Wer sich
weiterbildet, trifft mit großer Wahrscheinlichkeit auf eine Lehrkraft in
prekärem Arbeitsverhältnis, „Mehr als 70 Prozent der Lehrkräfte arbeiten auf
Honorarbasis", kritisiert GEW- Weiterbildungsexpertin Stephanie Odenwald.
Rund 150000 hauptberuflich tätige Honorarlehrkräfte bundesweit gibt es laut
einer Studie des Bundesbildungsministeriums. Oft, so Odenwald, verdienten diese
nicht mehr als 1000 Euro netto im Monat. „Lohnfortzahlung, Kranken-, Urlaubs-,
Weihnachts- oder Arbeitslosengeld: Fehlanzeige!", sagt die
Gewerkschafterin. Denn: „Wie in keinem anderen Bildungsbereich herrschen hier
die Marktgesetze", erklärt Odenwald. Zu den Merkmalen der Branche zählen:
• Private Träger dominieren.
• Knallharter Wettbewerb
zwischen den Trägern. Ausgründungen und Tarifflucht sind die Folge.
Normalarbeitsverhältnisse werden durch Honorarkräfte ersetzt.
• Bildungsgutscheine, ausgegeben
von der Bundesanstalt für Arbeit (BA) und dem NRW- Arbeitsministerium, setzen
die Anbieter zusätzlich unter Druck.
Hinzu kommt: Bei öffentlich
geförderten Maßnahmen regiert der Rotstift. So fuhr die BA ihre
Qualifizierungsangebote drastisch zurück - als Folge der Hartz
IV-Gesetze (s. Weiterbildungszeitung „prekär" Nr. 21 in E&W
5/2008). Laut GEW besuchten im Jahr 2002
noch 332 000 Menschen die von der BA geförderte Weiterbildung nach
Sozialgesetzbuch (SGB) III. Im Jahr daraufwaren es
bereits weniger als 100 000. Einen Abbau, den die neu geschaffenen
Fördermöglichkeiten nach SGB II bei weitem nicht ausgeglichen haben. Odenwald:
„Die BA spart Riesensummen - auf dem Rücken von Arbeitslosen und
Weiterbildungswilligen."
Auf heftige Kritik stößt auch
die Finanzierung der staatlich geforderten Kurse „Deutsch als
Fremdsprache" (DaF). Zielgruppe sind
Einwanderinnen und Einwanderer, zuständig ist das Bundesamt für Migration und
Flüchtlinge. Im Jahr 2007 erhielten die Träger lediglich 2,05 Euro pro Unterrichtsstunde
und Teilnehmer. Das hatte zur Folge, dass sich Dozentinnen und Dozenten mit
durchschnittlich 17 Euro Honorar pro Unterrichtsstunde begnügen mussten. Nach
Protesten der Betroffenen, unterstützt von der GEW, erhöhte das Bundesamt den
Stundensatz. Seit dem 1. Juli 2007 bekommen die Träger 2,35 Euro pro
Unterrichtseinheit und Teilnehmer. Nicht genug, heißt es bei GEW und der
„Aktion Butterbrot", der Interessenvertretung der DaF-Dozenten
(s, „prekär" Nr. 19 in E&W5/2007). Sie fordern ein „Mindesthonorar von
25 Euro für die Lehrkräfte".
Ein Mindestlohntarifvertrag
für die Weiterbildungs-Lehrkräfte existiert seit Februar 2008 (s. prekär Nr. 21
in E&W 5/2008). Doch dieser tritt erst in Kraft, wenn er für allgemein
verbindlich erklärt worden ist. Dazu musste Bundesarbeitsminister Olaf Scholz
(SPD) die Weiterbildungsbranche jedoch in das Arbeitnehmer-Entsendegesetz
aufnehmen. GEW, ver.di und Bundesverband Berufliche
Bildung stellten Ende März 2008 einen entsprechenden Antrag.
