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Frankfurter Rundschau vom 19.05.2006 : WIRTSCHAFTS-THEMA PLUS
(Gescannter Bericht)
Der Strippenzieher.
Heinrich Haasis, neuer Chef des
Deutschen Sparkassen- und Giroverbande hat alle Hände voll zu tun.
Er liebt an der Finanzwelt das
Konkrete. Die privaten Banken attackieren ihren
öffentlichen Konkurrenten mit allen Mitteln. Damit nicht genug :
Auch Auto- und Direktbanken konfrontieren die größte
Finanzgruppe der Welt mit neuen Herausforderungen.
VON GABRIELE RENZ
Am häufigsten sieht man den neuen Sparkassen-Chef Heinrich Haasis
mit Leuten zusammen stehen. Den Kopf hält er dann leicht
schräg, dass die rötlich-blonden Haare ihm aus der inzwischen
heftig gerillten Stirn fallen. Manchmal sind seine Arme über der
Brust gekreuzt, manchmal stützt er sein Kinn auf eine Faust, was
freilich nicht Abwehr, sondern intensives Annähern an sein
Gegenüber bedeutet. Wenn Heinrich Haasis so geknautscht und die
Lippen aufeinander gepresst dasteht, schätzt er das Gespräch.
Dann geht es um die Sache. Die große Öffentlichkeit, die ihm
im Schlüterhof des Deutschen Historischen Museums nahe am
Prachtboulevard Unter den Linden zuteil wurde, ist eigentlich nicht
sein Ding.
Der Mann von der Schwäbischen Alb mag es dezent, auch wenn seine
Vita erhebliche Durchsetzungskraft verrät. Als jüngstes von
acht Kindern wurde er in einer Handwerker- ^^ familie groß.
Haasis lernte Verwaltungswirt, was ihm eine Zukunft im
öffentlichen Dienst versprach. Mit gerade 26 Jahren wurde der
Diplom-Verwaltungswirt (FH) Bürgermeister der Gemeinde Bisingen
bei Baiingen. Dort fuhr die CDU in den 70er Jahren sogar 70er
Prozentwerte ein. Auch Haasis war von jeher in der
baden-württembergischen „Staatspartei", saß für die CDU
im Kreistag, von 1976 an im Landtag von Baden-Württemberg. Nach
wenigen Jahren wählte ihn die große CDU-Fraktion zum
stellvertretenden Fraktionschef- ein Amt, das er bis 2001 bekleidete,
anfangs unter einem Vorsitzenden Erwin Teufel, zuletzt unter
Günther Oettinger, dem heutigen Ministerpräsidenten. 1981
wurde „Heiner" Haasis zudem Landrat des Zollernalbkreises, stand dem
Verwaltungsrat der früheren Kreisspar-
kasse Baiingen (heute: Zollernalb) vor und saß im
Verbandsvorstand des Württembergischen Sparkassen- und
Giroverbandes.
Dass es Haasis selbst hatte an die Spitze des Landes schaffen
können, wird gern kolportiert. Doch der Schwabe mit der etwas
harten Aussprache der Alb verabschiedete sich innerlich von der reinen
Politik, als er noch mit Mandat im Stuttgarter Landtag saß.
Haasis hatte eine andere Leidenschaft gefunden. An der Politik, sagte
Haasis kurz bevor er Stuttgart Richtung Berlin verließ, habe ihn
immer das Unverbindliche gestört. Und, umgekehrt, sei er von der
Diskretion der Finanzwelt, aber auch von der Konkretheit ihrer Aussagen
angetan. Eine Ziffer müsse auch noch hinterm Komma stimmen, ehe
man sie verbreite. In der Politik könnten sogar die Kommata mal
verrutschen, ohne dass es Folgen für den Politiker hätte.
Wohl deshalb hat es Haasis bald gänzlich aus der Welt der
Geschwätzigkeit gezogen. Nur freundschaftshalber versah er bis vor
kurzem seinen Dienst an der Partei - als Schatzmeister der
baden-württembergischen CDU.
1991 wählte ihn der Württembergische Sparkassen- und
Giroverband zu seinem Präsidenten, 1998 zum zweiten Mal. Er versah
dieses Amt bis vor wenigen Wochen, als ihm in Berlin Bundeskanzlerin
Angela Merkel ihre Unterstützung bekundete. Und sei es nur in dem
Wunsch, er möge „möglichst schnell in die großen
Fußstapfen" seines Vorgängers Dietrich Hoppenstedt hinein
wachsen. Ihr sei „nicht bange" angesichts seines bisherigen Werdegangs,
meinte Merkel.
In Baden-Württemberg hinterlässt Haasis - anders wohl als
Hoppenstedt in Berlin ein bestelltes Feld
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Eine Ziffer hinterm Komma muss
stimmen, ehe man sie verbreitet. In der Politik können sogar die
Kommata mal verrutschen, ohne dass es Folgen hätte.
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Der 61-Jährige gilt als Architekt der
Fusionen zur Landesban (LBBW), die in Stuttgart und
der Region ei ne Filialbank (BW-Bank) ist, andernort aber als
Landesbank auftritt. Anders als e Hoppenstedt in seiner Berliner
Erklärung vom Herbst 2005 verankern ließ, ist das Pri
vatkundengeschäft in Baden-Württemberj nicht mehr den
eigenständigen Sparkasser überlassen. Zumindest nicht im Raum
Stuttgart. Schnell war die Rede vom „Tabubruch" Für die Kenn er
der Szene signalisierte die neue LBBW-Struktur, dass Haasis für
flexible Lösungen offen ist. Und die von Hoppenstedt definierte
Arbeitsteilung künftig weniger unumstößlich sein
dürfte als dieser mit seiner Erklärung beabsichtigte.
