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Vor dem Abspann

In der RWE-Affäre von CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer wartet Berlin auf die letzte Folge

VON THOMAS KRÖTER

Bilder. Sie zu inszenieren, gehört zum Job des Generalsekretärs einer Partei. Aber manche Bilder, die entstehen einfach - weil etwas passiert. Und sei's eine Kleinigkeit. Ein Jucken zum Beispiel, zwischen Auge und Nasenwurzel. Unwillkürlich fährt der Zeigefinger an die Stelle. "Klack, klack, klack", schnappen die Objektive der Fotografen. Das Geflacker die Blitzlichter erhellt die Stadthalle von Hamm noch weiter, wo man gerade den Spitzenkandidaten für die Landtagswahl krönt. Schon in dieser Zehntelsekunde weiß Laurenz Meyer, was er geliefert hat: Das Bild zur Story. Unterzeile: "Das ging ins Auge." Ob sie das Dokument löschen könnten, bittet er die Herren der Kameras. Aber er weiß: Werden sie nicht. Denn ein besseres Bild zur Story hätte der oberste Wahlkampfmanager der CDU nicht liefern können.

Wenn es bloß nicht seine Geschichte wäre. Schlimmer: Eine Fortsetzungsgeschichte. Mit Spannung wird jede neue Folge erwartet. Wie viel hat Laurenz Meyer, 56 Jahre alt, Generalsekretär der CDU, von seinem Arbeitgeber bekommen, den Vereinigten Elektrizitätswerken (VEW), für die er seit seinem 27. Lebensjahr tätig war - zusätzlich zu den Bezügen als Generalsekretär der CDU, als Bundestagsabgeordneter, aber auch zuvor, als Vorsitzender der CDU-Fraktion, dann Vizepräsident des nordrhein-westfälischen Landtags? Ende offen? Ende absehbar.

Es ist keine zwei Wochen her, da hat Meyer sich über den Mangel an Einsichtsfähigkeit eines Mannes gewundert, den er gut kennt. Mit dem er sogar das Büro geteilt hat, damals Ende der 90er Jahre in Düsseldorf, als er und Hermann-Josef Arentz noch Vizechefs der Christdemokraten im rheinischen Regionalparlament waren.

"Hejo" hat es hernach zum Vorsitzenden der CDU-Arbeitnehmerschaft gebracht - bis bekannt wurde, dass er weiter ein Jahresgehalt von 60 000 Euro von einer anderen Tochter der Rheinisch-Westfälischen Elektrizitätswerke (RWE) bezog, vor allem aber: Dass er dafür keine Hand zu rühren brauchte. Er räumte "einen Fehler" ein und wollte dennoch wieder ins CDU-Präsidium einziehen. Die Delegierten belehrten ihn eines Besseren. Jetzt ist er alle seine Ämter los. Warum "der Hejo" nicht freiwillig aufgegeben habe, schüttelte Laurenz Meyer damals den Kopf, er habe doch wissen müssen, wie die Dynamik so einer Affäre sich entwickele.

Nicht mal eine Woche drauf entwickelte sich Laurenz Meyers eigene Dynamik. 41 Abgeordnete aus Parlamenten aller Ebenen führe RWE in seinen Gehaltslisten, hatte es am Rande des Parteitags geheißen. Der CDU-Generalsekretär sollte der erste sein, der im Gefolge der Arentz-Affäre geoutet wurde. Er wird der letzte nicht bleiben.

Den neuen RWE-Boss Harry Roels, erst seit 2002 im Amt, stört "der Filz von gestern". Damit "ist Schluss", gab er laut Spiegel als Parole aus und setzte die Truppe der internen Revision in Marsch, auf dass sie das Verhältnis des Konzerns zu "seinen" Politikern beleuchte. Bisher ist dort, unwidersprochenen Meldungen zufolge, sogar per Betriebsvereinbarung geregelt, wie das Unternehmen Mitarbeitern die Differenz zwischen Gehalt und parlamentarischen Bezügen erstattet. Nun soll "ein Verhaltenskodex" her, kündigt Roels ganz offiziell an. Bis Mitte Mai 2005. Ob dieser Meyer dann noch betrifft? Der alte Bürogenosse Arentz verschwand nach den Enthüllungen auch von der CDU-Liste für die Landtagswahl Ende Mai. Der Bundestag, dem Meyer inzwischen angehört, wird erst 2006 gewählt. Aber was ist mit dem Job als Generalsekretär? Dialog mit einem aus Berliner CDU-Kreisen: "Ist der Meyer am Montag noch Generalsekretär? - Glaub' schon. - Und Dienstag? - Woher soll ich das wissen."