Bildungsgutscheine spielen
inzwischen auch in Kindertagesstätten eine Rolle: In mehreren Bundesländern ist
das Gutschein-System bereits Realität. Den Anfang machte Hamburg im August
2003. Seitdem entstanden viele neue Kita- Plätze , aber überwiegend in den bürgerlichen Stadtteilen der
Hansestadt. Parallel nahmen Teilzeit- Arbeitsverhältnisse von Erzieherinnen
drastisch zu. Zudem bauten Kitas, Krippen und Horte
in sozial benachteiligten Stadtteilen Plätze ab und entließen Personal. „Weil
nicht mehr genügend Gutscheine eingelöst wurden", berichtete die Financial
Times Deutschland. Allen Protesten zum Trotz zogen Nordrhein-Westfalen und
Bayern mit ähnlichen Finanzierungssystemen nach.
Kita- Kommerzialisierung drohte
Im Herbst 2007 blies
Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (CDU) zusätzlich zum
Generalangriff auf die herkömmliche Trägerstruktur, bestehend aus
freigemeinnützigen und öffentlichen Einrichtungen. Damit sich künftig auch
„privat-gewerbliche Träger in der Kindertagespflege engagieren", wollte
die Ministerin „attraktive Rahmenbedingungen" schaffen. Denn nur mit den
herkömmlichen Trägern, glaubt von der Leyen, sei der angestrebte Ausbau der Kita- Plätze bis 2013 nicht zu stemmen. Per Gesetz sollten
die Länder gezwungen werden, kommerzielle Anbieter genauso zu fördern wie die
anderen Träger.
Ein Sturm der Entrüstung
folgte. „Es war bislang Konsens, dass Bildung, Erziehung und Betreuung von
Kindern nicht in die Hand gewerblicher Betriebe gehört", kritisierte
GEW-Jugendhilfeexperte Norbert Hocke. Kirchen, Wohlfahrtsverbände, Teile der
SPD und die Linkspartei pflichteten dem gewerkschaftlichen Protest bei.
Viele Kritiker verwiesen in
dem Zusammenhang auf die abschreckenden Erfahrungen mit der Kita-
Liberalisierung in Australien. Dort entstand in den 1990er-Jahren ein börsennotierter
Kita- Konzern, die ABC Learning.
2007 betrieb das Unternehmen weltweit rund 2200 Einrichtungen. Dort gehe Gewinn
vor Fürsorge, die Betreuerinnen seien unqualifiziert und unterbezahlt, hieß es
landauf, landab. Im Frühjahr 2008 fiel der Aktienkurs von ABC Learning in den Keller. Der Konzern geriet in Not und
musste seine Tochterunternehmen
verkaufen. Tausende Familien sorgten sich, wer künftig ihre Kinder betreut.
Der Widerstand gegen die von der Leyen-Pläne hatte schließlich Erfolg. Als der Bundestag
am 26. September 2008 das neue Kinderförderungsgesetz (KiföG)
verabschiedete, fehlten die umstrittenen Passagen. Es bleibt wie bisher den
Ländern überlassen, ob sie profitorientierte Kita-
Betreiber bezuschussen. „Von der Leyen gescheitert", meldete die GEW (s.
E&W 9/ und 10/2008). Denn, so Norbert Hocke: „Nach unseren Informationen
gibt es kaum Initiativen der Länder, privat-gewerbliche Träger zu
fördern."
Abschließend sei an die
„Allgemeine Erklärung der Menschenrechte" erinnert, verkündet von den
Vereinten Nationen im Jahr 1948. „Jeder hat das Recht auf Bildung", heißt
es in Artikel 26. „Die Bildung ist unentgeltlich, zum mindesten der
Grundschulunterricht und die grundlegende Bildung." Und weiter: „Der
Hochschulunterricht muss allen gleichermaßen entsprechend ihren Fähigkeiten
offen stehen." Grundsätze, von denen sich das deutsche Bildungswesen mehr
und mehr entfernt.
Matthias Holland-Letz,
freier Journalist