Das Strippenziehen im Hintergrund ist zum Markenzeichen von Haasis
geworden. Im Südwesten jedenfalls landete er damit Erfolge. Der
Wechsel nach Berlin, wo er eine „Zweitwohnung" im alten Westen
angemietet hat, wird für den 61-Jährigen eine Zäsur
darstellen.
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DIE LOBBY
• Der Deutsche Sparkassen- und
Giroverband (DSGV) ist mit 670 Unternehmen die größte
Organisation in der deutschen Finanzbranche. Zum dezentral
organisierten Verbund gehören bundesweit rund 22 000
Geschäftsstellen der Sparkassen, Landesbanken,
Landesbausparkassen, öffentlichen Versicherer und anderer Partner.
• Heinrich Haasis wählte die
Mitgliederversammlung des DSGV im Dezember 2005 zunächst für
sechs Jahre zum neuen Präsidenten.
• Vorgänger Dietrich Hoppenstedt
stand seit 1998 an der Spitze und damit länger als eine Amtszeit.
Haasis hat zwei erwachsene Söhne und ist in zweiter Ehe
verheiratet. GAR
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Zwar wird er als Vertrauter von Baden-Württembergs Regierungschef
Oettinger der erfolgreichen, aber zurückhaltenden LBBW zu mehr
Geltung verhelfen und die selbstbewussten Konkurrenten aus Bayern schon
mal auf die Plätze verweisen. Der Einfluss der
Baden-Württemberger im Sparkassenverband dürfte insgesamt
wachsen, zumal Haasis* Nachfolge in Stuttgart in Person des Biberach er
Ex-Landrats Peter Schneider einer antritt, der so recht nach dem
Geschmack von Heinrich Haasis ist: Bodenständig, rechtschaffen und
schlitzohrig. Der Südwesten, so sehen es viele im Ländle,
kann mit der Personalie endlich seinen überfälligen
Führungsanspruch einlösen.
Gleichzeitig wird der Balinger von seiner operativen Macht abgeben
müssen. Von Stuttgart aus konnte er verdeckt, aber wirkungsvoll
agieren. In Berlin steht Hassis im Rampenlicht. Doch die
Landesverbände __ sind eine vielstimmige Truppe, die es beisammen
zu halten gilt. Das ist etwas anderes als das überschaubare
Einfädeln in der Heimat, wo es schon mal reichte, beim Meeting als
Zeichen guten Willens Wein aus beiden Landesteilen auszuschenken.
Haasis verfügt über hervorragende Verbindungen zur Politik.
Unter den Linden saßen sie dann auch alle: Altkanzler Helmut
Kohl, Oettinger, Baden-Württembergs Finanzminister Gerhard
Stratthaus, sein Bundeskollege Peer Steinbrück von der SPD.
Hessens Ministerpräsident Roland Koch oder Niedersachsens
Regierungschef Christian Wulff. Sie zählt Haasis ebenso zu seinen
Duz-Freunden wie CDU-Fraktionschef Volker Kauder oder Matthias
Wissmann, Vorsitzenden des EU-Ausschusses.
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Wer den Streit sucht, kann ihn auch
bekommen.
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Verbands-Präsident Haasis wird deren Unterstützung brauchen,
will er das Regionalprinzip der deutschen Sparkassenstruktur
verteidigen. Die Politik wisse zu schätzen, dass die Sparkassen
Verantwortung für die Kunden und die Region übernähmen,
zeigte Bundeskanzlerin Merkel zumindest ihre Solidarität. „Der
Inhalt muss auch zum Namen passen", unterstützt sie das Bestreben
des Verbandes für eine exklusive Nutzung des Marken-Namens. Doch
vor der aggressive Konkurrenz durch Online-Banken oder dem Druck der
EU-Kommission, das öffentlich-rechtliche Banken-System in
Deutschland zu beerdigen, wird die Kanzlerin die Sparkassen nicht
dauerhaft schützen können. Zumal auch aus den eigenen Reihen
Angriffe kommen: Saarlands Wirtschaftsminister Hanspeter Georgi (CDU)
hält das Regionalprinzip für „überholt". Die
Landesbanken Hessens und Bayerns engagieren sich als
Internet-Institute.
Haasis muss als Chef des Dachverbandes den Verfall stoppen. „Die
Fliehkräfte sind enorm", formulierte der aus
Baden-Württemberg kommende Vorstandschef der WestLB Thomas
Fischer. Ideen und gute Juristen sind gefragt. Fischer traut Haasis
einiges zu. „König der Realpolitik" nannte er ihn einmal und
verband damit die Hoffnung, dass der Neue auch für den Dachverband
zukunftsweisende Lösungen austüfteln werde. Das
größte Problem tut sich schon bald in der Hauptstadt auf, wo
die Bankgesellschaft Berlin, die zur dortigen Sparkasse gehört,
verkauft werden soll. Erstmals könnte eine Sparkasse dann in
private Hände fallen. Haasis brachte sich bei seiner
Einführung schon mal in Stellung: „Wer den Streit sucht, kann ihn
auch bekommen." Das wäre dann die andere Seite des ruhigen,
bodenständigen Strippenziehers, die freilich nur diejenigen
kennen, die Haasis schon mal „überzeugen" konnte.