Für Dienstag ist im Terminkalender der Parteivorsitzenden bisher eingetragen: Urlaubsbeginn. Ab in die Schweizer Berge sollte es gehen. Die CDU-Gremien sind bereits auf Weihnachten geeicht. Keine Sitzung am Montag in Berlin. Aber es wird telefoniert. Und geSMSst. Angela Merkels Lieblingsmedium. "Jetzt darf nichts mehr nachkommen", heißt es zu Meyer in ihrer Umgebung. Die morgendliche Presselage am Montag - sie könnte über das Schicksal des Generalsekretärs entscheiden.

Am Sonntag hat es schon ziemlich lange gedauert, ehe man eine Meldung der Bild am Sonntag dementierte, der Generalsekretär sei zwar noch nicht geschasst, aber doch "entmachtet". Wirtschaftsexperte Ronald Pofalla sei zu einer Art Vormund bestellt. Angela Merkel ließ die Mittagsstunde verstreichen, ehe die Meldung auf dem Markt war: "Laurenz Meyer ist im Amt." Die Vorsitzende ließ die Worte genau wägen. Sie ist zwar kein Fußballfan, wie die Männermehrheit im politischen Spitzenpersonal. Aber auch sie weiß, dass Treueschwüre zu strauchelnden Trainern in der Regel als Abgesang gelten. Außerdem: Je demonstrativer ihr Bekenntnis zum angeschlagenen Helfer, umso deutlicher hätte sie zu erkennen gegeben, wie ernst die Krise ist.

Wie es intern um ihn steht, weiß Laurenz Meyer seit Donnerstagabend. Da traf sich die Vorsitzende mit ihrem engsten Zirkel (nur Fraktionseinpeitscher Volker Kauder fehlte) in einer Berliner Weinstube. Es dürfe nun wirklich nichts mehr nachkommen, bedeutete sie ihrem ziemlich kleinlauten "General", nachdem Genaueres über seine VEW-Bezüge bekannt geworden war. Sie verdonnerte ihn dazu, am Freitag eine genaue Erklärung über seine Nebenverdienste zu verfassen.

Als affärenerfahrenen Beistand bekam er Pofalla an die Seite. Der frühere Justitiar der Fraktion hat als Anwalt schon Helmut Kohl beraten. Fast einen Tag wurde an dem Text gearbeitet - und dennoch war auch mit Lieferung Nr. Zwei nicht das Ende von Meyers Skandalchronik erreicht. Am Wochenende legte der Spiegel nach mit seinen Bezügen als er im Hauptberuf "nur" Spitzenämter im Düsseldorfer Landtag bekleidete, respektive jener Periode, die er "die Übergangszeit" nennt, nachdem er den neuen Job in Berlin begonnen hatte. Da bezog er drei Gehälter: Die eineinhalbfachen Diäten eines Vizepräsidenten nordrhein-westfälischen Landtags von (umgerechnet) insgesamt fast 7000 Euro, das CDU-Gehalt von 13 000 Euro plus das RWE-Entgelt von fast 60 000 Euro in fünf Monaten, nebst Strom- und Gasrabatt über 1400 Euro pro Jahr.

Es gibt nicht wenige, mindestens in der CDU an Rhein und Ruhr, die das wundert. Schon zu Landtagszeiten galt Meyer als in jeden Hinsicht einnehmendes Wesen. Nur im Rufe besonderen Fleißes stand er nicht. Das hat sich in Berlin geändert. Sein lockeres Mundwerk hat er behalten. Auch von einem lockeren Lebenswandel ist die Rede. Aber geackert hat er, beim Gesundheitskonzept führte er Roman Herzogs Geschäfte. Er war es, der den Kompromiss mit der CSU vorbereitete. In Zeiten, da Bild täglich Auszüge aus dem offiziellen Handbuch des Bundestags über die Nebeneinkünfte der Abgeordneten veröffentlicht, steht der Spitzenmanager einer christlichen Volkspartei aber unter ganz anderem Maßstäben. Die sprichwörtlich guten Nerven der Vorsitzenden sind extrem strapaziert. Meyer ist im Amt, aber mit Gesprächen über Nachfolger hat sie längst begonnen. Auf der Homepage der CDU im Internet, weist das Form "Billigstrom für Laurenz Meyer" übrigens die zweitmeisten Beiträge auf. Nur eine Frage interessiert die christdemokratischen Chatter mehr: "Warum lässt Gott das Böse zu?"

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Dokument erstellt am 19.12.2004 um 17:36:04 Uhr
Erscheinungsdatum 20.12.2004