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Das lukrative Ehrenamt

Rheinland-Pfalz ließ Nebenjobs von Beamten untersuchen

Von Michael Grabenströer (Mainz)

"Verlängertes Ehrenamt" - allein diese zwei Wörter in ihrer konturlosen Schein-Begrifflichkeit stehen für den ganzen Erfindungs- und Interpretationsreichtum, den Verwaltungsspezialisten aufzubringen im Stande sind, um Sachverhalte zu umnebeln. Das "Ehrenamt", wie kommunale Wahlbeamte in Rheinland-Pfalz es bislang verstehen, bringt zu der Last der "vollen Hingabe", zu der Beamte per se verpflichtet sind, auch die Möglichkeit von attraktiven Nebeneinkünften. Die "Verlängerung" garantiert weiteres Zubrot. 

 "Abführungsfrei", das ist der Vorteil, den ein Ehrenamt verheißt. Und hat sich einer erst in einem solch bezahlten "Ehrenamt" platziert, wie es zum Beispiel die Aufsichtsgremien der öffentlichen-rechtlichen Sparkassen sind, dann ergibt sich daraus die Chance eines "verlängerten Ehrenamts". Wenn zum Beispiel aus diesem Gremium weiter in andere Gremien mit Sitzungsgeldern und Aufwandsentschädigungen entsandt wird - in Versicherungen zum Beispiel, in Brandkassen oder andere Institutionen, die sich wie ein Kranz um manche Politämter ranken. 

 Auf 44 (Neben-)Tätigkeiten, die irgendwie mit dem Hauptamt zusammenhängen, aber keineswegs alle Einkünfte versprechen, brachte es der Landrat im Westerwaldkreis quasi von Amts wegen. Der offenbarte seine Nebeneinnahmen allerdings nicht. Während ein anderer im Süden des Landes den Erlös aus Nebentätigkeiten des Landratspostens durch ein glückliches Zusammentreffen weiterer Ämter auf 130 000 Mark bezifferte. 

 Verwaltungspezialisten durchforsteten jetzt in Rheinland-Pfalz den dämmrigen Dschungel von Nebenjobs und Ehrenämtern, den die Grünen im Landtag ebenso beharrlich wie teilweise vergeblich mit parlamentarischem Instrumentarium seit fast eineinhalb Jahren versucht hatten aufzuhellen. Dabei förderten die hartnäckigen Anfragen der grünen Fraktionsvorsitzenden Ise Thomas immer neue Verwirrungen im Bereich der Nebentätigkeiten zutage. Auch waren Trotzreaktionen von kommunalen Spitzenpolitikern die Folge, die ihre aus dem Amt abgeleiteten Nebenjobs, zum Beispiel in lukrativen Gremien der RWE-Aktiengesellschaft schlicht zur "Privatsache" deklarierten und damit der demokratischen Kontrolle zu entziehen trachteten. 

 Im November 1998 war eine Nebentätigkeits-Kommission unter Vorsitz des emeritierten Speyerer Verwaltungsjuristen Willi Blümel erstmals zusammengetreten. Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) hatte das Gremium berufen, zum einen um Klarheit zu gewinnen, zum anderen aber auch, wie im Landtag spekuliert wurde, um die gefährliche Fragestellung nach Nebenjobs und oft umgangenen Abführungspflichten elegant über den Termin der Kommunalwahlen im Juni 1999 zu hieven. Zudem sollte die Kommission ebenso die Nebentätigkeiten von Ministern und Staatssekretären durchleuchten; denn in Mainz verdienten bisher Minister abführungsfrei dazu. Spitzenreiter waren Finanzminister Gernot Mittler (SPD) und der inzwischen ausgeschiedene Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) mit je 50 000 Mark jährlich. 

 Die Operation scheint gelungen. Klärung und Konsequenz wird nicht mehr nur von den Grünen, sondern auch von der Kommission angemahnt. Dabei stellten die Experten klar: Das "verlängerte Ehrenamt" ist nichts als eine findige Ableitung, zu der sich eine gesetzliche Entsprechung schwerlich entdecken lässt. Außerdem warnten die Kommission-Mitglieder in ihrem Abschlussbericht davor, dass sich "beim Zusammentreffen mehrerer Ehrenämter in Einzelfällen Nebeneinnahmen in unvertretbarer Höhe ergeben". 

 Die Expertenkommission, die manches eher zaghaft formulierte, setzt bei den Ministern und ihren "außeramtlichen" Tätigkeiten an. Die Begrifflichkeit "Nebentätigkeit" wurde für die Minister-Nebenjobs gemieden, weil Minister eben keine Beamten sind und für sie das Beamtenrecht, jedenfalls in dieser Frage, keine Anwendung findet. Minister in Rheinland-Pfalz sollen künftig, folgt der Gesetzgeber den Empfehlungen der Kommission, nicht mehr als 15 000 Mark Aufwandsentschädigung und Sitzungsgelder, die im Einzelfall 300, addiert 3600 Mark nicht überschreiten, hinzuverdienen dürfen. Darunter fallen auch Honorare für schriftstellerische Tätigkeit und Vorträge. Jährlich soll die Landesregierung dem Landtag öffentlich nachvollziehbar Bericht erstatten. 

 "Eine Vereinfachung der verwirrenden Begriffsvielfalt" verlangt die Kommission bei Nebentätigkeiten und Ehrenämtern kommunaler Wahlbeamter und beklagt grundsätzlich die "mangelnde Transparenz". Zum Kern stößt die Kommission auf Seite 27 ihres durchaus knapp gehaltenen 40-seitigen Berichts (inklusive Literatur-, Anfragen- und Rechtsvorschriftenverzeichnis) vor. Dort sprechen die Experten "Maßnahmen zum Abbau des bestehenden Vollzugsdefizits" an. Dazu solle die Genehmigung von Nebentätigkeiten auf die Aufsichtsbehörde festgeschrieben werden. Außerdem hält die Kommission eine "Ablieferungspflicht" auch für die Einkünfte aus "Ehrenämtern" für "diskussionswürdig". 

 Doch da sind die Fronten verhärtet. Parteiübergreifend beschwerten sich die Vertreter der kommunalen Spitzenverbände schon bei Ministerpräsident Kurt Beck über Kommunalminister Walter Zuber (SPD), früher als Landrat und Bürgermeister einer der Ihren. Öffentlich werde der Eindruck erweckt, "bei den kommunalen Wahlbeamten handelte es sich um einen Personenkreis, der sich in einer Grauzone des Rechts und des Anstands zum eigenen materiellen Vorteil vorsätzlich rechtswidrig verhält". Erzürnt reagierten Gemeinde- und Städtebund, Landkreistag und Städtetag auf Zuber, weil er die "Gewährung von Aufwandsentschädigungen für Tätigkeiten, die in Zusammenhang mit dem Hauptamt stehen, als ,Belohnungen und Geschenke' definiert und damit eindeutig in die Nähe der Zahlung von Bestechungsgeldern gerückt" habe. Die Grünen verlangten inzwischen "Schutz für den Innenminister" und forderten die strikte Anwendung der bestehenden Gesetzeslage. Wie Grüne den Innenminister interpretieren, heißt das schon jetzt: Abführung von Nebeneinkünften aus Tätigkeiten, die zum Hauptamt des Bürgermeister oder Landrats gehören. Da dürfe auch rückwirkend die Rechtslage nicht ausgehebelt werden, meint Ise Thomas. 

Copyright © Frankfurter Rundschau 1999
Dokument erstellt am 14.12.1999 um 20.45 Uhr 
Erscheinungsdatum 15.12.1999
 

 

Zur weiteren Informationen zu dieser Thematik kommen Sie zur Abhandlung "Privatisierung fördert und legalisiert Korruption" .Blättern Sie zu den Abschnitten :

9.6. In Nebentätigkeitsverordnungen werden privatisierungsfördernde Bestimmungen eingebracht ( Beispiel NRW )

9.7. Kommunale Hauptverwaltungsbeamte verschweigen deshalb hohe Nebentätigkeitseinnahmen ihren Dienstvorgesetzen ( Beispiel : Kreis Höxter )